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BVerfG Beschluss v. - 1 BvR 1493/21

Nichtannahmebeschluss: Fortgeltungsanordnung einer verfassungswidrigen Norm hindert weder verfassungskonforme Auslegung noch Richtervorlage nach Art 100 Abs 1 S 1 GG - hier: erfolglose Verfassungsbeschwerde bzgl der Auslegung und Anwendung der §§ 13a, 13b ErbStG idF vom (hierzu BVerfGE 138, 136) - Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nicht substantiiert dargelegt

Gesetze: Art 3 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, Art 100 Abs 1 S 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 13a ErbStG 2009, § 13b Abs 2 S 2 Nr 1 ErbStG 2009, ErbStRG 2009

Instanzenzug: Az: II R 22/18 Urteilvorgehend Az: 11 K 3401/16 Urteil

Gründe

1Gegenstand der Verfassungsbeschwerde sind ein Feststellungsbescheid für Zwecke der Schenkungsteuer in Gestalt der Einspruchsentscheidung sowie hierzu ergangene gerichtliche Entscheidungen und dabei die Frage, ob begünstigtes Schonvermögen im Sinne der §§ 13a f. des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (Erbschaftsteuerreformgesetz) vom (nachfolgend: ErbStG 2009) vorliegt.

I.

21. Der Onkel der Beschwerdeführer betrieb auf zwei Grundstücken ein Autohaus nebst Tankstelle und Waschstraße. Im Dezember 2000 gründeten die Beschwerdeführer mit ihrem Onkel eine GmbH, die den Geschäftsbetrieb fortführte. Zu diesem Zweck übertrug der Onkel der GmbH sämtliche zum Betriebsvermögen gehörenden beweglichen Wirtschaftsgüter (sogenanntes Umlaufvermögen). Die Beschwerdeführer hielten an der GmbH jeweils etwas weniger als 50 %, der Onkel nur etwa 1% der Stammeinlage. Die Betriebsgrundstücke behielt der Onkel in seinem Eigentum. Er verpachtete diese fortan an die GmbH im Rahmen einer so genannten Betriebsverpachtung im Ganzen. Mit Übergabevertrag aus Juli 2012 übertrug der Onkel im Wege der vorweggenommenen Erbfolge die betrieblich genutzten Grundstücke auf eine zu diesem Zwecke neu gegründete GbR der Beschwerdeführer. In der Folge setzte die GbR die Verpachtung der Grundstücke an die GmbH fort. Das Finanzamt berücksichtigte die übertragenen Grundstücke als nicht begünstigtes Verwaltungsvermögen.

32. Die dagegen gerichtete Klage zum Finanzgericht und die Revision zum Bundesfinanzhof (nachfolgend: BFH) sind erfolglos geblieben. Nach Auffassung des BFH handelt es sich um an Dritte zur Nutzung überlassene Grundstücke, für die keiner der durch § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ErbStG 2009 normierten Fälle dennoch begünstigten Vermögens vorliege. Ob die Norm verfassungskonform sei, sei unerheblich. § 13b ErbStG in dieser Fassung sei durch die Entscheidung des (vgl. BVerfGE 138, 136) bereits für verfassungswidrig erklärt worden und stehe unter einer Weitergeltungsanordnung. Eine erneute Vorlage an das Bundesverfassungsgericht sei daher nicht möglich. Die Norm sei auch nur noch begrenzt einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich.

II.

4Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 3 Abs. 1 GG.

5Im Rahmen der Zustellung haben das Bundesministerium der Justiz, das Ministerium für Justiz und für Migration Baden-Württemberg, das Ministerium für Finanzen Baden-Württemberg und das Finanzamt O. Gelegenheit zur Äußerung erhalten. Eine Stellungnahme abgegeben hat das Bundesministeriums der Finanzen; es hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.

6Die Akten des Ausgangsverfahrens haben dem Bundesverfassungsgericht vorgelegen.

III.

7Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG). Ihr kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 93a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG), und ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), denn die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.

81. Die Beschwerdeführer haben nicht substantiiert dargelegt, in Art. 3 Abs. 1 GG verletzt zu sein, weil die Gerichte eine Rückausnahme des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ErbStG 2009 und damit das Vorliegen begünstigten Schonvermögens verneint haben. Dem Vorbringen der Beschwerdeführer lässt sich nicht hinreichend substantiiert entnehmen, dass die Anwendung von § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ErbStG 2009 in ihrem Fall zu einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung führt.

9Die Beschwerdeführer legen keine Ungleichbehandlung durch § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 ErbStG 2009 von Erwerbern dar, denen zuvor Vermögensgegenstände unmittelbar überlassen wurden, und Erwerbern (wie ihnen), die eine GmbH beherrschen, welcher die Vermögensgegenstände überlassen wurden. Soweit sie vortragen, als Pächterin sei die GmbH nicht Dritte im Sinne dieser Norm, setzen sie sich schon fachrechtlich nicht damit auseinander, dass nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Dritter im Sinne der Norm jede Person sein kann, die nicht mit dem Nutzungsüberlassenden übereinstimmt (vgl. - BStBl. II 2022, 72) und auch bei Übertragung des Betriebsvermögens auf sie selbst die Beschwerdeführer zunächst als Dritte anzusehen gewesen wären.

10Auch eine Ungleichbehandlung bei der Beurteilung des einheitlich durchsetzbaren Betätigungswillens im Sinne des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 lit. a) Alt. 1 ErbStG (Begünstigung im Falle einer Betriebsaufspaltung) haben die Beschwerdeführer nicht ausreichend dargelegt. Sie zeigen schon nicht auf, dass es sich bei (gesellschaftsrechtlich oder gegebenenfalls auch nur faktisch) beherrschenden Personen einerseits und bloß familiär verbundenen und wirtschaftlich voneinander abhängigen Personen andererseits um wesentlich gleiche Gruppen handelt. Die Beschwerdeführer setzen sich insoweit nicht hinreichend mit der gesetzgeberischen Entscheidung auseinander, wonach an die ertragsteuerlichen Grundsätze zur Betriebsaufspaltung anzuknüpfen ist (BT-Drucks 16/7918, S. 36; BT-Drucks 16/11107, S. 11). Diese lassen in der vorliegenden Konstellation nicht auf den erforderlichen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen schließen. Es hätte dargelegt werden müssen, dass und weshalb eine solche Begrenzung verfassungsrechtlich zu kurz greift. Auch tragen die Beschwerdeführer nichts dazu vor, ob in ihrem Fall die familiären Bindungen außergewöhnlich eng gewesen seien und - unabhängig von den gesellschaftsrechtlichen Gegebenheiten - ihr eigener geschäftlicher Betätigungswille ganz in die Hände ihres Onkels gelegt gewesen sei. Schließlich setzen sich die Beschwerdeführer auch nicht genügend damit auseinander, ob eine Ungleichbehandlung gerechtfertigt sein könnte. Denn selbst wenn persönliche Beziehungen so eng sein sollten, dass dies einer Beherrschung gleichkommt, kann vom alleinigen Vorliegen einer familiären Beziehung nicht ohne Weiteres auf einen durchsetzbaren Betätigungswillen geschlossen werden. Daher kann eine Ungleichbehandlung im Hinblick auf den für das Finanzamt im Raum stehenden Ermittlungsaufwand und verbleibende rechtliche Unsicherheiten gerechtfertigt sein.

11Nichts anderes ergibt sich aus einer etwaigen Abhängigkeit des Betriebsunternehmens vom Verpachtungsbetrieb. Diese Abhängigkeit besteht hier nur darin, dass das operative Geschäft der Beschwerdeführer auf die Betriebsgrundstücke des Onkels angewiesen war. Die Beschwerdeführer legen nicht dar, dass ihr Onkel über Einwirkungsmöglichkeiten verfügte, die über typische Regelungen in Miet- und Pachtverträgen hinausgingen und daher eine besondere Abhängigkeit begründeten. Es ergibt sich aus ihrem Vorbringen nicht, dass ihnen selbst ein geschäftlicher Betätigungswille nicht möglich war. Auf das Argument des Bundesfinanzhofs, dass es sich wohl eher um eine gegenseitige Abhängigkeit handelte, gehen sie nicht ein.

12Eine Ungleichbehandlung von Betriebsverpachtungen im Ganzen in § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 lit. b) sublit. aa) und bb) ErbStG bei Rechtsnachfolge von Todes wegen und unter Lebenden ist ebenfalls nicht dargelegt. Selbst wenn § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 lit. a) sublit. aa) ErbStG auch auf den Erwerb infolge Schenkung anzuwenden wäre, wären dennoch die weiteren Voraussetzungen nicht erfüllt, weil die Beschwerdeführer nicht selbst die Pächter waren, sondern nur die Gesellschafter der Pächterin.

13Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, dass der Übergang des Verpachtungsbetriebs auf die den Pächter beherrschenden Gesellschafter dem Übergang des Verpachtungsbetriebs auf den Pächter selbst gleichgestellt sein müsste, haben sie ebenfalls nicht ausreichend dargelegt, dass eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem vorliegt. Rechtlich verfügt eine GmbH als juristische Person über eine eigene Rechtspersönlichkeit und ist daher selbständiges Rechtssubjekt (§ 13 Abs. 1 GmbHG). Sie ist Trägerin von Rechten und Pflichten, hat (eigenes) Vermögen und kann auch als Erbin eingesetzt werden. Ihre Einrichtung hat gesellschaftsrechtliche Konsequenzen (z.B. die beschränkte Haftung der Gesellschafter; § 13 Abs. 2 GmbHG), die die Fälle einer Übertragung von Betriebsvermögen auf Privatpersonen einerseits und auf eine GmbH andererseits als unterschiedliche Fallkonstellationen ausweisen. Dass gleichwohl vergleichbare Fallgruppen vorliegen, wurde nicht dargetan. Auch fehlt es an Vorbringen zur fehlenden verfassungsrechtlichen Rechtfertigung einer etwaigen Ungleichbehandlung.

14Auf eine mögliche Ungleichbehandlung von Betriebsverpachtungen im Ganzen in § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 lit. b) sublit. aa) ErbStG, abhängig davon, ob der Erwerber Erbe oder Vermächtnisnehmer ist, kann es hier nicht ankommen, da die maßgeblichen Grundstücke durch Vertrag unter Lebenden erworben wurden.

152. Infolge der nicht ausreichend substantiierten Begründung eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist auch ein möglicherweise entscheidungserheblicher Verstoß der Finanzgerichte - insbesondere des Bundesfinanzhofs - gegen die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht ausreichend dargelegt.

16Zwar ist die Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs, dass nach einer vom Bundesverfassungsgericht angeordneten Fortgeltung einer für mit der Verfassung unvereinbar erklärten Norm die Gerichte grundsätzlich von einer verfassungskonformen Auslegung entbunden seien und eine Vorlage gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG in solchen Fällen immer ausgeschlossen sei, verfassungsrechtlich bedenklich. Denn die Verfassungsmäßigkeit der Rückausnahmetatbestände zum Verwaltungsvermögen war nicht Gegenstand der verfassungsrechtlichen Prüfung, die zur Feststellung der Unvereinbarkeit der §§ 13a und 13b ErbStG durch (BVerfGE 138, 136 ff.) führte (vgl. zur Möglichkeit einer weiteren verfassungsrechtlichen Überprüfung einer bereits zur Überprüfung gestellten Norm auch BVerfGE 22, 387 <404 ff.>). Darauf kommt es hier jedoch nicht entscheidend an.

17Die Beschwerdeführer rügen insbesondere, dass der Bundesfinanzhof aufgrund der Entscheidung des zu Unrecht von der Prüfung einer verfassungskonformen Auslegung der Rückausnahmeregelungen zur Bestimmung des nicht privilegierten Verwaltungsvermögens abgesehen habe. Eine verfassungskonforme Auslegung setzt jedoch einen Verfassungsverstoß durch die anderen Auslegungen (hier: die tatsächlich erfolgte Auslegung) voraus (vgl. BVerfGE 112, 164 <182 f.> m.w.N.). Dass die durch den Bundesfinanzhof vorgenommene Gesetzesanwendung die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG verletze, weil der Sachverhalt gleichheitswidrig von den Rückausnahmen des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 ErbStG zur Bestimmung des Verwaltungsvermögens bei Nutzungsüberlassung von Grundstücken nicht erfasst werde, haben die Beschwerdeführer jedoch - wie ausgeführt - gerade nicht dargelegt. Damit ist schon die Notwendigkeit einer verfassungskonformen Auslegung nicht schlüssig begründet. Gleiches gilt für das Erfordernis einer erneuten Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG.

18Aufgrund der unzulässigen Rüge einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG fehlt es zugleich auch an der Darlegung des Beruhens der angegriffenen Entscheidungen auf einem Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. dazu BVerfGE 89, 48 <60>).

19Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

20Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:rk20250220.1bvr149321

Fundstelle(n):
IAAAJ-88498