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BSG Beschluss v. - B 10 ÜG 2/24 B

Gründe

1I. Die Kläger begehren in der Hauptsache Entschädigung wegen der Dauer eines Klage- und des damit verbundenen Prozesskostenhilfeverfahrens vor dem SG Darmstadt über Leistungen nach dem SGB II.

2Die Kläger haben im Februar 2021 Entschädigungsklage erhoben. Mit Schriftsatz vom hat ihre Prozessbevollmächtigte Einwände gegen die Besetzung des entscheidenden LSG-Senats erhoben. In der mündlichen Berufungsverhandlung vom hat sie Ablehnungsgesuche gegen alle Senatsmitglieder erhoben. Das LSG hat die mündliche Verhandlung fortgeführt. Die Ablehnungsgesuche hat es mit Beschlüssen vom zurückgewiesen bzw als unzulässig verworfen und die Entschädigungsklage mit am verkündeten Urteil abgewiesen.

3Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung haben die Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt und mit Verfahrensmängeln insbesondere bei der Behandlung ihrer Ablehnungsgesuche begründet.

4II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger ist unzulässig. Die Begründung verfehlt die gesetzlichen Anforderungen, weil darin kein Verfahrensmangel ordnungsgemäß bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG).

51. Die Kläger haben die gerügte Verletzung des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) und des Anspruchs auf ein faires Verfahren aufgrund der Behandlung ihrer Ablehnungsgesuche durch das LSG nicht in der gebotenen Weise bezeichnet.

6Die Entscheidung eines LSG über Ablehnungsgesuche ist nach § 177 SGG unanfechtbar und daher nach § 202 Satz 1 SGG iVm § 557 Abs 2 ZPO der Beurteilung des Revisionsgerichts entzogen. Die fehlerhafte Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs kann grundsätzlich auch nicht als Verfahrensmangel des angefochtenen Urteils iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG geltend gemacht werden (vgl - juris RdNr 6; - juris RdNr 5). Nur ausnahmsweise ist das Revisionsgericht nicht an die unanfechtbare Vorentscheidung des Berufungsgerichts gebunden, wenn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs auf willkürlichen oder manipulativen Erwägungen beruht, die für die Fehlerhaftigkeit des als Mangel gerügten Vorgangs bestimmend gewesen sind, oder wenn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs darauf hindeutet, dass das Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt hat ( BH - juris RdNr 9; - juris RdNr 16).

7Substantiierte rechtliche Darlegungen zu diesen gesteigerten Voraussetzungen für die Bezeichnung eines Verfahrensmangels wegen der Zurückweisung der von den Klägern gestellten Ablehnungsgesuche enthält die Beschwerde nicht. Die bloße Wiederholung des Vortrags aus dem Verfahren beim LSG genügt dafür nicht. Zur ordnungsgemäßen Rüge der fehlerhaften Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs gehört vielmehr die Wiedergabe der tragenden Gründe für die Ablehnung und die Auseinandersetzung mit diesen Gründen unter den Gesichtspunkten der Willkür bzw eines Verfassungsverstoßes (vgl - juris RdNr 6; - juris RdNr 5). Dagegen fasst die Beschwerde die Begründung des LSG für die Zurückweisung der Ablehnungsgesuche der Kläger nur in wenigen Sätzen im Ergebnis zusammen, ohne die entsprechenden Beschlüsse vom vorzulegen oder ihren Inhalt im Zusammenhang und in einem Umfang wiederzugeben, der dem Senat eine Prüfung anhand der genannten Kriterien erlauben würde Allein der Hinweis auf die Länge der mehrseitigen Beschlüsse ersetzt nicht die Darlegung, warum diese willkürlich oder manipulativ gewesen sein sollten oder Bedeutung und Tragweite von Art 101 Abs 1 Satz 2 GG grundlegend verkannt haben sollten.

8An demselben Darlegungsmangel leidet die Behauptung der Kläger, das LSG habe gegen das durch die Ablehnungsgesuche ausgelöste vorläufige Tätigkeitsverbot (§ 47 Abs 1 ZPO iVm § 60 Abs 1 SGG) verstoßen. Das LSG ist von erstmaligen Ablehnungsgesuchen in der mündlichen Verhandlung vom ausgegangen und hat sich deshalb nach § 47 Abs 2 ZPO zur Fortsetzung des Termins berechtigt gesehen. Zugleich hat es aber hilfsweise ausgeführt, selbst wenn bereits der Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom Ablehnungsgesuche enthalten haben sollte, seien diese offensichtlich unzulässig gewesen und hätten deshalb kein vorläufiges Tätigkeitsverbot ausgelöst (vgl hierzu - juris RdNr 3; - juris RdNr 33). Zur Begründung hat das LSG wiederum auf seine Beschlüsse über die Ablehnungsgesuche verwiesen, auf welche die Beschwerde - wie aufgezeigt - aber nicht hinreichend eingegangen ist.

9Ohnehin heilt die Zustellung eines Beschlusses, mit dem ein Ablehnungsgesuch verworfen oder zurückgewiesen wird, einen Verstoß gegen die Wartepflicht (vgl - juris RdNr 8; - SozR 3-1500 § 160a Nr 29 - juris RdNr 3). Etwas anderes kommt nur bei willkürlicher Entscheidung über das Gesuch in Betracht. Dafür hat die Beschwerde - wie ausgeführt - aber nichts vorgetragen.

10Sofern die Kläger sinngemäß auch eine Verletzung ihres Rechts auf den gesetzlichen Richter wegen des Ausschlusses der Mitglieder des LSG-Senats aufgrund Vorbefassung gemäß § 60 Abs 1 SGG iVm § 41 Nr 7 ZPO rügen wollten, fehlt es an jeglicher Darlegung, warum die Mitglieder des LSG-Senats an dem Verfahren vor dem SG Darmstadt mitgewirkt haben könnten, das Gegenstand des Entschädigungsverfahrens nach § 198 GVG gewesen ist. Die Kläger legen dies insbesondere auch für die Richterin A nicht dar, die nach Mitteilung des Beklagten in der Beschwerdeerwiderung vor ihrer Abordnung an das LSG am SG Gießen tätig gewesen ist.

112. Soweit die Kläger schließlich eine Verletzung ihres Rechts auf den gesetzlichen Richter rügen, weil die ehrenamtlichen Richter im Geschäftsverteilungsplan nicht als solche des 6. Senats aufgeführt seien, hätten sie den als fehlerhaft gerügten Geschäftsverteilungsplan vorlegen oder jedenfalls ausreichend wiedergeben müssen, um dem Senat eine Nachprüfung in tatsächlicher Hinsicht zu ermöglichen (vgl - juris RdNr 13). Denn ein Beschwerdeführer, der eine Besetzungsrüge erhebt, muss die Tatsachen angeben, aus denen sich die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts ergibt ( - juris RdNr 7 mwN). Darüber hinaus fehlt es an einer Auseinandersetzung mit dem Einwand des Beklagten, die ehrenamtlichen Richter des 6. Senats seien identisch mit den im 3. Senat zugewiesenen ehrenamtlichen Richtern, wie sich dem geltenden Geschäftsverteilungsplan des LSG entnehmen lasse.

123. Ebenfalls nicht dargelegt hat die Prozessbevollmächtigte der Kläger Verfahrensmängel durch die Ladungspraxis des LSG. Sie hält die Ladung und Verhandlung von sechs bzw sieben Berufungsverfahren innerhalb von zehn Wochen, davon allein drei auf den Termintag am mit einer Ladungsfrist von 19 Tagen, für einen Verstoß gegen das allgemeine Gebot der Rücksichtnahme, das rechtliche Gehör sowie den Anspruch auf ein faires Verfahren.

13Das Recht auf ein faires Verfahren, das sich aus Art 2 Abs 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip (vgl Art 20 Abs 3 GG) und Art 6 Abs 1 Satz 1 EMRK ableitet, ist verletzt, wenn das Gericht grundlegende Rechtsschutzstandards missachtet. Dazu zählt ua das Gebot der Rücksichtnahme als Übermaßverbot gegenüber Freiheitsrechten ( - juris RdNr 8 mwN).

14Die Prozessbevollmächtigte der Kläger legt aber nicht einmal ansatzweise dar, warum allein die Ladungspraxis des LSG, insbesondere die dadurch eröffnete Ladungsfrist von 19 Tagen anstelle der von § 110 Abs 1 Satz 1 SGG regelmäßig vorgesehenen zwei Wochen, solche grundlegenden Rechtsschutzstandards missachtet und insbesondere Freiheitsrechte übermäßig eingeschränkt haben könnte. Sie bleibt schon Angaben zu Umfang, Schwierigkeit und Laufzeit sowie einem eventuellen inhaltlichen Zusammenhang der geladenen Verfahren ebenso schuldig wie eine über Allgemeinplätze hinausgehende Darlegung ihrer behaupteten Überlastung.

15Soweit die Kläger darüber hinaus eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) durch die Ladungsfolge behaupten, fehlt es darüber hinaus an der Darlegung, an welchem konkreten Vortrag sie dadurch gehindert sein sollten und warum dieser für das der Beschwerde zugrunde liegende Verfahren entscheidungserheblich hätte sein können (vgl - juris RdNr 14).

164. Ebenfalls nicht dargelegt ist die behauptete Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren iVm dem Willkürverbot. Die Prozessbevollmächtigte der Kläger führt zur Begründung aus, das LSG habe auf dem Weg zu seiner Entscheidung andere Anforderungen für eine Entschädigung gestellt als § 198 GVG, ua hinsichtlich der Frage der Vorlage ihrer Vollmacht im Ausgangsverfahren. Sie rügt damit im Ergebnis die Rechtsanwendung des LSG im Einzelfall. Diese kann aber von vornherein nicht zulässig mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen werden (vgl stRspr; zB - juris RdNr 8; - juris RdNr 14).

17Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

185. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2, § 169 Satz 2 und 3 SGG).

196. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2024:061224BB10UEG224B0

Fundstelle(n):
MAAAJ-85280