Pensionskasse - Hinterbliebenenversorgung - Mindestehedauer
Leitsatz
Bestimmt die Satzung einer Pensionskasse, dass ein Anspruch auf Witwen-/Witwerpension ausgeschlossen ist, wenn die Ehe innerhalb von drei Monaten vor dem Ableben des verstorbenen Mitglieds geschlossen wurde und der Tod nicht durch Unfall eingetreten ist, liegt darin keine unangemessene Benachteiligung des Versorgungsberechtigten iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Instanzenzug: ArbG Wuppertal Az: 7 Ca 2529/22 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 12 Sa 348/23 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Hinterbliebenenversorgung.
2Der am geborene und am verstorbene Ehemann der Klägerin war in der Zeit vom bis zum bei der B beschäftigt. Im September 2019 wurde bei ihm eine Krebserkrankung diagnostiziert. Die Ehe mit der Klägerin schloss er am . Im Arbeitsvertrag des Ehemanns der Klägerin vom ist ua. geregelt, dass er nach den Bestimmungen des Ersatzkassentarifvertrags (nachfolgend EKT) vom bzw. den an die Stelle des EKT tretenden Tarifverträgen oder künftigen Änderungen des EKT eingestellt wird.
3Nach § 37 Abs. 2 EKT in der für die B maßgeblichen Fassung richten sich die Ansprüche auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung für Angestellte gemäß § 1 EKT, die - wie der verstorbene Ehemann der Klägerin - während ihrer bei der Kasse zurückgelegten Beschäftigungszeit durchgängig in der beklagten Pensionskasse versichert sind, nach der Anlage 7a. Die Anlage 7a zum EKT lautete in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung auszugsweise wie folgt:
4Bei dem Beklagten handelt es sich um die Pensionskasse iSd. Nr. 1.1. der Anlage 7a zum EKT in der Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit. Trägerunternehmen des Beklagten ist die B. Die Satzung des Beklagten (nachfolgend PKS) enthält auszugsweise folgende Bestimmungen:
5Der Ehemann der Klägerin war Pflichtmitglied beim Beklagten. Sein Anspruch auf Pensionsleistung hätte zum Zeitpunkt seines Todes am monatlich 1.488,41 Euro brutto betragen.
6Nach dem Tod ihres Ehemanns machte die Klägerin bei dem Beklagten Ansprüche auf Zahlung einer Witwenpension nach § 11 Nr. 2 Buchst. a PKS geltend. Dieser wurde vom Beklagten zunächst noch unter Verweis auf das Erfordernis einer zweijährigen Ehedauer bei einer nach Vollendung des 55. Lebensjahrs geschlossenen Ehe nach § 18 Abs. 3 Buchst. b PKS abgelehnt. Zuletzt haben die Parteien nur noch darüber gestritten, ob der Anspruch der Klägerin aufgrund der in § 18 Abs. 3 Buchst. a PKS normierten Anforderung der Eheschließung innerhalb der letzten drei Monate vor dem Tod des Mitglieds („Mindesteheklausel“) ausscheidet. Einen anfänglich auch gegenüber der B geltend gemachten Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung nach Nr. 4 Anlage 7a zum EKT hat die Klägerin nicht weiterverfolgt.
7Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte sei verpflichtet, ihr ab Dezember 2019 nach § 11 Nr. 2 Buchst. a iVm. § 13 Abs. 6 PKS eine Witwenpension iHv. 744,21 Euro brutto monatlich (50 % von 1.488,41 Euro) zu zahlen. Der Ausschlusstatbestand in § 18 Abs. 3 Buchst. a PKS sei unwirksam. Dieser unterliege einer Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB, da die Satzung des Beklagten Allgemeine Geschäftsbedingungen enthalte. Die „Mindesteheklausel“ in § 18 Abs. 3 Buchst. a PKS benachteilige die Versorgungsberechtigten unangemessen, weil die Regelung eine Rückausnahme für erst nach der Eheschließung eintretende und zum Ableben führende Krankheiten nicht vorsehe. Jedenfalls könne der Ausschlusstatbestand angesichts der Unwirksamkeit der sog. „Späteheklausel“ in § 18 Abs. 3 Buchst. b PKS nicht isoliert aufrechterhalten werden. Grund für die Hochzeit am sei der innere Wille ihres Ehemanns gewesen, dass sie seinen Namen trage. Ihre Versorgung sei kein Beweggrund gewesen.
8Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,
9Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und den Standpunkt eingenommen, der Leistungsausschluss nach § 18 Abs. 3 Buchst. a PKS sei wirksam. Die Regelung unterliege keiner Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB. Da die Satzung des Beklagten auf einer tariflichen Versorgungszusage beruhe, unterfalle sie der Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB. Ungeachtet dessen fehle es an einer unangemessenen Benachteiligung iSd. § 307 Abs. 1 BGB.
10Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
11Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die zulässige Klage ist nicht begründet.
12I. Das Landesarbeitsgericht hat die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten für die vorliegende, unmittelbar gegen die beklagte Pensionskasse gerichtete Klage - stillschweigend - bejaht. Das ist ungeachtet dessen, dass der Senat gemäß § 17a Abs. 5 GVG iVm. § 73 Abs. 2, § 65 ArbGG hieran gebunden ist, nicht zu beanstanden. Es handelt sich zwar nicht um eine Rechtsstreitigkeit zwischen einem Arbeitnehmer (bzw. dessen Rechtsnachfolgerin nach § 3 ArbGG) und Arbeitgeber nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG, denn der Beklagte war nicht Arbeitgeber des verstorbenen Ehemanns der Klägerin. Die Rechtswegzulässigkeit folgt vorliegend aber aus § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b ArbGG, da ein Rechtsstreit zwischen der Klägerin als einer Hinterbliebenen eines Arbeitnehmers und dem Beklagten als einer „Sozialeinrichtung des privaten Rechts“ iS dieser Norm vorliegt. Der Beklagte ist als unternehmensbezogene (nicht branchenweite unternehmensübergreifende) Pensionskasse eine „Sozialeinrichtung des privaten Rechts“ iSd. § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b ArbGG (zu dieser Abgrenzung im Einzelnen - Rn. 10 f.; - 10 AZB 25/13 - Rn. 17 ff.; - Rn. 10 ff.).
13II. Die Klage ist zulässig. Mit dem Zahlungsantrag zu 1. macht die Klägerin hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) mit einem Gesamtbetrag Witwenpension iHv. 744,21 Euro brutto monatlich für den Zeitraum von Dezember 2019 bis Dezember 2022 nebst Zinsen geltend. Bei dem Klageantrag zu 2. handelt es sich um eine Klage auf wiederkehrende Leistungen iSd. § 258 ZPO. Bei wiederkehrenden Leistungen, die - wie Betriebsrentenansprüche - von keiner Gegenleistung abhängen, kann gemäß § 258 ZPO grundsätzlich auch Klage auf künftige Entrichtung erhoben werden. Im systematischen Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, dass der Schuldner sich der rechtzeitigen Leistung entziehen wird ( - Rn. 13 mwN).
14III. Die Klage ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler erkannt, dass die Klägerin keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung einer Witwenpension iHv. monatlich 744,21 Euro brutto nach § 11 Nr. 2 Buchst. a iVm. § 13 Abs. 6 PKS für die Zeit ab Dezember 2019 hat. Dem Anspruch steht der Ausschlusstatbestand in § 18 Abs. 3 Buchst. a PKS entgegen. Danach besteht kein Anspruch der überlebenden Ehegattin auf Witwenpension nach § 11 Nr. 2 Buchst. a PKS, wenn das verstorbene Mitglied die Ehe innerhalb von drei Monaten vor seinem Ableben geschlossen hat und der Tod nicht durch Unfall eingetreten ist. Die Voraussetzungen dieses Ausschlusstatbestands sind unstreitig erfüllt, nachdem die Ehe der Klägerin mit ihrem Ehemann am und damit innerhalb von drei Monaten vor dem Zeitpunkt seines Todes am geschlossen wurde und der Tod nicht durch einen Unfall verursacht worden war. Der Ausschlusstatbestand in § 18 Abs. 3 Buchst. a PKS unterliegt zwar der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen nach § 307 BGB. Er ist allerdings wirksam vereinbart und nicht wegen einer unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 BGB unwirksam.
151. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass § 18 Abs. 3 Buchst. a PKS am Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach §§ 305 ff. BGB zu messen ist.
16a) Dem verstorbenen Ehemann der Klägerin waren von seiner Arbeitgeberin durch arbeitsvertragliche Bezugnahme auf § 37 EKT Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach Nr. 1.1. der Anlage 7a zum EKT entsprechend der Satzung des Beklagten zugesagt. Aufgrund dieser tarifvertraglichen Verweisung in Nr. 1.1. der Anlage 7a zum EKT auf die PKS, die von der Rechtssetzungsbefugnis der Tarifvertragsparteien umfasst ist (vgl. - Rn. 24; - 3 AZR 225/19 - Rn. 61 ff. und - 3 AZR 73/19 - Rn. 59), bestimmt sich das versicherungsrechtliche Verhältnis zwischen dem verstorbenen Ehemann der Klägerin bzw. nunmehr der Klägerin selbst und dem Beklagten allein nach dessen Satzung. Die Klägerin stützt den Klageanspruch auch unmittelbar auf die Satzung des Beklagten. Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist ein etwaiger Anspruch gegen die vormalige Arbeitgeberin auf Hinterbliebenenversorgung nach Nr. 4 der Anlage 7a zum EKT.
17b) Die §§ 305 ff. BGB sind zeitlich anwendbar. Das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen findet in der durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts seit dem geschaffenen Fassung (vom , BGBl. I S. 3138, in Kraft zu diesem Zeitpunkt nach Art. 9 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes) seit dem Anwendung, obwohl das Versicherungsverhältnis mit dem Beklagten bereits vorher begründet wurde, Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB (vgl. - Rn. 76).
18c) Die das versicherungsrechtliche Verhältnis regelnden Satzungsbestimmungen eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit unterliegen grundsätzlich der Kontrolle nach dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Die Anwendungseinschränkung für das Gesellschaftsrecht nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB greift nicht ( - Rn. 76 mwN; vgl. auch - Rn. 50, BGHZ 190, 314).
19d) Eine Kontrolle des Ausschlusstatbestands nach § 18 Abs. 3 Buchst. a PKS am Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ist auch nicht aufgrund der Bereichsausnahme für Tarifverträge nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB iVm. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB ausgeschlossen.
20aa) Tarifverträge sind nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB von einer AGB-Kontrolle ausgenommen. Auch eine Inhaltskontrolle von arbeitsvertraglich insgesamt in Bezug genommenen Tarifverträgen erfolgt nicht, weil sie nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nur stattfindet, wenn von Rechtsvorschriften abgewichen wird. Tarifverträge stehen nach § 310 Abs. 4 Satz 3 BGB Rechtsvorschriften iSv. § 307 Abs. 3 BGB gleich. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, aufgrund welcher Regelungstechnik der betreffende Tarifvertrag auf das Arbeitsverhältnis anzuwenden ist. Voraussetzung ist, dass der Tarifvertrag das Arbeitsverhältnis in seinem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich erfasst ( - Rn. 16 mwN).
21bb) Bei den das versicherungsrechtliche Verhältnis regelnden Satzungsbestimmungen einer Pensionskasse handelt es sich nicht um tarifvertragliche Regelungen. Bei einer tariflich vermittelten Zusatzversorgung über eine Pensionskasse ist zwischen dem arbeitsrechtlichen, durch Tarifvertrag geregelten Grundverhältnis und dem versicherungsrechtlichen, durch die Satzung geregelten Durchführungsverhältnis zu unterscheiden ( - Rn. 24; - Rn. 30, BGHZ 174, 127). Bei der Satzung handelt es sich um privatrechtliche Allgemeine Geschäftsbedingungen in Form Allgemeiner Versicherungsbedingungen. Als solche unterliegen sie zwar grundsätzlich der richterlichen Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff. BGB. Allerdings sind dieser Inhaltskontrolle ihrerseits Schranken gesetzt ( - aaO; - IV ZR 10/11 - Rn. 15, BGHZ 195, 93), weshalb auch Satzungsbestimmungen nach § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB unter bestimmten Voraussetzungen von einer AGB-Kontrolle ausgenommen sein können. Tarifverträge und auf ihnen beruhende Satzungsbestimmungen einer Pensionskasse sind grundsätzlich als Ganzes zu verstehen. Die arbeitsvertraglichen und versicherungsvertraglichen Rechtsbeziehungen sind durch die Tarifverträge eng miteinander verknüpft. Aufgabe der Pensionskasse ist es, die tarifliche Zusatzversorgung durchzuführen, dementsprechend die tarifvertraglichen Versorgungsregelungen umzusetzen und für die erforderlichen Konkretisierungen zu sorgen (vgl. - Rn. 24; - 3 AZR 214/06 - Rn. 21).
22Unter Berücksichtigung der Tarifautonomie des Art. 9 Abs. 3 GG und der Bereichsausnahme des § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB sind das Versicherungsverhältnis regelnde Satzungsbestimmungen einer Pensionskasse daher keiner Inhaltskontrolle zu unterziehen, wenn ihnen eine maßgebliche, rechtlich nicht zu beanstandende Grundentscheidung der Tarifvertragsparteien zugrunde liegt. Bei der Umsetzung und inhaltlichen Ausgestaltung solcher tariflich gelenkter Grundentscheidungen wirkt der Schutz der Tarifautonomie fort, die den Tarifvertragsparteien für ihre Grundentscheidung besondere Beurteilungs-, Bewertungs- und Gestaltungsspielräume eröffnet, die die Gerichte grundsätzlich zu akzeptieren haben ( - Rn. 33; - Rn. 50 ff., BGHZ 190, 314). Fehlt es hingegen an einem derartigen tarifvertraglichen Ursprung, unterliegt die Satzungsbestimmung der uneingeschränkten Inhaltskontrolle (vgl. - Rn. 17 ff.).
23cc) Danach hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass § 18 Abs. 3 Buchst. a PKS der uneingeschränkten Inhaltskontrolle nach § 307 BGB unterliegt, weil diese Satzungsbestimmung keinen tarifvertraglichen Ursprung hat. Nr. 1.1. der Anlage 7a zum EKT bestimmt zwar, dass die Angestellten der Kasse grundsätzlich zu einer Zusatzversicherung bei der Pensionskasse verpflichtet sind und die Zusatzversicherung bei der Pensionskasse nach deren Satzung erfolgt. Diese Tarifregelung beschränkt sich aber darauf, selbst das „Ob“ der Versorgungszusage zu regeln. Inhaltliche Vorgaben für Leistungsumfang, Leistungsvoraussetzungen oder Leistungsausschlüsse der Zusatzversorgung enthalten die tariflichen Regelungen nicht. Mit dem dynamischen Verweis auf die Satzung hat die Ausgestaltung der (tariflichen) Zusage selbst keinen tarifvertraglichen Ursprung erlangt. Vielmehr haben die Tarifparteien dem Beklagten die inhaltliche Ausgestaltung der Zusatzversorgung zur eigenständigen Satzungsgebung überantwortet und diese nicht selbst im Wege eines Tarifvertrags vorgegeben (zu diesem Kriterium - Rn. 22, 32, BGHZ 195, 93). Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte mit der Ausgestaltung der Satzungsbestimmungen die Ziele des Tarifvertrags im Verhältnis zu den versicherten Arbeitnehmern umgesetzt hat, sind nicht erkennbar. Der im Tarifvertrag geregelte Ausschlusstatbestand für die tarifliche Hinterbliebenenversorgung (vgl. Nr. 4.6. der Anlage 7a zum EKT) weicht sogar von § 18 Abs. 3 Buchst. a PKS ab. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass sich die Tarifvertragsparteien Einflussmöglichkeiten auf den Satzungsinhalt und damit auch auf den Inhalt der Leistungsordnung gesichert haben (vgl. zu diesem Kriterium etwa - Rn. 66). Dem Postulat der Sachgerechtigkeit der tarifvertraglichen Regelung im Sinne eines angemessenen Interessenausgleichs ist damit gerade nicht hinreichend Rechnung getragen.
242. Eine Inhaltskontrolle des § 18 Abs. 3 Buchst. a PKS ist nicht nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB ausgeschlossen. Die Einschränkung der Witwen-/Witwerrente auf einen Ehepartner, der mit der versorgungsberechtigten Person im Zeitpunkt des Todes mindestens drei Monate verheiratet war, weicht von der die Hinterbliebenenversorgung von Witwen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG kennzeichnenden Vertragstypik ab und unterliegt damit der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. BGB (vgl. - Rn. 37 mwN).
253. Eine unangemessene Benachteiligung durch die Mindesteheklausel in § 18 Abs. 3 Buchst. a PKS ist vorliegend auch weder nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB (vgl. im Einzelnen - Rn. 38 ff. mwN) noch nach § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB (vgl. im Einzelnen - Rn. 41 mwN) anzunehmen.
264. Eine unangemessene Benachteiligung ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung der im Rahmen von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB durchzuführenden umfassenden Abwägung der betroffenen Interessen.
27a) Unangemessen ist jede Benachteiligung eines rechtlich anerkannten Interesses des Arbeitnehmers, die nicht durch begründete und billigenswerte Interessen des Verwenders gerechtfertigt oder durch gleichwertige Vorteile ausgeglichen wird. Die Feststellung einer unangemessenen Benachteiligung setzt eine wechselseitige Berücksichtigung und Bewertung rechtlich anzuerkennender Interessen der Vertragspartner voraus. Es bedarf einer umfassenden Würdigung der beiderseitigen Positionen unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu und Glauben. Bei der Beurteilung der Unangemessenheit ist ein genereller, typisierender, vom Einzelfall losgelöster Maßstab anzulegen. Abzuwägen sind die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen der typischerweise beteiligten Vertragspartner. Im Rahmen der Inhaltskontrolle sind dabei Art und Gegenstand, Zweck und besondere Eigenart des jeweiligen Geschäfts zu berücksichtigen. Zu prüfen ist, ob der Klauselinhalt bei der in Rede stehenden Art des Rechtsgeschäfts generell und unter Berücksichtigung der typischen Interessen der beteiligten Verkehrskreise eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners ergibt ( - Rn. 43; - 3 AZR 254/21 - Rn. 22 mwN, BAGE 176, 319).
28b) Für die Abwägung der wechselseitigen Interessen nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB im Rahmen der Inhaltskontrolle einer formularmäßigen Einschränkung der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung durch das Erfordernis einer bestimmten Mindestehedauer in einer arbeitgeberseitig erteilten Versorgungszusage hat der Senat zusammengefasst folgende Grundsätze aufgestellt:
29aa) Auf Seiten des Versorgungsberechtigten ist dessen rechtlich geschütztes Interesse zu berücksichtigen, das sich aus dem Näheverhältnis zu seinem Ehepartner ergebende typisierte Versorgungsinteresse entsprechend der Zusage einer Hinterbliebenenversorgung ohne das Erfordernis einer bestimmten Mindestehedauer abzusichern (vgl. - Rn. 45; - 3 AZR 254/21 - Rn. 25, BAGE 176, 319; - 3 AZR 150/18 - Rn. 29, BAGE 165, 345). Der Arbeitnehmer kann unter Berücksichtigung der Wertungen des Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 6 Abs. 1 GG bis zu einem gewissen Grad darauf vertrauen, dass eine für den überlebenden Ehepartner zugesagte Versorgung nicht an überzogene weitere Anforderungen geknüpft wird ( - Rn. 26, aaO). Dieses Interesse wird durch die Verknüpfung des Eintritts des Versorgungsfalls „Hinterbliebene“ mit der Mindestehedauer insofern berührt, als ein gewisser Druck auf den Arbeitnehmer ausgeübt wird, möglichst früh zu heiraten ( - Rn. 27, aaO). Wie lange der Arbeitnehmer mit einer Person verheiratet war, hängt zudem von seiner ganz privaten Lebensführung ab. Ein innerer Zusammenhang mit seinem Arbeitsverhältnis als Grundlage für die betriebliche Altersversorgung besteht insoweit nicht. Die Dauer der Ehe beeinflusst auch nicht das Risiko des Arbeitgebers, wie lange eine Hinterbliebenenversorgung zu zahlen ist, da sie keinen Anhaltspunkt dafür bietet, wie groß der Altersunterschied der Ehepartner ist ( - aaO; - 3 AZR 254/21 - Rn. 28, aaO; - 3 AZR 150/18 - Rn. 31, aaO).
30bb) Auf Seiten des Arbeitgebers wiederum ist den grundrechtlichen Wertungen in Art. 2 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG dadurch Rechnung zu tragen, dass dessen berechtigtes Interesse an der Begrenzung seines mit der Zusage einer Hinterbliebenenversorgung einhergehenden finanziellen Risikos angemessen berücksichtigt wird. Bei einer Einschränkung der Hinterbliebenenversorgung durch das Erfordernis einer bestimmten Mindestehedauer geht es darum, solche Risiken vom Schutz der Versorgungsordnung auszunehmen, die sich bereits konkretisiert haben, wenn der von der Versorgungsordnung vorgesehene Schutz eintritt. Das ist im Charakter der betrieblichen Altersversorgung als Risikoabdeckung angelegt (vgl. dazu - Rn. 46; - 3 AZR 298/20 - Rn. 41, BAGE 176, 1). Bei der Hinterbliebenenversorgung wird das typisierte Interesse des unmittelbar Versorgungsberechtigten an der Versorgung eines Hinterbliebenen gegen das Risiko, dies durch den eigenen Tod nicht mehr leisten zu können, abgesichert; das erspart ihm entsprechende Eigenaufwendungen (vgl. - aaO; - 3 AZR 781/16 - Rn. 18, BAGE 161, 56). Hinterbliebenenversorgung knüpft also an das Todesfallrisiko an. Der Arbeitgeber hat ein berechtigtes Interesse daran, dieses nur so lange abzusichern, wie es sich nicht bereits konkretisiert hat, und damit objektive Versorgungsehen auszuschließen. Das berechtigt ihn, angemessene Fristen zwischen dem Zeitpunkt, der zum Eintritt der Risikoabsicherung führt, und dem Zeitpunkt, zu dem das Risiko eintritt, vorzusehen. Durch eine solche Frist wird einerseits der gebotenen Risikoabgrenzung Rechnung getragen, andererseits eine unangemessene Rechtsunsicherheit des Versorgungsberechtigten verhindert, der sonst im Einzelfall mit ungewissem Ergebnis über die Frage der Risikokonkretisierung streiten müsste. Im Fall einer mindestens einjährigen Mindestehedauer hat der Senat zudem angenommen, der Arbeitgeber müsse zusätzlich die Möglichkeit für den Hinterbliebenen vorsehen nachzuweisen, dass sich trotz des Todes innerhalb der so festgelegten Frist das Risiko zu dem Zeitpunkt, als der Schutz der Versorgungsordnung eintrat, noch nicht konkretisiert hatte ( - aaO; - 3 AZR 254/21 - Rn. 32, BAGE 176, 319). Das ist dem Arbeitgeber zumutbar, da er die Darlegungs- und Beweislast innerhalb der angemessenen Frist dem Hinterbliebenen auferlegen kann. Denn der Hinterbliebene wird dem Versorgungsberechtigten typischerweise nahe genug stehen, um zu den Umständen des Todes vorzutragen und Beweis antreten zu können ( - aaO).
31c) Diese - auf die wechselseitigen Interessen von versorgungsberechtigtem Arbeitnehmer einerseits und Arbeitgeber andererseits abstellenden - Grundsätze können vorliegend auf die gleichlaufende Interessenlage der Pensionskasse und ihrer versorgungsberechtigten Mitglieder übertragen werden, wenngleich die streitbefangene Satzungsbestimmung nicht das Arbeitsverhältnis, sondern das Versicherungsverhältnis betrifft (vgl. zur Berücksichtigung der Interessen der versicherten Versorgungsberechtigten bei der Inhaltskontrolle von Satzungsbestimmungen eines Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit - Rn. 76). Die versicherungsvertraglichen Rechtsbeziehungen dienen der Durchführung der im Arbeitsverhältnis, hier auf tarifvertraglicher Grundlage, gegebenen Versorgungszusage. Es ist die Aufgabe einer unternehmensbezogenen Pensionskasse, deren Trägerin die Arbeitgeberin ist, die zugesagte Zusatzversorgung durchzuführen (zur engen Verknüpfung von Tarifverträgen und auf ihnen beruhenden Satzungsbestimmungen vgl. - Rn. 24).
32d) Danach lässt die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die streitbefangene Klausel in § 18 Abs. 3 Buchst. a PKS halte einer Angemessenheitskontrolle stand, keine Rechtsfehler erkennen.
33aa) Die Frist von drei Monaten zwischen der Eheschließung und dem Tod des unmittelbar Versorgungsberechtigten ist angemessen. Der Senat hat unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Wertungen im Bereich der gesetzlichen Rente und der Beamtenversorgung (§ 46 Abs. 2a SGB VI, § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG) sogar eine Frist von einem Jahr als (noch) angemessen angesehen ( - Rn. 50; - 3 AZR 254/21 - Rn. 34, BAGE 176, 319).
34bb) Es bestehen zudem überwiegende Interessen des Klauselverwenders, an den formellen Akt der Eheschließung nach §§ 1310 ff. BGB anzuknüpfen. Dies ist der nach außen getragene, mit Rechtsverbindlichkeit versehene sowie staatlich geprüfte Akt der Eheleute, eine Ehe eingehen zu wollen (vgl. - Rn. 49; - 3 AZR 254/21 - Rn. 35, BAGE 176, 319).
35cc) Auch die in § 18 Abs. 3 Buchst. a PKS vorgesehene Widerlegungsmöglichkeit - Eintritt des Todes durch Unfall - entspricht angesichts der sehr kurzen Mindestehedauer von drei Monaten den Anforderungen des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Annahme des Landesarbeitsgerichts zu folgen ist, der Ausschluss nach § 18 Abs. 3 Buchst. a PKS greife auch dann nicht, wenn sich der Unfall vor der Eheschließung ereignet hat. Selbst dann, wenn - was systematisch und unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Ausschlussregelung näher liegt - die Rückausnahme auf Unfallereignisse nach der Eheschließung beschränkt sein sollte, benachteiligt die Regelung die Versorgungsberechtigten nicht unangemessen. Zwar sieht § 18 Abs. 3 Buchst. a PKS - abgesehen vom Unfallereignis - keine weitere Möglichkeit des Nachweises vor, dass sich trotz des Todes innerhalb der festgelegten Frist das Todesfallrisiko zum Zeitpunkt der Eheschließung, als also der Schutz der Versorgungsordnung eintrat, noch nicht konkretisiert hatte. Auch hat der Senat für Klauseln, die eine mindestens einjährige Mindestehedauer verlangten, entschieden, dass die Interessen der Versorgungsberechtigten regelmäßig nicht hinreichend gewahrt sind, wenn die Klausel keine Möglichkeit vorsieht, das Vorliegen des Todesfallrisikos im Zeitpunkt der Eheschließung zu widerlegen (vgl. - Rn. 52 unter Bezugnahme auf - Rn. 32 sowie 36 ff., BAGE 176, 319). Eine solche „Widerlegungsmöglichkeit“ ist allerdings nicht zwingend und in jedem Fall zu verlangen, vielmehr hängt ihre Erforderlichkeit im Rahmen einer Interessenabwägung immer auch vom übrigen Regelungsinhalt der Klausel, insbesondere der geforderten Mindestehedauer selbst, ab. Das Fehlen einer weiteren „Widerlegungsmöglichkeit“ ist im vorliegenden Fall unschädlich. Mit der hier verlangten nur kurzen Mindestehedauer werden die typischen Fälle, in denen das Todesfallrisiko zum Zeitpunkt der Eheschließung noch nicht bestand, weitgehend ohnehin erfasst. Bei pauschalierender Betrachtung dürfte es eher untypisch sein, dass eine erst nach Eheschließung eintretende Krankheit innerhalb von maximal drei Monaten zum Tod führt. Durch die geforderte vergleichsweise kurze Mindestehedauer bleibt es den Versorgungsberechtigten zudem für den Fall eines Ablebens später als drei Monate nach der Eheschließung erspart, den Nachweis über einen etwaigen Krankheitsursprung und dessen zeitliche Einordnung zu führen. Mit der hier auf ein Unfallereignis beschränkten Rückausnahme werden bei der geforderten nur dreimonatigen Mindestehedauer bei typisierender Betrachtung die wesentlichen Fälle erfasst, in denen eine Ehe zwar nicht lang genug gedauert hat, aber doch eine Hinterbliebenenversorgung geboten ist.
365. Die vom Beklagten schon im Berufungsrechtszug nicht mehr in Abrede gestellte Unwirksamkeit der Spätehenklausel in § 18 Abs. 3 Buchst. b PKS (vgl. zu den Voraussetzungen eines Verstoßes gegen das in § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 Abs. 1 AGG normierte Verbot der Benachteiligung wegen des Alters - Rn. 26 f.; ausführlich - 3 AZR 215/18 - Rn. 22 ff., BAGE 165, 357; - 3 AZR 198/18 - Rn. 14 ff.) führt ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit der Regelung zur Mindestehedauer in § 18 Abs. 3 Buchst. a PKS. Da der verbleibende Teil der Regelung in § 18 Abs. 3 Buchst. a PKS auch ohne den in der Spätehenklausel normierten Ausschluss eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung darstellt, erstreckt sich deren Unwirksamkeit nach § 306 Abs. 1 BGB nicht auf den übrigen Regelungsinhalt (vgl. - Rn. 31).
37IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:221024.U.3AZR23.24.0
Fundstelle(n):
JAAAJ-86240