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BGH Beschluss v. - AK 1 - 5/25, AK 1/25, AK 2/25, AK 3/25, AK 4/25, AK 5/25

Instanzenzug: Az: 4 BGs 54 - 58/24

Gründe

I.

1Die fünf Beschuldigten sind aufgrund von Haftbefehlen des Ermittlungsrichters des ) am festgenommen worden. Seit diesem Tag (A.         ) beziehungsweise dem Folgetag (W.     und S.          Sa.      , J.         sowie Ah.     ) befinden sie sich ununterbrochen in Untersuchungshaft, der Beschuldigte Ah.        ab dem aufgrund des erweiterten und neu gefassten Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom selben Tag (4 BGs 328/24).

2Jeweiliger Gegenstand der vollzogenen Haftbefehle ist der Vorwurf, der betreffende Beschuldigte habe während der Jahre 2012 und 2013 in D.              verschiedene Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB) sowie Kriegsverbrechen gegen Personen (§ 8 VStGB), der Beschuldigte A.          auch gegen Eigentum und sonstige Rechte (§ 9 VStGB), begangen. Unter anderem hätten

3die Beschuldigten W.      Sa.     , J.         , A.          und Ah.       am jeweils durch eine Handlung in drei tateinheitlichen Fällen im Rahmen eines ausgedehnten und systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung einen Menschen getötet, in zwei tateinheitlichen Fällen im Rahmen eines ausgedehnten und systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung unmittelbar dazu angesetzt, einen Menschen zu töten, in drei tateinheitlichen Fällen im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person getötet in zwei tateinheitlichen Fällen im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt unmittelbar dazu angesetzt, eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person zu töten,

4die Beschuldigten S.          Sa.      , A.         und Ah.       zu einem späteren Zeitpunkt am jeweils durch eine weitere Handlung in drei tateinheitlichen Fällen im Rahmen eines ausgedehnten und systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung einen Menschen getötet, in vier tateinheitlichen Fällen im Rahmen eines ausgedehnten und systematischen Angriffs gegen eine Zivilbevölkerung unmittelbar dazu angesetzt, einen Menschen zu töten, in drei tateinheitlichen Fällen im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person getötet und in vier tateinheitlichen Fällen im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt unmittelbar dazu angesetzt, eine nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Person zu töten,

5strafbar gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 Nr. 2 VStGB, §§ 22, 23 Abs. 1, § 25 Abs. 2, §§ 52, 53 StGB.

6Mit Beschluss vom (4 BGs 260/24) hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs anlässlich einer mündlichen Haftprüfung entschieden, den Haftbefehl gegen den Beschuldigten W.       Sa.        aufrechtzuerhalten und weiter in Vollzug zu belassen.

II.

7Bei allen Beschuldigten liegen die Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft und ihre Fortdauer vor.

81. Eine Haftprüfung nach den §§ 121122 StPO ist auch hinsichtlich des Beschuldigten Ah.       veranlasst.

9Zwar kommt in Betracht, dass für ihn während des Untersuchungshaftvollzugs eine neue Haftprüfungsfrist in Gang gesetzt worden ist. Denn der Haftbefehl vom ist um drei Tatvorwürfe erweitert worden, die nicht Gegenstand des zuvor vollzogenen Haftbefehls vom waren (zu den Voraussetzungen einer neuen Haftprüfungsfrist in derartigen Fällen s. BGH, Beschlüsse vom - AK 14/17, juris Rn. 6 ff.; vom - AK 58/23, juris Rn. 7 mwN). Die für die zusätzlichen Vorwürfe maßgeblichen Aussagen zweier Zeugen datieren jedoch bereits auf den 10./ und den 20./. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob und inwieweit das Ergebnis der Vernehmung im Juni 2024 die weiteren Vorwürfe zu einem dringenden Tatverdacht verdichtet hatte. Denn, falls es diesbezüglich - was komplexe Fragen der Beweiswürdigung betrifft - auf die Vernehmung im August 2024 ankommen sollte, wäre der Lauf einer neuen Haftprüfungsfrist ebenfalls weit fortgeschritten.

10Unter den gegebenen Umständen ist es daher sachgerecht, die Haftfortdauer für alle fünf Beschuldigten gemeinsam anzuordnen. Selbst wenn die Frist für den Beschuldigten Ah.       noch nicht verstrichen wäre, bestünde kein rechtlicher Hinderungsgrund für diese Anordnung ihm gegenüber (vgl. LR/Gärtner, StPO, 28. Aufl., § 122 Rn. 49; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 122 Rn. 14, jeweils mwN).

112. Die Beschuldigten sind der ihnen jeweils angelasteten Tat(en) vom dringend verdächtig. Da diese Tatvorwürfe den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft tragen, kommt es für keinen der Beschuldigten darauf an, ob und inwieweit gegen ihn ein weitergehender dringender Tatverdacht wegen anderer haftbefehlsgegenständlicher Taten begründet ist.

12a) Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem das Geschehen vom betreffenden Sachverhalt auszugehen:

13aa) Die in Syrien seit Februar 2011 im Rahmen des sogenannten Arabischen Frühlings gegen das Regime von Baschar al-Assad schwelenden Proteste eskalierten in der Folgezeit aufgrund des repressiven und gewaltsamen Vorgehens syrischer Sicherheitskräfte, Milizen sowie der Armee gegen Demonstranten und Oppositionelle. Spätestens seit dem versuchten die syrischen Sicherheitsbehörden aufgrund zentraler Anordnung der Regierung, die Protestbewegung mit brutaler Gewalt im Keim zu ersticken, um eine Gefährdung der Stabilität des Regimes und dessen etwaigen Sturz zu unterbinden. So griffen Sicherheitskräfte landesweit Demonstrationen - auch unter Einsatz scharfer Schusswaffen gegen friedlich Protestierende - an und lösten sie auf. Fliehende Demonstranten wurden verfolgt, festgenommen, inhaftiert und in der Folge regelmäßig gefoltert oder gar getötet. Bisweilen wurden Menschen, die lediglich verdächtig waren, der Opposition anzugehören, oder gänzlich Unbeteiligte gefangengenommen und gequält. Ziel war es insbesondere, die Bevölkerung einzuschüchtern und hierdurch künftige Protestaktionen zu verhindern.

14Bei den Maßnahmen spielten die Geheimdienste eine entscheidende Rolle. Sie kooperierten zunehmend mit - unter den Begriff „Schabiha“ gefassten - regimetreuen Milizen. Diese bewaffneten Gruppierungen wurden teilweise ab Ende 2012 in die staatliche Organisation „National Defence Forces“ überführt, so dass sie anschließend in offizieller Funktion Teil des Repressionsapparates der Regierung waren.

15Das repressive und gewaltsame Vorgehen des Assad-Regimes bewirkte eine Militarisierung der Protestbewegung. Ende 2011 entwickelten sich die Unruhen zu einem bewaffneten Aufstand, der Anfang 2012 schließlich weite Teile des Landes erfasste und sich zu einem großflächigen Bürgerkrieg ausweitete.

16bb) Die regimetreue Miliz „Free Palestine Movement“ (FPM) beteiligte sich auf Seiten des syrischen Regimes an gewaltsamen Auseinandersetzungen. Aus diesem Anlass wurde ihr militärischer Flügel unter dem Kommando des Palästinensers         Ab.           (                      ) gegründet. Die FPM war überwiegend in Damaskus tätig, insbesondere im Bereich des Stadtviertels Yarmouk, wo sie als „Schabiha“-Miliz angesehen wurde. Sie kooperierte mit den syrischen Geheimdiensten.

17Im Zuge der Aufstandsbewegung in Syrien kam es ab dem Jahr 2012 auch in Yarmouk zu Protesten gegen das Regime sowie die dortige Machtausübung durch regimetreue palästinensische Organisationen wie die „People’s Front for the Liberation of Palestine - General Command“ (PFLP-GC) und die FPM. Diese Proteste wurden durch syrische Sicherheitskräfte und die vorbezeichneten Milizen ab Juni 2012 gewaltsam niedergeschlagen. In der Folge wurde Yarmouk zu einem der umkämpftesten Siedlungsgebiete in Syrien. Schon im Juli 2012 verschärfte sich die dortige Situation, als Rebellen in ganz Damaskus eine Offensive starteten. Die Bewohner konnten das Stadtviertel nur noch unter strenger Kontrolle sowie Repressalien der vor Ort agierenden Gruppierungen verlassen und betreten. Sie setzten sich dabei stets der Gefahr von willkürlichen Festnahmen, Misshandlungen und Vergewaltigungen aus.

18cc) Die Beschuldigten W.     und S.         Sa.      , A.          und Ah.       waren bewaffnete Milizionäre der FPM. A.          und Ah.       fungierten als Begleiter des militärischen Anführers        Ab.          , A.         daneben als dessen Fahrer und Personenschützer. Der Beschuldigte J.        war Mitarbeiter der Abteilung       des Militärischen Geheimdienstes (sog. Palästina-Abteilung). Alle Beschuldigten beteiligten sich an der Unterdrückung der Zivilbevölkerung, insbesondere der gewaltsamen Niederschlagung friedlicher Demonstrationen:

19(1) Am versammelten sich im Anschluss an das Freitagsgebet in Yarmouk viele Bewohner zu einer Demonstration gegen das syrische Regime und den von den Vereinten Nationen als Sondervermittler beauftragten Kofi Annan. Der stetig größer werdende Protestzug bewegte sich innerhalb des Stadtviertels, bis er auf die P.             straße gelangte. Dort sahen sich die Demonstranten einer Vielzahl an bewaffneten Milizionären und Sicherheitskräften des syrischen Regimes gegenüber, darunter auch die Beschuldigten W.    Sa.     , J.      , A.           und Ah.      . Nachdem die Bewaffneten einige Warnschüsse in die Luft abgegeben hatten, verteilte sich die Mehrheit der Demonstrationsteilnehmer in Nebenstraßen. Zahlreiche Protestierende verblieben jedoch auf der P.            straße und lieferten sich verbale Auseinandersetzungen mit den Milizionären und Sicherheitskräften. Schließlich eröffneten die vier genannten Beschuldigten und weitere Bewaffnete aufgrund eines gemeinsamen Tatplans sowie im bewussten und gewollten Zusammenwirken für die Demonstranten unerwartet gezielt das Feuer auf sie.

20Aufgrund dieser Schussabgaben in die Menschenmenge starben mindestens drei Zivilisten. Tödlich wurden ein 21-Jähriger am Kopf, ein 17-Jähriger im Brustbereich und ein 40-Jähriger am Bauch getroffen. Daneben erlitten mindestens zwei Zivilisten Verletzungen. Ein 18-Jähriger wurde durch einen Kopfschuss schwerverletzt; die starken gesundheitlichen Beeinträchtigungen dauern bis heute an. Ein 21-Jähriger trug eine Schussverletzung am Bein davon.

21(2) Etwa eine halbe Stunde nach der gewaltsamen Auflösung der Demonstration schlossen sich zahlreiche Menschen in Yarmouk zu einem neuerlichen Protestzug zusammen. Als sie sich auf der     Q.     -Straße bewegten, sahen sie sich ebenfalls bewaffneten Milizionären und Sicherheitskräften gegenüber. Mehrere Milizionäre, darunter die Beschuldigten S.          Sa.      , A.        und Ah.      , eröffneten mit (Maschinen-)Gewehren der Marke „Kalaschnikow“ dem gemeinsamen Tatplan entsprechend gezielt das Feuer auf die unbewaffneten und wehrlosen Demonstranten. Zwei der Schützen, darunter der Beschuldigte A.          , verschossen hierbei so viel Munition, dass sie mehrfach ihre Magazine wechseln mussten.

22Durch die Schussabgaben kamen mindestens drei Zivilisten zu Tode und wurden jedenfalls vier weitere verletzt. Zu den Todesopfern gehörte ein 14-Jähriger, den ein Schuss unterhalb der Nase traf. Eine andere Person erlitt einen tödlichen Treffer im Bereich des Oberkörpers. Unter den Verwundeten waren zwei junge Männer, die Schussverletzungen an der Schulter davontrugen.

23(3) Die jeweils beteiligten Beschuldigten schossen auf die - deswegen verstorbenen oder verletzten - Opfer in dem Bewusstsein und mit dem Willen, sie zu töten.

24b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich insbesondere aus den Angaben zahlreicher Zeugen, die sich zur Tatzeit in Yarmouk aufhielten. Eine Vielzahl von ihnen hat bekundet, die Beschuldigten W.       und S.          Sa.       , A.         sowie Ah.       seien Milizionäre der FPM („Schabiha“-Miliz), der Beschuldigte J.        Mitarbeiter des Militärischen Geheimdienstes gewesen; alle hätten sich in ihrer jeweiligen Funktion auf näher beschriebene Weise an der Unterdrückung der Zivilbevölkerung beteiligt.

25aa) Zu den Demonstrationen in Yarmouk am liegen ebenfalls viele Zeugenaussagen vor.

26Im Wesentlichen haben vier Zeugen die konkrete Mitwirkung von einem oder mehreren Beschuldigten an der Niederschlagung des friedlichen Protests unter Einsatz von Schusswaffen geschildert. Andere Zeugen haben hierzu indiziell bestätigende Angaben gemacht. Die vor Erlass der Haftbefehle angefallenen Erkenntnisse zu diesen Demonstrationen sind in den dortigen Gründen zutreffend wiedergegeben (s. ferner den vom Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz am erstellten „Vermerk zur Demonstration am in Yarmouk“). Seither haben weitere Vernehmungen von Auskunftspersonen stattgefunden. Insbesondere zwei im Juni und August 2024 einvernommene Zeugen haben dabei (erneut) relevante Angaben zur Beteiligung der Beschuldigten gemacht; ein Bruder des Beschuldigten J.         hat noch im November 2024 zu dessen für den Militärischen Geheimdienst ausgeübten Tätigkeiten ausgesagt.

27bb) Die Zeugenaussagen werden gestützt und ergänzt durch Internetberichte, umfangreiches Foto- und Videomaterial sowie weitere Erkenntnisse. So hat ein islamwissenschaftlicher Sachverständiger am ein Gutachten „zur Organisation ‚Bewegung Freies Palästina (Harakat Filastin al-Hurra)‘ in Syrien“ von 2011 bis 2021 und am ein solches „zur allgemeinen und politischen Entwicklung in Syrien seit Beginn der Proteste gegen das Regime im Frühjahr 2011 bis zum Bürgerkrieg im Jahr 2012“ erstattet.

28cc) Soweit die Verteidigung des Beschuldigten S.         Sa.        dahin Stellung genommen hat, der ihn maßgeblich belastende Zeuge habe ihn offensichtlich mit seinem Onkel „M.     “ Sa.      verwechselt, ist dem nicht beizutreten. Der Zeuge hat bei seinen Vernehmungen im März und Juni 2024 Angaben nicht nur zu diesem Beschuldigten, sondern auch zu dessen Verwandtem Mo.    Sa.     gemacht. Dass er diesen Beschuldigten wiederholt als Bruder des mittlerweile verstorbenen Mo.    Sa.      bezeichnet hat, sich allerdings bei seiner ersten Vernehmung dahin korrigiert hat, „NEIN! ... S.           ... [sei] der Neffe von ihm“, vermag durchgreifende Zweifel an der Validität der Bekundungen nicht zu begründen. Der Zeuge hat sich darüber hinaus differenzierend zum Beschuldigten W.    Sa.       sowie dem Mitbeschuldigten O.        Sa.       verhalten und ausgesagt, er habe den Beschuldigten S.        Sa.       schon vor dem als „Schabiha“-Milizionär gekannt. Letzteres stimmt mit den Angaben weiterer Zeugen überein.

29Das weitere Vorbringen der Verteidigung, der betreffende Belastungszeuge habe wissentlich falsch ausgesagt, als Fahrer eines Krankentransporters in das Geschehen involviert gewesen zu sein, kann den dringenden Tatverdacht gegen den Beschuldigten S.         Sa.       ebenso wenig beseitigen. Diese zeugenschaftlichen Bekundungen zum Einsatz als Rettungssanitäter sind von den im August 2024 einvernommenen weiteren Zeugen bestätigt worden.

30dd) Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die vollzogenen Haftbefehle, insbesondere denjenigen gegen den Beschuldigten Ah.      vom , die Haftfortdauerentscheidung des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs betreffend den Beschuldigten W.      Sa.      und die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom .

31c) In rechtlicher Hinsicht ist der den Beschuldigten angelastete Sachverhalt, nachdem der Generalbundesanwalt die Verfolgung nach § 154a Abs. 1 StPO auf die Tatbestände des Völkerstrafgesetzbuches beschränkt hat, dahin zu beurteilen, dass dringend verdächtig sind

32die Beschuldigten A.          und Ah.      eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Tötung in drei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit einem versuchten Verbrechen gegen die Menschlichkeit in zwei tateinheitlichen Fällen, mit einem Kriegsverbrechen gegen Personen durch Tötung in drei tateinheitlichen Fällen und mit einem versuchten Kriegsverbrechen gegen Personen durch Tötung in zwei tateinheitlichen Fällen sowie eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Tötung in drei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit einem versuchten Verbrechen gegen die Menschlichkeit in vier tateinheitlichen Fällen, mit einem Kriegsverbrechen gegen Personen durch Tötung in drei tateinheitlichen Fällen und mit einem versuchten Kriegsverbrechen gegen Personen durch Tötung in vier tateinheitlichen Fällen,

33die Beschuldigten W.      Sa.      und J.        eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Tötung in drei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit einem versuchten Verbrechen gegen die Menschlichkeit in zwei tateinheitlichen Fällen, mit einem Kriegsverbrechen gegen Personen durch Tötung in drei tateinheitlichen Fällen und mit einem versuchten Kriegsverbrechen gegen Personen durch Tötung in zwei tateinheitlichen Fällen sowie

34der Beschuldigte S.           Sa.        eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Tötung in drei tateinheitlichen Fällen in Tateinheit mit einem versuchten Verbrechen gegen die Menschlichkeit in vier tateinheitlichen Fällen, mit einem Kriegsverbrechen gegen Personen durch Tötung in drei tateinheitlichen Fällen und mit einem versuchten Kriegsverbrechen gegen Personen durch Tötung in vier tateinheitlichen Fällen.

35Unter Zugrundelegung des oben geschilderten hochwahrscheinlichen Tatgeschehens (s. unter a]) stellt sich die rechtliche Würdigung wie folgt dar:

36aa) Indem die Beschuldigten, in unterschiedlicher Beteiligung gemeinschaftlich handelnd, Zivilisten erschossen, verwirklichten sie jeweils rechtswidrig und schuldhaft den Tatbestand des Verbrechens gegen die Menschlichkeit durch Tötung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1, § 2 VStGB, § 25 Abs. 2 StGB); indem sie weitere Zivilisten zu erschießen versuchten und verletzten, setzten sie nach ihrer Vorstellung unmittelbar zur Verwirklichung dieses Tatbestandes an (§ 7 Abs. 1 Nr. 1, § 2 VStGB, §§ 22, 23 Abs. 1, § 25 Abs. 2 StGB).

37(1) Das gewalttätige Vorgehen des Assad-Regimes gegen die Opposition in Syrien während des sogenannten Arabischen Frühlings stellte - nach hinreichend gesicherten Erkenntnissen - spätestens ab Ende April 2011 einen Angriff gegen die dortige Zivilbevölkerung dar, der sowohl als ausgedehnt als auch systematisch zu qualifizieren ist (s. hierzu im Einzelnen BGH, Beschlüsse vom - StB 14/19, BGHSt 64, 89 Rn. 55 ff.; vom - AK 50/20, NStZ-RR 2021, 155, 156; vom - 3 StR 454/22, juris Rn. 1 ff., 45).

38(2) Bei den Tötungen und versuchten Tötungen friedlicher Demonstranten am handelten die Beschuldigten jeweils als Mittäter aufgrund eines gemeinsamen Tatplans. Sofern die einzelnen Beschuldigten in den beiden Handlungsabschnitten (s. oben a] cc] [1] und [2]) Schusswaffen einsetzten, werden ihnen die Verursachungsbeiträge der anderen Beschuldigten und weiteren Mittäter zugerechnet, ohne dass es darauf ankommt, aus wessen Waffe die jeweilige den konkreten Tötungs- oder Verletzungserfolg herbeiführende Patrone stammte (vgl. , NStZ-RR 2000, 327 f.; vom - 5 StR 542/20 u.a., juris Rn. 96). Soweit die Opfer nur verletzt wurden, ist mit der Schussabgabe eines der Mittäter für alle das Versuchsstadium erreicht.

39(3) Die Tathandlungen wurden im Rahmen des ausgedehnten und systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung ausgeführt. Zwischen den (versuchten) Einzeltaten im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 VStGB und der von § 7 Abs. 1 VStGB vorausgesetzten Gesamttat bestand der notwendige funktionale Zusammenhang (s. BT-Drucks. 14/8524 S. 20; , StV 2021, 596 Rn. 45). Für das Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist erforderlich, dass sich die vom Täter begangene Katalogtat in die Gesamttat einfügt, er mithin seinen Tatbeitrag funktional in den Angriff einstellt (s. , aaO Rn. 49; vom - AK 43/21, juris Rn. 24). So liegt es hier. Die Niederschlagung der Demonstrationen durch regimetreue Milizen und Sicherheitskräfte war Teil des gewalttätigen Vorgehens der Assad-Regierung gegen die Opposition. Dies war den Beschuldigten bewusst.

40bb) Zugleich begingen die Beschuldigten durch die Schussabgabe auf die Protestierenden jeweils vollendete und versuchte Kriegsverbrechen gegen Personen durch Tötung (§ 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 6 Nr. 2, § 2 VStGB, § 25 Abs. 2 StGB [teilweise i.V.m. §§ 22, 23 Abs. 1 StGB]).

41(1) Zur Tatzeit bestand in Syrien ein nichtinternationaler bewaffneter Konflikt im Sinne des § 8 Abs. 1 VStGB. Ab Anfang 2012 fanden dort flächendeckende militärische Auseinandersetzungen zwischen dem Regime mit offizieller Armee, Polizei, Sicherheitskräften und zivilen Milizen einerseits sowie einer Vielzahl kämpfender organisierter Gruppierungen andererseits - mithin ein Bürgerkrieg - statt (vgl. , juris Rn. 7, 23; Urteil vom - 3 StR 57/17, BGHSt 62, 272 Rn. 11 f.; Beschluss vom - AK 4/24, juris Rn. 76 mwN).

42(2) Die gemeinschaftlichen Tötungshandlungen wurden im Zusammenhang mit diesem bewaffneten Konflikt ausgeführt. Der erforderliche funktionale Zusammenhang ist gegeben, wenn der bewaffnete Konflikt für die Fähigkeit des Täters, das Verbrechen zu begehen, für seine Entscheidung zur Tatbegehung, für die Art und Weise der Begehung oder für den Zweck der Tat von wesentlicher Bedeutung ist; die Tat darf nicht lediglich „bei Gelegenheit“ des bewaffneten Konflikts begangen werden (vgl. , juris Rn. 29; Urteil vom - 3 StR 57/17, BGHSt 62, 272 Rn. 55; Beschluss vom - AK 4/24, juris Rn. 77 mwN).

43Ein solcher funktionaler Zusammenhang liegt hier vor. Die Taten wären ohne den bewaffneten Konflikt praktisch nicht denkbar gewesen (s. dazu BT-Drucks. 14/8524 S. 25). Sie waren Reaktionen auf Proteste, die wiederum durch das militärische Vorgehen des Regimes in anderen Landesteilen hervorgerufen worden waren. Die Gründung des militärischen Flügels der FPM im Jahr 2012 ging auf die gewaltsamen Auseinandersetzungen infolge der Eskalation der Proteste zurück. Der bewaffnete Konflikt führte somit zur Ausstattung der Gruppierung mit Kriegs- beziehungsweise Schusswaffen, welche die Milizionäre einsetzten, um - gleichsam als Hilfstruppen des Regimes - die Demonstrationen in Yarmouk niederzuschlagen (vgl. , NStZ-RR 2022, 153).

44(3) Bei den getöteten und verletzten Zivilisten handelte es sich um nach dem humanitären Völkerrecht zu schützende Personen im Sinn des § 8 Abs. 6 Nr. 2 VStGB. Denn sie nahmen nicht unmittelbar an den Feindseligkeiten teil und befanden sich in der Gewalt der gegnerischen Partei.

45Für den Begriff der gegnerischen Partei kommt es darauf an, ob das Opfer bei materieller Betrachtung der jeweiligen Gegenseite zuzurechnen ist. Bei einer komplexen Bürgerkriegslage unter Beteiligung einer Vielzahl staatlicher und nichtstaatlicher Akteure mit unterschiedlichsten Interessen - wie im Fall des syrischen Bürgerkriegs - kommt in Betracht, dass bereits derjenige darunterfällt, der den Absichten der Konfliktpartei entgegenstehende Ziele verfolgt (s. , BGHSt 64, 10 Rn. 85 f.; Beschluss vom - AK 12/19, NStZ-RR 2019, 229, 231 mwN). In einer solchen Lage kann eine Person auch dann einer gegnerischen Partei angehören, wenn sie objektiv nicht zur Partei des Täters zählt, mithin dieser keine Gefolgschaft schuldet, und der Täter die Person angreift, weil er sie einer gegnerischen Partei zurechnet und als „Feind“ behandelt (s.  III-5 StS 3/16, juris Rn. 275 ff.; ferner JStGH, Urteil vom - IT-94-1-A - Tadic, Rn. 164 ff.).

46Die Demonstranten waren im Wesentlichen Bewohner des Stadtviertels, in dem bereits in den Jahren 2011/2012 Oppositionskräfte stark vertreten waren und aufständische bewaffnete Gruppierungen ihre Präsenz zunehmend ausweiteten (s. Gutachten des Sachverständigen Dr. Steinberg vom , S. 9 ff., 12 ff.). Es kam dort ab dem Jahr 2012 zu Protesten gegen das Regime und regimetreue palästinensische Organisationen. Die am Versammelten, die sich gegen die Assad-Regierung wandten, stellten sich für die Beschuldigten somit als eine dem Gegner zuzurechnende Gruppe dar (für das Jahr 2014 vgl. , NJW 2024, 978 Rn. 9).

47cc) Die Konkurrenzen sind dahin zu bewerten, dass die zwei Handlungsabschnitte (s. oben a] cc] [1] und [2]) im Verhältnis zueinander sachlichrechtlich selbständig sind (§ 53 StGB), während die Tötungen und versuchten Tötungen innerhalb dieser beiden Ereignisse tateinheitlich zusammentreffen (§ 52 StGB).

48(1) Der Schusswaffeneinsatz gegen die erste Demonstration am und derjenige gegen die zweite einige Zeit später am selben Tag stellen für die jeweils beteiligten Beschuldigten A.         und Ah.        verschiedene materiellrechtliche Taten dar.

49Beim Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist, wenn mehrere individuelle Rechtsgutsträger durch zu ihrem Nachteil begangene Einzeltaten verletzt werden, regelmäßig Realkonkurrenz anzunehmen. Etwas anderes kann nach der Rechtsprechung des Senats (s. Beschlüsse vom - StB 14/19, BGHSt 64, 89 Rn. 69; vom - AK 50/20, StV 2021, 596 Rn. 47; vom - AK 43/21, juris Rn. 33) - allenfalls - gelten, wenn der Täter in der ihm in dem Angriff gegen eine Zivilbevölkerung zugewiesenen Funktion in örtlichem und zeitlichem Zusammenhang wiederholt - nach Katalogtatbestand und Unrechtsgehalt - gleichartige Ausführungshandlungen vornimmt. Dann kommt in Betracht, dass die Einbettung der Einzeltaten in die Gesamttat die Verbindung der Handlungen zu einer rechtlichen Einheit bewirkt.

50Es kann hier dahinstehen, ob an dieser Rechtsprechung festzuhalten ist. Jedenfalls könnte sie nur eng begrenzte Ausnahmefälle erfassen, in denen der vorausgesetzte örtliche und zeitliche Konnex zwischen den Handlungen - anders als im zu beurteilenden Fall - besonders stark ist. Eine extensivere Annahme solcher Bewertungseinheiten würde dem - zumindest auch - höchstpersönliche Rechtsgüter umfassenden Schutzzweck des § 7 VStGB (vgl. , BGHSt 67, 180 Rn. 56, 62) nicht gerecht.

51Beim Kriegsverbrechen gegen Personen vermag der Zusammenhang mit einem internationalen oder nichtinternationalen bewaffneten Konflikt die Einzeltaten ohnehin nicht zu einer einheitlichen Tat im Rechtssinne zu verbinden (s. BGH, Beschlüsse vom - AK 4/19, BGHR VStGB § 8 Abs. 1 Konkurrenzen 1 Rn. 25; vom - AK 50/20, StV 2021, 596 Rn. 49).

52(2) Innerhalb der zwei Handlungsabschnitte sind die (gewollten) Tötungen für den jeweiligen Beschuldigten als eine materiellrechtliche Tat zu werten mit der Folge, dass jeder insoweit die vollendeten und versuchten Menschlichkeits- und Kriegsverbrechen, an denen er beteiligt war, in gleichartiger Idealkonkurrenz beging (dazu , BGHSt 65, 286 Rn. 80, 84 [für § 8 VStGB]; Beschluss vom - 3 StR 230/22, BGHSt 67, 180 Rn. 65 [für § 7 VStGB]).

53Die tateinheitliche Deliktsverwirklichung ergibt sich bereits aus allgemeinen Grundsätzen. Zwar sind höchstpersönliche Rechtsgüter verschiedener Personen einer additiven Betrachtungsweise, wie sie etwa der natürlichen Handlungseinheit zugrunde liegt, nur ausnahmsweise zugänglich. Greift daher ein Täter einzelne Menschen nacheinander an, um jeden von ihnen in seiner Individualität zu beeinträchtigen, so besteht regelmäßig kein Anlass, diese Vorgänge als eine Tat zusammenzufassen. Etwas anderes gilt aber dann, wenn eine Aufspaltung in Einzeltaten wegen eines außergewöhnlich engen zeitlichen und situativen Zusammenhangs oder bei einem gegen eine aus der Sicht des Täters nicht individualisierte Personenmehrheit gerichteten Angriff willkürlich und gekünstelt erschiene (s. , StV 2020, 590 Rn. 6 mwN).

54So liegt es hier. Bei beiden Demonstrationen richteten sich die von den jeweils beteiligten Beschuldigten und weiteren Mittätern abgegebenen Schüsse im Rahmen einer einheitlichen Aktion gegen eine nicht weiter individualisierte Menschenmenge. Eine Aufspaltung dieser Geschehen in einzelne Schüsse und einzelne (potentielle) Opfer eines Tötungsdelikts erscheint bei natürlicher Betrachtung nicht möglich. So kann nicht mit dem nach § 112 Abs. 1 Satz 1 StPO erforderlichen Verdachtsgrad festgestellt werden, welcher Beschuldigte oder weiterer Mittäter welchen Protestierenden traf.

55Jedem der Beschuldigten kann der Todeserfolg oder - der die Versuchsstrafbarkeit auslösende - Verletzungserfolg lediglich aufgrund seines allgemeinen mittäterschaftlichen Tatbeitrages, der einer weiteren Konkretisierung nicht zugänglichen Schussabgabe innerhalb des betreffenden Geschehens, zugerechnet werden (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 441/20, BGHSt 66, 226 Rn. 20; vom - 3 StR 424/22, juris Rn. 22).

56dd) Nach dem in § 1 Satz 1 VStGB normierten Weltrechtsprinzip ist für die Straftaten der §§ 7 und 8 VStGB deutsches Strafrecht anwendbar.

57ee) Für den Beschuldigten J.          als Mitarbeiter des syrischen Militärischen Geheimdienstes besteht nicht das Verfahrenshindernis der allgemeinen Funktionsträgerimmunität. Denn sie findet ihre Grenze in völkerrechtlichen Verbrechen, mithin Taten, deren Strafbarkeit unmittelbar im Völkergewohnheitsrecht verwurzelt ist (s. , BGHSt 65, 286 Rn. 13 ff.; Beschlüsse vom - AK 4/24, NJW 2024, 1674 Rn. 53; vom - 3 StR 454/22, NJW 2024, 3166 Rn. 32 ff.; vom - StB 54/24, NJW 2024, 3003 Rn. 23).

58d) Soweit der Beschuldigte J.         aufgrund der weiteren Ermittlungen ebenfalls verdächtig ist, am - nach der Auflösung der ersten Demonstration unter Schusswaffeneinsatz (s. oben a] cc] [1]) - auf die Teilnehmer des neuerlichen Protestzugs geschossen zu haben (s. oben a] cc] [2]), unterliegt der betreffende Sachverhalt hinsichtlich dieses Beschuldigten nicht der besonderen Haftprüfung. Denn Gegenstand des Verfahrens nach den §§ 121122 StPO ist ausschließlich der vorgelegte vollzogene Haftbefehl. Zu dessen Anpassung oder Erweiterung ist allein das gemäß § 126 Abs. 1 oder 2 StPO zuständige Gericht befugt (s. BGH, Beschlüsse vom - AK 14/22, juris Rn. 3; vom - AK 17/20, juris Rn. 4; vom - AK 23/23, juris Rn. 16). Der Haftbefehl gegen den Beschuldigten J.        umfasst indes nicht den Vorwurf einer erneuten Schussabgabe zu einem späteren Zeitpunkt am Tattag.

593. Die Strafgerichtsbarkeit des Bundes und damit die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs für den Erlass der Haftbefehle (§ 169 Abs. 1 StPO) ergibt sich aus § 120 Abs. 1 Nr. 8, § 142a Abs. 1 GVG.

604. Bei allen Beschuldigten besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO).

61a) Nach Würdigung aller Umstände ist es wahrscheinlicher, dass sich die Beschuldigten, wenn sie auf freien Fuß gelangen sollten, dem Strafverfahren entzögen, als dass sie sich ihm zur Verfügung hielten. Sie haben im Fall ihrer Verurteilung für die hochwahrscheinlichen Taten vom mit lebenslangen Haftstrafen zu rechnen. Denn sowohl das Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch Tötung als auch das Kriegsverbrechen gegen Personen durch Tötung sieht dieses Strafmaß zwingend vor (§ 7 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 Nr. 1 VStGB).

62Der Straferwartung stehen jeweils keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände entgegen. Die Beschuldigten halten sich erst seit den Jahren 2014 (S.          Sa.       und Ah.     ), 2015 (W.     Sa.        und J.        ) sowie 2018 (A.         ) in Deutschland auf. Sie verfügen hier nicht über solche familiären oder sozialen Bindungen, die sie unter den gegebenen Umständen von einer Flucht abhalten könnten. Das Verhältnis der Beschuldigten W.      Sa.     , J.         und A.          zu ihrer jeweiligen Familie ist zerrüttet. Der Beschuldigte S.         Sa.     ist ledig und kinderlos. Der Beschuldigte Ah.      unterhielt vor seiner Festnahme eine außereheliche Beziehung zu einer Frau, mit der er eine Ausreise nach Syrien besprach. Alle Beschuldigten haben weiterhin Verbindungen beziehungsweise Kontakte dorthin.

63Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vollzogenen Haftbefehle verwiesen.

64b) Eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 StPO) ist nicht erfolgversprechend. Der Zweck der Untersuchungshaft kann nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen als ihren Vollzug erreicht werden.

65c) Infolgedessen kann dahinstehen, ob und gegebenenfalls für welchen Beschuldigten daneben der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 3 StPO) besteht. Da der Generalbundesanwalt hinsichtlich der Niederschlagung der Demonstrationen am nach § 154a Abs. 1 StPO davon abgesehen hat, Tötungsdelikte im Sinne der §§ 211, 212 StGB zu verfolgen, ist den formellen Anforderungen des § 112 Abs. 3 StPO nicht genügt und liegt mithin der Haftgrund der Schwerkriminalität - zur Zeit - nicht vor.

665. Die Voraussetzungen des § 121 Abs. 1 StPO für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus sind gegeben. Der besondere Umfang der Ermittlungen sowie deren besondere Schwierigkeit haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft.

67a) Das Verfahren ist bisher mit der in Haftsachen gebotenen Zügigkeit geführt worden:

68Seit der Invollzugsetzung der Haftbefehle sind weitere umfangreiche, hinsichtlich aller Beschuldigter sachgerechte Ermittlungen durchgeführt worden, die in der verdeckten Phase des Ermittlungsverfahrens den Untersuchungszweck gefährdet hätten. Sie dauern zum Teil noch an.

69Seither haben die Landeskriminalämter Rheinland-Pfalz und Berlin deutschlandweit sowie in Österreich, Schweden und den Niederlanden insgesamt 30 Zeugen vernommen. Die gewonnenen Aussagen stützen die Tatvorwürfe. Der Generalbundesanwalt hat außerdem ein rechtsmedizinisches Gutachten zu den Verletzungen eingeholt, die der 21-Jährige durch den Beinschuss erlitt; dieses hat der Sachverständige unter dem erstellt. Ferner sind bei der zugleich mit der Festnahme vollzogenen Durchsuchung der Räumlichkeiten unter den Wohnanschriften der Beschuldigten und eines Mitbeschuldigten zahlreiche elektronische Geräte sichergestellt worden. Sie haben bislang noch nicht vollständig ausgewertet werden können. Hinzu kommt die bereits begonnene Auswertung des beim Beschuldigten Ah.      in dessen Haftzelle aufgefundenen und durch ermittlungsrichterlichen Beschluss vom beschlagnahmten Mobiltelefons. Schließlich hat das Landeskriminalamt Berlin umfangreiches Videomaterial der Abteilung       des Militärischen Geheimdienstes in Syrien sichergestellt, das unmittelbar nach dem dortigen Umsturz im Dezember 2024 angefertigt worden ist; es befindet sich in der technischen Aufarbeitung.

70Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts sowie die dort in Bezug genommenen Vermerke des Landeskriminalamts Rheinland-Pfalz vom und des Landeskriminalamts Berlin vom verwiesen.

71b) Der Generalbundesanwalt hat mitgeteilt, der Abschluss der polizeilichen Ermittlungen sei für das erste Quartal 2025 und die Erhebung der Anklage für Mitte des zweiten Quartals 2025 vorgesehen.

726. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht nach Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht der Beschuldigten einerseits sowie dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit andererseits für keinen von ihnen außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Schäfer                         Paul                         Berg

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:220125BAK1.25.0

Fundstelle(n):
DAAAJ-85257