Kaufrecht | Musterfeststellungsklage zum Konzerninkasso abgewiesen (BGH)
Eine Inkassovergütung stellt auch
dann einen ersatzfähigen Verzugsschaden dar, wenn es sich bei dem von dem
Gläubiger mit der Einziehung der Forderung beauftragten Inkassodienstleister um
ein mit ihm im Sinne von
§ 15 AktG
verbundenes Unternehmen handelt (sog. Konzerninkasso) und die zwischen diesen
beiden Gesellschaften getroffenen Vereinbarungen dazu führen, dass eine
(unmittelbare) Zahlung der Vergütung durch den Gläubiger an den
Inkassodienstleister im Regelfall ausscheidet ().
Hintergrund: Nach § 280 Abs. 1, 2, §§ 286, 249 Abs. 1 BGB sind dem Gläubiger grundsätzlich alle Einbußen zu ersetzen, die er durch die Verfolgung seiner Rechte gegen den bereits in Verzug geratenen Schuldner erleidet. Zu den danach erstattungsfähigen Rechtsverfolgungskosten zählen nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Ausgangspunkt auch diejenigen Aufwendungen, die dem Gläubiger dadurch entstehen, dass er - nach Verzugseintritt - ein Inkassounternehmen mit der Einziehung der Forderung beauftragt. Voraussetzung für die Erstattungsfähigkeit ist allerdings, dass die Rechtsverfolgungskosten aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren.
Sachverhalt: Der Musterkläger ist der Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen und 28 weiterer Verbraucherschutzorganisationen in Deutschland. Die Musterbeklagte ist ein Konzernunternehmen, dessen Geschäftsgegenstand unter anderem der Erwerb von Forderungen ist.
Mit der Einziehung ihrerseits erworbener Forderungen beauftragt die Musterbeklagte regelmäßig eine Schwestergesellschaft, die Inkassodienstleistungen erbringt. Nach der zwischen diesen beiden Gesellschaften getroffenen Rahmenvereinbarung macht die Inkassodienstleisterin die - bis zur erfolgreichen Einziehung beim Schuldner im Verhältnis zu der Musterbeklagten gestundete - Inkassovergütung als Verzugsschaden gegenüber dem jeweiligen Schuldner geltend und behält den entsprechenden Betrag ein, wenn der Schuldner die Forderung erfüllt, während andernfalls - wenn der Schuldner die Forderung nicht erfüllt - die Musterbeklagte ihren entsprechenden Schadensersatzanspruch gegenüber dem Schuldner an die Inkassodienstleisterin an Erfüllungs statt abtritt. Die Höhe der Vergütung richtet sich dabei vereinbarungsgemäß nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG).
In dem Zeitraum von Februar 2020 bis einschließlich April 2021 machte die Inkassodienstleisterin im Auftrag der Musterbeklagten gegenüber zahlreichen Verbrauchern Forderungen geltend, mit deren Erfüllung der jeweilige Schuldner bereits zuvor in Verzug geraten war. Neben der Hauptforderung verlangte die Musterbeklagte von den Schuldnern jeweils Verzugszinsen sowie - für die Einziehungstätigkeit der Inkassodienstleisterin - die Erstattung einer Inkassovergütung in Höhe einer 1,3-fachen Gebühr nach Nr. 2300 des Vergütungsverzeichnisses in der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG (VV RVG).
Das Gericht der ersten Instanz entschied, dass die Musterbeklagte die Kosten für die Beauftragung der Inkassotätigkeit nicht in Rechnung stellen darf (, s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 15.06.2023).
Die Richter des BGH dagegen hoben das Urteil des OLG auf und wiesen die Klage ab:
Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts handelt es sich bei der Inkassovergütung, deren Erstattung die Musterbeklagte von den jeweiligen Schuldnern verlangt, um einen ersatzfähigen Verzugsschaden.
Bei dem für die Bestimmung eines Schadens vorzunehmenden Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre (Differenzhypothese), begründet der Umstand, dass die Musterbeklagte einem Vergütungsanspruch der Inkassodienstleisterin aus dem mit dieser geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 Abs. 1 iVm § 611 Abs. 1 BGB) ausgesetzt ist, einen Schaden.
Zwar stellt die Belastung mit einer Verbindlichkeit nach gefestigter Rechtsprechung des BGH nur dann und insoweit einen Schaden dar, als der Geschädigte mit der Verbindlichkeit tatsächlich beschwert ist.
Eine solche Beschwer entfällt entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts aber nicht etwa dadurch, dass der Geschädigte mit dem Dritten, dessen Forderung den geltend gemachten Schaden bildet, besondere - für den Geschädigten vorteilhafte - Erfüllungsmodalitäten vereinbart.
Dies gilt auch dann, wenn diese Modalitäten - wie die Abrede, dass der Dritte hinsichtlich seiner Vergütung an Erfüllungs statt die Abtretung des diesbezüglichen Ersatzanspruchs des Geschädigten gegen den Schädiger annimmt - zur Folge haben, dass der Geschädigte keinen direkten Mittelabfluss in Form einer Geldzahlung an den Dritten erleidet. Denn dies ändert nichts daran, dass der Geschädigte die Erfüllung der Forderung schuldet (§ 241 Abs. 1 BGB) und somit eine Vermögenseinbuße im schadensrechtlichen Sinne vorliegt.
So verhält es sich auch im Streitfall. Nach der hier getroffenen Abrede erfolgt die Erfüllung - wenn der Inkassodienstleisterin eine Realisierung der entsprechenden Ansprüche (Haupt- und/oder Nebenforderungen) gegenüber dem Schuldner (teilweise) gelingt - dadurch, dass die Inkassodienstleisterin berechtigt ist, den eingezogenen Betrag in Höhe der Vergütungsforderung zu behalten.
Hierbei handelt es sich in dem Verhältnis zwischen der Musterbeklagten und der Inkassodienstleisterin um eine Leistung der Musterbeklagten im Sinne von § 362 BGB, die letztlich darin besteht, dass die Musterbeklagte auf die Geltendmachung ihres Anspruchs auf Auskehrung der durch die Geschäftsbesorgung erlangten Geldbeträge (§ 675 Abs. 1, § 667 BGB) insoweit verzichtet.
Bleibt der Forderungseinzug hingegen erfolglos, erbringt die Musterbeklagte die ihrerseits geschuldete Vergütungsleistung, indem sie ihren Schadensersatzanspruch gegen den jeweiligen Schuldner an die Inkassodienstleisterin an Erfüllungs statt (§ 364 Abs. 1 BGB) abtritt.
Die Einschaltung der Inkassodienstleisterin war aus der insoweit maßgeblichen Sicht der Musterbeklagten zur Wahrnehmung ihrer Rechte auch erforderlich und zweckmäßig. Nach der Rechtsprechung des BGH ist die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder eines Inkassounternehmens regelmäßig selbst in einfach gelagerten Fällen aus der Sicht des Gläubigers erforderlich und zweckmäßig, wenn der Schuldner - wie in sämtlichen hier zu beurteilenden Fällen - in Zahlungsverzug geraten ist.
Der Umstand, dass der Forderungseinzug vorliegend im Wege eines Konzerninkassos betrieben wird, rechtfertigt es entgegen einer in der Literatur vereinzelt vertretenen Auffassung nicht, die Erforderlichkeit der hierdurch verursachten Kosten zu verneinen. Denn die Frage der Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten richtet sich nicht nach der gewählten Organisation des Forderungsinkassos, sondern allein danach, mit welchen Tätigkeiten der Gläubiger das Inkassounternehmen beauftragt.
Hat der Gläubiger der ihm obliegenden Mühewaltung - wozu beispielsweise die Stellung einer Rechnung oder die verzugsbegründende Erstmahnung zählen - genügt, wie regelmäßig anzunehmen ist, wenn er den Schuldner in Verzug gesetzt hat, und beauftragt anschließend - um seinem Erfüllungsverlangen Nachdruck zu verleihen - einen Rechtsanwalt oder ein (externes) Inkassounternehmen mit der Forderungseinziehung, besteht dem Grunde nach ein Anspruch auf Ersatz der hierdurch verursachten Kosten.
Im Fall der Beauftragung eines konzernverbundenen - gleichwohl aber rechtlich selbständigen - Inkassounternehmens kann nichts anderes gelten. Nur wenn im Einzelfall zusätzliche besondere Anhaltspunkte für ein von sachfremden Interessen geleitetes, rechtsmissbräuchliches Verhalten des Gläubigers - gegebenenfalls in kollusivem Zusammenwirken mit dem konzernverbundenen Inkassounternehmen - vorliegen, kann die Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme zu verneinen sein. Solche Anhaltspunkte liegen hier jedoch nicht vor.
Auch der Umstand, dass durch ein konzernverbundenes Unternehmen erbrachte Inkassodienstleistungen vom Anwendungsbereich des Rechtsdienstleistungsgesetzes ausgenommen sind (§ 2 Abs. 1, 3 Nr. 6 RDG) und deshalb unter anderem die schuldnerschützende Vorschrift des § 4 Abs. 5 RDGEG aF (heute § 13e Abs. 1 RDG), wonach der Gläubiger von seinem Schuldner eine Erstattung von Inkassokosten nur bis zu der Höhe verlangen kann, die einem Rechtsanwalt für diese Tätigkeit nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zustehen würde, nicht (unmittelbar) anzuwenden ist, gebietet keine andere Beurteilung.
Denn der vom Gesetzgeber mit jener Regelung bezweckte Schutz des Schuldners vor einer Belastung mit überhöhten Kosten lässt sich ohne weiteres dadurch erreichen, dass die in § 4 Abs. 5 RDGEG aF (heute § 13e Abs. 1 RDG) zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung, die als Konkretisierung der allgemeinen Schadensminderungsobliegenheit des Gläubigers nach § 254 Abs. 2 BGB zu begreifen ist, nach Maßgabe dieser letztgenannten Vorschrift auf die Erstattungsfähigkeit von Konzerninkassokosten übertragen wird.
Da im Streitfall eine Berechnung der Inkassokosten gemäß dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vereinbart wurde, kommt eine Anspruchsminderung hiernach nicht in Betracht.
Quelle: BGH, Pressemitteilung v. (il)
Fundstelle(n):
JAAAJ-85696