Körperschaftsteuer | Berücksichtigung eines vororganschaftlichen Zinsvortrags der Organgesellschaft beim Organträger (FG)
Ein vororganschaftlicher
Zinsvortrag der Organgesellschaft ist nicht in die Ermittlung des Einkommens
des Organträgers einzubeziehen (; Revision
zugelassen).
Hintergrund: Sind die Voraussetzungen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft erfüllt, so wird das von der Organgesellschaft erwirtschaftete Einkommen zwar bei dieser selbst ermittelt, jedoch steuerlich beim Organträger erfasst. Da § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG die Zurechnung des „Einkommens“ der Organgesellschaft vorsieht, ist dieses vor der Zurechnung zunächst eigenständig zu ermitteln. Die Ermittlung des Einkommens der Organgesellschaft erfolgt grundsätzlich nach den allgemeinen Vorschriften über die Einkommensermittlung (§ 8 Abs. 1 und 2 KStG i.V.m. §§ 4, 5 EStG). Diese werden jedoch durch § 15 KStG als lex specialis modifiziert, soweit dieser organschaftsspezifische Sonderregelungen vorsieht. § 15 Satz 1 Nr. 1 KStG bestimmt, dass ein Verlustabzug i.S.d. § 10d EStG bei der Organgesellschaft nicht zulässig ist. Im Zuge des Unternehmensteuerreformgesetzes (UntStRefG) 2008 v. (BGBl. I 2007, 1912) hat der Gesetzgeber mit den § 4h EStG und § 8a KStG die sog. Zinsschranke eingeführt sowie in § 15 Satz 1 Nr. 3 KStG flankierend besondere Bestimmungen zu deren Anwendung im Falle einer Organschaft geschaffen.
Sachverhalt: Die Klägerin ist eine SE, die in ihrer Funktion als Organträgerin mit einer GmbH als Organgesellschaft einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen hat. Auf Ebene der Organgesellschaft wurde von dem Finanzamt ein vororganschaftlicher verbleibender Zinsvortrag nach § 4h EStG i.V.m. §§ 8 Abs. 1, 8a und 31 Abs. 1 KStG festgestellt. Im Rahmen einer Betriebsprüfung bei der Klägerin beantragte diese ihr den festgestellten vororganschaftlichen Zinsvortrag der Organgesellschaft als laufenden Zinsaufwand zuzuweisen. Das Finanzamt hat dem Antrag der Klägerin auf Nutzung des vororganschaftlichen Zinsvortrags der Organgesellschaft im Rahmen der Veranlagung nicht entsprochen. Es vertritt die Auffassung, dass ein vororganschaftlicher Zinsvortrag der Organgesellschaft nicht in die Ermittlung des Einkommens des Organträgers einzubeziehen sei.
Die hiergegen gerichtete Klage wurde als unbegründet zurückgewiesen:
Die Klägerin kann den auf Ebene der Organgesellschaft festgestellten vororganschaftlichen Zinsvortrag nicht nutzen.
Wie während der Dauer einer körperschaftsteuerlichen Organschaft mit einem Zinsvortrag einer Organgesellschaft aus vororganschaftlicher Zeit umzugehen ist, ist umstritten. Die Finanzverwaltung vertritt in Tz. 48 des (BStBl. I 2008, 718) die Auffassung, die Nutzung eines vororganschaftlichen Zinsvortrags der Organgesellschaft sei während der Organschaft unzulässig; die Grundsätze zu § 15 Satz 1 Nr. 1 KStG gälten entsprechend.
Nach überwiegender Literaturansicht (u.a. Feldgen, NWB 2009, 3574, 3581) lässt sich § 15 Satz 1 Nr. 1 KStG zwar entgegen der Verwaltungsauffassung nicht entsprechend auf den vororganschaftlichen Zinsvortrag einer Organgesellschaft anwenden. Allerdings scheide die innerorganschaftliche Nutzung eines vororganschaftlichen Zinsvortrags der Organgesellschaft aus, weil § 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG die Anwendung von § 4h EStG und damit auch von § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG auf Ebene der Organgesellschaft ausschließe. Zudem sei § 4h EStG eine streng betriebsbezogene Vorschrift. Da der vororganschaftliche Betrieb der Organgesellschaft während der Dauer der Organschaft in seiner bisherigen Form nicht mehr existiere, bestehe für den Organträger keine Möglichkeit, den Zinsvortrag der Organgesellschaft zu nutzen.
Die Richter des FG schließen sich der herrschenden Literaturmeinung an. Für eine analoge Anwendung von § 15 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 KStG auf einen Zinsvortrag fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Mit § 15 Satz 1 Nr. 3 KStG gibt es eine Regelung, aus der sich unmittelbar die fehlende Nutzbarkeit des vororganschaftlichen Zinsvortrags einer Organgesellschaft ergibt, so dass für eine Analogie zu § 15 Satz 1 Nr. 1 KStG insoweit kein Raum verbleibt.
Die fehlende Nutzbarkeit des vororganschaftlichen Zinsvortrags einer Organgesellschaft während der Dauer der Organschaft ergibt sich folglich unmittelbar aus § 15 Satz 1 Nr. 3 KStG.
Im Rahmen der Einkommensermittlung auf Ebene der Organgesellschaft ist die Anwendung von § 4h EStG – insgesamt – gemäß § 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG ausgeschlossen. Dies bedeutet einerseits, dass während der Dauer der Organschaft entstehende laufende Zinsaufwendungen der Organgesellschaft bei der Ermittlung ihres Einkommens ohne die Beschränkungen durch § 4h Abs. 1 Satz 1 EStG und § 8a KStG abziehbar sind und bei der Organgesellschaft während der Organschaft kein Zinsvortrag i.S.v. § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG entstehen kann.
Andererseits führt ein aus laufenden Zinsaufwendungen der Vororganschaftsjahre resultierender Zinsvortrag der Organgesellschaft weder bei ihr noch beim Organträger zu erhöhten Zinsaufwendungen gemäß § 4h Abs. 1 Satz 3 EStG.
Gegen einen Übergang des Zinsvortrags der Organgesellschaft auf den Organträger lässt sich ferner anführen, dass der Zinsvortrag für den eigenständigen vororganschaftlichen Betrieb der Organgesellschaft festgestellt wurde. Selbst wenn § 4h EStG im Gegensatz zu § 10a GewStG keine generelle „Unternehmensidentität“ voraussetzt, so ist der Zinsvortrag i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG streng betriebsbezogen zu ermitteln und für jeden von einem Steuerpflichtigen unterhaltenen Betrieb gesondert festzustellen.
Nach Begründung des Organschaftsverhältnisses existiert der vororganschaftliche Betrieb der Organgesellschaft aufgrund von § 15 Satz 1 Nr. 3 Satz 2 KStG jedoch in seiner bisherigen Form nicht mehr, so dass eine Nutzung des für ihn festgestellten Zinsvortrags während der Organschaft ausscheidet.
Das Gericht hat die Revision zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Die abstrakte Rechtsfrage, ob der vororganschaftliche Zinsvortrag einer Organgesellschaft während der Organschaft genutzt werden kann, ist innerhalb der Literatur umstritten und durch die (höchstrichterliche) Rechtsprechung bislang ungeklärt. Das Verfahren ist unter dem Aktenzeichen I R 1/25 beim BFH anhängig.
Quelle: ; NWB Datenbank (lb)
Fundstelle(n):
HAAAJ-84826