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BGH Beschluss v. - XII ZB 488/23

Gesetze: § 1814 Abs 3 BGB, § 1815 Abs 1 BGB

Instanzenzug: Az: 4 T 55/21vorgehend Az: 673 XVII K 12700

Gründe

I.

1 Der Adoptivsohn der Betroffenen (Beteiligter zu 2) wendet sich gegen die Bestellung eines leiblichen Sohnes der Betroffenen (Beteiligter zu 4) zum Betreuer.

2 Die Betroffene, die an einer demenziellen Erkrankung leidet, hat zwei leibliche Söhne, Dr. S. K. und den Beteiligten zu 4, die aus der Ehe mit ihrem am verstorbenen Ehemann hervorgegangen sind. Der Beteiligte zu 2 ist ihr Enkel, den sie und ihr Ehemann später im Wege der Erwachsenenadoption als gemeinschaftliches Kind angenommen haben.

3 Mit notarieller Urkunde vom errichteten die Betroffene und ihr Ehemann eine Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung zugunsten des Beteiligten zu 2, die den Bevollmächtigten unter anderem nicht zu Verfügungen über das Grundstücksvermögen der Vollmachtgeber berechtigen sollte. Zudem enthält die Urkunde eine Betreuungsverfügung, nach der für den Fall, dass die Bestellung eines Betreuers notwendig werden sollte, die Vollmachtgeber den Bevollmächtigten als ihren Betreuer wünschen und ihre beiden leiblichen Söhne nicht als Betreuer eingesetzt werden sollen.

4 Das Amtsgericht hat den Beteiligten zu 2 zum Betreuer mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge bestellt und einen darauf bezogenen Einwilligungsvorbehalt angeordnet. Auf die Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen den amtsgerichtlichen Beschluss dahingehend abgeändert, dass der Beteiligte zu 2 als Betreuer entlassen und ein Berufsbetreuer mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge bestellt wird. Auf die Rechtsbeschwerden der Betroffenen und des Beteiligten zu 2 hat der Senat durch Beschluss vom (XII ZB 544/21 - FamRZ 2022, 1556) diese Entscheidung aufgehoben und das Verfahren an das Landgericht zurückverwiesen.

5 Nach weiteren Ermittlungen hat das Landgericht auf die Beschwerde der Betroffenen den Beschluss des Amtsgerichts dahingehend abgeändert, dass der Beteiligte zu 2 als Betreuer entlassen und der Beteiligte zu 4 zum Betreuer mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge bestellt wird. Außerdem hat es die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts im Bereich der Vermögenssorge aufgehoben und die Beschwerde im Übrigen zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 2 mit der Rechtsbeschwerde.

II.

6 Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

7 1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Betreuung für den Aufgabenkreis Vermögenssorge lägen vor. Die Betroffene leide an einer dementiellen Erkrankung mit mittelgradiger Beeinträchtigung. Sie sei deshalb zu einer freien Willensbildung nicht mehr in der Lage. Die Einrichtung einer Betreuung sei trotz der durch die Betroffene zugunsten des Beteiligten zu 2 erteilte Vorsorgevollmacht vom erforderlich.

8 Diese Vollmacht ermögliche nach ihrem eindeutigen Wortlaut bereits keine umfassende Vertretung, da insbesondere „Verfügungen (wie Veräußerung, Übertragung, Belastungen) über das Grundstücksvermögen“ der Betroffenen darin ausgeschlossen seien. Die beiden zugunsten von Dr. S. K. erteilten Vollmachten seien unwirksam, weil die Betroffene zum Zeitpunkt der Errichtung der Vollmachten bereits geschäftsunfähig gewesen sei.

9 Entsprechend dem Wunsch der Betroffenen sei der Beteiligte zu 4 zum Betreuer zu bestellen. Die Betroffene habe sowohl bei den Anhörungen durch das Amtsgericht als auch bei beiden Anhörungen durch die Kammer durchgängig geäußert, nur von ihren leiblichen Söhnen betreut werden zu wollen.

10 2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, dass das Beschwerdegericht bislang keine ausreichenden Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Aufgabenkreis des Betreuers nicht auf die in der zugunsten des Beteiligten zu 2 errichteten Vorsorgevollmacht vom ausgenommenen Rechtsgeschäfte, insbesondere auf Verfügungen über das Grundstücksvermögen der Betroffenen, beschränkt werden kann.

11 a) Nach § 1814 Abs. 3 Satz 1 BGB darf ein Betreuer nur bestellt werden, wenn dies erforderlich ist. Dieser Grundsatz verlangt für die Bestellung eines Betreuers die konkrete tatrichterliche Feststellung, dass sie - auch unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit - notwendig ist, weil der Betroffene auf entsprechende Hilfen angewiesen ist und weniger einschneidende Maßnahmen nicht in Betracht kommen. Die Erforderlichkeit einer Betreuung kann sich dabei nicht allein aus der subjektiven Unfähigkeit des Betroffenen ergeben, seine Angelegenheiten selbst zu regeln (Betreuungsbedürftigkeit). Hinzutreten muss vielmehr ein konkreter Bedarf für die Bestellung eines Betreuers. Ob und für welche Aufgabenbereiche ein objektiver Betreuungsbedarf besteht, ist aufgrund der konkreten, gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen. Dabei genügt es allerdings, wenn ein Handlungsbedarf in dem betreffenden Aufgabenkreis jederzeit auftreten kann (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 439/23 - FamRZ 2024, 1238 Rn. 7 mwN).

12 Umfasst eine wirksam erteilte Vollmacht nur einen Teil der Angelegenheiten, für die Betreuungsbedarf besteht, darf aufgrund des in § 1814 Abs. 3 Satz 2 BGB enthaltenen Subsidiaritätsgrundsatzes grundsätzlich ein Betreuer nur für die übrigen Angelegenheiten bestellt werden (vgl. MünchKommBGB/Schneider 9. Aufl. § 1814 Rn. 66). Dabei schließt der Begriff „Aufgabenkreis“ im Sinne des § 1815 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht aus, dem Betreuer gegebenenfalls nur eine einzige Angelegenheit zuzuweisen (vgl. Senatsbeschluss vom - XII ZB 583/11 - FamRZ 2012, 868 Rn. 13 mwN).

13 b) Vorliegend hat die Betroffene - zusammen mit ihrem verstorbenen Ehemann - mit notarieller Urkunde vom eine Vorsorgevollmacht zugunsten des Beteiligten zu 1 errichtet, die auch die Vermögensangelegenheiten umfasst. Aufgrund der in § 1 der Vollmacht enthaltenen Formulierung „Die Vollmacht ermächtigt den Bevollmächtigten zu allen Erklärungen und Handlungen, zu denen ein Betreuer mit oder ohne Genehmigung der Betreuungsgerichte befugt wäre, insbesondere zur Verfügung über unser Vermögen, insbesondere der Konten“ erstreckt sich die Vollmacht auf den gesamten Bereich der Vermögenssorge, von der nur die auf Seite 2 der Vollmacht unter den Buchstaben a. bis e. genannten Angelegenheiten ausgenommen sind. Da nach den getroffenen Feststellungen hinsichtlich der Wirksamkeit dieser Vorsorgevollmacht keine Bedenken bestehen, ist eine Betreuerbestellung für die gesamte Vermögenssorge nur dann erforderlich iSv § 1814 Abs. 3 Satz 1 BGB, wenn tragfähige Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass durch die Bestellung eines Betreuers für die in der Vollmacht ausgenommenen Angelegenheiten und durch die Vollmacht im Übrigen dem Betreuungsbedarf der Betroffenen nicht ausreichend Genüge getan wird. Dies kann etwa der Fall sein, wenn durch die Bestellung eines Betreuers für einen Teilbereich der Vermögensorge die Gefahr begründet wird, dass aufgrund von Konflikten zwischen dem Bevollmächtigten und dem Betreuer eine an den Wünschen der Betroffenen ausgerichtete Wahrnehmung ihrer Angelegenheiten im Bereich der Vermögenssorge nicht gewährleistet ist. Hierzu hat das Beschwerdegericht bislang keine ausreichenden Feststellungen getroffen.

14 3. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Sache ist an das Landgericht zurückzuverweisen, weil diese noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG). Die Zurückverweisung gibt dem Landgericht auch die Möglichkeit, sich bei der Prüfung, ob der Beteiligte zu 4 zur Ausübung des Betreueramtes geeignet ist, mit den in dem Verfahren der einstweiligen Anordnung gewonnenen Erkenntnissen zu befassen.

15 Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Guhling                                       Klinkhammer                                       Günter

                             Botur                                                       Krüger

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:181224BXIIZB488.23.0

Fundstelle(n):
YAAAJ-85707