Leitsatz
Die von einer Bank für eine Vielzahl von Giroverträgen verwendete Klausel zu einem "Verwahrentgelt"
"Verwahrentgelt für Guthaben ab 5.000,01 €
(Freibetrag 5.000 €)* - 0,70 % p.a.
*Das Verwahrentgelt auf allen Privatgirokonten, die ab dem neu eröffnet werden, beträgt ab einer Einlagenhöhe von 5.000,01 € 0,70 % p.a. (Freibetrag 5.000,00 €). Die gleiche Regelung gilt für Kontomodellwechsel ab ."
unterliegt keiner richterlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Sie verstößt aber gegen das Transparenzgebot und ist im Verkehr mit Verbrauchern gemäß § 307 Abs. 3 Satz 2, Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB unwirksam.
Gesetze: § 307 Abs 1 S 1 BGB, § 307 Abs 1 S 2 BGB, § 307 Abs 3 S 1 BGB, § 307 Abs 3 S 2 BGB
Instanzenzug: OLG Dresden Az: 8 U 1389/21 Urteilvorgehend Az: 05 O 640/20 Urteil
Tatbestand
1Der Kläger, ein eingetragener Verein, nimmt nach seiner Satzung Verbraucherinteressen wahr und ist als qualifizierte Einrichtung gemäß § 4 UKlaG eingetragen. Die beklagte Sparkasse bietet Verbrauchern Giroverträge in unterschiedlichen Gestaltungen an. Bei dem Vertragsmodell " Giro young" sowie den kontoführungsgebührenpflichtigen Vertragsmodellen " Giro komfort", " Giro basis" und " Giro direkt" verwendete die Beklagte im Zeitraum vom 1. bis zum gegenüber Neukunden und gegenüber kontomodellwechselnden Bestandskunden auf ihrer Internetseite folgende Klausel (Anlage K2):
"Verzinsung
Zinssatz für Guthaben (täglich fällige Gelder) 0,00 %
Verwahrentgelt für Guthaben ab 5.000,01 € (Freibetrag 5.000 €)* - 0,70 % p.a.
*Das Verwahrentgelt auf allen Privatgirokonten, die ab dem neu eröffnet werden, beträgt ab einer Einlagenhöhe von 5.000,01 € 0,70 % p.a. (Freibetrag 5.000,00 €). Die gleiche Regelung gilt für Kontomodellwechsel ab ."
2Die Beklagte legte im vorbezeichneten Zeitraum Neukunden und kontomodellwechselnden Bestandskunden nach Beratung bei Vertragsabschluss eine als "Anlage Verwahrentgelt zu Girokonto IBAN (…)" bezeichnete Vereinbarung (Anlage B1) zur Unterschrift vor. In dieser heißt es wie folgt:
"1.1 Soweit das Girokonto ein Guthaben aufweist, verwahrt die Sparkasse dieses Guthaben im Auftrag des Kontoinhabers.
Die Bestimmung des Guthabens erfolgt auf Grundlage des täglich fehlerfrei ermittelten Tagesendsaldos. In den Tagessaldo gehen alle bis zum Ende des jeweiligen Tages entsprechend der Regelung zur Wertstellung valutierten Kontobewegungen ein.
Ab Überschreiten eines Guthabenbetrages von EUR 5.000,00 (Freibetrag) verlangt die Sparkasse für die Verwahrung des den Betrag übersteigenden Guthabens ein Entgelt (Verwahrentgelt) nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen:
1.2 Das Verwahrentgelt ist variabel und wird wie folgt berechnet:
Referenzzinssatz ist der Einlagefazilität.
Er beträgt heute (am: ) -0,5000 % p.a. Er ist veränderlich. Beträgt der Referenzzinssatz weniger als Null, verlangt die Sparkasse ein Verwahrentgelt als Prozentsatz p.a. bezogen auf das den Freibetrag übersteigende Guthaben. Dieser Prozentsatz p.a. bestimmt sich nach der jeweils aktuellen Höhe des Referenzzinssatzes minus 0,2000 Prozentpunkte; dieser Wert wird multipliziert mit -1. Das Verwahrentgelt beträgt heute (am: ) damit 0,7000 % p.a. des über den Freibetrag hinausgehenden Guthabens. Die Höhe des Referenzzinssatzes kann z.B. über die Internetseite: www.bundesbank.de abgefragt werden. Beträgt der Referenzzinssatz Null oder mehr als Null, wird kein Verwahrentgelt erhoben.
1.3 Beträgt der Referenzzinssatz Null oder mehr als Null, kann der Kontoinhaber hieraus keine Ansprüche herleiten; eventuelle vertragliche Zinsansprüche des Kontoinhabers bleiben hiervon unberührt."
3Im vorbezeichneten Zeitraum nahm die Beklagte in ihr Preis-Leistungsverzeichnis und in den Preisaushang (Anlage B2) folgende Klausel auf:
"Die Sparkasse berechnet für alle ab dem neu eröffneten Privatgirokonten ab einer Einlagenhöhe von 5.000,01 EUR ein Verwahrentgelt. Im Fall der Kontoüberziehung kann der Kunde hieraus keine Ansprüche gegen die Sparkasse herleiten. Das Verwahrentgelt ist variabel und wird wie folgt berechnet: Beträgt der Einlagenzins der EZB weniger als 0 %, EZB-Einlagenzins abzgl. 0,20 % multipliziert mit minus 1 (p.a.). Die gleiche Regelung gilt für Kontomodellwechsel ab ."
4Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die in Anlage K2 enthaltene Entgeltklausel. Mit der Unterlassungsklage nach § 1 UKlaG nimmt er die Beklagte in Anspruch, es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern, mit denen ein Zahlungsdiensterahmenvertrag abgeschlossen ist (Bestandskunden) und/oder abgeschlossen wird (Neukunden), die streitgegenständliche oder inhaltsgleiche Bestimmungen in Vertragsbedingungen zu verwenden und/oder sich darauf zu berufen; hilfsweise macht er dieses Unterlassungsbegehren für den Fall geltend, dass zugleich Kontoführungsentgelte verlangt werden (Antrag zu 1a). Weiterhin nimmt er die Beklagte in Anspruch, es zu unterlassen, auf Grundlage der in Anlage K2 enthaltenen Klausel von Verbrauchern Entgelte zu fordern und/oder einzuziehen (Antrag zu 1b), und es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern für das Kontomodell " Giro Young" mit der Angabe "kostenfreie Kontoführung für Schüler, Azubis und Studenten" zu werben, wenn gleichzeitig ein Verwahrentgelt verlangt wird (Antrag zu 1c). Außerdem verlangt er die Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 200 € nebst Prozesszinsen (Antrag zu 2).
5Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich des Antrags zu 1c stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Klageanträge weiter, soweit er damit in den Vorinstanzen erfolglos geblieben ist.
Gründe
6Die Revision des Klägers hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg.
I.
7Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner u.a. in WM 2023, 1262 veröffentlichten Entscheidung - soweit für die Revision von Bedeutung - im Wesentlichen ausgeführt:
8Der gemäß § 1 UKlaG geltend gemachte Unterlassungsanspruch bestehe nicht, da die von der Beklagten verwandte Entgeltklausel nicht gemäß §§ 307 bis 309 BGB unwirksam sei. Die Klausel bepreise eine von der Beklagten gegenüber ihren Kunden erbrachte Hauptleistung aus dem Girovertrag. Sie unterliege daher keiner AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle. Die Klausel sei nicht intransparent, da sie die bepreiste Leistung der Beklagten, mithin die Verwahrung von Guthaben auf dem Girokonto, den Freibetrag, die Berechnung des Entgelts und seine Veränderbarkeit benenne.
II.
9Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand. Die Revision des Klägers hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung des Hauptantrags zu 1a und des Antrags zu 1b bezüglich der Verwendung der Entgeltklausel gegenüber Neukunden und gegenüber kontomodellwechselnden Bestandskunden sowie gegen die Abweisung des Antrags zu 2 richtet. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.
101. Das Berufungsgericht hat den vom Kläger geltend gemachten Anspruch aus §§ 1, 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG auf Unterlassung der weiteren Verwendung der angegriffenen oder inhaltsgleicher Entgeltklauseln rechtsfehlerhaft verneint. Die Klausel unterliegt zwar, wie das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht angenommen hat, keiner AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB. Sie verstößt aber gegen das Transparenzgebot im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 BGB.
11a) Gegenstand der Unterlassungsklage ist ausschließlich die im Klageantrag wiedergegebene Entgeltklausel mit der durch "*" gekennzeichneten Anmerkung.
12Der Klageantrag einer Klage nach § 1 UKlaG muss gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG die beanstandeten Bestimmungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Wortlaut enthalten. Diese Vorgabe dient der zweifelsfreien Festlegung des Streitgegenstands (Senatsurteil vom - XI ZR 260/15, BGHZ 215, 292 Rn. 18 mwN). Aus dem vorliegenden Klageantrag zu 1a, den der Senat als prozessuale Erklärung selbst auslegen kann (Senatsurteil vom - XI ZR 790/16, BGHZ 219, 35 Rn. 25 mwN), ergibt sich unmissverständlich, dass sich der Kläger ausschließlich gegen die im Klageantrag zu 1a ausdrücklich wiedergegebene Klausel wendet. Nur diese ist daher streitgegenständlich.
13Die Berechnungsmethode zur Höhe des Verwahrentgelts, wie sie in Ziffer 1.2 der Anlage B1 sowie in Anlage B2 enthalten ist, ist entgegen der Auffassung der Revision nicht streitgegenständlich, da der Wortlaut dieser Klauseln nicht gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG im Klageantrag wiedergegeben ist (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 260/15, BGHZ 215, 292 Rn. 35). Die Klauseln zur Berechnung des Verwahrentgelts sind auch nicht etwa inhaltsgleich mit der im Klageantrag widergegebenen Entgeltklausel. Denn Ziffer 1.2 der Anlage B1 und Anlage B2 bestimmen ein der Höhe nach variabel ausgestaltetes Verwahrentgelt. Eine solche Variabilität ergibt sich aus der im Wortlaut des Klageantrags wiedergegebenen Klausel indes nicht. Dort ist ausschließlich von einem Entgelt in Höhe von 0,7% p.a. (bzw. - 0,7% p.a.) die Rede.
14Ebenfalls ohne Erfolg beanstandet die Revision, dass in der mit einem "*" gekennzeichneten Anmerkung der Klausel ein Minus-Zeichen vor "0,70 %" fehle. Der Wortlaut der Klausel ergibt sich aus den bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts (§ 559 Abs. 1 Satz 1, § 314 ZPO). Einen Berichtigungsantrag nach § 320 ZPO, der diese Bindungswirkung hätte entfallen lassen können, hat der Kläger nicht gestellt.
15b) Rechtsfehlerfrei ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei der beanstandeten Klausel um eine vorformulierte Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB) handelt. Entgegen der Meinung der Revisionserwiderung liegt nicht lediglich eine bloße "Information" über das Verwahrentgelt vor.
16Der Begriff der Allgemeinen Geschäftsbedingung setzt gemäß § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Vertragsbedingung, das heißt eine Erklärung des Verwenders voraus, die den Vertragsinhalt regeln soll (Senatsurteil vom - XI ZR 154/04, BGHZ 162, 294, 297; , BGHZ 133, 184, 187). Für die Unterscheidung zwischen (verbindlichen) Vertragsbedingungen einerseits und (unverbindlichen) Bitten oder Empfehlungen sowie bloßen Hinweisen ohne eigenständigen Regelungsgehalt andererseits ist auf den Empfängerhorizont abzustellen. Eine Vertragsbedingung liegt danach vor, wenn ein allgemeiner Hinweis nach seinem objektiven Wortlaut bei den Empfängern den Eindruck hervorruft, es solle damit der Inhalt eines vertraglichen oder vorvertraglichen Rechtsverhältnisses bestimmt werden ( aaO, vom - VIII ZR 32/08, BGHZ 179, 319 Rn. 11, vom - VIII ZR 404/12, BGHZ 200, 362 Rn. 23 ff. und vom - XI ZR 290/22, BGHZ 239, 52 Rn. 14).
17Das auf der Internetseite der Beklagten dargestellte Preis- und Leistungsverzeichnis, das auch die streitgegenständliche Klausel über das Verwahrentgelt enthielt, ist zwar eine invitatio ad offerendum. Die Klausel über das Verwahrentgelt vermittelt nach ihrem objektiv eindeutigen Wortlaut bei potentiellen Vertragspartnern aber den Eindruck, dass sie zum Vertragsinhalt werden wird. Sie regelt das Entgelt für die Verwahrung von Geldern auf den von der Beklagten geführten Privatgirokonten und sollte damit nach dem Empfängerhorizont im Fall des Vertragsschlusses eine Zahlungspflicht gegenüber dem Verwender begründen (vgl. OLG Stuttgart, WM 2016, 1340, 1342; Pfeiffer in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 7. Aufl., BGB § 305 Rn. 7; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 84. Aufl., § 305 Rn. 4).
18c) Die Klageanträge zu 1a und zu 1b sind allerdings zu weit gefasst.
19Die Beklagte verwendete die Klausel nur gegenüber Neukunden und kontomodellwechselnden Bestandskunden im Zeitraum vom bis im Sinne des § 1 Abs. 1 UKlaG. Das ergibt sich aus den unangegriffenen tatbestandlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, an die der Senat gebunden ist. Danach legte die Beklagte "Neukunden der Beklagten sowie (durch vertragliche Vereinbarung) kontowechselnden Bestandskunden" jeweils die "Anlage Verwahrentgelt zu Girokonto" zur Unterschrift vor. Soweit der Kläger Unterlassung der Verwendung der Klausel auch gegenüber Bestandskunden der Beklagten beansprucht, die Verbraucher sind und die nicht zu einem anderen von der Beklagten angebotenen Kontomodell gewechselt hatten, sind die Klageanträge zu 1a und zu 1b, die ohne Einschränkung von "Bestandskunden" bzw. von "Verbrauchern" sprechen und daher insoweit zu weit gefasst sind (vgl. Witt in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 13. Aufl., § 8 UKlaG Rn. 11), von vornherein unbegründet.
20d) Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die Klausel über das Verwahrentgelt keiner AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegt. Wie der Senat mit heute verkündetem Urteil in der Sache XI ZR 65/23 (Rn. 22 ff.) entschieden und eingehend begründet hat, stellt auch die hier vorliegende Klausel, die bei der gebotenen objektiven, nicht am Willen der Vertragsparteien zu orientierenden Auslegung, für die in erster Linie ihr Wortlaut maßgebend ist (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 544/21, BGHZ 237, 71 Rn. 18), dahin auszulegen ist, dass mit ihr Einlagen auf von Verbrauchern neu eröffneten Girokonten ab einem Guthaben von 5.000,01 € mit 0,7% p.a. bepreist werden sollen, eine kontrollfreie Preisabrede dar. Sie bepreist die Verwahrung von Guthaben auf Girokonten und damit eine Hauptleistung der Beklagten aus dem Girovertrag.
21e) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts verstößt die beanstandete Klausel allerdings gegen das sich gemäß § 307 Abs. 3 Satz 2 BGB auch auf das Hauptleistungsversprechen erstreckende (, BGHZ 234, 352 Rn. 23) Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
22aa) Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragsgegners auch daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen nach Treu und Glauben, den Regelungsgehalt einer Klausel möglichst klar und überschaubar darzustellen (Senatsurteil vom - XI ZR 355/12, BGHZ 199, 355 Rn. 23). Es dient insbesondere auch dem Schutz vor Klauseln, denen auf Grund ihrer unklaren Formulierung ein Element der Täuschung oder Eignung zur Irreführung des Kunden über seine Rechte oder Pflichten innewohnt. Unrichtige oder irreführende Klauselinhalte sind daher unangemessen, wenn sie den Kunden über die wirkliche Rechtslage zu täuschen vermögen und ihn bei der Wahrnehmung seiner Rechte behindern oder ihm unberechtigte Pflichten abverlangt werden können. Eine Täuschungsabsicht ist nicht erforderlich (vgl. , BGHZ 186, 180 Rn. 43, vom - VIII ZR 162/09, BGHZ 198, 111 Rn. 44 und vom - I ZR 136/14, GRUR 2016, 606 Rn. 19; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 84. Aufl., § 307 Rn. 27; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB, 13. Aufl., § 307 Rn. 342; Pfeiffer in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 7. Aufl., § 307 Rn. 267).
23Nach dem aus dem Transparenzgebot abgeleiteten Bestimmtheitsgebot muss die Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Der Verwender muss die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn kein ungerechtfertigter Beurteilungsspielraum entsteht. Die Beschreibung muss für den anderen Vertragsteil nachprüfbar und darf nicht irreführend sein. Dabei ist auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders im Zeitpunkt des Vertragsschlusses abzustellen (Senatsurteil vom - XI ZR 355/12, BGHZ 199, 355 Rn. 23 mwN und Senatsbeschluss vom - XI ZR 335/17, juris).
24bb) Diesen Anforderungen wird die angegriffene Entgeltklausel, die der Senat selbst auslegen kann (Senatsurteil vom - XI ZR 551/21, BGHZ 235, 102 Rn. 19 mwN), entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht gerecht.
25(1) Die Klausel ist hinsichtlich der Höhe des Verwahrentgelts, das von Verbrauchern gezahlt werden soll, nicht bestimmt genug, so dass Verbraucher ihre mit der Klausel verbundene wirtschaftliche Belastung nicht hinreichend erkennen können.
26Weder die in der Klausel enthaltene Formulierung "Verwahrentgelt für Guthaben ab 5.000,01 € (Freibetrag 5.000 €)" noch die in der durch "*" gekennzeichneten Anmerkung enthaltene Formulierung "Das Verwahrentgelt […] beträgt ab einer Einlagenhöhe von 5.000,01 € 0,7 % p.a. (Freibetrag 5.000,00 €)" lässt hinreichend erkennen, auf welches Guthaben das Verwahrentgelt von 0,7% p.a. berechnet werden soll. Die auf Girokonten bestehenden Guthaben können sich infolge der Verbuchung von Gutschriften und Belastungen innerhalb eines Tages ändern. Die in der Klausel verwendeten Formulierungen lassen offen, welcher konkrete Guthabenstand auf den Girokonten für die Berechnung des Verwahrentgelts von 0,7% p.a. maßgebend sein soll. Unklar ist insbesondere, ob die Berechnung des Verwahrentgelts taggenau erfolgen soll und bis zu welchem Zeitpunkt Tagesumsätze auf den Girokonten bei der Berechnung des maßgebenden Guthabensaldos berücksichtigt werden sollen. Ohne eine entsprechende Klarstellung in der Klausel sind für Kunden die mit dem Verwahrentgelt verbundenen finanziellen Belastungen der Höhe nach weder vorhersehbar noch überprüfbar.
27Entgegen der Meinung der Beklagten wird die insoweit intransparente Klausel auch nicht dadurch klar und verständlich, dass sie nach dem Vortrag der Beklagten nur gegenüber denjenigen Kunden zur Anwendung gekommen sei, mit denen sie zuvor eine Vereinbarung gemäß der Anlage B1 geschlossen habe, die in Ziffer 1.1 den verwahrentgeltpflichtigen Guthabenbetrag näher bezeichne. Bei der Auslegung einer Klausel muss zwar auch der Inhalt anderer, mit der beanstandeten Klausel zu einer Einheit verbundener Formularbedingungen und ihr Zusammenwirken berücksichtigt werden (, BGHZ 116, 1, 4 und vom - XI ZR 246/90, WM 1991, 2055, 2056). Bestimmungen, die in gesonderten Urkunden niedergelegt sind und auf die die beanstandete Formularklausel nicht Bezug nimmt, sind aber grundsätzlich nicht zur Auslegung der Klausel heranzuziehen (, WM 2020, 1840 Rn. 36). Das gilt auch bei der Beurteilung der Transparenz einer AGB-Klausel im Verfahren nach dem Unterlassungsklagengesetz (vgl. Senatsurteil vom , aaO S. 2056 zum Verbandsklageverfahren nach § 13 Abs. 2 AGBG in der bis zum geltenden Fassung, künftig: aF). Sachverhaltsmerkmale, die nicht Bestandteil der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind, bleiben grundsätzlich außer Betracht (Senatsurteil vom , aaO). Auch das sonstige Verhalten des Verwenders vor und bei Vertragsabschluss darf nicht berücksichtigt werden (Senatsurteil vom , aaO). So liegen die Dinge hier. Die angegriffene Entgeltklausel enthält keinerlei Hinweise auf die von der Beklagten als Anlage B1 vorgelegte Vereinbarung. Sie nimmt weder Bezug auf Anlage B1 noch beschreibt sie selbst, wie das mit ihr geltend gemachte Verwahrentgelt der Höhe nach im Einzelnen berechnet werden soll. Dass Kunden bei Abschluss neuer Giroverträge die Anlage B1 unterzeichnet hatten, ist für die Beurteilung der Transparenz der angegriffenen Klausel im Verfahren nach § 1 UKlaG ohne Belang. Eine intransparente Klausel ist ohne Rücksicht auf außerhalb der Klausel gegebene Zusatzinformationen im Verfahren nach § 1 UKlaG uneingeschränkt zu verbieten (vgl. aaO und vom , aaO S. 2056, jeweils zum Verfahren nach § 13 Abs. 2 AGBG aF).
28(2) Die beanstandete Klausel ist weiter deswegen intransparent, weil sie im Preisverzeichnis der Beklagten unter der Rubrik "Verzinsung" positioniert war. Sie verschleiert durch ihre Positionierung die mit ihr für Verbraucher verbundenen finanziellen Belastungen.
29Die Klausel befand sich in einem auf der Internetseite der Beklagten veröffentlichten Preisverzeichnis (Anlage K2). Dort wurden unter der Überschrift "Preise" verschiedene Leistungen im Girovertrag wie etwa "Bargeldauszahlungen und -einzahlungen", "Buchungsposten", "Online-Banking", "Kontoauszüge (pro Auszug)", "Karten (Jahrespreis)", "Kontoüberziehungen" und "Verzinsung" aufgeführt. Um die Einzelheiten jeweils anzusehen, musste der Verbraucher die jeweilige Rubrik per Mausklick öffnen.
30Die angegriffene Klausel konnte unter der Rubrik "Verzinsung" eingesehen werden. Mit dem Begriff "Verzinsung" ist die Gegenleistung für die Zurverfügungstellung eines Geldbetrages gemeint (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 544/21, BGHZ 237, 71 Rn. 56). Ein durchschnittlicher Verbraucher erwartet danach, wenn er sich über die Konditionen eines Girovertrags im Preisverzeichnis unter der Rubrik "Verzinsung" informiert, dass ihm an dieser Stelle mitgeteilt wird, ob und in welcher Höhe der Zahlungsdienstleister für sein Guthaben auf dem Girokonto Zinsen an ihn zahlt. Diese Erwartung stützt sich aus Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers auf die langjährige Praxis von Banken und Sparkassen, Guthaben auf Girokonten zu einem - wenngleich vergleichsweise niedrigen - Zinssatz zu verzinsen. Von einem solchen Verständnis ist auch die Beklagte ausgegangen. Denn sie hatte unter der Rubrik "Verzinsung" zunächst den "Zinssatz für Guthaben (täglich fällige Gelder)" mit "0,00 %" angegeben. Mit einer Regelung über ein Verwahrentgelt, das eine Zahlungspflicht gegenüber dem Zahlungsdienstleister begründet, muss ein durchschnittlicher Verbraucher unter der Rubrik "Verzinsung" demgegenüber nicht rechnen. Die Positionierung der Entgeltklausel unter der mit "Verzinsung" bezeichneten Rubrik im Preisverzeichnis ist daher irreführend und unangemessen, weil sie den Verbraucher über die wirkliche Rechtslage, nämlich über die vom Verwender tatsächlich beabsichtigte Zahlungspflicht des Verbrauchers täuscht.
31(3) Die angegriffene Klausel ist schließlich insoweit intransparent, als sie das laufzeitabhängige Verwahrentgelt in der Klausel zunächst mit "- 0,70 % p.a." und im Widerspruch hierzu in der mit der durch "*" gekennzeichneten Anmerkung ohne Minus-Zeichen mit "0,70 % p.a." angibt. Damit enthält die Klausel sich widersprechende Angaben zur Höhe des Verwahrentgelts. Der durchschnittliche Verbraucher kann angesichts dieser widersprüchlichen Angaben seine mit der Klausel verbundenen wirtschaftlichen Belastungen nicht hinreichend sicher erkennen. Ein Verwahrentgelt in Höhe von "0,70 % p.a." bedeutet aus Sicht eines durchschnittlichen Verbrauchers eine für ihn bestehende Zahlungspflicht. Die Bedeutung eines Verwahrentgelts in Höhe von "- 0,70 % p.a." ist demgegenüber unklar. Denn ein Entgelt ist immer ein positiver Betrag (Becker, WM 2013, 1736, 1738). Das Produkt aus einem negativen Zinssatz und einem Guthabenbetrag von mehr als 5.000 € ergibt allerdings stets einen negativen Betrag, so dass kein Entgelt vorliegt. Angesichts dieses in der Klausel enthaltenen Widerspruchs genügt die Beklagte nicht dem Gebot, die Entgeltabrede so zu gestalten, dass der Verbraucher sie möglichst mühelos und ohne weitere Erläuterungen versteht (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 275/89, BGHZ 112, 115, 117 f.).
32f) Eine Wiederholungsgefahr ist auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts zu bejahen, da die Beklagte die Wirksamkeit der Klausel verteidigt und die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abgelehnt hat (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 309/16, BGHZ 218, 132 Rn. 23; , WM 2002, 1355 f. und vom - IV ZR 201/10, BGHZ 194, 208 Rn. 80).
33Die Androhung von Ordnungsmitteln beruht auf § 890 Abs. 2 ZPO.
34g) Die vom Kläger mit dem Klageantrag zu 1b geltend gemachte Rechtsfolge, der Beklagten die Erhebung eines Entgelts auf der Grundlage der angegriffenen Klausel zu untersagen, ist ebenfalls auszusprechen, wenngleich der Ausspruch nur klarstellende Wirkung hat, da in der Erhebung eines auf die Klausel gestützten Entgelts eine Verwendung liegt (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 214/14, BGHZ 205, 220 Rn. 23), die bereits vom Unterlassungsantrag zu 1a umfasst ist.
352. Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnpauschale findet seine Rechtsgrundlage in § 5 UKlaG i.V.m. § 13 Abs. 1 und 3 UWG und steht der Höhe nach außer Streit. Dass die Abmahnung der Beklagten nur teilweise berechtigt war, steht dem nicht entgegen (vgl. , WRP 2010, 1023, 1029 und vom - I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 Rn. 72). Der Anspruch auf Prozesszinsen ergibt sich aus § 291 BGB.
III.
36Das angefochtene Urteil ist daher gemäß § 562 Abs. 1 ZPO aufzuheben, soweit sich die Revision als begründet erweist. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, kann der Senat gemäß § 563 Abs. 3 ZPO wie aus der Entscheidungsformel ersichtlich in der Sache selbst entscheiden.
Ellenberger Grüneberg Matthias
Derstadt Schild von Spannenberg
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:040225UXIZR61.23.0
Fundstelle(n):
BB 2025 S. 321 Nr. 7
BB 2025 S. 705 Nr. 13
DStR-Aktuell 2025 S. 10 Nr. 7
DStR-Aktuell 2025 S. 12 Nr. 7
NJW 2025 S. 9 Nr. 14
ZIP 2025 S. 4 Nr. 7
GAAAJ-87641