Nichtannahmebeschluss: Zum Anspruch auf selbstbestimmtes Sterben im Strafvollzug - hier: Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde eines Strafgefangenen bei mangelnder Konkretisierung seines Sterbewunsches gegenüber JVA und Fachgerichten - zudem unzureichende Substantiierung der Verfassungsbeschwerde
Gesetze: Art 1 Abs 1 GG, Art 2 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 92 BVerfGG, StVollzG
Instanzenzug: Hanseatisches Az: 5 Ws 41/24 Vollz Beschlussvorgehend Az: 633 StVK 109/23 Vollz Beschluss
Gründe
1Der strafgefangene Beschwerdeführer plant einen Suizid und begehrt die Verabreichung eines lebensbeendenden Medikaments durch einen Arzt.
I.
21. Der Beschwerdeführer verbüßt seit dem eine Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten aus dem in der Justizvollzugsanstalt Fuhlsbüttel in Hamburg. Mit dem Strafurteil wurde die Unterbringung des Beschwerdeführers in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
32. Mit Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom , dem kein Antrag gegenüber der Justizvollzugsanstalt vorausgegangen war, begehrte der Beschwerdeführer die Verabreichung eines lebensbeendenden Medikaments durch einen Arzt. Zur Begründung führte er seine - als perspektivlos empfundene - Haftsituation an.
43. Die Justizvollzugsanstalt wertete den gerichtlichen Antrag nach Übersendung durch das Landgericht Hamburg als "Erstantrag" im Verwaltungsverfahren und forderte den Beschwerdeführer zur Konkretisierung seines Begehrens auf. So solle er insbesondere angeben, welches Präparat durch welchen Arzt an welchem Ort verabreicht und wie es beschafft werden solle.
54. Mit Schreiben vom erklärte der Beschwerdeführer, dass zunächst in "Karlsruhe" eine Entscheidung herbeizuführen sein werde, bevor er sich zu diesen Punkten verhalte. Die Inanspruchnahme eines Anstaltsarztes sei jedenfalls nicht beabsichtigt.
65. Mit Bescheid vom lehnte die Justizvollzugsanstalt den Antrag ab. Zur Begründung führte sie an, der Beschwerdeführer habe sein Begehren auch nach Aufforderung nicht hinreichend konkretisiert, weshalb sie nicht über die für eine abschließende Entscheidung notwendige Tatsachengrundlage verfüge.
76. Mit Beschluss vom wies das Landgericht Hamburg den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom zurück. Dem Beschwerdeführer stehe ein Recht auf Suizid und dementsprechend auch ein Recht, sich beim Suizid von Dritten helfen zu lassen, zwar zu. Eine gesetzliche Grundlage hierfür gebe es allerdings nicht. Die Vollzugsbehörde befinde sich in einem rechtlichen Spannungsverhältnis, weil sie einerseits das Recht des Strafgefangenen auf einen professionell unterstützten Suizid zu gewähren und andererseits die Gesundheit der Gefangenen zu schützen und suizidvermeidend auf sie einzuwirken habe. Unter diesen Voraussetzungen bleibe es der Anstalt unbenommen, entsprechende Entscheidungen eigenverantwortlich zu treffen. Es erweise sich dann aber auch nicht als ermessensfehlerhaft, wenn sie suizidfördernde Maßnahmen unter Hinweis auf eine fehlende gesetzliche Grundlage versage. Jedenfalls bedürfe es hinsichtlich des Suizidwunsches eines Strafgefangenen eines gewissen Prüfungsaufwandes, den die Justizvollzugsanstalt im vorliegenden Fall zumindest ansatzweise vorgenommen habe.
87. Gegen den Beschluss des Landgerichts erhob der Beschwerdeführer am Rechtsbeschwerde. Diese sei zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, denn die angefochtene Entscheidung des Landgerichts sei ausdrücklich damit begründet worden, dass es an einer gesetzlichen Grundlage für sein Begehren fehle. Aus der Entscheidung des (BVerfGE 153, 182 - Suizidhilfe) folge ein bedingungsloses Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Dieses verpflichte den Staat zur Suizidhilfe. Er verfüge seit Jahren über eine "gut durchdachte strukturierte Lösung auf selbstbestimmtes Sterben". Die Weigerung, ihm durch einen anstaltsexternen Arzt Sterbehilfe zu gewähren, verletze seine Grundrechte. Sobald es an der Zeit sei, werde er einen Anwalt bitten, einen Arzt zu ermitteln, der das entsprechende Medikament beschaffen und verabreichen werde.
98. Im Beschwerdeverfahren führte die Justizvollzugsanstalt aus, dass sie dem Suizidwunsch des Beschwerdeführers nicht grundsätzlich ablehnend gegenüberstehe. An einer inhaltlichen Entscheidung sehe sie sich jedoch aus dem Grund gehindert, dass der Beschwerdeführer es abgelehnt habe, konkrete Vorstellungen zur Umsetzung seines Wunsches mitzuteilen.
109. Mit Beschluss vom gewährte das Hanseatische Oberlandesgericht dem Beschwerdeführer im Hinblick auf die Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und verwarf die Rechtsbeschwerde mit der Maßgabe als unbegründet, dass sein Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig verworfen werde.
11Die Rechtsbeschwerde sei gemäß § 116 Abs. 1 StVollzG zulässig, da eine Nachprüfung der Entscheidung des Landgerichts sowohl zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung als auch zur Fortbildung des Rechts geboten sei. Die angefochtene Entscheidung leide zwar unter strukturellen Fehlern, das Landgericht habe den Antrag aber im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Soweit das Rechtsschutzbegehren mit der Begründung abgelehnt worden sei, das geltende Recht stütze das Begehren nicht, so könne dies nicht dazu führen, dass der Antrag des Beschwerdeführers unter Ausblendung der verfassungsrechtlichen Wertungen abgewiesen werde. Darüber hinaus stelle das Fehlen einer einfachgesetzlichen Regelung - anders als das Landgericht meine - keine Ermessenserwägung dar, wobei ungeachtet dessen auch nicht erkennbar sei, aus welchen Gründen die Anstalt überhaupt ermächtigt gewesen sein solle, ein Ermessen auszuüben. Der Rechtsbeschwerde bleibe der Erfolg dennoch versagt, denn der Antrag auf gerichtliche Entscheidung sei unzulässig, weil dem Beschwerdeführer das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Der Senat gehe mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (unter Verweis auf BVerfGE 153, 182) davon aus, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben umfasse. Dieses schließe neben der Freiheit, das eigene Leben zu beenden, auch das Recht ein, auf Dritte zuzugehen, bei ihnen Unterstützung zu suchen und von ihnen im Rahmen ihrer Freiheit angebotene Hilfe anzunehmen. Daraus leite sich allerdings kein Recht gegenüber Dritten darauf ab, bei einem Selbsttötungsvorhaben unterstützt zu werden. Was den Bereich des Strafvollzugs betreffe, so bestehe kein Anlass, die grundrechtliche Ausgangslage grundsätzlich anders zu beurteilen. Die Umsetzung eines Suizidwunsches gestalte sich indes unter den Bedingungen des Strafvollzugs deutlich komplexer als in Freiheit, zumal je nach konkretem Suizidwunsch unterschiedliche Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen seitens der Anstalt erforderlich seien, für die unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben zu prüfen sei, ob dem Suizidwilligen ein entsprechender Anspruch zustehe. Insoweit stellten sich auch unterschiedliche rechtliche Fragen, deren Beurteilung der Vollzugsbehörde nur dann möglich sei, wenn der Strafgefangene sich zu den konkreten Modalitäten des beabsichtigten Suizids hinreichend detailliert äußere. Diese Obliegenheit des Beschwerdeführers, sein Antragsbegehren näher zu konkretisieren, folge zudem aus den grundgesetzlichen Wertungen selbst. Angesichts der Unumkehrbarkeit des Vollzugs einer Suizidentscheidung gebiete die Bedeutung des Lebens, Selbsttötungen entgegenzuwirken, die nicht von freier Selbstbestimmung und Eigenverantwortung getragen seien. Aus diesem Grund habe der Staat dafür Sorge zu tragen, dass der Selbsttötungsentschluss tatsächlich auf freiem Willen beruhe, was bei Strafgefangenen besonders sorgfältig zu prüfen sei, zumal es gerade in Haftsituationen zu krisenhaften Zuspitzungen kommen könne, die das Vorliegen eines frei gebildeten, dauerhaften Wunsches zur Selbsttötung zweifelhaft erscheinen lassen könnten. Könne oder wolle der Gefangene keine entsprechenden Angaben machen, so lasse sich regelmäßig nicht mit der gebotenen Sicherheit ausschließen, dass die genannten Anforderungen an die Willensbildung nicht erfüllt seien. Außerdem lasse sich dann nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen, dass die Äußerung des Selbsttötungswillens auf sachfremden Erwägungen beruhe.
12Der Beschwerdeführer sei seiner Obliegenheit, die Umstände, unter denen der begehrte Suizid stattfinden solle, darzulegen, auch nach mehrfacher Aufforderung nicht nachgekommen. Eines weiteren Nachfassens seitens der Justizvollzugsanstalt oder des Landgerichts habe es nicht bedurft, zumal sich aus dem Schriftwechsel mit dem Beschwerdeführer ergebe, dass er jedenfalls vor der von ihm erwarteten Befassung des Bundesverfassungsgerichts mit der Angelegenheit nicht bereit sei, seine Pläne offen zu legen.
II.
13Mit am fristgemäß eingegangener Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer unter anderem die Verletzung seines Rechts auf selbstbestimmtes Sterben als Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.
14Er bringt im Wesentlichen vor, das Oberlandesgericht habe die Perspektivlosigkeit seiner Situation verkannt, denn er habe noch eine lange, unüberschaubare Haftzeit mit anschließender Sicherungsverwahrung vor sich. Sein fortgeschrittenes Alter trete erschwerend hinzu. Das Bundesverfassungsgericht fordere eine Prüfung der Ernsthaftigkeit seines Begehrens (unter Verweis auf BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 828/21), die im Verwaltungsverfahren und im fachgerichtlichen Verfahren unterblieben sei. Anders als die Justizvollzugsanstalt und das Oberlandgericht meinten, habe er seinen Antrag sehr wohl hinreichend konkretisiert. Das Oberlandesgericht wisse, dass er nach fünf Jahren Haftzeit einen Anspruch auf Lockerungen zum Erhalt der Lebenstüchtigkeit habe. Insoweit könne dann eine Ausführung als Gelegenheit genutzt werden, um mit Hilfe eines anstaltsfremden Arztes den beabsichtigten Suizid durchzuführen. Er habe auch bereits einen Rechtsanwalt benannt, der dies "in die Wege leiten" könne.
III.
15Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen. Sie ist unzulässig.
161. Der Verfassungsbeschwerde steht der Grundsatz der Subsidiarität entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts genügt eine Verfassungsbeschwerde nicht den Anforderungen des § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG, wenn der Beschwerdeführer den Rechtsweg lediglich formell erschöpft hat. Er muss vielmehr, um dem Gebot der Erschöpfung des Rechtswegs zu entsprechen, alle nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ergreifen, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung in dem unmittelbar mit ihr zusammenhängenden sachnächsten Verfahren zu verhindern oder zu beseitigen (vgl. BVerfGE 68, 384 <388 f.>; 77, 381 <401>; 81, 97 <102 f.>; 107, 395 <414>; stRspr). Dies folgt aus dem Grundsatz der Subsidiarität, der in § 90 Abs. 2 BVerfGG seine gesetzliche Ausformung erhalten hat (vgl. BVerfGE 107, 395 <414>). Dem Bundesverfassungsgericht soll vor seiner Entscheidung unter anderem ein regelmäßig in mehreren Instanzen geprüftes Tatsachenmaterial unterbreitet und die Fallanschauung der Gerichte vermittelt werden (vgl. BVerfGE 72, 39 <43>). Deswegen ist dem Subsidiaritätsgrundsatz auch nicht genügt, wenn im Instanzenzug ein Mangel nicht nachgeprüft werden konnte, weil er nicht oder nicht in ordnungsgemäßer Form gerügt worden war (vgl. BVerfGE 16, 124 <127>; 54, 53 <65>; 74, 102 <114>). Zwar resultiert daraus keine allgemeine Pflicht, verfassungsrechtliche Erwägungen und Bedenken schon in das fachgerichtliche Verfahren einzuführen (vgl. BVerfGE 112, 50 <60 ff.>). Dies lässt aber die Obliegenheit unberührt, die für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen bereits im Ausgangsverfahren vollständig vorzutragen; ein grundsätzlich neuer Tatsachenvortrag ist im Verfahren der Verfassungsbeschwerde ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 112, 50 <62>).
17Diesen Anforderungen genügt die Verfassungsbeschwerde nicht. Im Verlauf des Verwaltungsverfahrens hat die Justizvollzugsanstalt den Beschwerdeführer um Konkretisierung seines Antrags gebeten, insbesondere hinsichtlich der Art des begehrten Präparats, des Arztes, der dieses verabreichen solle, des Ortes der Verabreichung des Mittels sowie der Beschaffungsweise des Medikaments. Dem ist der Beschwerdeführer nicht nachgekommen. Infolge seiner Weigerung, gegenüber der Vollzugsbehörde die grundlegenden Modalitäten der beabsichtigten Selbsttötung zu erläutern, hat er es schon im Verwaltungsverfahren versäumt, die für eine inhaltliche Entscheidung über seinen Antrag maßgeblichen Tatsachen vorzutragen. Entsprechend seiner - rechtsirrigen - Erwartungshaltung, erst das Bundesverfassungsgericht werde eine inhaltliche Entscheidung über seinen Sterbewunsch treffen, hat er dies auch im fachgerichtlichen Verfahren nicht nachgeholt. Damit hat er es unterlassen, die ihm nach Lage der Sache zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten in dem sachnächsten Verfahren erschöpfend wahrzunehmen, um die geltend gemachte Grundrechtsverletzung zu verhindern oder zu beseitigen.
182. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer die Möglichkeit einer Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten nicht in einer den Substantiierungsanforderungen der § 23 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, § 92 BVerfGG entsprechenden Weise dargelegt.
19a) Eine der formalen Darlegungsobliegenheit genügende Begründung einer Verfassungsbeschwerde gegen fachgerichtliche Entscheidungen setzt voraus, dass der die Rechtsverletzung enthaltende Vorgang substantiiert und schlüssig vorgetragen wird (vgl. BVerfGE 130, 1 <21> m.w.N.; stRspr). Dies erfordert, dass die angegriffenen Entscheidungen und andere Unterlagen aus dem fachgerichtlichen Verfahren wie zum Beispiel Schriftsätze und Gutachten vorgelegt oder inhaltlich umfassend wiedergegeben werden, soweit ohne ihre Kenntnis eine Einschätzung, ob die Verfassungsbeschwerde Erfolg haben kann, nicht möglich ist (vgl. BVerfGE 88, 40 <45>; 112, 304 <314>; 129, 269 <278>). Ferner hat sich der Beschwerdeführer mit den angegriffenen gerichtlichen Entscheidungen inhaltlich auseinanderzusetzen (vgl. BVerfGE 82, 43 <49>; 88, 40 <45>; 105, 252 <264>). Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (vgl. BVerfGE 78, 320 <329>; 99, 84 <87>; 115, 166 <179 f.>). Liegt zu den mit der Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Verfassungsfragen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits vor, so ist der behauptete Grundrechtsverstoß in Auseinandersetzung mit den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäben zu begründen (vgl. BVerfGE 77, 170 <214 ff.>; 101, 331 <345 f.>; 123, 186 <234>; 130, 1 <21>).
20b) Diesen Anforderungen genügt die Verfassungsbeschwerde in mehrfacher Hinsicht nicht.
21aa) So ermöglicht der lückenhafte Beschwerdevortrag des Beschwerdeführers die Prüfung der Verfassungsbeschwerde schon nicht ohne weitere Ermittlungen, was zu deren Unzulässigkeit führt (vgl. BVerfGE 93, 266 <288>; 149, 346 <360 Rn. 25>; BVerfGK 5, 170 <171>). Der Beschwerdeführer hat relevante Unterlagen aus dem fachgerichtlichen Verfahren, die zur Beurteilung der Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde unabdingbar sind, weder vorgelegt noch ihrem Inhalt nach dargestellt. Dies gilt zunächst hinsichtlich des im fachgerichtlichen Verfahren gestellten Antrags auf gerichtliche Entscheidung vom . Der Beschwerdeführer hat es versäumt, diesen vorzulegen beziehungsweise inhaltlich wiederzugeben, obwohl er aufgrund der Wertung als "Erstantrag" durch die Justizvollzugsanstalt sowohl den Ausgangspunkt des Verwaltungsverfahrens als auch des gerichtlichen Verfahrens bildet. Zudem fehlt es an der Vorlage des angegriffenen Bescheids der Justizvollzugsanstalt vom . Auch dessen Kenntnis wäre für eine verantwortbare verfassungsgerichtliche Überprüfung unerlässlich gewesen, zumal es sich dabei um einen der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Hoheitsakt handelt.
22bb) Auch inhaltlich vermag die Verfassungsbeschwerde eine Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten nicht substantiiert aufzuzeigen. Der Beschwerdeführer bleibt eine hinreichende Auseinandersetzung mit den angegriffenen Entscheidungen und deren konkreter Begründung auf der Ebene des Verfassungsrechts am Maßstab der als verletzt gerügten grundrechtlichen Positionen schuldig und genügt so nicht seiner Darlegungsobliegenheit, inwieweit durch die angegriffene Maßnahme die bezeichneten Grundrechte verletzt sein sollen.
23(1) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst als Ausdruck persönlicher Autonomie auch ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben, welches das Recht auf Selbsttötung einschließt. Die Entscheidung, das eigene Leben zu beenden, ist von existentieller Bedeutung für die Persönlichkeit eines Menschen. Sie ist Ausfluss des eigenen Selbstverständnisses und grundlegender Ausdruck der zu Selbstbestimmung und Eigenverantwortung fähigen Person (vgl. BVerfGE 153, 182 <261 f. Rn. 209>). Welchen Sinn der Einzelne in seinem Leben sieht und ob und aus welchen Gründen sich eine Person vorstellen kann, ihr Leben selbst zu beenden, unterliegt höchstpersönlichen Vorstellungen und Überzeugungen (vgl. BVerfGE 153, 182 <262 Rn. 209>). Dabei umfasst das von Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Recht, sich selbst zu töten, auch die Freiheit, hierfür bei Dritten Hilfe zu suchen, und Hilfe, soweit sie angeboten wird, in Anspruch zu nehmen (vgl. BVerfGE 153, 182 <264 Rn. 212>). Zur grundrechtlich geschützten Freiheit gehört auch die Möglichkeit, auf Dritte zuzugehen, bei ihnen Unterstützung zu suchen und von ihnen im Rahmen ihrer Freiheit angebotene Hilfe anzunehmen. Das gilt insbesondere auch für denjenigen, der erwägt, sein Leben eigenhändig zu beenden, denn gerade er sieht sich vielfach erst durch die fachkundige Hilfe kompetenter und bereitwilliger Dritter, insbesondere Ärzte, in der Lage, hierüber zu entscheiden und gegebenenfalls seinen Suizidentschluss in einer für ihn zumutbaren Weise umzusetzen (vgl. BVerfGE 153, 182 <264 f. Rn. 213>). Gleichwohl tritt die Achtung vor dem grundlegenden, auch das eigene Lebensende umfassenden Selbstbestimmungsrecht desjenigen, der sich in eigener Verantwortung dazu entscheidet, sein Leben selbst zu beenden, und hierfür Unterstützung sucht, in Kollision zu der Pflicht des Staates, die Autonomie Suizidwilliger und darüber auch das hohe Rechtsgut Leben zu schützen (vgl. BVerfGE 153, 182 <268 Rn. 223>). Insoweit ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden - wenn nicht sogar geboten -, dass der Staat Vorkehrungen zum Autonomie- und Lebensschutz trifft, um sicherzustellen, dass Suizidentscheidungen auf einem freien Willen beruhen.
24Ein Suizidentschluss geht nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dann auf einen autonom gebildeten, freien Willen zurück, wenn der Einzelne seine Entscheidung auf der Grundlage einer realitätsbezogenen, am eigenen Selbstbild ausgerichteten Abwägung des Für und Wider trifft (vgl. BVerfGE 153, 182 <273 Rn. 240>). Dies setzt zunächst die Fähigkeit voraus, seinen Willen frei und unbeeinflusst von einer akuten psychischen Störung bilden und nach dieser Einsicht handeln zu können (vgl. BVerfGE 153, 182 <273 Rn. 241>). Des Weiteren müssen dem Betroffenen alle entscheidungserheblichen Gesichtspunkte tatsächlich bekannt sein. Erforderlich ist, dass er über sämtliche Informationen verfügt, er also in der Lage ist, auf einer hinreichenden Beurteilungsgrundlage realitätsgerecht das Für und Wider abzuwägen (vgl. BVerfGE 153, 182 <273 Rn. 242>). Eine freie Willensbildung setzt hierbei insbesondere voraus, dass der Entscheidungsträger Handlungsalternativen zum Suizid erkennt, ihre jeweiligen Folgen bewertet und seine Entscheidung in Kenntnis aller erheblichen Umstände und Optionen trifft (vgl. BVerfGE 153, 182 <273 f. Rn. 242>). Voraussetzung ist zudem, dass der Betroffene keinen unzulässigen Einflussnahmen oder Druck ausgesetzt ist (vgl. BVerfGE 153, 182 <274 Rn. 243> unter Verweis auf BVerfGE 128, 282 <301> für die Einwilligung in medizinische Maßnahmen). Schließlich kann von einem freien Willen nur dann ausgegangen werden, wenn der Entschluss, aus dem Leben zu scheiden, von einer gewissen Dauerhaftigkeit und inneren Festigkeit getragen ist (vgl. BVerfGE 153, 182 <274 Rn. 244>).
25(2) In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist bislang nicht entschieden, in welchem Umfang Strafvollzugsbehörden von Verfassungs wegen dazu verpflichtet sind, autonome Suizidentscheidungen von Strafgefangenen zu achten, zu dulden oder deren Umsetzung gar zu fördern.Angesichts der im Strafvollzug in besonderem Maße bestehenden Gefahr unfreier Suizidentschlüsse und der vergleichsweise hohen Suizidprävalenz unter Straf- und Untersuchungsgefangenen (vgl. dazu nur Lindemann, medstra 2021, S. 344 <344 f.> und Kubink, Forum Strafvollzug 2024, S. 112 <113>, jeweils m.w.N.) kommt der staatlichen Lebensschutzpflicht unter dem Gesichtspunkt der Suizidprävention im Vollzugskontext eine besondere Bedeutung zu. Risikofaktoren wie das Vorliegen psychischer Erkrankungen, Drogenmissbrauch, vergangene Suizidversuche und die Begehung von Gewaltdelikten als Haftgrund betreffen Gefangene weitaus häufiger als in Freiheit lebende Personen (vgl. dazu Lindemann/Verrel, Forum Strafvollzug 2024, S. 87 <88 f.> m.w.N.). Insgesamt weisen Strafgefangene eine vergleichsweise hohe Vulnerabilität und Anfälligkeit für selbstschädigendes Verhalten auf (vgl. dazu Lindemann/Verrel, Forum Strafvollzug 2024, S. 87 <88 f.>), was die Bedeutung und die Notwendigkeit von Maßnahmen der Suizidprävention unterstreicht.
26Gleichwohl ist das Recht auf selbstbestimmtes Sterben mit der Entscheidung des zu § 217 StGB (BVerfGE 153, 182) in einer Weise gestärkt worden, die es gebieten dürfte, dass der Staat freiverantwortlich gebildete Sterbewünsche Strafgefangener achtet (so ausdrücklich Verrel, in: Festschrift für Dieter Dölling, 2023, S. 467 <471 ff.> und wohl auch Lindemann, medstra 2021, S. 344 <348>). Wenn sich die Beurteilung individueller Sterbewünsche Maßstäben objektiver Vernünftigkeit entzieht, es sich zugleich verbietet, die Zulässigkeit einer Hilfe zur Selbsttötung materiellen Kriterien zu unterwerfen (vgl. BVerfGE 153, 182 <309 Rn. 340>), und die Selbstbestimmung über das eigene Lebensende in jeder Phase menschlicher Existenz besteht (vgl. BVerfGE 153, 182 <263 Rn. 210>), dürfte es mit den dargestellten verfassungsrechtlichen Wertungen nicht vereinbar sein, wenn der Strafvollzug dem Einzelnen für einen ernsthaften, dauerhaften und freiverantwortlichen Suizid überhaupt keinen Raum gewährt und ihm somit faktisch nur die Möglichkeit eines sogenannten Brutalsuizids lässt. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist insoweit bereits entschieden, dass Strafvollzugsbehörden und mit entsprechenden Verfahren befasste Gerichte im Einzelfall gegenüber Strafgefangenen, die einen Sterbewunsch äußern, Aufklärungspflichten hinsichtlich des Suizidverlangens treffen, und es überdies verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, wenn die begehrte Ermöglichung von Suizidhandlungen unter pauschaler Berufung auf die Gewissensfreiheit der Anstaltsbediensteten abgelehnt wird, da sich die Frage stellt, ob diese sich als grundrechtsverpflichtete Amtsträger Strafgefangenen gegenüber überhaupt auf eine Gewissenentscheidung berufen können (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 828/21 -, Rn. 30 f.).
27(3) Dem Beschwerdeführer ist es nicht gelungen, in Auseinandersetzung mit diesen Maßstäben eine Verletzung seines Rechts auf selbstbestimmtes Sterben substantiiert darzulegen.
28Zwar verweist er im Ausgangspunkt zutreffend auf die vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom (BVerfGE 153, 182) hinsichtlich des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben entwickelten Grundsätze, stellt die dargelegten Maßstäbe aber pauschal verkürzt dar. Denn das Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes Sterben besteht - anders als er in der Begründung seiner Verfassungsbeschwerde insinuiert - angesichts der Gefahren unfreier Suizidentschlüsse und der damit einhergehenden Schutzpflicht des Staates keineswegs schrankenlos. Diesen Umstand, der aus den genannten Gründen für den Bereich des Strafvollzugs von besonderer Bedeutung ist, blendet der Beschwerdeführer aus und kommt somit seinen Darlegungsobliegenheiten nicht hinreichend nach. Soweit er sich auf die Entscheidung des - bezieht, stand in diesem Verfahren ein Aufklärungsmangel und damit ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG im Mittelpunkt. Direkte Ausführungen zu der Reichweite des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben Strafgefangener enthält die Entscheidung nicht, so dass sich aus ihr - anders als der Beschwerdeführer meint - auch kein schrankenloses Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben im Strafvollzug ergibt.
29Weiter begründet der Beschwerdeführer den behaupteten Grundrechtsverstoß nicht in ausreichender Weise in Auseinandersetzung mit den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäben, denn das Vorbringen zur Ernsthaftigkeit seines vermeintlichen Suizidwunsches beschränkt sich auf die pauschale Behauptung eines bloß unter Anführung allgemeiner Erwägungen begründeten Sterbewunsches. In Ansehung der dargelegten verfassungsrechtlichen Wertungen liegt es auf der Hand, dass der Staat dem Sterbewunsch eines Strafgefangenen, der unter bloßem Verweis auf sein vergleichsweise hohes Alter und eine als perspektivlos empfundene Haftsituation die Verabreichung eines lebensbeendenden Medikaments begehrt, nicht ohne jede Prüfung zu entsprechen hat, sondern dass ihn in einem ersten Schritt eine Pflicht zu sorgfältiger Aufklärung der Umstände trifft. Dies wiederum erfordert die Mitwirkung des Suizidwilligen und setzt voraus, dass er seinen Suizidentschluss konkretisiert. Gerade diesem Erfordernis ist der Beschwerdeführer nicht nachgekommen.
30In weiterer Konsequenz fehlt es schließlich auch an einer substantiierten Auseinandersetzung mit den tragenden Erwägungen der angegriffenen Entscheidungen. Sowohl die Justizvollzugsanstalt als auch das Oberlandesgericht haben in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dargelegt, dass der Antrag des Beschwerdeführers den - gemessen an der Tragweite und Unumkehrbarkeit seines Begehrens erforderlichen - inhaltlichen Anforderungen nicht genüge, da er die notwendigen, seinen Sterbewunsch konkretisierenden Informationen nicht enthalte. Das Oberlandesgericht hat nachvollziehbar ausgeführt, dass der Antrag des Beschwerdeführers zum einen schon nicht die Prüfung ermögliche, welche Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen er hinsichtlich des beabsichtigten Suizids im Detail begehre, und dass sich zum anderen nicht mit der gebotenen Sicherheit prüfen lasse, ob die an die Ernsthaftigkeit und Autonomie der Willensbildung zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen erfüllt seien, wenn der vermeintlich Sterbewillige seine Mithilfe verweigere.
31Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Verfassungsbeschwerde vorbringt, angesichts der Perspektivlosigkeit seiner Haftsituation und seines hohen Alters habe er seinen Sterbewunsch hinreichend konkretisiert, so stellt er der Argumentation des Oberlandesgerichts lediglich eine pauschale Behauptung entgegen, welche eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dessen zutreffenden verfassungsrechtlichen Erwägungen vermissen lässt.
323. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
33Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2025:rk20250131.2bvr129024
Fundstelle(n):
FAAAJ-86545