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BSG Urteil v. - B 8 SO 13/22 R

Instanzenzug: Az: S 51 SO 626/16 Urteilvorgehend Bayerisches Landessozialgericht Az: L 8 SO 26/19 Urteil

Tatbestand

1Im Streit ist im Revisionsverfahren noch die Frage, ob die Beklagte für die Zeit vom bis die Berücksichtigung von Bedarfen für die Altersvorsorge nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) zu Recht abgelehnt hat.

2Die vollständig und auf Dauer erwerbsgeminderte Klägerin erhielt seit 2010 von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bund bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze im September 2021 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer. Daneben bewilligte ihr die beklagte Stadt seit Februar 2010 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Vierten Kapitel des SGB XII. Im Februar 2013 beantragte die Klägerin die Berücksichtigung von Beiträgen zur Rentenversicherung mit dem Ziel einer freiwilligen Nachentrichtung bei der DRV Bund. Nachdem sie keinen Versicherungsverlauf übermittelte, versagte die Beklagte die Übernahme der Beiträge zur Altersvorsorge. Unter anderem für die Zeit von Februar 2015 bis Januar 2016 bewilligte die Beklagte erneut Grundsicherungsleistungen (Bescheid vom ), die sie nach Erhöhung der Rente zum anpasste (Änderungsbescheide vom und vom ). Gegen den Änderungsbescheid vom wandte sich die Klägerin mit einem Widerspruch und beanstandete unter anderem erneut die Nichtberücksichtigung von Beiträgen zur Altersvorsorge. Den Widerspruch wies die die Regierung von Oberbayern zurück und verwies wegen der Altersvorsorgebeiträge auf die bestandskräftige Versagung dieser Leistungen (Widerspruchsbescheid vom ).

3Die Klage, die die Klägerin mit dem Ziel höherer Leistungen unter anderem für den Bewilligungszeitraum vom bis zum unter Berücksichtigung unter anderem von Beiträgen der Altersvorsorge erhoben hat, hat keinen Erfolg gehabt (Urteil des Sozialgerichts <SG> München vom ). Die Berufung hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) zurückgewiesen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, die Klage sei unzulässig, soweit sich die Klägerin gegen die Ablehnung von Altersvorsorgeleistungen gewandt habe, weil solche Leistungen nicht Gegenstand der Regelungen der Beklagten gewesen seien. Weder der Verfügungssatz noch die Gründe der Bescheide wegen der Grundsicherungsleistungen für den Bewilligungszeitraum vom bis zum träfen Regelungen bezogen auf Ansprüche nach § 33 SGB XII (Urteil vom ).

4Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Nachdem die DRV Bund mitgeteilt hat, dass sie nach den vorliegenden Unterlagen bis zum Erreichen der Regelaltersrente keinen Antrag auf (Nach)Zahlung freiwilliger Rentenversicherungsbeiträge gestellt habe und auch für eine Unterbrechung der Frist des § 197 Abs 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) nichts erkennbar sei, macht sie noch geltend, die Ablehnung der Beklagten sei rechtswidrig gewesen, soweit sie für die Zeit vom bis Bedarfe für die Altersvorsorge nicht berücksichtigt habe. Die rechtswidrige Ablehnung löse Amtshaftungsansprüche gegen die Beklagte aus, woraus ein Feststellungsinteresse folge. Mit der Bezugnahme auf den Versagungsbescheid habe die Beklagte über die Berücksichtigung von Altersvorsorgebeiträgen entschieden, sodass die Klage entgegen der Auffassung des LSG bei Klageerhebung zulässig gewesen sei. Die Versagung stehe der erneuten Entscheidung wegen anderer Leistungszeiträume auch nicht entgegen. Unzutreffend habe die Beklagte wie auch das LSG keine Prognose dahingehend angestellt, ob die freiwilligen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung im Fall der Klägerin erforderlich waren. Dies sei zu bejahen gewesen.

5Die Klägerin beantragt,das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom sowie das Urteil des Sozialgerichts München vom und die Bescheide vom und in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom teilweise aufzuheben und festzustellen, dass die Ablehnung von Leistungen für Bedarfe für die Altersvorsorge für die Zeit vom bis rechtswidrig war.

6Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.

7Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Gründe

8Die zulässige Revision ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und Zurückverweisung der Sache an dieses Gericht begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Es fehlen für eine abschließende Entscheidung des Senats ausreichende tatsächliche Feststellungen des LSG zum Sachverhalt, um beurteilen zu können, ob ein Anspruch auf die begehrte Feststellung besteht.

9Gegenstand der Klage sind mit Klageerhebung unter anderem die Bescheide vom und vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom geworden, mit denen die Beklagte Regelungen über die monatliche Höhe der Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom bis zum getroffen hat. Zulässigerweise hat die Klägerin mit ihrer Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 SGG) diese gegenüber der ursprünglichen Bewilligung (Bescheid vom ) belastenden Regelungen, mit denen die Beklagte eine eigenständige und vollständige Überprüfung der Höhe der Leistungen für die Zeit vom bis zum vorgenommen hat, mit dem Ziel angegriffen, ab dem höhere als ursprünglich für diesen Bewilligungszeitraum bewilligte Leistungen zu erhalten (vgl nur Bundessozialgericht <BSG> vom - B 7 AY 1/17 R - SozR 4-3520 § 1a Nr 3 RdNr 15 mwN). Ob die Anfechtungs- und Leistungsklage auch wegen der übrigen Zeiträume zulässig war, bedarf keiner Entscheidung.

10Diese Anfechtungs- und Leistungsklage war entgegen der Auffassung des LSG bei Klageerhebung auch zulässig, soweit die Klägerin höhere Leistungen unter Berücksichtigung eines Bedarfs für Altersvorsorgebeiträge geltend gemacht hat. Bei einer Entscheidung, ob der Klägerin höhere Leistungen zustehen, sind grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen über Grund und Höhe der Leistungen zu prüfen (vgl nur - RdNr 13; B 8/9b SO 2/06 R - BSGE 99, 131 = SozR 4-3500 § 28 Nr 1, RdNr 10), sofern - wie hier - keine zulässige Beschränkung vorgenommen wurde. Soweit die Klägerin mit ihrem Widerspruch wie auch mit Klageerhebung vorgebracht hat, es seien (neben den Beiträgen für weitere Versicherungen) freiwillige Beiträge zur Rentenversicherung als Bedarfe für ihre Altersvorsorge zu berücksichtigen, war dieses Begehren in der Sache dahin auszulegen, dass sie die Berücksichtigung weiterer Absetzbeträge von ihrem (insoweit ausreichenden) Einkommen (vgl § 82 Abs 2 Nr 3 SGB XII) verlangt hat. Demgegenüber kommen Leistungen für einen Vorsorgebedarf nach § 33 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB XII (hier idF des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom ; BGBl I 2933; im Folgenden <aF>) auch vor ausdrücklicher Änderung des § 33 Abs 1 SGB XII mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen sowie zur Änderung des Zweiten und des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (vom , BGBl I 3159) im Grundsatz erst in Betracht, wenn kein für solche Beiträge ausreichendes Einkommen bezogen wird (vgl zu § 33 Abs 1 SGB XII aF Flint in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl 2014, § 33 RdNr 3; Behrend in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl 2014, § 33 RdNr 9; vgl zu § 33 Abs 2 SGB XII - SozR 4-3500 § 82 Nr 15 RdNr 13, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).

11Dem geltend gemachten Anspruch auf höhere Leistungen unter Berücksichtigung höherer Absetzbeträge vom Einkommen steht die Bestandskraft (vgl § 77 SGG) der Entscheidung über die Versagung von höheren Leistungen aus dem Jahr 2013 (an der die Beklagte im Klageverfahren ohnehin nicht festgehalten hat) nicht entgegen. Soweit die Beklagte im Jahr 2013 höhere laufende Leistungen wegen eines Bedarfs für Altersvorsorge versagt hat (sei es unter Berücksichtigung als Absetzbeträge vom Einkommen, sei es als zusätzliche monatliche Leistungen), beschränkt sich die (teilweise) Versagung in ihren Auswirkungen auf den Bewilligungszeitraum, für den nach Auffassung der Beklagten im Hinblick auf die Höhe der Leistung eine abschließende Entscheidung wegen mangelnder Mitwirkung der Klägerin nicht getroffen werden konnte. Die Wirkung der Versagung wegen höherer Leistungen geht in zeitlicher Hinsicht nicht über den Bewilligungszeitraum hinaus; denn sowohl im Fall einer leistungserhöhenden Auswirkung bei Absetzung eines Einkommensbetrags als auch im Fall eines gesonderten laufenden Vorsorgebedarfs handelt es sich um einen Teil des einheitlichen Anspruchs auf Grundsicherungsleistungen, der abschnittsweise bewilligt wird. Über den Bewilligungsabschnitt hinaus geht von dieser Entscheidung aber von vornherein keine Bindungswirkung für künftige Bewilligungsabschnitte aus (vgl zur Ablehnung eines laufenden Mehrbedarfs zuletzt - SozR 4-4200 § 24 Nr 8 RdNr 12 mwN).

12Der Leistungsklage fehlte bei Klageerhebung auch nicht das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis (zu dieser allgemeinen Prozessvoraussetzung nur - RdNr 10 mwN). Da freiwillige Beiträge grundsätzlich wirksam sind, wenn sie bis zum 31.3. des Jahres, das dem Jahr folgt, für das sie gelten sollen, gezahlt werden (§ 197 Abs 2 SGB VI), war eine laufende Entrichtung der Beiträge für August 2015 bis Januar 2016 aus dem eigenen Einkommen im Zeitpunkt der Erhebung des Widerspruchs und auch bei Klageerhebung noch möglich, was bei Vorliegen der in § 82 Abs 2 Nr 3 SGB XII genannten Voraussetzungen zu einem höheren Leistungsanspruch führt.

13In der Folgezeit ist das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis für die Leistungsklage aber entfallen. Die Leistungsklage kann mit Ablauf des keinen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil mehr bewirken. Die Klägerin hat Beiträge auf die geltend gemachten Bedarfe für Vorsorge tatsächlich nicht entrichtet; damit scheidet die Berücksichtigung als (nur fiktiver) Absetzbetrag vom Einkommen aus. Es kommt im Grundsatz zwar nach Ablehnung der Berücksichtigung als Absetzbetrag die Übernahme der Beiträge als Leistung für Vorsorge auf Grundlage von § 33 Abs 1 SGB XII in Betracht, solange die Beiträge wirksam entrichtet werden können. In einer Situation, in der in einem Widerspruchs- und sich ggf anschließenden Klageverfahren zu klären ist, ob Beiträge zur Altersvorsorge vom Träger der Grundsicherung berücksichtigt werden, kann die Betroffene nicht auf die Vorfinanzierung der Beiträge aus eigenem Einkommen verwiesen werden, sofern dieses nicht insgesamt bedarfsdeckend ist. Sie trüge ansonsten das Risiko, dass die Kosten später keine Berücksichtigung finden und ihre Existenzsicherung gefährden (vgl zuletzt zur Übernahme von Beiträgen für eine Pflegeperson - RdNr 15 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

14Soweit die Übernahme von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung im Streit steht, hat die Betroffene dabei die Möglichkeit durch ein Beitragsverfahren bei der DRV iS des § 198 Satz 1 SGB VI zu verhindern, dass sie einen Nachteil dadurch erleidet, dass die Durchführung eines Verwaltungs- und Klageverfahrens mit dem Ziel der Übernahme freiwilliger Beiträge durch den Sozialhilfeträger Zeit in Anspruch nimmt (zu einer solchen Konstellation bereits - RdNr 12, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen). Die Klägerin ist indes nach den Auskünften, die der Senat bei der DRV Bund eingeholt hat (zur Zulässigkeit der Ermittlung von Prozessvoraussetzungen durch das Revisionsgericht nur Hauck in Hauck/Behrend, SGG, § 163 RdNr 82 mwN, Stand 11/2018; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 163 RdNr 5b mwN), zu keinem Zeitpunkt an die DRV Bund mit dem Ziel herangetreten, freiwillige Beiträge für die Jahre 2015 und 2016 zu entrichten. Auch ein anderes Verfahren im Zusammenhang mit der Rentengewährung, das als Beitragsverfahren iS des § 198 Satz 1 SGB VI angesehen werden könnte, ist nicht offen. Ob insoweit Hinweispflichten der Beklagten bestanden, kann offenbleiben; denn selbst deren Verletzung hätte bezogen auf den vorliegenden Streitgegenstand keine Bedeutung, weil die Beitragszahlung nicht mehr erfolgen kann.

15Dieser prozessualen Situation hat die Klägerin Rechnung getragen und anstelle des unzulässig gewordenen Leistungsantrags einen Feststellungsantrag gestellt. Dieses Vorgehen erweist sich als zulässig.

16Nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG kann mit der Feststellungsklage das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Eine Feststellungsklage ist nur zulässig, wenn konkrete Rechte in Anspruch genommen bzw vom beklagten Träger bestritten werden. Ein solcher Fall liegt hier vor. Die Klägerin war nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) zumindest seit 2011 hilfebedürftig iS des § 19 Abs 2 SGB XII. Aus diesem Sachverhalt der Hilfebedürftigkeit ergibt sich ein umfassendes Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten, das im Grundsatz auch den Anspruch auf die Übernahme erforderlicher Altersvorsorgebeiträge umfasst. Die Frage nach der Absicherung für den Fall des Alters durch Übernahme von Vorsorgebeiträgen stellt sich zwar nach Erreichen der Regelaltersrente nicht mehr. Eine Fortsetzungsfeststellungsklage kommt ebenso wenig in Betracht, weil sich die Bescheide über die Höhe der Leistungen von August 2015 bis Januar 2016 nicht durch Zeitablauf erledigt haben (vgl aber § 131 Abs 1 Satz 3 SGG). Die Klägerin hat aber ein Interesse an der Feststellung, dass das behauptete Recht, dessen Realisierung durch Zeitablauf nach Klageerhebung nicht mehr in Betracht kommt, bestand; denn sie macht geltend, dass sich die Ablehnung des Anspruchs auf Entrichtung weiterer freiwilliger Beiträge auf die Höhe der laufenden Rente ausgewirkt habe und ihr insoweit ein Schaden entstanden sei. Mit dem Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns kann sie damit den Prozess fortsetzen, um sich auf diese Weise die bisherigen Ergebnisse des sozialgerichtlichen Verfahrens für den nachfolgenden Schadensersatzprozess nutzbar zu machen (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 55 RdNr 15b).

17Ob in der Sache ein Anspruch auf höhere Leistungen gegen die Beklagte besteht, die sachlich und örtlich für die Erbringung von Leistungen der Grundsicherung zuständig ist (vgl § 46b Abs 1, Abs 3 Satz 1 SGB XII idF des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom <BGBl I 3733> iVm Art 81 des Gesetzes zur Ausführung der Sozialgesetze vom <GVBl 942>; § 98 Abs 1 SGB XII), kann der Senat auf Grundlage der bisherigen Feststellungen des LSG nicht entscheiden.

18Als Anspruchsgrundlage kommt § 42 Nr 2 SGB XII (idF des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom , BGBl I 453) iVm § 33 Abs 1 Nr 1 SGB XII aF in Betracht. Die Klägerin ist auf Grundlage der Feststellungen des LSG leistungsberechtigt nach § 19 Abs 2 Satz 1 iVm § 41 Abs 1 und Abs 3 SGB XII (jeweils idF des Gesetzes vom , BGBl I 453). Sie hat einen Antrag auf Grundsicherungsleistungen gestellt, ist dauerhaft voll erwerbsgemindert und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland. Nach den Feststellungen verfügt sie zudem nicht über bedarfsdeckendes Einkommen und Vermögen.

19Eine gesonderte Antragstellung als Voraussetzung für einen Anspruch auf Leistungen für Vorsorgebedarfe war nicht erforderlich. Zwar werden seit dem solche Leistungen nur noch auf gesonderten Antrag des Grundsicherungsberechtigten hin erbracht (vgl § 44 Abs 1 Satz 2 SGB XII idF des Gesetzes zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und weiterer Vorschriften vom , BGBl I 2557). Die gesonderte Antragstellung erübrigt sich indes, wenn - wie hier - zunächst die Absetzung von Beiträgen vom Einkommen geltend gemacht wird. Von diesem Begehren ist die Gewährung von Vorsorgebeiträgen als nachrangige Möglichkeit der Bedarfsdeckung mitumfasst.

20Um die Voraussetzungen eines Anspruchs auf eine angemessene Alterssicherung zu erfüllen, können für Grundsicherungsempfänger als zusätzlicher Bedarf Beiträge für eine Alterssicherung übernommen werden (§ 33 Abs 1 SGB XII aF). Dabei kommt vor allem eine Absicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung durch freiwillige Beiträge als Leistung in Betracht (Abs 1 Nr 1), wie sie die Klägerin auch angestrebt hat.

21Der Begriff der "Angemessenheit" der Altersvorsorge als Voraussetzung für einen solchen Anspruch räumt dem Träger der Grundsicherung kein Ermessen ein, sondern ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, dessen Auslegung und Anwendung durch die Verwaltung gerichtlich voll überprüfbar sind (vgl nur - SozR 4-3500 § 82 Nr 15 RdNr 15 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen). Dabei bestimmt sich die "Angemessenheit" einer Altersvorsorge bei Prüfung von Absetzbeträgen nach § 82 Abs 2 Nr 3 SGB XII wie auch bei der Entscheidung über zusätzliche Leistungen für Vorsorgebedarfe nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Kapitels nach den gleichen Kriterien: Erfüllen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, die nicht Pflichtbeiträge sind (vgl insoweit § 82 Abs 2 Nr 2 SGB XII), das Tatbestandsmerkmal der "Angemessenheit", können Leistungsberechtigte, die ein Einkommen beziehen, verlangen, dass die (dem Grund und der Höhe nach angemessenen) Beiträge von ihrem einzusetzenden Einkommen abgesetzt werden, und haben Leistungsberechtigte, die kein oder kein ausreichendes Einkommen haben, nach § 33 Abs 1 SGB XII einen Anspruch darauf, dass der Träger der Grundsicherung über eine Übernahme dieser Beiträge nach Ermessen (zur Ermessensausübung später) entscheidet (vgl zu Sterbegeldversicherungen bereits - SozR 4-3500 § 82 Nr 15 RdNr 18 mwN, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; Bundesverwaltungsgericht <BVerwG> vom - 5 C 43.01 - BVerwGE 116, 342, 343). Leistungsberechtigten mit nicht bedarfsdeckendem Einkommen wird durch die Möglichkeit, Beiträge aus Einkommen aufzubringen, im Grundsatz kein weiterergehender Schutz im Hinblick auf eine künftige Absicherung im Alter verschafft, als Leistungsberechtigten, die überhaupt nicht über Einkommen verfügen.

22Mit der Möglichkeit der Übernahme von Vorsorgebedarfen, die seit Inkrafttreten des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) im Wesentlichen unverändert besteht (vgl § 14 BSHG), sollen vor allem die Härten vermieden werden, die dadurch entstehen, dass der Leistungsberechtigte eine einmal begonnene Alterssicherung mit eigenen Mitteln nicht weiterführen kann (vgl BT-Drucks 3/1799 S 40). Ob die fehlende Fortführung einer Alterssicherung eine solche Situation entstehen lässt, die den Einsatz von Mitteln der Sozialhilfe zur Abwendung eines künftigen Bedarfs - der Absicherung im Alter - rechtfertigt, erfordert zunächst eine Prognoseentscheidung über das bereits erreichte Alterssicherungsniveau.

23Eine "angemessene" Alterssicherung (im Sinne einer Obergrenze) besteht bereits und braucht nicht mehr mit Mitteln der Sozialhilfe finanziert zu werden, wenn der Leistungsberechtigte mit ihr prognostisch eine Alterssicherung erreicht, die ihn in die Lage versetzt, seinen notwendigen Lebensunterhalt unabhängig von Sozialhilfeleistungen zu bestreiten (vgl - RdNr 21, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen; Wrackmeyer-Schoene in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 8. Aufl 2024, § 33 RdNr 11; Benedix in Beck-OGK, SGB XII, Stand , § 33 RdNr 11; Falterbaum in Hauck/Noftz, SGB XII, 5. EL 2024, K § 33 RdNr 13; anders Krauß in Knickrehm/Roßbach/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 8. Aufl 2023, § 33 SGB XII RdNr 6), wobei bestehende oder absehbar eintretende Mehrbedarfe zu berücksichtigen sind (Herbst in jurisPK-SGB XII, 4. Aufl 2024, § 33 RdNr 40). Die prognostisch ermittelten Ansprüche zur Alterssicherung, die alle zur Vorsorge im Alter geeigneten Ansprüche erfassen, sind daran zu messen, ob sie der Höhe nach einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen übersteigen. Die insoweit bestehenden Unsicherheiten einer solchen Prognose werden ausreichend dadurch abgefangen, dass beide Einsatzwerte aller Voraussicht nach in der Zukunft Steigerungen erfahren werden (vgl - RdNr 27 f mwN, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen).

24Erreichten die prognostisch zu ermittelnden Ansprüche zur Alterssicherung dieses Absicherungsniveau nicht, wofür angesichts des Bezugs von Grundsicherungsleistungen der Klägerin auch nach Erreichen der Regelaltersgrenze einiges spricht, ist in einem nächsten Schritt zu entscheiden, ob diese Lücke mit angemessenen Aufwendungen durch Sozialhilfemittel geschlossen werden kann. Dabei reicht im Grundsatz aus, wenn eine Verbesserung erreicht worden wäre, die im Ergebnis, wenn auch nicht notwendig zum Wegfall, so doch jedenfalls zu einer späteren Entlastung der Sozialhilfe führt (vgl - RdNr 19 f, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen).

25Den Maßstab für solche "angemessene" Aufwendungen, mit denen eine Verbesserung erreicht werden kann, bilden Aufwendungen, mit denen Bezieher von Einkommen knapp oberhalb der Sozialhilfegrenze unter besonderer Berücksichtigung ihrer individuellen Lebenssituation vergleichbare Risiken absichern würden (vgl zur Berücksichtigung von Absetzbeträgen zu privaten Versicherungen - BSGE 104, 207 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1 RdNr 20 mwN). Damit ist zu prüfen, ob angesichts solcher Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Versicherungsaufwand und -ertrag in einem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zueinander stehen oder die spätere Absicherung durch Grundsicherungsleistungen in Kauf zu nehmen ist (grundlegend zu Absetzbeträgen vom Einkommen 5 C 18.98 - Buchholz 436.0 § 76 BSHG Nr 31 S 7 f = juris RdNr 7). Die Absetzung von Beiträgen, die ein Bezieher von Einkommen knapp oberhalb der Sozialhilfegrenze als unwirtschaftlich ansehen würde, scheidet jedenfalls aus (vgl Decker in Beck-OGK, SGB XII, Stand , § 82 RdNr 79). In solchen Fällen kann auch von dem Träger der Sozialhilfe vom gegenwärtigen Mitteleinsatz abgesehen werden (vgl Falterbaum in Hauck/Noftz, SGB XII, 5. EL 2024, K § 33 RdNr 16; Gebhardt in BeckOK Sozialrecht, 74. Ed Stand , § 33 SGB XII RdNr 2).

26Da die Klägerin bereits eine Rente wegen Erwerbsminderung bezogen hat, scheidet ein Vorsorgebedarf in ihrem Fall insbesondere aus, wenn mit den zeitgleich zu berücksichtigenden Zurechnungszeiten iS des § 59 SGB VI, die nach §§ 64, 66 Abs 1 Nr 1, §§ 71 ff SGB VI in die Berechnung der Altersrentenhöhe einfließen, bereits ein Niveau erreicht wird, das den Einsatz weiterer freiwilliger Beiträge nicht wirtschaftlich erscheinen lässt. Zwar fließen die Zurechnungszeiten bereits in die Ermittlung des erreichten Alterssicherungsniveaus ein. Erreicht dieses das Niveau der Grundsicherung nicht, scheidet ein Bedarf für eine weitere Vorsorge nicht von vornherein aus. Es ist aber in solchen Fällen in besonderem Maße zu hinterfragen, ob eine bessere Absicherung mit wirtschaftlich sinnvollem Aufwand durch die zeitgleiche Zahlung freiwilliger Beiträge erreicht werden kann. Bei dieser Klärung wird regelmäßig eine entsprechende Auskunft vom Rentenversicherungsträger erforderlich sein, die bislang nicht vorliegt.

27Für den Fall, dass vom Leistungsberechtigten eine nach diesen Maßstäben dem Grund und der Höhe nach angemessene Altersvorsorge angestrebt wird, steht die Erbringung von Leistungen nach § 33 Abs 1 SGB XII (in der alten wie der neuen Fassung) im Ermessen der Behörde. Nur wenn sich ergibt, dass bei ermessensfehlerfreier Entscheidung keine andere Entscheidung als die zu Gunsten der Klägerin in Betracht kam, kommt ein Schaden in Betracht. Welche Ermessensgesichtspunkte sich ergeben können, wenn bereits bei Prüfung der Angemessenheit zu entscheiden ist, ob "Aufwendungen für eine zusätzliche Altersvorsorge geeignet sind, die Versorgungssituation im Alter soweit zu verbessern, dass Hilfebedürftigkeit im Alter vermieden oder zumindest vermindert wird" (so BT-Drucks 18/10519 S 22 als Begründung für die Ausgestaltung von § 33 Abs 1 SGB XII als Ermessensnorm), kann offenbleiben (dazu Herbst in jurisPK-SGB XII, 4. Aufl 2024, § 33 RdNr 55). In der vorliegenden Konstellation ist jedenfalls zu beachten, dass die Klägerin nach ihrem Vortrag angemessene Beiträge zur Alterssicherung vollständig aus eigenem Einkommen hätte bestreiten können, ohne dass der Beklagten bei der Prüfung des einzusetzenden Einkommens ein Ermessen zugestanden hätte. Erweist sich dieser Vortrag im Ergebnis der Ermittlungen als zutreffend, sind keine Ermessensgesichtspunkte ersichtlich, die zu einer Ablehnung von Vorsorgebeiträgen führen könnten. Die fehlerhaft unterbliebene Absetzung angemessener Altersvorsorgebeiträge vom Einkommen, die der Leistungsberechtigte nicht hat bestandskräftig werden lassen, ist in solchen Fällen regelmäßig durch die Übernahme von Vorsorgebeiträgen zu korrigieren.

28Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2024:260924UB8SO1322R0

Fundstelle(n):
RAAAJ-85410