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BGH Urteil v. - 5 StR 528/24

Instanzenzug: LG Berlin I Az: 511 KLs 1/24

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und im Übrigen freigesprochen; zudem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Gegen die Verurteilung richtet sich der Angeklagte mit der Sachrüge, während die Staatsanwaltschaft den Freispruch in den Anklagefällen 2, 5, 8, 10, 12 und 14 mit Verfahrensbeanstandungen und der Rüge der Verletzung materiellen Rechts angreift. Während die Revision der Staatsanwaltschaft Erfolg hat, bleibt diejenige des Angeklagten – nach Abtrennung der Entscheidung über den Einziehungsausspruch gemäß § 422 Satz 1 StPO – im Überprüfungsumfang erfolglos.

I.

21. Nach den Feststellungen des Landgerichts handelte der Angeklagte in Gewinnerzielungsabsicht zwischen dem 11. April und dem mit einem Kryptohandy des Anbieters EncroChat unter dem Namen (Account) „s.       “ wie folgt mit Betäubungsmitteln:

3Am fragte der EncoChat-Nutzer „v.            “ bei ihm an, ob der Angeklagte ihm 10.000 Ecstasy-Tabletten zu je 250 mg verkaufen könne. Nach Rücksprache mit seinem Lieferanten bot er dem Nutzer „v.             “ daraufhin 10.000 Tabletten zu je 240 mg mit einer Wirkstoffmenge von insgesamt 720 g MDMA zu einem Preis von mindestens 0,50 Euro pro Tablette an. Zum Abschluss des Betäubungsmittelgeschäfts kam es nicht, weil „v.          “ der Preis zu hoch war.

4Zwischen dem 27. und bot der Angeklagte den EncroChat-Nutzern „j.            “ und „m.            “ in B.          1 kg Kokain mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 784 g Kokainhydrochlorid (KHC) für jeweils 31.000 Euro an. Dem Angeklagten war dieses Kilo zuvor zum Ankauf angeboten worden. Zum Abschluss des Betäubungsmittelgeschäfts kam es nicht, weil beide Abnehmer nicht an einem Kauf interessiert waren.

5Am bot der Angeklagte, der am nächsten Tag eine Lieferung von Kokain im Kilobereich erwartete, dem EncroChat-Nutzer „a.         “ in B.         1 kg Kokain mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 784 g KHC für 30.000 Euro zum Kauf an. Ein Abschluss des Betäubungsmittelgeschäfts konnte nicht festgestellt werden. Am hielt der Angeklagte aus der Lieferung vom Vortag noch 1,5 kg Kokain mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 1,176 kg KHC zum gewinnbringenden Verkauf vorrätig.

6Diesen Feststellungen liegen ein Geständnis des Angeklagten, eine Schätzung des Wirkstoffgehalts der gehandelten Drogen und Chat-Inhalte zugrunde; zudem wurde der Angeklagte als Nutzer des genannten EncroChat-Accounts identifiziert. Die Einziehungsentscheidung hat die Strafkammer auf § 73a StGB gestützt. Beim Angeklagten wurden im Rahmen einer dreieinhalb Jahre nach der letzten Tat durchgeführten Durchsuchung Bargeldbestände in Höhe von 155.510 Euro gefunden. Diese stammen zur Überzeugung der Strafkammer aus anderen als den verfahrensgegenständlichen Straftaten, weil angesichts der Vermögensverhältnisse des Angeklagten ein legaler Erwerb nicht in Betracht komme.

72. Nach der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Berlin vom liegt dem Angeklagten (nach Einstellung gemäß § 154 Abs. 2 StPO hinsichtlich der Fälle 3, 4 und 7 der Anklage) noch zur Last, in den Jahren 2018 bis 2020 in sieben weiteren Fällen mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben, wobei dieser Handel ausschließlich Cannabisprodukte betrifft. Insoweit hat die Strafkammer den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.

8Bei Fall 1 der Anklage (Tatzeit ) – insoweit wird der Freispruch nicht angegriffen – konnte sich das Landgericht zwar davon überzeugen, dass sich tatsächlich etwa 10 kg Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 32,95 g Tetrahydrocannabinol (THC) im Fahrzeug des Angeklagten befunden haben. Es lägen aber keine gesicherten Kenntnisse dazu vor, dass der Angeklagte, der zu dem Tatvorwurf geschwiegen habe, das Fahrzeug zur Tatzeit genutzt habe. Weil keine Spuren des Angeklagten an den Betäubungsmitteln bzw. den Mülltüten, in denen das Marihuana lagerte, gefunden worden seien, sei als konkrete Alternative in Betracht zu ziehen, dass unbekannt gebliebene Dritte das Fahrzeug des Angeklagten zur vorgeworfenen Tatzeit genutzt und die Betäubungsmittel ohne Wissen und Wollen des Angeklagten in das Fahrzeug verbracht hätten.

9Hinsichtlich der von der Revision der Staatsanwaltschaft erfassten Anklagefälle 2, 5, 8, 10, 12 und 14, die den Vorwurf des Handels mit Cannabisprodukten jeweils im Kilobereich zwischen dem 3. April und dem betreffen und zu denen der Angeklagte in der Hauptverhandlung geschwiegen habe, sei der Tatnachweis nicht mit prozessual zulässigen Mitteln zu führen. Alleiniges Beweismittel zum Beleg dieser Tatvorwürfe sei die EncroChat-Kommunikation des Angeklagten mit diversen Lieferanten und Abnehmern der Betäubungsmittel.

Diese sei aber unverwertbar, weil sie ausschließlich den Handel mit Cannabis in nicht geringer Menge nach § 34 Abs. 1 und 3 KCanG betreffe. Hinsichtlich solcher Straftaten sei nach Maßgabe des ) von der Unverwertbarkeit der EncroChat-Daten auszugehen, weil diese Taten nach der Gesetzesänderung durch das Cannabisgesetz vom (BGBl. I Nr. 109) ab dem nicht mehr dem Katalog des § 100b Abs. 2 StPO unterfielen.

II.

10Die Revision des Angeklagten bleibt im Überprüfungsumfang ohne Erfolg; sie zeigt keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler auf.

11Die Feststellungen tragen die Schuldsprüche nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG. Denn es handelte sich jeweils um verbindliche und ernsthafte Verkaufsangebote und damit um „Handeltreiben“ im Sinne des Straftatbestandes (vgl. , NStZ 2021, 53 mwN). Rechtsfehler bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten sind nicht ersichtlich.

12Soweit das Verfahren die Einziehungsentscheidung nach § 73a StGB betrifft, hat der Senat es nach § 422 Satz 1 StPO zu gesonderter Entscheidung abgetrennt. Demzufolge bleibt die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels des Angeklagten vorbehalten.

III.

13Die Revision der Staatsanwaltschaft führt mit einer Verfahrensrüge zur Aufhebung des Urteils, soweit das Landgericht den Angeklagten – mit Ausnahme des von der Staatsanwaltschaft nicht angegriffenen Fall 1 der Anklage – freigesprochen hat.

141. Das Urteil unterliegt insoweit nicht schon auf die Sachrüge der Aufhebung. Hinsichtlich der auf EncroChat-Daten gestützten Tatvorwürfe aus dem Jahr 2020 gibt es zwar – im Gegensatz zum anders gelagerten Anklagevorwurf 1 (Tatzeit 2018) – keinen auf die Taten bezogenen Feststellungsteil, was einen auf die Sachrüge hin zu beachtenden Fehler darstellen kann (vgl. Rn. 23 mwN). In der Rechtsprechung ist aber anerkannt, dass es Fallgestaltungen gibt, in denen Feststellungen zum eigentlichen Tatgeschehen in Gänze unmöglich sind (vgl. Rn. 24; vom – 5 StR 566/17, BGHSt 63, 107; vom – 5 StR 441/04). Das Landgericht hat insoweit formuliert, dass „alleiniges Beweismittel zum Beleg der Tatvorwürfe“ die EncroChat-Kommunikation des Angeklagten mit Dritten sei. Daraus ergibt sich, dass das Landgericht gemeint hat, wegen Unverwertbarkeit dieser Beweismittel keine zusätzlichen Feststellungen zu den angeklagten Taten treffen zu können.

152. Die zulässige Rüge eines Verstoßes gegen § 261 StPO hat Erfolg.

16a) Die Verfahrensrüge entspricht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Staatsanwaltschaft trägt mit ihrer Revision den Verfahrensgang sowohl hinsichtlich der Einführung der EncroChat-Protokolle in die Hauptverhandlung als auch hinsichtlich der Beweismittelerlangung auf der Grundlage einer Europäischen Ermittlungsanordnung in einer Weise vor, die es dem Senat ermöglicht, auf dieser Grundlage zu prüfen, ob – den Vortrag als zutreffend unterstellt – der gerügte Verfahrensfehler vorliegt (vgl. zu den Anforderungen Rn. 9 mwN).

17b) Die Staatsanwaltschaft beanstandet zu Recht als Verstoß gegen § 261 StPO, dass die Strafkammer in der Hauptverhandlung erhobenes Beweismaterial nicht verwertet hat, obwohl insoweit kein Beweisverwertungsverbot besteht.

18In Fällen wie dem vorliegenden ergibt sich für von Frankreich an Deutschland übermittelte EncroChat-Daten (vgl. zum insoweit identischen Verfahrenssachverhalt , BGHSt 67, 29) kein Beweisverwertungsverbot daraus, dass zur Tatzeit nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG strafbare Taten des Handeltreibens mit Cannabisprodukten in nicht geringer Menge nach Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes zum lediglich nach § 34 Abs. 1 und 3 KCanG strafbar sind, diese Strafvorschrift aber nicht vom Katalog des § 100b Abs. 2 StPO erfasst wird (ebenso HansOLG, Beschluss vom – 1 Ws 32/24; ; OLG Celle, Beschluss vom – 3 Ws 55/24; ; OLG Schleswig, Beschluss vom – 1 Ws 171/24; ; Schubert, DRiZ 2024, 230; ders., jurisPR-Strafrecht 8/2024 Anm. 3; ders. jurisPR-Strafrecht 23/2024 Anm. 1; gegen eine Verwertbarkeit ; OLG Köln, Beschlüsse vom – 2 Ws 589/24; vom – 2 Ws 251/24; ; Oppermann, jurisPR-Strafrecht 22/2024 Anm. 3; Meyer-Mews, HRRS 2024, 191). Dies ergibt sich aus Folgendem:

19aa) Der Senat hat in seiner Grundsatzentscheidung zur Verwertbarkeit von EncroChat-Daten (Beschluss vom – 5 StR 457/21, BGHSt 67, 29) ausgeführt, dass sich die Verwertung der von Frankreich nach seinem Prozessrecht erhobenen und auf der Grundlage einer Europäischen Ermittlungsanordnung nach der Richtlinie 2014/41/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Europäische Ermittlungsanordnung in Strafsachen (ABl. L 130, S. 1, nachfolgend: RL EEA) übermittelten EncroChat-Daten nach deutschem Recht richtet (Rn. 26). Verfassungsgemäße Rechtsgrundlage für die Verwertung in der Hauptverhandlung ist § 261 StPO, im Ermittlungsverfahren § 161 Abs. 1 StPO (Rn. 61, 64 ff.). Eine zur Unverwertbarkeit führende Verletzung völkerrechtlicher Grundsätze beim Beweismitteltransfer oder wesentlicher rechtsstaatlicher Grundsätze im Sinne des nationalen oder europäischen ordre public bei der durch französische Behörden durchgeführten Beweismittelgewinnung liegt nicht vor (Rn. 33 ff.). Ein möglicher Verstoß französischer Behörden gegen die Benachrichtigungspflicht des Art. 31 RL EEA führt bei der gebotenen Abwägung jedenfalls nicht zu einem Beweisverwertungsverbot (Rn. 42 ff.). Eine Prüfung nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. b RL EEA, ob die von Deutschland begehrte Datenübermittlung auch in einem deutschen Fall rechtmäßig wäre, hat der Senat nicht vorgenommen, da diese Vorschrift nach seiner damaligen Auffassung auf den Transfer im Ausland nach dortigem Recht erhobener Beweise nicht anwendbar war (Rn. 47 ff.). Da bei innerstaatlichen Ermittlungen oder im Wege der europäischen Rechtshilfe ersuchten ausländischen Ermittlungsmaßnahmen der – durch Beweisverwertung fortdauernde oder sich vertiefende – Grundrechtseingriff sonst regelmäßig bereits bei der Anordnung der Ermittlungsmaßnahme selbst limitiert werde (etwa Beschränkung auf besonders schwere Straftaten oder Fälle qualifizierten Verdachts), eine solche Beschränkung aufgrund der Rechtsauffassung des Senats aber beim bloßen Beweismitteltransfer nicht geleistet werde, hat der Senat die dadurch möglichen Unterschiede bei den Eingriffsvoraussetzungen auf der Ebene der Beweisverwendung kompensiert und hierfür auf die in strafprozessualen Verwendungsbeschränkungen verkörperten Wertungen zurückgegriffen, mit denen der Gesetzgeber dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz bei vergleichbar eingriffsintensiven Mitteln Rechnung trägt (Rn. 68).

20Hierzu hat der Senat aufgrund des Gewichts der Maßnahme zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – auch um jede denkbare Benachteiligung des Beschuldigten auszuschließen – den Grundgedanken der Verwendungsschranke mit dem höchsten Schutzniveau (§ 100e Abs. 6 StPO) fruchtbar gemacht und anschließend geprüft (Rn. 68 ff.). Dies umfasste – nach Fragen des Kernbereichsschutzes – insbesondere die Prüfung, ob die damals in Rede stehenden Verbrechen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vom Katalog des § 100b Abs. 2 StPO erfasst sind (vgl. § 100b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. b StPO) und auch im Einzelfall schwer wiegen (Rn. 71). Für diese Prüfung hat der Senat auf die Informationslage im Verwendungszeitpunkt abgestellt (Rn. 70). Andere Senate haben sich dieser Entscheidung in der Folge angeschlossen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 489/22; vom – 4 StR 93/22, StV 2023, 442; vom – 4 StR 63/22, NStZ-RR 2022, 286; vom – 4 StR 61/22, StV-S 2022, 130; vom – 3 StR 88/22; vom – 6 StR 55/22).

21bb) Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat in seinem Urteil vom (C-670/22, NJW 2024, 1723) auf Vorlage des Landgerichts Berlin (MMR 2023, 453) zur Thematik Folgendes entschieden:

22(1) Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Buchst. c der RL EEA sind dahin auszulegen, dass eine Europäische Ermittlungsanordnung, die auf die Übermittlung von Beweismitteln gerichtet ist, die sich bereits im Besitz der zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaats befinden, nicht notwendigerweise von einem Richter erlassen werden muss, wenn nach dem Recht des Anordnungsstaats in einem rein innerstaatlichen Verfahren dieses Staates die originäre Erhebung dieser Beweismittel von einem Richter hätte angeordnet werden müssen, ein Staatsanwalt aber dafür zuständig ist, die Übermittlung dieser Beweise anzuordnen.

23(2) Art. 6 Abs. 1 der RL EEA ist dahin auszulegen, dass er es nicht verbietet, dass eine Europäische Ermittlungsanordnung, die auf die Übermittlung von Beweismitteln gerichtet ist, die sich bereits im Besitz der zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaats befinden, von einem Staatsanwalt erlassen wird, wenn diese Beweismittel aufgrund der durch diese Behörden im Hoheitsgebiet des Anordnungsstaats durchgeführten Überwachung des Telekommunikationsverkehrs sämtlicher Nutzer von Mobiltelefonen, die mittels spezieller Software und modifizierter Geräte eine Ende zu Ende verschlüsselte Kommunikation ermöglichen, erlangt wurden, sofern eine solche Anordnung alle Voraussetzungen erfüllt, die gegebenenfalls nach dem Recht des Anordnungsstaats für die Übermittlung solcher Beweismittel bei einem rein innerstaatlichen Sachverhalt vorgesehen sind.

24(3) Art. 31 der RL EEA ist dahin auszulegen, dass eine mit der Infiltration von Endgeräten verbundene Maßnahme zur Abschöpfung von Verkehrs-, Standort- und Kommunikationsdaten eines internetbasierten Kommunikationsdiensts eine „Überwachung des Telekommunikationsverkehrs“ im Sinne dieses Artikels darstellt, von der die Behörde zu unterrichten ist, die von dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich die Zielperson der Überwachung befindet, zu diesem Zweck bestimmt wurde. Sollte der überwachende Mitgliedstaat nicht in der Lage sein, die zuständige Behörde des unterrichteten Mitgliedstaats zu ermitteln, so kann diese Unterrichtung an jede Behörde des unterrichteten Mitgliedstaats gerichtet werden, die der überwachende Mitgliedstaat für geeignet hält.

25(4) Art. 31 der RL EEA ist dahin auszulegen, dass er auch bezweckt, die Rechte der von einer Maßnahme der „Überwachung des Telekommunikationsverkehrs“ im Sinne dieses Artikels betroffenen Nutzer zu schützen.

26(5) Art. 14 Abs. 7 der RL EEA ist dahin auszulegen, dass er dem nationalen Strafgericht gebietet, im Rahmen eines Strafverfahrens gegen eine Person, die im Verdacht steht, Straftaten begangen zu haben, Informationen und Beweismittel unberücksichtigt zu lassen, wenn diese Person nicht in der Lage ist, sachgerecht zu diesen Informationen und Beweismitteln Stellung zu nehmen, und diese geeignet sind, die Würdigung der Tatsachen maßgeblich zu beeinflussen.

27cc) Insbesondere die Auffassung des EuGH zur Anwendbarkeit von Art. 6 Abs. 1 Buchst. b RL EEA unterscheidet sich damit von der Rechtsauffassung des Senats in seiner Grundsatzentscheidung zur Verwertbarkeit von EncroChat-Daten (Beschluss vom – 5 StR 457/21, BGHSt 67, 29). Diese Auslegung ist für den Senat verbindlich (vgl. Art. 267 AEUV).

28(1) Der EuGH hat hierzu im Einzelnen dargelegt, dass nach Art. 6 Abs. 1 und 2 der RL EEA der Erlass einer Europäischen Ermittlungsanordnung an zwei kumulative Bedingungen geknüpft ist, die von der Anordnungsbehörde geprüft werden. Zum einen muss diese Behörde nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. a RL EEA sicherstellen, dass der Erlass der Europäischen Ermittlungsanordnung für die Zwecke der Verfahren nach Art. 4 RL EEA unter Berücksichtigung der Rechte der verdächtigen oder beschuldigten Person notwendig und verhältnismäßig ist. Zum anderen muss nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. b RL EEA die Anordnungsbehörde prüfen, ob die in der Europäischen Ermittlungsanordnung angegebene Ermittlungsmaßnahme in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall unter denselben Bedingungen hätte angeordnet werden können (Rn. 87).

29(2) Die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des Erlasses einer solchen Entscheidung gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. a RL EEA ist allein anhand des Rechts des Anordnungsstaats zu beurteilen (Rn. 88). Sie hängt nicht zwingend vom Vorliegen eines auf konkrete Tatsachen gestützten Verdachts einer schweren Straftat gegen jede betroffene Person zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Europäischen Ermittlungsanordnung ab, wenn sich ein solches Erfordernis nicht aus dem Recht des Anordnungsstaats ergibt (Rn. 89).

30(3) Aus Art. 6 Abs. 1 Buchst. b RL EEA folgt, dass eine auf Übermittlung bereits im Besitz der zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaats befindlichen Beweismittel gerichtete Europäische Ermittlungsanordnung im Anordnungsstaat nur unter der Voraussetzung erlassen werden kann, dass diese Übermittlung in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall unter denselben Bedingungen hätte angeordnet werden können (Rn. 91). Damit macht Art. 6 Abs. 1 Buchst. b RL EEA die Bestimmung der genauen Voraussetzungen für den Erlass einer Europäischen Ermittlungsanordnung allein vom Recht des Anordnungsstaats abhängig (Rn. 92). Daraus folgt, dass eine Anordnungsbehörde, wenn sie Beweismittel erlangen möchte, die sich bereits im Besitz der zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaats befinden, eine Europäische Ermittlungsanordnung davon abhängig machen muss, dass alle im Recht ihres eigenen Mitgliedstaats für einen vergleichbaren innerstaatlichen Fall vorgesehenen Bedingungen erfüllt sind (Rn. 93). Dies bedeutet, dass die Rechtmäßigkeit einer Europäischen Ermittlungsanordnung denselben Bedingungen unterliegt, wie sie gegebenenfalls für die Übermittlung solcher Daten bei einem rein innerstaatlichen Sachverhalt des Anordnungsstaats gelten (Rn. 94).

31Dagegen verlangt Art. 6 Abs. 1 Buchst. b RL EEA in einem Fall wie dem vorliegenden nicht, dass der Erlass einer solchen Europäischen Ermittlungsanordnung denselben materiell-rechtlichen Voraussetzungen unterliegt, wie sie im Anordnungsstaat für die Erhebung dieser Beweise gelten (Rn. 96). Der Umstand, dass im vorliegenden Fall der Vollstreckungsstaat diese Erhebung im Hoheitsgebiet des Anordnungsstaats und im Interesse dieses Staates durchgeführt hat, ist insoweit unerheblich (Rn. 98). Die Anordnungsbehörde ist beim Ersuchen um die Übermittlung von Beweismitteln, die sich bereits im Besitz der zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaats befinden, nicht befugt, die Ordnungsmäßigkeit des gesonderten Verfahrens zu überprüfen, mit dem der Vollstreckungsmitgliedstaat die Beweise, um deren Übermittlung sie ersucht, erhoben hat (Rn. 100).

32dd) Damit verweist Art. 6 Abs. 1 Buchst. b RL EEA auf das nationale Recht. Dies gebietet hier die Prüfung, ob die von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt angeordnete Übermittlung der in Frankreich erlangten EncroChat-Daten in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall zulässig gewesen wäre. Dies ist der Fall.

33(1) Hierzu hat das ), mit dem es die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Senats vom (5 StR 457/21, BGHSt 67, 29) nicht zur Entscheidung angenommen hat, ausgeführt:

34„Zwar beantwortete der EuGH die Frage der Anwendbarkeit des Art. 6 Abs. 1 Buchstabe b RL EEA auf eine EEA zum Transfer von bereits vorliegenden Daten in seinem Urteil vom (M.N. <EncroChat>, C-670/22, EU:C:2024:372, Rn. 91, 106) anders als der Bundesgerichtshof. Der EuGH gelangte zum Ergebnis, dass Art. 6 Abs. 1 Buchstabe b RL EEA auf eine EEA zur Übermittlung von Beweismitteln, die sich bereits im Besitz der zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaats befinden, in der Weise anzuwenden ist, dass diese Übermittlung in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall unter denselben Bedingungen hätte angeordnet werden können. Diese Abweichung stellt das vom Bundesgerichtshof im vorliegenden Fall gefundene Ergebnis aber nicht infrage. Denn auch der Bundesgerichtshof prüfte in der Sache, ob die Datenübermittlung in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall unter denselben Bedingungen hätte erfolgen können, und zieht als innerstaatliche Vergleichsmaßnahme in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eine Online-Durchsuchung nach § 100b StPO heran, deren Erkenntnisse der strafprozessual restriktivsten Verwendungsschranke des § 100e Abs. 6 StPO unterliegen. Auf dieser Grundlage gelangte der Bundesgerichtshof zum Ergebnis, dass die EncroChat-Daten in dem Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer verwendet werden durften. Der Bundesgerichtshof wandte damit das gleiche Prüfungsprogramm an, wie es sich auch aus der vom EuGH geforderten Anwendung des Art. 6 Abs. 1 Buchstabe b RL EEA auf den Datenübertragungsvorgang ergibt. Es ist im Ergebnis unerheblich, dass die Prüfung nicht – wie es der Rechtsauffassung des EuGH entspricht – im Hinblick auf die entsprechende Anwendung von Art. 6 Abs. 1 Buchstabe b RL EEA, sondern – wie vom Bundesgerichtshof praktiziert – aufgrund des unmittelbaren Rückgriffs auf § 100e Abs. 6 StPO erfolgte.“

35(2) Aufgrund der für ihn verbindlichen Entscheidung des EuGH zu den Anforderungen von Art. 6 Abs. 1 Buchst. b RL EEA beim Erlass einer auf die Anforderung bereits vorliegender Daten gerichteten Europäischen Ermittlungsanordnung, ändert der Senat seine Rechtsprechung in diesem Punkt. Er ist daran nicht im Sinne von § 132 Abs. 2 und 3 GVG im Hinblick auf die Entscheidungen anderer Senate gehindert, die sich seiner früheren Rechtsprechung angeschlossen haben (siehe oben). Denn mit dem Urteil des EuGH, in dem dieser eine für die Falllösung des Senats entscheidende Vorschrift des Unionsrechts verbindlich anders ausgelegt hat (vgl. Art. 267 AEUV), sind frühere Entscheidungen insoweit überholt (vgl. , BGHSt 60, 276 Rn. 62 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 132 GVG Rn. 14a; MüKo-StPO/Cierniak/Pohlit, 2. Aufl., § 132 GVG Rn. 8; LR-StPO/Mosbacher, 27. Aufl., § 132 GVG Rn. 41 aE). Die vom Senat in seiner Entscheidung vom erst auf der letzten Stufe der Beweisverwertung in der Hauptverhandlung vorgenommene Verhältnismäßigkeitsprüfung ist nach der Rechtsprechung des EuGH (und des Bundesverfassungsgerichts) zu Art. 6 Abs. 1 Buchst. b RL EEA bereits auf einer früheren Stufe, nämlich beim Erlass einer auf den Beweismitteltransfer gerichteten Europäischen Ermittlungsanordnung, vorzunehmen (vgl. auch , BGHSt 58, 32). Diese Prüfung ergibt, dass die Datenanforderung in einem vergleichbaren innerstaatlichen Fall rechtmäßig gewesen wäre.

36Liegen aufgrund staatlicher Beweiserhebung bereits Beweismittel bei Behörden oder Gerichten vor, kann die Staatsanwaltschaft diese in einem innerdeutschen Fall im Rahmen eines von ihr geführten Ermittlungsverfahrens auf der Rechtsgrundlage von § 161 Abs. 1 StPO anfordern (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 67. Aufl., § 161 Rn. 1, 1e). Dies gilt auch, soweit sich das Verfahren noch gegen Unbekannt richtet, also noch kein spezifischer Verdacht gegen eine konkrete Person besteht (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt aaO § 152 Rn. 5; SSW-StPO/Schnabl, 5. Aufl., § 152 Rn. 10). Abzustellen ist auf die Verdachtslage im Anordnungszeitpunkt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler aaO § 161 Rn. 18c; MüKo-StPO/Singelnstein, 2. Aufl., § 479 Rn. 39 mwN), wobei die in Rede stehenden Daten Berücksichtigung finden können (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 457/21, BGHSt 67, 29 Rn. 70; vom – 4 StR 93/22, StV 2023, 442). Wie der Senat bereits ausgeführt hat, ergab sich aus dem bekannt gewordenen Geschäftsmodell des Anbieters EncroChat, dass letztlich jeden Nutzer erhebliche konkrete Verdachtsmomente hinsichtlich der Begehung schwerwiegender Straftaten trafen (, BGHSt 67, 29 Rn. 56 f.).

37Verwendungsbeschränkungen wie § 161 Abs. 3, § 479 Abs. 2 und § 100e Abs. 6 StPO können auch schon für die Entscheidung über eine Datenanforderung mit dem Ziel der Zweckumwidmung Relevanz haben (vgl. Rn. 85; KK-StPO/Gieg, 9. Aufl., § 479 Rn. 3). Zwar sind diese Vorschriften nicht direkt anwendbar, weil es sich bei der von Frankreich in eigener Kompetenz durchgeführten Ermittlungsmaßnahme nicht um eine solche nach deutschem Recht handelt und sie angesichts unterschiedlicher verfassungsrechtlicher und strafprozessualer Regelungen auch keine direkte Entsprechung im deutschen Prozessrecht hat (vgl. , BGHSt 67, 29 Rn. 73 ff.). Im vorliegenden Fall macht der Senat aber, wie bislang auf der Ebene der Beweisverwendung in der Hauptverhandlung geprüft (vgl. BGH aaO Rn. 68), zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. , StV 2023, 442) diejenige Verwendungsbeschränkung im Rahmen der Prüfung von Art. 6 Abs. 1 Buchst. b RL EEA fruchtbar, die dem Gewicht der ausländischen Ermittlungsmaßnahme am ehesten gerecht wird und – auch um jede denkbare Benachteiligung auszuschließen – das höchste Schutzniveau (§ 100e Abs. 6 StPO) ausweist (vgl. hierzu auch Rn. 85).

38Die auf Beweismittelanforderung und -transfer bezogene Prüfung nach dem Grundgedanken des § 100e Abs. 6 StPO ergibt, dass in Fällen, die zu dem Zeitpunkt der Europäischen Ermittlungsanordnung als Verbrechen nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG strafbar waren, heute aber lediglich § 34 Abs. 1 und 3 KCanG unterfallen, die Informationsübermittlung auf der Grundlage der erlassenen Europäischen Ermittlungsanordnung rechtmäßig war. Denn abzustellen ist dabei auf den Rechtszustand zum Zeitpunkt der Datenanforderung und -übermittlung (vgl. MüKo-StPO/Singelnstein, 2. Aufl., § 479 Rn. 39; KK-StPO/Gieg, 9. Aufl., § 479 Rn. 3, jeweils mwN). Zum damaligen Zeitpunkt war das KCanG noch nicht in Kraft, so dass die Daten wegen des Verdachts einer von § 100b Abs. 2 StPO erfassten Straftat (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) angefordert und übermittelt wurden. Verstöße gegen den Kernbereichsschutz sind im vorliegenden Fall ebenso wenig ersichtlich wie in dem Fall, der der Entscheidung des Senats vom (5 StR 457/21, BGHSt 67, 29) zugrunde lag.

39ee) Der EuGH hat Art. 6 Abs. 1 Buchst. b RL EEA verbindlich dahingehend ausgelegt, dass dieser für die rechtlichen Anforderungen an den Erlass einer Europäischen Ermittlungsanordnung, die auf die Erlangung von Beweismitteln gerichtet ist, die sich bereits im Besitz der zuständigen Behörden des Vollstreckungsstaats befinden, auf das nationale Recht verweist. Wie die demnach hier rechtmäßig erlangten Daten im weiteren Verlauf des deutschen Strafverfahrens verwertet werden dürfen, bleibt dem nationalen Recht vorbehalten. In der Rechtsprechung ist dabei anerkannt, dass strafprozessual rechtmäßig erlangte und damit rechtmäßig in das konkrete Strafverfahren eingeführte Daten uneingeschränkt als Beweismittel genutzt werden können, auch wenn sich im Laufe der Ermittlungen der zu ermittelnde Sachverhalt letztlich nicht als Katalogstraftat, sondern als anderer Straftatbestand darstellt; dies gilt auch, wenn sie aus einer Ermittlungsmaßnahme außerhalb des Strafprozessrechts stammen (vgl. Rn. 20 mwN, StV 2020, 805; vgl. auch , NJW 1988, 1075; vgl. zu § 100a StPO , NJW 1979, 1370; vom – 3 StR 255/78, BGHSt 28, 122; vom – 1 StR 365/73). Eine Änderung der rechtlichen Bewertung derselben prozessualen Tat hat bei einer rechtmäßigen Datenerhebung oder -übermittlung also nicht ohne Weiteres Auswirkungen auf die Zulässigkeit anschließender Beweisverwertung.

40Zwar liegt in der Beweisverwertung ein fortwirkender eigenständiger Grundrechtseingriff (vgl. , BGHSt 67, 29 Rn. 67 mwN). Die Verhältnismäßigkeit dieses Eingriffs ist aber – wie bei §§ 100a, 100b StPO – regelmäßig schon gewahrt, wenn auf Ebene der Anordnung der Ermittlungsmaßnahme oder des Beweismitteltransfers besondere Anforderungen gestellt werden (vgl. BGH aaO Rn. 68). Zudem stellen Straftaten wie die angeklagten Taten auch nach heutiger Wertung Straftaten von Gewicht dar, da das Regelbeispiel des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG jeweils erfüllt wäre.

41ff) Das durch die Entscheidung des EuGH gebotene Abstellen auf den Zeitpunkt des Erlasses einer Europäischen Ermittlungsanordnung wird auch den Besonderheiten gerecht, die sich im vorliegenden Fall nach § 2 Abs. 3 StGB aus einer möglichen Anwendung von § 34 Abs. 1 und 3 KCanG auf die angeklagten Taten ergeben.

42Der Generalbundesanwalt hat zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Anwendung von § 34 Abs. 1 und 3 KCanG auf die angeklagten Taten nur in Betracht kommt, wenn sich diese Vorschrift bei konkreter Betrachtung im Einzelfall als milder als das Tatzeitrecht erweist (vgl. hierzu Rn. 70, NZWiSt 2024, 187; vom – 5 StR 372/21, BGHSt 67, 130). Würde das Tatgericht vom Strafrahmen des § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG ausgehen, weil das Regelbeispiel des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG erfüllt ist, gleichzeitig aber – etwa weil insbesondere lediglich der Handel mit einer „weichen Droge“ in Rede steht – einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG (Tatzeitrecht) annehmen, wären beide Strafrahmen identisch, so dass es zur Anwendung des Tatzeitrechts und einer Verurteilung nach § 29a BtMG käme (st. Rspr.; vgl. nur mwN). Diese Straftat ist aber von § 100b Abs. 2 Nr. 5 Buchst. b StPO erfasst, weil es in Bezug auf Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz keine Änderung im Katalog des § 100b Abs. 2 StPO gab und der Angeklagte nach dem Anklagevorwurf in den Freispruchfällen damals nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG strafbare Taten begangen haben soll. Selbst wenn der Senat also bei seiner bisherigen Rechtsprechung bliebe und diese dahingehend zu verstehen wäre, dass im Zeitpunkt der Beweisverwertung eine Katalogtat im Sinne von § 100b Abs. 2 StPO nach aktuellem Recht vorliegen müsste, wäre er gezwungen, die angegriffene Entscheidung aufzuheben, weil sie keine Ausführungen zu dem für die Anwendung von § 2 Abs. 3 StGB entscheidenden Strafzumessungsakt enthielte.

43Es ist aber weder sinnvoll noch geboten, die Frage der Zulässigkeit der Beweisverwertung trotz Rechtmäßigkeit der Beweiserlangung von einer solchen, der Schlussberatung vorbehaltenen Strafzumessungsentscheidung abhängig zu machen (vgl. auch , NJW 1979, 1370; vom – 3 StR 255/78, BGHSt 28, 122, 126). Solches folgt auch nicht aus dem Sinn und Zweck des Meistbegünstigungsprinzips (§ 2 Abs. 3 StGB). Dieses soll bei materiell-rechtlichen Änderungen zwischen Tatbegehung und Urteil verhindern, dass der Täter noch aus einem Tatbestand verurteilt wird, den der Gesetzgeber selbst nicht mehr für angemessen hält, also dem Wandel der Rechtsanschauungen Rechnung tragen (vgl. RG, Urteil vom 15. Januar 1891 – 3485/90, RGSt 21, 294 f.; , BGHSt 42, 113, 119 f.; LK/Dannecker/Schuhr, StGB, 13. Aufl., § 2 Rn. 61 f.). Derartige Änderungen der materiell-rechtlichen Bewertung lassen die Rechtmäßigkeit während der Geltung des früheren Rechtszustandes zutreffend angewandten Prozessrechts unberührt (vgl. zur Unanwendbarkeit des Meistbegünstigungsprinzips auf das Prozessrecht auch , BGHSt 22, 321).

44c) Auf dem Verstoß gegen § 261 StPO beruht (§ 337 Abs. 1 StPO) das Urteil, soweit der Angeklagte in den Anklagefällen 2, 5, 8, 10, 12 und 14 freigesprochen worden ist. Denn insoweit hat sich das Landgericht an Feststellungen gehindert gesehen, weil es zu Unrecht von einem Beweisverwertungsverbot aufgrund der Rechtsänderungen durch das Cannabisgesetz ausgegangen ist. Dass hinsichtlich der in die Hauptverhandlung eingeführten EncroChat-Daten ein Beweisverwertungsverbot aus anderen Gründen bestünde, ist für den Senat nicht ersichtlich (vgl. hierzu näher , BGHSt 67, 29; ).

45d) Zu den angegriffenen Freispruchsfällen etwa getroffene Feststellungen unterliegen ebenfalls der Aufhebung, zumal da der Angeklagte sie mangels Beschwer nicht angreifen konnte.

Cirener                        Mosbacher                        Köhler

             von Häfen                           Werner

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:300125U5STR528.24.0

Fundstelle(n):
SAAAJ-88191