Klatsche für den BFH
BVerfG stärkt Grundrechtsschutz im Steuerrecht
Mit Kammerbeschluss vom hat das BVerfG eine bislang unveröffentlichte Entscheidung des BFH zu einer Nichtzulassungsbeschwerde (NZB) wegen Verstoßes gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG aufgehoben (Az. 1 BvR 2267/23). Die Beschwerdeführerin machte mit ihrer NZB die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO geltend. Sie argumentierte, die 6 %ige Verzinsung von Pensionsrückstellungen gem. § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG. Der BFH wies die Beschwerde jedoch als unbegründet zurück, da es seiner Ansicht nach an einer hinreichenden Substantiierung des Revisionsgrundes fehlte.
Das BVerfG hat diese Entscheidung aufgehoben, da die Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung den Zugang zur Revision unzumutbar erschwerten. Dies hat weitreichende Bedeutung für zahlreiche NZB-Verfahren; denn der BFH hatte in ständiger Rechtsprechung gefordert, bei einer Rüge der Verletzung des Gleichheitssatzes müsse zusätzlich dargelegt werden, dass eine normverwerfende Entscheidung des BVerfG entweder zu einer rückwirkenden Neuregelung des beanstandeten Gesetzes oder zumindest zu einer Übergangsregelung für alle offenen Fälle führen würde. Angesichts der uneinheitlichen Tenorierungspraxis des BVerfG verlangte der BFH damit von den Steuerpflichtigen nahezu hellseherische Fähigkeiten und setzte die Darlegungsanforderungen unangemessen hoch an – obwohl das BVerfG selbst im Rahmen einer Richtervorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG keine derartigen Ausführungen verlangt.
Ein vergleichbares verfassungsrechtliches Problem stellt sich in der ebenfalls beim BVerfG anhängigen Verfassungsbeschwerde zur Frage, ob das Erbschaftsteuergesetz wegen der übermäßigen Begünstigung von Betriebsvermögen gegenüber Privatvermögen verfassungswidrig sei (Az. 1 BvR 804/22). Auch diese Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen eine zurückweisende NZB-Entscheidung des BFH (Az. II B 49/21), weshalb davon auszugehen ist, dass das BVerfG auch diese Entscheidung aufheben und zur erneuten Prüfung an den BFH zurückverweisen wird.
Ein ähnlich gelagertes verfahrensrechtliches Problem besteht zudem im steuerlichen Eilrechtsschutz nach § 69 FGO. Die Senate des BFH sind uneinig, ob es bei verfassungsrechtlichen Streitfragen – etwa zuletzt in zahlreichen AdV-Verfahren bezüglich der Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen – eines besonderen Aussetzungsinteresses bedarf. Diese Frage hat das BVerfG bislang nicht entschieden. Umso bedeutender ist es für den Steuerrechtsschutz, dass die steuerliche Beraterschaft in geeigneten Fällen den Gang nach Karlsruhe nicht scheut. Nur so lassen sich überzogene (Darlegungs-)Anforderungen des BFH zurückdrängen und die Verfahrensrechte der Steuerpflichtigen nachhaltig stärken.
Michael Neuffer
Fundstelle(n):
NWB 2025 Seite 817
LAAAJ-88205