Instanzenzug: Az: 7 Ca 3284/20 Urteilvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht Az: 4 Sa 218/22 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten für die Jahre 2019 bis 2021 über die Vergütung im Zusammenhang mit einer Verlängerung der regelmäßigen Wochenarbeitszeit sowie über Überstundenzuschläge und Wechselschichtzulagen.
2Der Beklagte unterhält einen Rettungsdienst. Zum übernahm er die Rettungswache T mit den Außenwachen B, Be und Tr im Wege eines Betriebsübergangs.
3Der Kläger ist seit dem beim Beklagten als Rettungssanitäter beschäftigt.
4§ 4 seines Dienstvertrags vom lautet auszugsweise:
5Mit Änderung des Dienstvertrags vom 20. Februar/ (im Folgenden Dienstvertrag) vereinbarten die Parteien unter Aufrechterhaltung der übrigen Vertragsbedingungen, dass die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz e.V. Anlage Johanniter (AVR DWBO Anlage Johanniter) in der jeweils gültigen Fassung auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung finden. Die im Streitzeitraum unverändert gebliebenen und für den Rechtsstreit maßgeblichen Regelungen in der Fassung vom lauten:
6Die zwischen dem Regionalverband Leipzig/Nordsachsen und der Mitarbeitervertretung des Regionalverbandes Leipzig/Nordsachsen geschlossene „Dienstvereinbarung zur Verlängerung der täglichen Arbeitszeit gemäß § 11 Abs. 4 AVR DWBO Anlage Johanniter und § 9 Abs. 3 AVR DD“ vom (im Folgenden „Dienstvereinbarung Arbeitszeit“) bestimmt mit Wirkung zum ua.:
7Aufgrund der „Dienstvereinbarung Arbeitszeit“ ordnete der Beklagte für die Mitarbeiter im Rettungsdienst eine auf 48 Wochenstunden verlängerte Arbeitszeit an, die dienstplanmäßig in vier Zwölf-Stunden-Schichten zu erbringen war. Eine Vergütung für die hierdurch über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden hinaus geleisteten Arbeitsstunden (im Folgenden Mehrstunden) erhielten die Mitarbeiter nicht.
8Der Beklagte führt für den Kläger ein Arbeitszeitkonto. Dies war zum Ende der Jahre 2019 und 2020 nicht ausgeglichen.
9Mit Schreiben vom hat der Kläger Vergütung für die über die wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden hinaus geleisteten Mehrstunden sowie Überstundenzuschläge für das Jahr 2019 und mit anwaltlichem Schreiben vom entsprechende künftige Ansprüche sowie Wechselschichtzulagen verlangt.
10Mit seiner mehrfach erweiterten Klage vom hat er geltend gemacht, die Verlängerung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit durch den Beklagten sei unwirksam. Deshalb seien die von ihm erbrachten Mehrstunden zu vergüten, hilfsweise auf dem Arbeitszeitkonto gutzuschreiben. Das Arbeitszeitkonto sei abweichend von den Vorgaben der AVR DWBO Anlage Johanniter aufgrund einer bestehenden betrieblichen Übung bzw. der bei dem vormaligen Betriebsinhaber geltenden „Betriebsvereinbarung über den Schichtbetrieb im Rettungsdienst sowie über die Erfassung von Arbeitszeiten und die Führung von Arbeitszeitkonten“ (im Folgenden „Betriebsvereinbarung über den Schichtbetrieb“) zum 31. Dezember des jeweiligen Kalenderjahres auszugleichen. Die Voraussetzungen für die begehrten Zeitzuschläge und die Wechselschichtzulage seien erfüllt. Die Ansprüche seien nicht nach § 40 AVR DWBO Anlage Johanniter verfallen. Einer monatlichen Geltendmachung habe es nicht bedurft.
11Der Kläger hat zuletzt - soweit für die Revision von Bedeutung - sinngemäß beantragt,
12Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die Verlängerung der Arbeitszeit auf regelmäßig 48 Stunden wöchentlich sei vor dem Hintergrund der „Dienstvereinbarung Arbeitszeit“ wirksam erfolgt. Selbst wenn dies nicht zutreffen sollte, folge hieraus noch kein Vergütungsanspruch des Klägers. Etwaige - angeordnete - Überstunden habe der Kläger nicht ausreichend dargelegt. Folglich stünden ihm auch keine Überstundenzuschläge zu. Ansprüche auf Wechselschichtzulagen bestünden wegen der angefallenen Arbeitsbereitschaft nicht. Jedenfalls seien sie wegen Nichtwahrung der Ausschlussfrist teilweise verfallen.
13Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht das Urteil hinsichtlich der Vergütung von Mehrstunden teilweise abgeändert und im Übrigen die Klage abgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel in der in den Anträgen bezeichneten Höhe weiter. Der Beklagte erstrebt mit seiner Anschlussrevision die vollständige Zurückweisung der Berufung des Klägers.
Gründe
14Die Revision des Klägers und die Anschlussrevision des Beklagten sind zulässig und begründet. Der Senat kann jedoch auf Grundlage der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht selbst beurteilen, in welchem Umfang dem Kläger Vergütung für geleistete Mehrstunden, Überstundenzuschläge und gegebenenfalls Wechselschichtzulagen zustehen. Das angefochtene Urteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
15I. Der Kläger hat dem Grunde nach Anspruch auf Vergütung der im Streitzeitraum dienstplanmäßig über 40 Stunden pro Woche hinausgehenden geleisteten Mehrstunden nach § 611a Abs. 2 BGB iVm. den AVR DWBO Anlage Johanniter. Dem steht weder die „Dienstvereinbarung Arbeitszeit“ noch die Regelung in § 4 Abs. 2 des Dienstvertrags entgegen. Über die Höhe der zustehenden Mehrstundenvergütung kann der Senat allerdings mangels Feststellungen nicht selbst entscheiden.
161. Es kann offenbleiben, ob die „Dienstvereinbarung Arbeitszeit“ wirksam zustande gekommen ist bzw. bereits deshalb keine Grundlage für die Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 48 Stunden sein kann, weil die Außenwache B, in welcher der Kläger eingesetzt ist, nicht in ihren Geltungsbereich fällt. Auch wenn sie auf das Arbeitsverhältnis des Klägers Anwendung findet, ist die auf ihrer Grundlage vom Beklagten angeordnete Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 48 Stunden und die Einführung von vier Zwölf-Stunden-Schichten pro Woche nicht durch die AVR DWBO Anlage Johanniter gedeckt. Dies ergibt die Auslegung von § 11 AVR DWBO Anlage Johanniter (zur Auslegung kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen vgl. zB - Rn. 20 mwN).
17§ 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Satz 1 und 4 sowie Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 1 AVR DWBO Anlage Johanniter enthält die Grundregel für den Umfang der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden. Darüber hinaus sieht die Bestimmung eine durchschnittliche tägliche Arbeitszeit von acht Stunden vor, die grundsätzlich nicht überschritten werden darf. Abweichend davon regelt § 11 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 2 und Unterabs. 2 und 3 AVR DWBO Anlage Johanniter in den einzelnen Unterabsätzen in sich abgeschlossene Modifikationen hinsichtlich Dauer und Verteilung der täglichen und der wöchentlichen Arbeitszeit. Keine dieser Ausnahmebestimmungen lässt das vom Beklagten eingeführte Arbeitszeitmodell mit einer gleichzeitigen Verlängerung der täglichen Arbeitszeit auf zwölf und einer wöchentlichen auf 48 Stunden zu.
18a) Jeder Unterabsatz in § 11 Abs. 4 AVR DWBO Anlage Johanniter enthält nach seinem klaren Wortlaut konkrete Vorgaben, bei deren Vorliegen die tägliche bzw. die wöchentliche Arbeitszeit verlängert werden kann. Danach lässt § 11 Abs. 4 Unterabs. 3 Satz 5 AVR DWBO Anlage Johanniter im Wege einer Dienstvereinbarung zwar die Verlängerung der täglichen Arbeitszeit auf über zehn Stunden zu, sofern in die Arbeitszeit regelmäßig und in erheblichem Umfang Arbeitsbereitschaft fällt. Eine damit verbundene Ausdehnung der wöchentlichen Arbeitszeit sieht die Regelung dagegen nicht vor. Eine Verlängerung der wöchentlichen Arbeitszeit auf durchschnittlich 48 Stunden erlaubt hingegen § 11 Abs. 4 Unterabs. 2 Satz 3 AVR DWBO Anlage Johanniter, wenn durchschnittlich mindestens zwei Stunden Arbeitsbereitschaft täglich anfallen. Allerdings lässt diese Bestimmung nur eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit auf bis zu zehn Stunden und nicht, wie vom Beklagten praktiziert, auf zwölf Stunden zu. Ebenso wenig erlaubt § 11 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 2 AVR DWBO Anlage Johanniter das streitgegenständliche Arbeitszeitmodell. Insoweit darf die wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt von zwölf Monaten zwar 48 Stunden betragen, indes gestattet die Regelung ebenfalls lediglich eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit auf bis zu zehn und nicht auf zwölf Stunden.
19b) Dafür, dass es sich in § 11 Abs. 4 Unterabs. 1 bis 3 AVR DWBO Anlage Johanniter um jeweils eigenständige, in sich abgeschlossene Arbeitszeitgestaltungen handelt, spricht auch der Regelungsaufbau. Jede einzelne Modifikation ist in einem eigenen Unterabsatz geregelt und damit sichtbar von den übrigen Varianten abgesetzt. Die Rückbeziehung in § 11 Abs. 4 Unterabs. 2 Satz 4 AVR DWBO Anlage Johanniter auf „Unterabs. 2 Satz 1“ erfolgt offenkundig ausschließlich für den konkret bezeichneten Fall und ist damit ebenfalls abschließend formuliert.
20c) Dieses bereits in Wortlaut und Systematik angelegte Verständnis wird durch den Sinn und Zweck von § 11 Abs. 4 AVR DWBO Anlage Johanniter bestätigt. Die Bestimmung entspricht - wie die einzelnen tatbestandlichen Anforderungen an eine Verlängerung der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit zeigen - dem Regelungszweck des § 7 ArbZG. Danach sollen den Tarifvertragsparteien bzw. den kirchlichen Regelungsgebern (sh. § 7 Abs. 4 ArbZG) - und unter bestimmten, gesetzlich festgelegten Voraussetzungen auch den Betriebspartnern - im Interesse eines praxisnahen, sachgerechten und effektiven Arbeitszeitschutzes mehr Befugnisse hinsichtlich der Arbeitszeitgestaltung eingeräumt und gleichzeitig der Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer wirksamer gewährleistet werden (BT-Drs. 12/5888 S. 20; vgl. auch 8 C 13.17 - Rn. 16, BVerwGE 162, 83). Den Gesundheitsschutz stellt § 11 Abs. 4 AVR DWBO Anlage Johanniter durch die spezifischen Maßgaben für die einzelnen Arbeitszeitmodelle in jedem einzelnen Unterabsatz sicher, nämlich durch das Erfordernis, Dienstvereinbarungen abzuschließen, und den Anfall von weniger belastender Arbeitsbereitschaft.
21d) Eine Möglichkeit, die einzelnen Regelungen miteinander zu kombinieren, sieht § 11 Abs. 4 AVR DWBO Anlage Johanniter nicht vor. Ebenso wenig lässt die Bestimmung über sie hinausgehende abweichende Arbeitszeitgestaltungen durch den Abschluss entsprechender Dienstvereinbarungen wie der streitgegenständlichen zu.
222. Auch § 4 Abs. 2 Satz 1 des Dienstvertrags steht dem Anspruch des Klägers auf Mehrstundenvergütung nicht entgegen. Die Vereinbarung ist keine individualrechtliche Grundlage für das streitgegenständliche Arbeitszeitmodell.
23a) Bei den Bestimmungen des Dienstvertrags handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen iSv. § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB. Das Landesarbeitsgericht hat hierzu zwar keine Feststellungen getroffen. Allerdings lassen bereits Inhalt und äußeres Erscheinungsbild der formularmäßigen Vertragsgestaltung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen schließen.
24b) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Ansatzpunkt für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten (vgl. zB - Rn. 21; - 5 AZR 9/23 - Rn. 20 ff.).
25c) Danach enthält § 4 Abs. 2 Satz 1 des Dienstvertrags eine deklaratorische Regelung und gestattet dem Beklagten nicht, ein von § 11 Abs. 1 und 4 AVR DWBO Anlage Johanniter unabhängiges Arbeitszeitmodell wie das streitgegenständliche einzuführen.
26aa) Bereits der Wortlaut der Bestimmung lässt nicht erkennen, dass neben einer Verlängerung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf 48 Stunden auch eine Ausweitung der täglichen Arbeitszeit auf zwölf Stunden zulässig sein soll.
27bb) Zieht man die Systematik der vertraglichen Regelungen und das Gesamtbild des Vertrags heran, wird unter Berücksichtigung des Verständnisses der beteiligten Verkehrskreise hinreichend deutlich, dass das Arbeitsverhältnis insgesamt - einschließlich der Arbeitszeit - den AVR DWBO Anlage Johanniter dynamisch unterworfen werden sollte. Dafür spricht auch die Klausel betreffend die Teilzeitbeschäftigten in § 4 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 des Dienstvertrags, die ausdrücklich auf § 11 Abs. 1 Unterabs. 3 AVR DWBO Anlage Johanniter verweist. § 4 Abs. 2 Satz 1 des Dienstvertrags trifft in diesem Regelungskontext damit lediglich eine deklaratorische Bestimmung hinsichtlich der Arbeitszeitregelungen der AVR DWBO Anlage Johanniter.
28(1) Wenn ein Arbeitgeber in einem Formulararbeitsvertag die bei ihm geltenden kirchlichen Arbeitsvertragsrichtlinien mit einer uneingeschränkten Bezugnahmeklausel in das Arbeitsverhältnis einbezieht, wird damit für die beteiligten Verkehrskreise erkennbar, dass das Arbeitsverhältnis umfassend nach diesen Regelungen gestaltet werden soll. Dann bedarf es für die Annahme, mit weiteren Regelungen des Arbeitsvertrags solle eine - konstitutive - Besser- oder Schlechterstellung gegenüber diesen Arbeitsvertragsrichtlinien vereinbart werden, besonderer Anhaltspunkte (für einzelvertraglich in Bezug genommene Tarifverträge vgl. zB - Rn. 19; - 5 AZR 9/23 - Rn. 26 ff. mwN).
29(2) Danach stellt § 4 Abs. 2 Satz 1 des Dienstvertrags mangels besonderer Anhaltspunkte für eine Abweichung von den AVR DWBO Anlage Johanniter keine eigenständige, konstitutive Regelung für das vom Beklagten praktizierte Arbeitszeitmodell dar. Der Dienstvertrag enthält in § 1 Unterabs. 1 eine uneingeschränkte (zeit-)dynamische Bezugnahmeklausel. Die Rechte und Pflichten des Mitarbeiters sollen sich aus der jeweils gültigen Fassung der AVR DWBO Anlage Johanniter ergeben. Diese Bezugnahmeklausel steht am Beginn des Dienstvertrags und ist nicht Bestandteil etwaiger Schlussbestimmungen. Sie verweist also - vorangestellt - auf die Regelungen, nach denen das Arbeitsverhältnis durchgeführt werden soll. Die dynamische Bezugnahmeklausel enthält keine Einschränkungen hinsichtlich ihres Geltungsumfangs. Weder sieht sie nur eine Anwendung der in Bezug genommenen Regelungen „im Übrigen“ vor noch „soweit im Dienstvertrag nichts anderes geregelt ist“. Dies spricht - ersichtlich - für den Willen der Vertragsparteien, ausschließlich und umfassend die AVR DWBO Anlage Johanniter anzuwenden. Belastbare Anhaltspunkte dafür, dass gerade § 4 Abs. 2 Satz 1 des Dienstvertrags konstitutiv gelten sollte und die Arbeitsvertragsrichtlinien insoweit keine Anwendung finden sollten, gibt es nicht.
303. Die vom Kläger im Streitzeitraum dienstplanmäßig geleisteten Mehrstunden sind wie Vollarbeit zu vergüten. Dies gilt auch, soweit Arbeitsbereitschaft angefallen ist.
31a) Die AVR DWBO Anlage Johanniter unterscheiden vergütungsrechtlich nicht zwischen Vollarbeit und Arbeitsbereitschaft. Zwar ist eine unterschiedliche Vergütung grundsätzlich zulässig. Hätte der Regelungsgeber jedoch gewollt, dass Arbeitsbereitschaft gegenüber Vollarbeit geringer vergütet wird, hätte er dies klar und eindeutig zum Ausdruck bringen müssen (vgl. - Rn. 38). Daran fehlt es vorliegend. Etwas anderes folgt auch nicht aus § 11g AVR DWBO Anlage Johanniter. Diese Regelung betrifft allein die Anordnung von Bereitschaftsdienst bzw. Rufbereitschaft. Bei diesen Diensten handelt es sich um Bereitschaftszeiten, die auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der geschuldeten Arbeitszeit zu erbringen sind. Dagegen hat der Beklagte im Streitfall gerade die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit verlängert mit der Begründung, es fielen Arbeitsbereitschaftszeiten an.
32b) Gegen die Vergütung geleisteter Arbeitsbereitschaft wie Vollarbeit spricht auch nicht § 4 Abs. 2 Satz 2 des Dienstvertrags. Die Bestimmung enthält eine überraschende Klausel und ist deshalb nicht Bestandteil des Vertrags geworden.
33aa) Nach § 305c Abs. 1 BGB werden Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, nicht Vertragsbestandteil. Dies setzt objektiv eine ungewöhnliche Regelung voraus, mit der der Arbeitnehmer subjektiv nicht zu rechnen brauchte. Zwischen den durch die Umstände bei Vertragsschluss begründeten Erwartungen und dem tatsächlichen Vertragsinhalt muss ein deutlicher Widerspruch bestehen. So kann der ungewöhnliche äußere Zuschnitt einer Klausel oder ihre Unterbringung an unerwarteter Stelle die Bestimmung zu einer ungewöhnlichen und damit überraschenden Klausel machen. Im Einzelfall kann der Verwender gehalten sein, auf die Regelung besonders hinzuweisen oder sie drucktechnisch hervorzuheben (vgl. zB - Rn. 19 mwN, BAGE 181, 227; - 5 AZR 474/21 - Rn. 12).
34bb) Gemessen an diesen Anforderungen ist die eine zusätzliche Vergütung von Arbeitsbereitschaftszeiten ausschließende Bestimmung in § 4 Abs. 2 Satz 2 des Dienstvertrags überraschend iSd. § 305c Abs. 1 BGB. Die von den Regelungen der AVR DWBO Anlage Johanniter abweichende Klausel (sh. Rn. 31) befindet sich ohne besondere Hervorhebung bzw. eine irgendwie geartete Absetzung - zB durch einen eigenen Unterabsatz - in einem mit „Arbeitszeit“ überschriebenen Paragraphen. Dagegen wird die Vergütung erst im Anschluss an sämtliche, in den §§ 4 bis 6 des Dienstvertrags enthaltenen Arbeitszeitbestimmungen gesondert in § 7 geregelt. Damit befindet sich die Klausel über die Vergütung von Arbeitsbereitschaft an „versteckter Stelle“ im Dienstvertrag. Der Kläger musste vernünftigerweise nicht mit ihr rechnen.
35c) Nach all dem muss der Kläger - entgegen der Auffassung des Beklagten - auch nicht darlegen, in welchem Umfang er im Zusammenhang mit den erbrachten Mehrstunden Vollarbeit oder Arbeitsbereitschaft geleistet hat. Hierin unterscheidet sich der vorliegende Rechtsstreit von der Entscheidung des Senats vom (- 6 AZR 200/23 -) zu Bereitschaftszeiten bei (Schul-)Hausmeistern, auf deren Arbeitsverhältnis die Sonderregelungen für (Schul-)Hausmeister im Abschnitt A des Anhangs zu § 9 TVöD-V Anwendung finden. Diese Tarifnorm sieht im Gegensatz zu den AVR DWBO Anlage Johanniter eine Faktorisierung der entsprechenden Bereitschaftszeiten vor. Aus diesem Grund ist ein (Schul-)Hausmeister - anders als vorliegend der Kläger - gehalten, zur Schlüssigkeit einer Klage auf (Mehrarbeits-)Vergütung vorzutragen, in welchem Umfang bzw. zu welchen Zeiten er Vollarbeit bzw. Bereitschaftszeit erbracht hat ( - Rn. 35).
364. Der Senat kann auf Grundlage der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen nicht selbst entscheiden, in welchem Umfang dem Kläger Mehrstundenvergütung für die Jahre 2019 bis 2021 zusteht. Im fortgesetzten Berufungsverfahren wird deshalb Folgendes zu beachten sein:
37a) Das Landesarbeitsgericht wird - nachdem es den Parteien Gelegenheit zu weiterem Vorbringen und zur Stellungnahme gegeben hat - den Stand des Arbeitszeitkontos zum Ende des jeweiligen Kalenderjahres im Streitzeitraum unter Berücksichtigung der Stundendifferenz zwischen den dienstplanmäßig geleisteten 48 Wochenstunden und der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden zu ermitteln haben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass § 11b Abs. 5 Unterabs. 2 Satz 5 AVR DWBO Anlage Johanniter einer Einbeziehung der vom Kläger aufgrund des streitgegenständlichen Arbeitszeitmodells geleisteten Mehrstunden nicht entgegensteht. Zwar verfallen nach dieser Regelung die Stunden, die die monatliche Soll-Arbeitszeit um mehr als 30 Stunden überschreiten. Dies gilt jedoch nicht, wenn sie wie Überstunden iSv. § 11c Abs. 3 AVR DWBO Anlage Johanniter angeordnet sind. Letzteres ist durch die dienstplanmäßige Einteilung der Mitarbeiter in festgelegte Schichten der Fall. Damit hat der Beklagte die Erbringung von Arbeitsleistung, die über die tatsächliche Soll-Arbeitszeit hinausgeht, im Sinne dieser Bestimmung angeordnet.
38b) Sollte danach der Arbeitszeitsaldo zum 31. Dezember des jeweiligen Jahres ein Guthaben von mehr als 150 Stunden aufweisen, hat der Kläger - soweit in den folgenden vier Monaten kein Freizeitausgleich nach § 11b Abs. 8 Satz 1 AVR DWBO Anlage Johanniter stattgefunden hat - nach Ablauf dieser Frist gemäß § 11b Abs. 8 Satz 2 AVR DWBO Anlage Johanniter Anspruch auf Auszahlung des die Höchstgrenze von 150 Stunden überschreitenden Zeitguthabens. Die Höchstgrenze von 150 Stunden ist zwar für jedes Jahr zu berücksichtigen. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch verkannt, dass ein auf das Folgejahr übergegangenes Zeitguthaben von 150 Stunden bei der Ermittlung des Arbeitszeitsaldos des Folgejahres einzubeziehen ist und die Berechnung für das Folgejahr auf diesem „Start“-Guthaben aufbaut. Ein Abzug dieses Sockelbetrags - wie vom Landesarbeitsgericht vorgenommen - erfolgt nicht.
39c) Soweit sich der Kläger für den Auszahlungsmodus auf eine abweichende betriebliche Übung beruft, hat er die Voraussetzungen für deren Vorliegen nicht substantiiert dargelegt. Hinsichtlich der von ihm in diesem Zusammenhang ebenfalls angeführten „Betriebsvereinbarung über den Schichtbetrieb“ kann offenbleiben, ob diese überhaupt Anwendung findet. Sie bestimmt zwar in § 7 Satz 4 einen zwölfmonatigen Ausgleichszeitraum für Mehr-, Minder- und Überstunden vom 1. Januar bis zum 31. Dezember des Jahres. Darüber hinaus trifft sie diesbezüglich jedoch keine eigenen Regelungen, sondern verweist in § 7 Satz 5 auf die jeweiligen tariflichen Regelungen und die AVR.
40d) Schließlich wird das Landesarbeitsgericht bei der Prüfung, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Ansprüche auf Gutschrift und eine mögliche spätere Auszahlung von Mehrstunden nach § 40 AVR DWBO Anlage Johanniter verfallen sind, folgende Grundsätze zu beachten haben:
41aa) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass die Ausschlussfristenregelung in § 40 AVR DWBO Anlage Johanniter auch auf den Anspruch auf Zeitgutschrift Anwendung findet (vgl. zB - Rn. 30; sh. auch - Rn. 34). Das Arbeitszeitkonto drückt nur in anderer Form den Vergütungsanspruch aus (vgl. etwa - Rn. 21; - 7 AZR 224/15 - Rn. 31 mwN, BAGE 158, 31). Die Notwendigkeit zur Geltendmachung eines auf einem Arbeitszeitkonto ausgewiesenen Anspruchs lebt - sofern nichts Abweichendes geregelt ist - auch nicht erneut auf, wenn sich zB wegen Ablaufs des Ausgleichszeitraums ein Freizeitausgleich in einen Zahlungsanspruch wandelt. Der Zahlungsanspruch ist im Verhältnis zum Zeitguthaben kein neuer Anspruch im Sinne der Ausschlussfrist. Er ersetzt ihn lediglich. Die Geltendmachung der Zeitgutschrift oder der gleichwertigen Zahlung entsprechen einander (vgl. zB - Rn. 20 mwN, BAGE 135, 197). Daraus folgt, dass die Ausschlussfrist hinsichtlich eines Anspruchs auf Auszahlung des Zeitguthabens gewahrt ist, wenn zuvor die Zeitgutschrift ordnungsgemäß im Sinne der Ausschlussfristenregelung verlangt worden ist.
42bb) Die neunmonatige Ausschlussfrist des § 40 Abs. 1 AVR DWBO Anlage Johanniter beginnt - wie § 40 Abs. 2 AVR DWBO Anlage Johanniter zeigt - grundsätzlich mit Fälligkeit des Anspruchs zu laufen. Fällig im Sinne einer Ausschlussfrist ist ein Anspruch regelmäßig erst dann, wenn die Forderung in ihrem Bestand feststellbar ist und vom Gläubiger geltend gemacht werden kann. Dies ist vorliegend der Zeitpunkt der monatlichen Mitteilung über den aktuellen Kontostand nach § 11b Abs. 5 Unterabs. 1 Satz 1 AVR DWBO Anlage Johanniter (vgl. hierzu - Rn. 31 mwN). Nachdem der Kläger diese jeweils erhalten hatte, konnte er fehlende Zeitgutschriften im Streitzeitraum hinreichend deutlich bezeichnen.
43cc) Der Kläger hat mit Schreiben vom seine Ansprüche auf Mehrstundenvergütung geltend gemacht. Das Schreiben entspricht - wovon jedenfalls insoweit auch das Landesarbeitsgericht ersichtlich ausgegangen ist - den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Geltendmachung (zu diesen Anforderungen vgl. zB - Rn. 43 f. mwN). Der Kläger hat den Gegenstand seines Begehrens, nämlich die über die vertraglich vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit hinaus geleisteten Mehrstunden, bezeichnet und eine entsprechende Vergütung für das Jahr 2019 gefordert.
44dd) Einer erneuten Geltendmachung entsprechender künftiger Ansprüche bedurfte es nicht. Zwar setzt eine Geltendmachung grundsätzlich voraus, dass der Anspruch bereits entstanden ist. Eine Besonderheit gilt aber, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage ein Anspruch aus einem bestimmten Sachverhalt hergeleitet werden kann. Dies ist der Fall, wenn - wie vorliegend - ein bestimmter Anspruch jeweils aus einem ständig gleichen Grundtatbestand entsteht. Der mit der Ausschlussfrist verfolgte Zweck, dem Schuldner zeitnah Gewissheit zu verschaffen, mit welchen Ansprüchen er zu rechnen hat, wird durch diese einmalige Geltendmachung erreicht. Für den Beklagten kann kein Zweifel bestehen, was von ihm verlangt wird, und der Kläger darf davon ausgehen, dass er seiner Obliegenheit zur Geltendmachung Genüge getan hat (vgl. zB - Rn. 56 mwN).
45II. Des Weiteren kann der Senat nicht selbst entscheiden, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang dem Kläger Ansprüche auf Überstundenzuschläge nach § 11c Abs. 3 Satz 3 iVm. § 22 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Buchst. a AVR DWBO Anlage Johanniter zustehen. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung durfte der Anspruch nicht abgewiesen werden. Für die Beurteilung bedarf es jedoch weiterer tatsachengerichtlicher Feststellungen. Im fortgesetzten Berufungsverfahren wird deshalb - nachdem die Parteien auch diesbezüglich Gelegenheit zu weiterem Vorbringen und zur Stellungnahme hatten - Folgendes zu beachten sein:
461. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, der Kläger habe keinen Nachweis über geleistete Überstunden iSv. § 11c Abs. 3 Satz 1 AVR DWBO Anlage Johanniter erbracht; ein solcher folge auch nicht aus den vorgelegten Monatsabrechnungen.
47a) Verlangt der Arbeitnehmer Arbeitsvergütung für Überstunden, hat er darzulegen und - im Bestreitensfall - zu beweisen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden zeitlichen Umfang verrichtet hat. Dabei genügt der Arbeitnehmer seiner Darlegungslast, wenn er schriftsätzlich vorträgt, an welchen Tagen er von wann bis wann Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten hat. Mit dem Vortrag, zu bestimmten Zeiten gearbeitet zu haben, behauptet der Arbeitnehmer regelmäßig zugleich, während der genannten Zeiten die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht zu haben. Das ist für die erste Stufe der Darlegung ausreichend. Auf diesen Vortrag muss der Arbeitgeber im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast substantiiert erwidern und im Einzelnen vortragen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen hat und an welchen Tagen der Arbeitnehmer von wann bis wann diesen Weisungen - nicht - nachgekommen ist. Trägt er nichts vor oder lässt er sich nicht substantiiert ein, gelten die vom Arbeitnehmer vorgetragenen Arbeitsstunden gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden (st. Rspr., vgl. zB - Rn. 15 mwN, BAGE 178, 25; - 6 AZR 204/17 - Rn. 32 f.).
48b) Diesen Anforderungen genügt der Sachvortrag des Klägers jedenfalls im ersten Schritt. Er hat - worauf in der Revisionsbegründung hingewiesen wird - monatliche Übersichten dargetan, die erkennen lassen, in welchen Monaten und in welchem Umfang er Überstunden geleistet haben will. Einer weitergehenden Aufschlüsselung nach Zeiten der Vollarbeit bzw. Arbeitsbereitschaft bedurfte es vorliegend nicht (vgl. vorstehend Rn. 30 ff.). Zudem hat er vorgetragen, dass die von ihm geleisteten Überstunden dienstplanmäßig festgelegt waren. Damit hat der Kläger dargelegt, dass sie vom Beklagten veranlasst waren (zu diesem Erfordernis vgl. - Rn. 17 ff. mwN, BAGE 178, 25).
492. Das Landesarbeitsgericht durfte die Klage auf Überstundenzuschläge iSv. § 11c Abs. 3 Satz 3 iVm. § 22 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Buchst. a AVR DWBO Anlage Johanniter auch nicht mit der Begründung abweisen, der Kläger habe die begehrten Zuschläge nicht rechtzeitig monatlich mithilfe einer detaillierten Aufschlüsselung der geleisteten Überstunden geltend gemacht, weshalb sie nach § 40 AVR DWBO Anlage Johanniter verfallen seien.
50a) Im Ausgangspunkt noch zutreffend hat das Landesarbeitsgericht angenommen, dass die Ausschlussfrist für die Überstundenzuschläge monatlich zu laufen beginnt und sich die Zuschläge als Teil der nicht in Monatsbeträgen festgelegten Bezüge gemäß § 23a Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 5 AVR DWBO Anlage Johanniter nach der Arbeitsleistung des Vorvormonats bemessen und deshalb zum 15. des Folgemonats fällig werden (vgl. etwa - Rn. 44).
51b) Allerdings bedarf die ordnungsgemäße Geltendmachung im Streitfall weder einer detaillierten Zusammenstellung der in den jeweiligen Monaten erbrachten Überstunden noch muss sie monatlich erfolgen.
52aa) Ausschlussfristen dienen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit. Der Anspruchsgegner soll sich auf die nach Auffassung des Anspruchstellers noch offene Forderung rechtzeitig einstellen, Beweise sichern und gegebenenfalls Rücklagen bilden können. Er soll vor der Verfolgung von Ansprüchen, mit deren Geltendmachung er nicht rechnet und nicht rechnen muss, geschützt werden (vgl. zB - Rn. 39; - 9 AZR 181/23 - Rn. 23 mwN; - 4 AZR 235/22 - Rn. 42 mwN). Die Geltendmachung erfordert keine Substantiierung, sondern nur eine Spezifizierung des Anspruchs, die der Gegenseite eine Prüfung der gegen sie erhobenen Forderung erlaubt. Der Anspruchsgegner muss ausgehend von seinem Empfängerhorizont erkennen können, um welche Forderung es sich handelt. Die Art des Anspruchs und die Tatsachen, auf die dieser gestützt wird, müssen erkennbar sein. Eine rechtliche Begründung ist jedoch nicht erforderlich. Liegen diese Voraussetzungen vor, ist eine Bezifferung nicht zwingend geboten (st. Rspr., vgl. zB - Rn. 43; - 6 AZR 104/18 - Rn. 33 mwN, BAGE 166, 285).
53bb) Diesen Anforderungen genügt das Geltendmachungsschreiben des Klägers vom auch in Bezug auf die Überstundenzuschläge. Das Schreiben enthält in seinem letzten Satz mit der Formulierung: „Hiermit bitte ich um die Auszahlung der im Jahr 2019 geleisteten Mehrstunden … mit Überstundenzuschlag.“, ein deutliches Erfüllungsverlangen (zu diesem Erfordernis vgl. zB - Rn. 26, BAGE 161, 122; - 6 AZR 700/14 - Rn. 45 mwN, BAGE 154, 118) auch hinsichtlich der Überstundenzuschläge. Der Kläger hat seinen Anspruch zudem hinreichend spezifiziert. Er hat den Zeitraum, für den die Zuschläge gefordert werden, bezeichnet und die Arbeitszeitnachweise sowie das Jahresarbeitszeitkonto für das Jahr 2019 als Grundlage für die erhobenen Daten und die vorgenommenen Berechnungen angeführt. Der Beklagte konnte aufgrund der Angaben des Klägers hinreichend genau erkennen, um welchen Anspruch es sich handeln soll und auf welche Tatsachen dieser gestützt wird. Unschädlich ist, dass der Kläger den Anspruch auf die gesamten von ihm für 2019 errechneten 357 Mehrstunden bezogen hat. Daraus folgt allenfalls, dass er eine zu hohe Forderung geltend gemacht hat. Eine Zuvielforderung lässt eine Geltendmachung aber in der Regel nicht unwirksam werden (vgl. zB - Rn. 35 mwN).
54cc) Der Kläger musste die Überstundenzuschläge nicht jeden Monat erneut gegenüber dem Beklagten verlangen. Auch diese Ansprüche beruhen auf demselben Grundtatbestand (sh. hierzu Rn. 44), den der Kläger in seinem Geltendmachungsschreiben vom genannt hat, mithin auf dem Streit über die Vergütung der über die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit hinaus dienstplanmäßig erbrachten Mehrstunden. Vor diesem Hintergrund musste der Beklagte nach der erstmaligen Geltendmachung damit rechnen, dass sich der Konflikt auch auf in den Folgemonaten geleistete Mehrstunden und Überstundenzuschläge erstrecken würde und konnte sein Verhalten darauf einstellen.
55III. Der Senat kann mangels erforderlicher Feststellungen auch nicht end- entscheiden, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe dem Kläger Wechselschichtzulagen nach § 21 Abs. 1 iVm. § 11e Abs. 2 AVR DWBO Anlage Johanniter zustehen.
561. Ein solcher Anspruch scheitert - entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts - nicht bereits daran, dass der Kläger nicht in allen drei im Klammerzusatz von § 11e Abs. 2 Unterabs. 2 AVR DWBO Anlage Johanniter aufgeführten Schichtarten zur Arbeit eingesetzt war.
57a) Die Begriffe „Wechselschicht“ und „Wechselschichtarbeit“ sind in § 11e Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 und 2 AVR DWBO Anlage Johanniter definiert. Wechselschichtarbeit setzt danach denklogisch zwar sich ablösende Schichten und damit - wie auch § 11e Abs. 3 Unterabs. 2 AVR DWBO Anlage Johanniter zeigt - mindestens ein Zweischichtsystem voraus. Das Erfordernis, dass Wechselschichtarbeit im Sinne der AVR DWBO Anlage Johanniter nur in einem Schichtsystem mit mindestens drei Schichtarten anfallen kann, sieht § 11e Abs. 2 AVR DWBO Anlage Johanniter jedoch nicht vor. Maßgeblich ist allein, dass in dem betreffenden Arbeitsbereich feiertagsunabhängig an allen Kalendertagen ununterbrochen 24 Stunden gearbeitet wird.
58b) Der Anspruch auf eine Wechselschichtzulage setzt nach § 21 Abs. 1 iVm. § 11e Abs. 2 Unterabs. 2 AVR DWBO Anlage Johanniter zudem voraus, dass der betreffende Mitarbeiter selbst tatsächlich Wechselschichtarbeit leistet. Mit der Rezeption des Begriffs „Wechselschichtarbeit“ aus § 11e Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 2 in Unterabs. 2 Satz 4 AVR DWBO Anlage Johanniter hat der Regelungsgeber klar zum Ausdruck gebracht, dass sich die Wendung in Unterabs. 2 Satz 4 auf die tatbestandlichen Voraussetzungen der Wechselschichtarbeit in Unterabs. 1 Satz 2 bezieht. Daraus folgt, dass ein dienstplanmäßiger Einsatz in allen Schichtarten des im konkreten Betrieb bzw. Arbeitsbereich existierenden Schichtsystems erforderlich ist. Dadurch wird ausgeschlossen, dass Arbeitnehmer, die zwar in einem vollkontinuierlichen Schichtsystem arbeiten, selbst aber nicht uneingeschränkt in dessen Ablauf integriert sind, trotz einer geringeren Belastung denselben Ausgleich wie vollständig eingegliederte Arbeitnehmer erhalten. Angesichts dessen enthält der Klammerzusatz in § 11e Abs. 2 Unterabs. 2 AVR DWBO Anlage Johanniter lediglich eine beispielhafte Aufzählung der in Wechselschichtbetrieben typischerweise vorkommenden Schichtarten. Andernfalls könnte in Bereichen, in denen zwar an allen Kalendertagen ununterbrochen 24 Stunden gearbeitet wird, deren Schichtsystem aber - wie im Streitfall - nur zwei Zwölf-Stunden-Schichten vorsieht, keine Wechselschichtarbeit im Regelungssinn geleistet werden mit der Folge, dass die betreffenden Arbeitnehmer auch keinen Anspruch auf eine Wechselschichtzulage hätten. Dem Regelungsgeber der AVR DWBO Anlage Johanniter hätte es zwar freigestanden, eine solche Regelung zu treffen, weil er zB eine Tätigkeit in einem Drei- oder Mehrschichtsystem als belastender ansieht. Allerdings kann ihm vor dem Hintergrund, dass § 11e Abs. 2 AVR DWBO Anlage Johanniter eine entsprechende Einschränkung nicht vorsieht, kein derartiger Regelungswille unterstellt werden. Dazu bedürfte es besonderer Anhaltspunkte in der Regelung. Solche liegen nicht vor.
592. Weiter setzt der Anspruch auf die Wechselschichtzulage nach § 21 Abs. 1 iVm. § 11e Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 AVR DWBO Anlage Johanniter voraus, dass in dem betreffenden Arbeitsbereich ununterbrochen an allen Kalendertagen Vollarbeit geleistet wird. Dieses Erfordernis ist danach nicht erfüllt, wenn in einzelnen Schichten daneben Arbeitsbereitschaft anfällt (§ 11e Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 3 AVR DWBO Anlage Johanniter). Das bedeutet entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts und der vom Kläger vertretenen Auffassung jedoch nicht, dass sich die Bereitschaftszeiten über eine ganze Schicht erstrecken müssen, um das Vorliegen von Wechselschichten auszuschließen. § 11e Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 3 AVR DWBO Anlage Johanniter verlangt nicht, dass „in bestimmten Schichten“ nur Arbeitsbereitschaft oder Bereitschaftsdienst zu leisten ist, sondern lediglich „zu bestimmten Zeiten“. Etwas anderes folgt nicht aus der Verwendung des Wortes „nur“ in § 11e Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 3 AVR DWBO Anlage Johanniter. Denn denkbar ist auch, dass damit lediglich zum Ausdruck gebracht werden soll, dass Arbeitsbereitschaft bzw. Bereitschaftsdienst gegenüber Vollarbeit als ein „Weniger“ im Sinne von „in geringerem Maße belastend“ eingeordnet wird mit der Folge, dass kein Ausgleichsanspruch in Form einer Zulage bestehen soll. Deshalb hätte es für einen Willen des Regelungsgebers, das Wort „nur“ im Sinne von „ausschließlich“ und damit einer Beschränkung auf diese Form der Arbeit zu verstehen, eindeutiger Anhaltspunkte bedurft. Daran fehlt es.
603. Das Landesarbeitsgericht hat - nach seiner Argumentationslinie konsequent - keine Feststellungen dazu getroffen, ob es im Streitzeitraum in den vom Kläger dienstplanmäßig geleisteten Arbeitszeiten Schichtfolgen gab, in denen keine Arbeitsbereitschaft angefallen ist. Dies wird es nachzuholen haben.
614. Hinsichtlich einer Verfristung etwaiger Ansprüche wird zu beachten sein, dass der Kläger die Wechselschichtzulagen - soweit ersichtlich - erstmals mit anwaltlichem Schreiben vom geltend gemacht hat.
62IV. Da der Senat hinsichtlich der Mehrstunden über die als Hauptanträge gestellten Zahlungsanträge nicht endentscheiden kann, steht nicht fest, ob der Hilfsantrag zur Entscheidung anfällt. Deshalb hat der Senat derzeit nicht zu beurteilen, ob der Antrag zulässig ist. Dies wird das Landesarbeitsgericht gegebenenfalls nachzuholen haben.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:211124.U.6AZR18.24.0
Fundstelle(n):
PAAAJ-87194