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PiR Nr. 3 vom Seite 81

Der Wind hat sich gedreht …

WP Dr. Jens Freiberg | Herausgeber | pir-redaktion@nwb.de

Seit dem besteht nun Gewissheit: Für die europäische Nachhaltigkeitsberichterstattung geht es zurück auf Los. Mit dem „Omnibus“ wurden (erste) weitreichende Vorschläge zur Reduzierung der Berichtspflichten vorgelegt. Leider muss man feststellen: Aktuell scheint der Bürokratieabbau eine höhere Bedeutung als der European Green Deal zu gewinnen. Konnte es zunächst nicht genug Berichtspflichten für maximal viele Unternehmen geben, geht es nun mit dem gleichen Eifer in die entgegengesetzte Richtung. Anstatt des bislang bestehenden Rückenwinds erfährt die europäische Nachhaltigkeitsberichterstattung nun einen heftigen Gegenwind.

Der Kreis berichtspflichtiger Unternehmen im Anwendungsbereich der CSRD soll um etwa 80 % reduziert werden. Für die verbleibenden nicht berichtspflichtigen Unternehmen soll die Erstanwendung um zwei Jahre verschoben werden. Zwar soll am Konzept der doppelten Wesentlichkeit festgehalten werden, die Berichtspflichten aber deutlich reduziert und sektorspezifische Anforderungen gänzlich gestrichen werden. Für die Informationen entlang der Wertschöpfungskette wird der VSME-Standard als Obergrenze definiert. Immerhin bleibt es bei der Pflicht zur Prüfung, ein festes Datum für eine Prüfung mit hinreichender Sicherheit ist aber nicht vorgesehen.

Die vollumfänglichen Berichtspflichten der EU-Taxonomie sollen nur noch für große Unternehmen mit durchschnittlich mehr als 1.000 Beschäftigten und einem Nettoumsatz von mehr als 450 Mio. € gelten. Wer bislang nicht zu einer Offenlegung verpflichtet war, kann eine Verschiebung von zwei weiteren Jahren in Anspruch nehmen. Durch Aufnahme einer quantitativen Wesentlichkeit werden die allgemeinen Berichtspflichten reduziert, erwartungsgemäß sollen ca. 70 % (bei Kreditinstituten bis zu 89 %) der Datenpunkte entfallen.

Die bislang noch nicht verpflichtenden Angaben nach der CSDDD zu den Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette für Unternehmen mit im Durchschnitt mehr als 5.000 Beschäftigten sollen zeitlich nach hinten geschoben werden und erstmals ab dem gelten. Dabei ist eine Beschränkung auf direkte (Tier-1-)Geschäftspartner vorgeschlagen. Unternehmen sollen von der Bewertung der Auswirkungen auf der Ebene indirekter Partner befreit werden, es sei denn, es liegen Informationen vor, die auf potenzielle negative Auswirkungen hindeuten. Auch die verpflichtende Beendigung von Geschäftsbeziehungen als letztes Mittel, nachdem alle Due-Diligence-Schritte ausgeschöpft und gescheitert sind, ist vom Tisch. Der Turnus, in dem Geschäftsbeziehungen und die Effektivität der Due-Diligence-Maßnahmen zu bewerten sind, soll von einem Jahr auf fünf Jahre verlängert werden.

Die vorgeschlagenen Änderungen bedingen einen erheblichen Einschnitt in die groß angekündigte und aufgezogene Nachhaltigkeitsberichterstattung der EU und nähren Zweifel an der Ernsthaftigkeit des European Green Deal. Nicht nur für die Unternehmen, insbesondere auch für die Adressaten ergibt sich ein massiver Vertrauensverlust. Es bleibt zu hoffen, dass mit dem entfesselten Orkan nicht alle sinnvollen Bemühungen für ein nachhaltige(re)s Wirtschaften weggepustet werden.

Herzlichst Ihr

Jens Freiberg

Fundstelle(n):
PiR 3/2025 Seite 81
OAAAJ-86717