Vorlage an das BVerfG - Asylbewerberleistungen - Grundleistungen - Höhe des Bedarfssatzes für erwachsene Leistungsberechtigte in Sammelunterkünften - alleinstehender Leistungsberechtigter - Verfassungsmäßigkeit
Gesetze: § 1 Abs 1 Nr 1 AsylbLG, § 3 Abs 1 AsylbLG, § 3a Abs 1 Nr 2 Buchst b AsylbLG vom , § 3a Abs 2 Nr 2 Buchst b AsylbLG vom , AsylbLG§3aAbs4Bek, Art 1 Abs 1 GG, Art 20 Abs 1 GG, Art 100 Abs 1 GG
Instanzenzug: SG Gelsenkirchen Az: S 32 AY 30/20 Urteil
Gründe
1I. Der Kläger begehrt höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für die Zeit vom bis .
2Der 1982 geborene alleinstehende Kläger ist guineischer Staatsangehöriger. Er reiste am nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Er war im streitigen Zeitraum im Besitz einer Aufenthaltsgestattung. Nach Zuweisung in das Stadtgebiet der Beklagten (Bescheid vom ) war er dort vom bis in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht.
3Der Kläger erhielt von der Beklagten Leistungen nach dem AsylbLG. Neben dem Bedarf für Unterkunft, Heizung und Hausrat sowie für Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie als Sachleistung bewilligte sie unter anderem für Januar 2020 Grundleistungen als Geldleistungen in Höhe von 316 Euro (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ). Dabei berücksichtigte sie als notwendigen persönlichen Bedarf (§ 3 Abs 1 Satz 2 AsylbLG) den Bedarfssatz nach § 3a Abs 1 Nr 2 Buchst b AsylbLG sowie als notwendigen Bedarf (§ 3 Abs 1 Satz 1 AsylbLG) den Bedarfssatz nach § 3a Abs 2 Nr 2 Buchst b AsylbLG für einen erwachsenen Leistungsberechtigten, der in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht ist (im Folgenden Bedarfsstufe 2). In der Begründung führte die Beklagte aus, dass der Bescheid nur das Leistungsverhältnis für Januar 2020 regle. Ergebe sich in den wesentlichen Verhältnissen keine Veränderung, bliebe vorbehalten, die Leistungen für nachfolgende Zeiträume stillschweigend durch Überweisung des zu zahlenden Betrages zu bewilligen. Die Beklagte zahlte für die Monate Januar bis Mai 2020 Leistungen an den Kläger aus.
4Das Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen hat die Beklagte verpflichtet, dem Kläger unter Änderung des Bescheides vom in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom für die Zeit ab Januar 2020 Leistungen nach den §§ 3, 3a Abs 1 Nr 1, Abs 2 Nr 1 AsylbLG nach der Bedarfsstufe 1 zu gewähren (Urteil vom ). Zur Begründung hat es ausgeführt, die Vorschrift des § 3a Abs 1 Nr 2 Buchst b AsylbLG könne nur aufgrund verfassungskonformer Auslegung als mit dem Grundrecht auf Gewährung des menschenwürdigen Existenzminimums nach Art 1 Abs 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art 20 Abs 1 GG angesehen werden, wenn die Bedarfsstufe 2 als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal die tatsächliche und nachweisbare gemeinschaftliche Haushaltsführung des Leistungsberechtigten mit anderen in der Sammelunterkunft Untergebrachten voraussetze. Hierfür sei im vorliegenden Fall nichts ersichtlich.
5Mit der vom SG zugelassenen Sprungrevision (Beschluss vom ) rügt die Beklagte eine Verletzung des § 3a Abs 1 Nr 2 Buchst b AsylbLG und § 3a Abs 2 Nr 2 AsylbLG. Sie trägt vor, mit der vom SG vorgenommenen verfassungskonformen Auslegung werde die Grenze richterlicher Rechtsfortbildung überschritten. Der Gesetzgeber habe ausdrücklich an die Art der Unterbringung die Höhe der Leistungen nur nach der Bedarfsstufe 2 geknüpft.
6Die Beklagte beantragt,das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom aufzuheben und die Klage abzuweisen.
7Der Kläger hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
8Die Beklagte hat im Anschluss an die Entscheidung des - BVerfGE 163, 254) zur Verfassungswidrigkeit von § 2 Abs 1 Satz 4 Nr 1 AsylbLG und die Empfehlung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) in Ansehung dieser Entscheidung auch § 3a Abs 1 Nr 2 Buchst b AsylbLG und § 3a Abs 2 Nr 2 Buchst b AsylbLG nicht mehr anzuwenden, auf Anfrage des Senats mitgeteilt, an der Revision festzuhalten (Schreiben vom und vom ).
9Die Beteiligten haben sich im Anschluss mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Erklärungen vom und vom ).
10II. Der Senat entscheidet mit Zustimmung der Beteiligten gemäß §§ 165, 153 Abs 1, § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung.
11Das Verfahren ist gemäß Art 100 Abs 1 GG auszusetzen. Der Senat sieht sich an einer Entscheidung des Rechtsstreits gehindert. Er ist überzeugt, dass die in § 3a Abs 1 Nr 2 Buchst b AsylbLG und § 3a Abs 2 Nr 2 Buchst b AsylbLG (jeweils in der Fassung des Art 1 Nr 5 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes <AsylbLGÄndG3> vom , BGBl I 1290 hier in Verbindung mit der Bekanntmachung über die Höhe der Leistungssätze nach § 3a Abs 4 des AsylbLG ab vom , BGBl I 1429) vorgesehene Höhe der Leistung, soweit für eine alleinstehende erwachsene Person ein Bedarf lediglich in Höhe der Bedarfsstufe 2 anerkannt wird, mit Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip aus Art 20 Abs 1 GG unvereinbar ist (im Einzelnen unter 4.).
12Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich. Die Revision ist zulässig und auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen liegen vor (dazu unter 1.). Die Revision hat auch in der Sache Erfolg, wenn § 3a Abs 1 Nr 2 Buchst b AsylbLG und § 3a Abs 2 Nr 2 Buchst b AsylbLG mit dem GG vereinbar sind. Der Bescheid der Beklagten vom und die konkludent durch Auszahlung erlassenen Bescheide für die Folgemonate entsprechen der formellen und der materiellen Rechtslage (dazu unter 2.). Der vom SG vorgenommenen Auslegung von § 3a Abs 1 Nr 2 Buchst b AsylbLG und § 3a Abs 2 Nr 2 Buchst b AsylbLG, wonach die Bedarfsstufe 2 nur zur Anwendung kommt, wenn der Leistungsberechtigte tatsächlich und nachweisbar mit anderen in der Sammelunterkunft Untergebrachten einen gemeinsamen Haushalt führe, folgt der Senat nicht; denn sie widerspricht dem eindeutigen gesetzgeberischen Willen (dazu unter 3.).
131. Die Sprungrevision der Beklagten ist zulässig. Sie ist nachträglich vom SG unter Beteiligung ehrenamtlicher Richter mit Beschluss vom zugelassen worden. Denkbare Verfahrensfehler bei Zustandekommen des Beschlusses sind im Grundsatz unerheblich; der Senat ist an die Zulassungsentscheidung des SG gebunden. Damit kann offenbleiben, ob bei der Zulassung - anders als dies hier der Fall war - die ehrenamtlichen Richter mitzuwirken haben, die auch am Urteil mitgewirkt haben. Auch die Frage, ob der Zulassung der Revision entgegensteht, dass die Berufung gegen das Urteil wegen Nichterreichens des Beschwerdewerts nicht statthaft und vom SG nicht zugelassen ist, ist ohne Belang (zum jeweiligen Streitstand Nguyen in jurisPK-SGG, 2. Aufl 2022, § 161 SGG, RdNr 48 f und RdNr 72 f, Stand ). Schließlich führt auch der Umstand, dass zwischen dem fristgerecht gestellten Antrag auf Zulassung der Sprungrevision und der Entscheidung hierüber mehr als elf Monate vergangen sind, weder zu einer Nicht- oder Scheinentscheidung noch einer sonst völlig wirkungslosen Entscheidung, die das Bundessozialgericht (BSG) unbeachtet lassen müsste (vgl dazu - BSGE 51, 23 = SozR 1500 § 42 Nr 7; ).
14Die nachträglich zugelassene Revision ist auch form- und fristgerecht eingelegt. Die schriftliche Zustimmung des Klägers zur Einlegung der Sprungrevision (vgl § 161 Abs 1 Satz 3 SGG) liegt vor. Aus der mit dem Antrag auf Zulassung der Sprungrevision übersandten Zustimmungserklärung des Klägerbevollmächtigten ergibt sich hinreichend deutlich, dass der Kläger nicht nur der nachträglichen Zulassung, sondern auch der Einlegung der Sprungrevision anstelle der Berufung zugestimmt hat (vgl zu diesem Erfordernis nur - RdNr 17 mwN; zur Auslegung von entsprechenden Erklärungen - RdNr 9).
15Auch im Übrigen stehen einer Entscheidung des Senats in der Sache keine von Amts wegen zu beachtenden Verfahrenshindernisse entgegen.
16Gegenstand des Revisionsverfahrens ist zunächst der Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom , mit dem die Beklagte dem Kläger ausdrücklich beschränkt für Januar 2020 Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG bewilligt hat. In den Auszahlungen für die nachfolgenden Monate Februar bis Mai 2020 liegen konkludent erklärte, monateweise Bewilligungen für die Folgezeiträume, wie dies im Bescheid vom auch angekündigt worden war (vgl nur - RdNr 10; B 8/9b AY 1/07 R - BSGE 101, 49 = SozR 4-3520 § 2 Nr 2, RdNr 11). Diese Bewilligungsbescheide sind in analoger Anwendung des § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Hiergegen spricht nicht der Einwand fehlender Prozessökonomie, weil bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides die Verwaltung ohnedies das Verfahren in der Hand behält und auch ohne Weiteres alle bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides ergangenen Bewilligungen überprüfen kann und muss ( - RdNr 10; - RdNr 11).
17Gegen die Bescheide wendet sich der Kläger mit seiner statthaften und auch im Übrigen zulässigen kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4, § 56 SGG), die er ausdrücklich auf höhere Leistungen für die Zeit vom bis beschränkt hat. Die Beschränkung der Klage auf Zahlung einer Geldleistung dem Grunde nach in einer bestimmbaren Leistungshöhe (hier nach der Bedarfsstufe 1) ist nach § 130 Abs 1 Satz 1 SGG zulässig (sog Grundurteil im Höhenstreit; vgl nur - SozR 4-4225 § 1 Nr 2 RdNr 10). Es kommt zudem nur noch die Verurteilung zu einer Geldleistung in Betracht. Sachleistungen und ihnen zuzuordnende Wertgutscheine können - unabhängig von der Entscheidung der Beklagten, die Bedarfe im Wesentlichen durch Geldleistungen zu erbringen - im Nachhinein nicht mehr erbracht werden, weil mit ihnen das ursprüngliche Ziel der tatsächlichen Bedarfsdeckung nicht mehr erreicht werden kann (vgl - BSGE 123, 157 = SozR 4-3520 § 1a Nr 2, RdNr 10 mwN).
182. a) Die Beklagte hat als der sachlich (vgl § 10a AsylbLG in der Fassung des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes <AsylVfBeschlG> vom , BGBl I 1722 in Verbindung mit § 1 Abs 1 Gesetz zur Ausführung des Asylbewerberleistungsgesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen <AG AsylbLG> vom in der Fassung vom , GVBl NRW 2019, 1004) und auf Grundlage der Zuweisung des Klägers in das Stadtgebiet auch örtlich zuständige Träger (vgl § 10a Abs 1 Satz 1 AsylbLG) über die Ansprüche des Klägers nach dem AsylbLG entschieden. Da die notwendigen Feststellungen des SG zum Landesrecht gänzlich fehlen, ist der Senat berechtigt, diese selbst nachzuholen (vgl nur B 8/9b SO 17/07 R - BSGE 103, 34 = SozR 4-5910 § 108 Nr 1, RdNr 11).
19b) Der Kläger hat Anspruch auf Grundleistungen nach § 3 Abs 1 AsylbLG (in der Fassung des AsylbLGÄndG3). Er hielt sich als Ausländer tatsächlich im Bundesgebiet auf und war im Besitz einer Aufenthaltsgestattung nach dem Asylgesetz (AsylG). Damit war er im streitbefangenen Zeitraum leistungsberechtigt nach § 1 Abs 1 Nr 1 AsylbLG. Die ausländerrechtliche Entscheidung entfaltet dabei Tatbestandswirkung für die Frage nach der Zugehörigkeit zum leistungsberechtigten Personenkreis des § 1 AsylbLG (vgl bereits - BSGE 117, 297 = SozR 4-4200 § 7 Nr 41, RdNr 13). Nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des SG verfügte er zudem nicht über Einkommen und Vermögen, wovon auch die Beklagte ausgeht. Ein Anspruch auf sog Analogleistungen nach § 2 Abs 1 Satz 1 AsylbLG (in der Fassung des Zweiten Gesetzes zur besseren Durchsetzbarkeit der Ausreisepflicht <AusrPflDG 2> vom , BGBl I 1294) bestand nicht; denn die erforderliche Zeit des Aufenthalts im Inland von (damals) 18 Monaten hat der Kläger erst mit Ablauf des erfüllt.
20Die Grundleistungen umfassen die Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung, Unterkunft, Heizung, Kleidung, Gesundheitspflege und Gebrauchs- und Verbrauchsgütern des Haushalts (notwendiger Bedarf; vgl § 3 Abs 1 Satz 1 AsylbLG) und zusätzlich die Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens (notwendiger persönlicher Bedarf; vgl § 3 Abs 1 Satz 1 AsylbLG). Die Bedarfe für Unterkunft, Heizung und Hausrat sowie für Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie hat die Beklagte als Sachleistungen und die Bedarfe im Übrigen als Geldleistung erbracht (vgl § 3 Abs 3 AsylbLG).
21c) Wegen der Höhe des notwendigen persönlichen Bedarfs gilt für den Kläger § 3a Abs 1 Nr 2 Buchst b AsylbLG (in der Normfassung des AsylbLGÄndG3). Danach beträgt dieser Bedarf ab dem für erwachsene Leistungsberechtigte 139 Euro (vgl die Bekanntmachung vom ), wenn sie nicht in einer Wohnung iS von § 8 Abs 1 Satz 2 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz <RBEG> vom , BGBl I 3159; im Folgenden alte Fassung <aF>) leben, weil sie in einer Aufnahmeeinrichtung iS von § 44 Abs 1 AsylG (in der Fassung des AusrPflDG 2) oder in einer Gemeinschaftsunterkunft iS von § 53 Abs 1 AsylG (in der Fassung des AusrPflDG 2) oder nicht nur kurzfristig in einer vergleichbaren sonstigen Unterkunft untergebracht sind.
22Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger vor. Den Feststellungen des SG lässt sich noch entnehmen, dass er gemeinsam mit anderen nach dem AsylbLG leistungsberechtigten Personen, zu denen keine Beziehungen familiärer oder freundschaftlicher Art bestanden, in einer gemeinschaftlichen Unterkunft lebt, die die Beklagte ihm (ebenso wie den anderen Personen) dauerhaft zur Deckung des Unterkunftsbedarfs zugewiesen hat. Damit lebte er in einer Unterkunft iS des § 3a Abs 1 Nr 2 Buchst b AsylbLG. Die weiteren räumlichen Gegebenheiten hat das SG zwar nicht festgestellt. Ob es sich bei der Unterkunft zugleich um eine Wohnung iS des § 8 Abs 1 Satz 2 RBEG aF handelte, also die Zusammenfassung mehrerer Räume, die von anderen Wohnungen oder Wohnräumen baulich getrennt sind und die in ihrer Gesamtheit alle für die Führung eines Haushalts notwendigen Einrichtungen, Ausstattungen und Räumlichkeiten umfassen, kann aber dahinstehen. Auch bei der Unterbringung in einer Sammelunterkunft kann - bei entsprechender Aufteilung des Gebäudes - ein Leben in einer Wohnung vorliegen (vgl Frerichs in jurisPK-SGB XII, 4. Aufl 2024, § 3a AsylbLG, RdNr 47, Stand ), ohne dass dies allein zur Anwendung von § 3a Abs 1 Nr 1 AsylbLG führen würde. Der Gesetzgeber nimmt vielmehr mit dem Verweis auf Aufnahmeeinrichtungen iS des § 44 AsylG und Gemeinschaftsunterkünfte iS des § 53 AsylG, die beide im AsylG nicht weiter definiert werden, und vergleichbare sonstige Unterkünfte auf Sammelunterkünfte und die damit verbundene Gemeinschaftsunterbringung ohne weitere objektive und subjektive Voraussetzungen Bezug, an die er die Rechtsfolge des § 3a Abs 1 Nr 2 AsylbLG knüpft (BT-Drucks 19/10052 S 20; im Einzelnen unter 3.). Eine solche Unterbringung liegt hier jedenfalls vor; um eine Familiengemeinschaft, an deren Bestehen in § 3a Abs 1 Nr 2 Buchst a und Nr 3 bis 6 weitere Bedarfsstufen geknüpft werden, handelt es sich dagegen nicht. Ob der Kläger noch verpflichtet war, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen (vgl § 47 Abs 1 Satz 1 AsylG in der Fassung des AusrPflDG 2) und es sich bei der Unterkunft um eine solche Einrichtung gehandelt hat, kann dahinstehen, weil die Deckung (auch) des notwendigen persönlichen Bedarfs durch Sachleistungen, die an eine solche Unterbringung geknüpft ist (vgl § 3 Abs 2 Satz 4 AsylbLG), im Nachhinein - wie ausgeführt - ausscheidet.
23Der notwendige Bedarf des Klägers bestimmt sich dementsprechend nach § 3a Abs 2 Nr 2 Buchst b AsylbLG, der wortgleich zu § 3a Abs 1 Nr 2 Buchst b AsylbLG die Voraussetzungen für die Bedarfsstufe 2 definiert. Dieser Bedarf beträgt ab dem für erwachsene Leistungsberechtigte in einer Sammelunterkunft 177 Euro (vgl die Bekanntmachung vom ), wenn der notwendige Bedarf für Unterkunft, Heizung, Hausrat, Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie durch Sachleistungen gedeckt wird, wie dies hier der Fall ist. Insgesamt hat der Kläger auf Grundlage dieser gesetzlichen Vorschriften, die die Beklagte zutreffend angewandt hat, Geldleistungen in Höhe von 316 Euro und damit rechnerisch rund zehn Prozent geringere Leistungen erhalten als ein alleinstehender Leistungsberechtigter, der in einer Wohnung lebt (vgl § 3a Abs 1 Nr 1, § 3a Abs 2 Nr 1 AsylbLG, jeweils in Verbindung mit der Bekanntmachung vom ).
243. Zu einer den Kläger begünstigenden Entscheidung im Sinne der Zurückweisung der Revision kann der Senat nur im Falle der Verfassungswidrigkeit der § 3a Abs 1 Nr 2 Buchst b AsylbLG und § 3a Abs 2 Nr 2 Buchst b AsylbLG gelangen. Nur wenn sich diese Vorschriften als verfassungswidrig erweisen, wovon der Senat überzeugt ist (im Einzelnen unter 4.), kommt ein Anspruch unter Berücksichtigung der Bedarfsstufe 1 für alleinstehende erwachsene Leistungsberechtigte nach § 3a Abs 1 Nr 1 AsylbLG und § 3 Abs 2 Nr 1 AsylbLG in Betracht.
25Eine verfassungskonforme Auslegung der Vorschriften scheidet aus. Entgegen der Ansicht des SG (ebenso nur Bayerisches Landessozialgericht <LSG> vom - L 8 AY 33/23 - RdNr 61 ff; Decker in BeckOK MigR, § 3a AsylbLG RdNr 6, Stand ) enthalten § 3a Abs 1 Nr 2 Buchst b AsylbLG und § 3a Abs 2 Nr 2 Buchst b AsylbLG kein weiteres ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal einer tatsächlichen und nachweisbaren gemeinschaftlichen Haushaltsführung des Leistungsberechtigten mit anderen in der Sammelunterkunft Untergebrachten. Die Vorschriften sind einer Auslegung entgegen dem eindeutigen gesetzgeberischen Willen nicht zugänglich (vgl Frerichs in jurisPK-SGB XII, 4. Aufl 2024, § 3a AsylbLG RdNr 48 ff, Stand ; Korff in BeckOK SozR, § 3a AsylbLG RdNr 7, Stand ; Adolph in Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG, § 3a AsylbLG RdNr 46b; Spitzlei in BeckOK AuslR, § 3a AsylbLG RdNr 10, Stand ; - RdNr 49; Bittner, NZS 2023, 889, 893; offen gelassen Siefert in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl 2020, § 3a RdNr 20). Eine Norm ist zwar nur dann verfassungswidrig, wenn keine nach den anerkannten Auslegungsgrundsätzen zulässige und mit der Verfassung vereinbare Auslegung möglich ist. Lassen der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte, der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelung und deren Sinn und Zweck mehrere Deutungen zu, von denen eine zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führt, so ist diese geboten (vgl - BVerfGE 88, 145, 166 = juris RdNr 67; - BVerfGE 119, 247, 274 = juris RdNr 92). Die Möglichkeit einer verfassungskonformen Auslegung endet jedoch dort, wo sie mit dem Wortlaut und dem klar erkennbaren Willen des Normgebers in Widerspruch träte (vgl ua - BVerfGE 95, 64, 93 = juris RdNr 130; - BVerfGE 99, 341, 358 = juris RdNr 57; - BVerfGE 101, 312, 329 = juris RdNr 52; - BVerfGE 138, 64, 93, RdNr 86). So liegt der Fall hier.
26Der Wortlaut der § 3a Abs 1 Nr 2 Buchst b AsylbLG und § 3a Abs 2 Nr 2 Buchst b AsylbLG ist eindeutig und lässt eine Deutung, nach der ein tatsächliches und nachweisbares gemeinsames Wirtschaften für die Anwendung der Bedarfsstufe 2 erforderlich ist, nicht zu. Die Anwendung der Bedarfsstufe 2 setzt dem Wortlaut nach lediglich die Unterbringung in einer Sammelunterkunft voraus. Die verfassungskonforme Auslegung wäre allenfalls im Wege einer teleologischen Reduktion möglich. Unabhängig von der Frage, ob eine solche Auslegung gegen den Wortlaut methodisch vertretbar ist, liegen ihre Voraussetzungen nicht vor. Denn es entspricht erkennbar dem Sinn und Zweck des Gesetzes, wie er in den Gesetzgebungsmaterialien zum Ausdruck kommt, dass die Unterbringung in einer Sammelunterkunft zur Anwendung der Bedarfsstufe 2 führt, unabhängig davon, ob tatsächlich gemeinsam gewirtschaftet wird. Die Frage, ob die Bedarfsstufe 2 verfassungsgemäß ist, war bereits im Rahmen der Beteiligung zum Referentenentwurf und in der Anhörung des zuständigen Ausschusses im Deutschen Bundestag umstritten (vgl ausführlich - BVerfGE 163, 254, RdNr 11 ff zur vergleichbaren Vorschrift des § 2 Abs 1 Satz 4 Nr 1 AsylbLG in der Fassung des AsylbLGÄndG3, den der Gesetzgeber als Folgeänderung zu den Neuregelungen in § 3a AsylbLG zeitgleich eingefügt hat). Der fachlich zuständige Ausschuss des Bundesrates für Arbeit, Integration und Sozialpolitik sprach sich aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken und im Einzelnen begründet mit Unterschieden beim Zusammenleben von Paaren gegen die Einführung der Sonderbedarfsstufe in Sammelunterkünften aus (BR-Drucks 178/1/19 S 3, 6, 10). Die Bedenken wurden jedoch in der Sitzung des Bundesrates am nicht aufgegriffen; für die Empfehlung, den Vermittlungsausschuss anzurufen, stimmte nur eine Minderheit (vgl Bundesrat, Plenarprotokoll 979, Stenografischer Bericht S 274). Mehrheitlich stimmte auch der Bundesrat dem Gesetz trotz der geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken zu, sodass der gesetzgeberische Wille eindeutig ist.
27Auch soweit das BMAS und dem folgend Länderministerien den zuständigen Kommunen empfehlen, die Regelungen in § 3a Abs 1 Nr 2 Buchst b AsylbLG und § 3a Abs 2 Nr 2 Buchst b AsylbLG aufgrund des - BVerfGE 163, 254) zur Verfassungswidrigkeit des § 2 Abs 1 Satz 4 Nr 1 AsylbLG nicht anzuwenden (Bundestag, Plenarprotokoll 20/72, Stenografischer Bericht S 8440, Antwort auf Frage 24; Hinweise des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration NRW zum AsylbLG, StGB NRW-Mitteilung 690/2022 vom ), entfällt im vorliegenden Fall nicht die Entscheidungserheblichkeit. Das BVerfG hat lediglich § 2 Abs 1 Satz 4 Nr 1 AsylbLG in der Fassung des AsylbLGÄndG3 mit Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip aus Art 20 Abs 1 GG für partiell unvereinbar erklärt, sodass § 3a Abs 1 Nr 2 Buchst b AsylbLG und § 3a Abs 2 Nr 2 Buchst b AsylbLG weiterhin Geltung beanspruchen. Die Hinweise des BMAS und der Länder entfalten keine Bindungswirkung für die Beklagte.
284. Zur Überzeugung des Senats verstoßen § 3a Abs 1 Nr 2 Buchst b AsylbLG und § 3a Abs 2 Nr 2 Buchst b AsylbLG jeweils in der Fassung des Art 1 Nr 5 AsylbLGÄndG3, soweit für eine alleinstehende erwachsene Person ein Bedarf lediglich in Höhe der Bedarfsstufe 2 anerkannt wird, gegen Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip aus Art 20 Abs 1 GG.
29a) Die Maßstäbe, an denen die Bestimmung der Bedarfe in Sammelunterkünften verfassungsrechtlich zu messen sind, ergeben sich für den Senat aus den durch das BVerfG in der Entscheidung vom (1 BvL 3/21 - BVerfGE 163, 254) dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art 1 Abs 1 in Verbindung mit Art 20 Abs 1 GG. Mit dieser Entscheidung ist § 2 Abs 1 Satz 4 Nr 1 AsylbLG mit Art 1 Abs 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip aus Art 20 Abs 1 GG für unvereinbar erklärt worden, soweit für eine alleinstehende erwachsene Person ein Regelbedarf lediglich in Höhe der Regelbedarfsstufe 2 anerkannt wird. Mit § 2 Abs 1 Satz 4 Nr 1 AsylbLG hat der Gesetzgeber als Folgeregelung zu § 3a Abs 1 Nr 2 Buchst b AsylbLG und § 3a Abs 2 Nr 2 Buchst b AsylbLG eine Bestimmung getroffen, wonach alleinstehenden erwachsenen Leistungsberechtigten, die nach einem Aufenthalt von (damals) 18 Monaten im Bundesgebiet im Grundsatz abweichend von § 3 und 4 AsylbLG Anspruch auf (höhere) Leistungen entsprechend dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) haben (sog Analogleistungsberechtigte), bei einer Unterbringung in einer Sammelunterkunft lediglich Bedarfe nach der Regelbedarfsstufe 2 zustehen. Diese Regelung ist verfassungswidrig.
30Der Gesetzgeber, der die Sozialleistungen zur Gewährung eines menschenwürdigen Existenzminimums fortlaufend realitätsgerichtet so zu bemessen hat, dass damit tatsächlich für eine menschenwürdige Existenz Sorge getragen wird (grundlegend ua - BVerfGE 125, 175, 225 = juris RdNr 139; ua - BVerfGE 132, 134, 162, RdNr 69 ff; ua - BVerfGE 137, 34, 73, RdNr 77 ff; - BVerfGE 142, 353, 370 ff, RdNr 36, 38, 43), kann zwar die Inanspruchnahme sozialer Leistungen zur Sicherung der menschenwürdigen Existenz an den Nachranggrundsatz binden, also nur dann zur Verfügung zu stellen, wenn Menschen ihre Existenz nicht vorrangig selbst sichern können (vgl nur ua - BVerfGE 125, 175, 222 = juris RdNr 133). Er kann auch von denjenigen, die staatliche Leistungen der sozialen Sicherung in Anspruch nehmen, verlangen, an der Überwindung ihrer Hilfebedürftigkeit selbst aktiv mitzuwirken oder die Bedürftigkeit gar nicht erst eintreten zu lassen (vgl - BVerfGE 152, 68, 117, RdNr 126). Er kann also den Bezug existenzsichernder Leistungen auch grundsätzlich an die Erfüllung der Obliegenheit knüpfen, tatsächlich eröffnete, hierfür geeignete, erforderliche und zumutbare Möglichkeiten zu ergreifen, die Bedürftigkeit unmittelbar zu vermeiden oder zu vermindern (vgl - BVerfGE 152, 68, 148, RdNr 209). Eine Obliegenheit, durch gemeinsames Wirtschaften in einer Sammelunterkunft den Bedarf an existenzsichernden Leistungen des Staates zu senken, dient dem legitimen Ziel, den Nachranggrundsatz zu verwirklichen. Dabei darf der Gesetzgeber Bedarfe aber nicht pauschal nur auf der Grundlage der Vermutung absenken, dass Bedarfe bereits anderweitig gedeckt sind und Leistungen daher nicht zur Existenzsicherung benötigt werden, ohne dass dies für die konkreten Verhältnisse hinreichend tragfähig belegt wäre. Die pauschale Leistungskürzung im Anwendungsbereich des § 2 Abs 1 Satz 4 Nr 1 AsylbLG ist deshalb nicht verhältnismäßig im engeren Sinne. Es fehlt an hinreichend tragfähigen Anhaltspunkten für die Annahme, dass in den Sammelunterkünften tatsächlich typischerweise die Voraussetzungen dafür vorliegen, durch die Erfüllung der Obliegenheit gemeinsamen Wirtschaftens Einsparungen in dem Umfang erzielen zu können, dass dies die pauschale Absenkung des Regelbedarfs um zehn Prozent rechtfertigen könnte.
31Das BVerfG hat zu § 2 Abs 1 Satz 4 Nr 1 AsylbLG weiter ausgeführt, der Gesetzgeber habe zu den tatsächlichen Bedarfen keine Erhebungen in Sammelunterkünften angestellt und die Erwägung, beim notwendigen Bedarf an Nahrung könne eingespart werden, etwa indem Lebensmittel oder zumindest der Küchengrundbedarf in größeren Mengen gemeinsam eingekauft und in den Gemeinschaftsküchen gemeinsam genutzt werde (vgl BT-Drucks 19/10052 S 24), werde nicht auf Tatsachen gestützt ( - BVerfGE 163, 254, 285, RdNr 71). Auch die vom BVerfG selbst eingeholten Stellungnahmen sprechen eher dagegen, dass in den Sammelunterkünften durch gemeinsames Wirtschaften tatsächlich nennenswerte Einsparungen erzielt würden ( - BVerfGE 163, 254, 286, RdNr 72). Die gegenüber der Regelbedarfsstufe 1 pauschal abgesenkte Leistungshöhe im Anwendungsbereich von § 2 Abs 1 Satz 4 Nr 1 AsylbLG kann auch nicht tragfähig darauf gestützt werden, dass die im Grundsatz zulässige Annahme von Einsparungen in Paarhaushalten auf Sammelunterkünfte übertragen werden könnte. Der Gesetzgeber formuliert diese Annahme, ohne tatsächliche Grundlagen für die Gleichsetzung zu benennen. Anders als bei in einer Wohnung zusammenlebenden Paaren kann der Gesetzgeber bei Alleinstehenden in einer Sammelunterkunft auch unter Berücksichtigung der in den vorliegenden Stellungnahmen geschilderten tatsächlichen Situation nicht als Regelfall unterstellen, dass sie mit anderen Bewohnerinnen und Bewohnern tatsächlich gemeinsam "aus einem Topf" wirtschafteten und insofern mit Paarhaushalten vergleichbar seien (so aber BT-Drucks 19/10052 S 19 f, 23 ff). Für diese Annahme haben sich im Verfahren wegen der Verfassungsmäßigkeit von § 2 Abs 1 Satz 4 Nr 1 AsylbLG keine Anhaltspunkte ergeben, was das BVerfG im Einzelnen dargestellt hat ( - BVerfGE 163, 254, 286, RdNr 73 ff).
32b) Die Regelungen in § 3a Abs 1 Nr 2 Buchst b AsylbLG und § 3a Abs 2 Nr 2 Buchst b AsylbLG sind mit den dargestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht zu vereinbaren, soweit alleinstehenden erwachsenen Leistungsberechtigten in Sammelunterkünften niedrigere Leistungen zuerkannt werden. Für Grundleistungsberechtigte ergeben sich zur Überzeugung des Senats ebenfalls keine gesicherten Belege dafür, dass in Sammelunterkünften Einsparungen ermöglicht werden, die für alleinstehende erwachsene Leistungsberechtigte eine Bemessung des Bedarfs nach der Bedarfsstufe 2 rechtfertigen könnten.
33Es kann zwar nicht festgestellt werden, dass die nach §§ 3, 3a Abs 1 Nr 2 Buchst b AsylbLG und § 3a Abs 2 Nr 2 Buchst b AsylbLG in der Höhe bestimmten Geldleistungen bereits evident unzureichend sind. Diese Prüfung bezieht sich nur auf die Höhe der Leistungen in der Gesamtschau. Evident unzureichend sind Sozialleistungen nur, wenn offensichtlich ist, dass sie in der Gesamtsumme keinesfalls sicherstellen können, Hilfebedürftigen in Deutschland ein Leben zu ermöglichen, das physisch, sozial und kulturell als menschenwürdig anzusehen ist (vgl ua - BVerfGE 137, 34, 75, RdNr 81; - BVerfGE 142, 353, 372, RdNr 41). Bei der Evidenzkontrolle berücksichtigt der Senat strukturelle Unterschiede der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG und dem allgemeinen Grundsicherungsrecht bei dem direkten Vergleich der Höhe nach. Trotz beachtlicher Leistungsunterschiede liegt eine Evidenz unzureichender Leistungen nicht vor. Das vom Gesetzgeber angeführte Differenzierungskriterium der mangelnden Aufenthaltsverfestigung in den ersten Monaten für eine abweichende Bemessung des existenznotwendigen Bedarfs von Leistungsberechtigten nach §§ 1, 3 AsylbLG (vgl BT-Drucks 18/7538 S 21 f) ist nicht offensichtlich als unsachlich oder ungeeignet zu bewerten (vgl Bayerisches - RdNr 66; LSG Niedersachsen-Bremen vom - L 8 AY 21/19 - RdNr 60 ff mwN; Frerichs in jurisPK-SGB XII, 4. Aufl 2024, § 3 AsylbLG RdNr 55, Stand ; Cantzler in Cantzler, AsylbLG, 1. Aufl 2019, § 3 RdNr 44; aA wohl Siefert in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl 2020, § 3a RdNr 9; offen gelassen Leopold in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 8. Aufl 2024, § 3a AsylbLG RdNr 12).
34Die in § 3a Abs 1 Nr 2 Buchst b AsylbLG und § 3a Abs 2 Nr 2 Buchst b AsylbLG vorgenommene Bemessung von Leistungen für den regelmäßigen Bedarf zur Sicherung einer menschenwürdigen Existenz in Höhe der Bedarfsstufe 2 ist aber derzeit nicht tragfähig begründbar (ebenso Frerichs in jurisPK-SGB XII, § 3a AsylbLG RdNr 49 ff, Stand ; Siefert in Siefert, AsylbLG, 2. Aufl 2020, § 3a RdNr 17; Leopold in Grube/Wahrendorf/Flint, SGB XII, 8. Aufl 2024, § 3a AsylbLG RdNr 12; Spitzlei in BeckOK AuslR, § 3a AsylbLG RdNr 10, Stand ; Spitzlei, ZRP 2023, 243, 245; Goldbach, Asylmagazin 2023, 41, 43; Seidl, SGb 2023, 306, 318; unklar Adolph in Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG, § 3a AsylbLG RdNr 46b).
35§ 3a Abs 1 Nr 2 Buchst b AsylbLG und § 3a Abs 2 Nr 2 Buchst b AsylbLG liegt dasselbe Regelungskonzept wie § 2 Abs 1 Satz 4 Nr 1 AsylbLG zugrunde. Die tatbestandlichen Voraussetzungen und im Ausgangspunkt auch die Rechtsfolge sind im Grund- und Analogleistungsbezug für den Personenkreis der alleinstehenden Leistungsberechtigten in Sammelunterkünften identisch. Der Gesetzgeber begründet die Normen identisch. Er nimmt für die Begründung des § 2 Abs 1 Satz 4 Nr 1 AsylbLG auf § 3a Abs 1 Nr 2 AsylbLG und § 3a Abs 2 Nr 2 AsylbLG Bezug; es handele es sich bei § 2 Abs 1 Satz 4 Nr 1 AsylbLG nur um eine Folgeänderung zu den Neuregelungen in § 3a (BT-Drucks 19/10052 S 19 f). Folglich hat sich auch die Kritik an der Regelung im Ausschuss des Bundesrates für Arbeit, Integration und Sozialpolitik (oben unter 3.) in erster Linie gegen die Regelungen in § 3a AsylbLG gerichtet (vgl BR-Drucks 178/1/19 S 6, 10).
36Mit den vom BVerfG erbetenen Stellungnahmen der Länder ( - BVerfGE 163, 254, 269, RdNr 31) und sachkundiger Dritter ( - BVerfGE 163, 254, 270, RdNr 33 ff), die dem BVerfG bei seiner Entscheidung vorlagen, wird nicht erkennbar, dass die in den Sammelunterkünften wohnenden alleinstehenden Grundleistungsberechtigten regelmäßig tatsächlich Einsparungen durch gemeinsames Wirtschaften mit anderen Bewohnerinnen und Bewohnern erzielen, die einer Absenkung der Leistungshöhe um zehn Prozent gegenüber der Bedarfsstufe 1 entsprechen. In den Stellungnahmen wird deutlich, dass die Lebensverhältnisse in Sammelunterkünften sich nicht danach unterscheiden lassen, ob Leistungsberechtigte sich im Grundleistungs- oder im Analogleistungsbezug befinden. Wie für Analogleistungsberechtigte erweist sich damit eine Obliegenheit gemeinsamen Wirtschaftens auch für Grundleistungsberechtigte nicht als verhältnismäßig im engeren Sinne, weil nicht hinreichend gesichert ist, dass in den Sammelunterkünften auch tatsächlich die Voraussetzungen dafür vorliegen, diese erfüllen und so Einsparungen in entsprechender Höhe erzielen zu können. Auch für Grundleistungsempfänger fehlt für die vom Gesetzgeber behaupteten konkreten Synergieeffekte jeder Nachweis. Allein die zeitliche Begrenzung der abgesenkten Grundleistungen auf die ersten 18 Monate Aufenthalt im Bundesgebiet, nach deren Ablauf im streitigen Zeitraum noch Anspruch auf Analogleistungen nach § 2 AsylbLG in Verbindung mit dem SGB XII bestand, führt zu keinem anderen Befund. Aus der (voraussichtlichen) Dauer des Aufenthalts im Inland lässt sich in keiner Weise ableiten, dass konkrete Synergieeffekte beim Zusammenleben in Sammelunterkünften entstehen. Dies behauptet auch der Gesetzgeber nicht.
37Der Senat ist nach alledem zu der Überzeugung gelangt, dass die Ausführungen des BVerfG zur Verfassungswidrigkeit von § 2 Abs 1 Satz 4 Nr 1 AsylbLG in der Fassung des Art 1 Nr 3 des Dritten Gesetzes zur Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes vom (BGBl I 1290; - BVerfGE 163, 254, 284, RdNr 69-94) bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit der Regelungen zum Grundleistungsbezug in § 3a Abs 1 Nr 2 Buchst b AsylbLG und § 3a Abs 2 Nr 2 Buchst b AsylbLG in gleicher Weise Beachtung finden müssen und zur Verfassungswidrigkeit der Normen führen. Dies entspricht offenbar auch der Auffassung im zuständigen Fachministerium. Der Gesetzgeber hat gleichwohl trotz viermaliger Änderung des AsylbLG seit Oktober 2022 in anderen Punkten keine weitere Begründung für die vorgenommene Differenzierung bei dem Leben in Sammelunterkünften aufgezeigt (vgl zu solchen Möglichkeiten - BVerfGE 163, 254, 293, RdNr 88 ff) unabhängig davon, welche Bedeutung dies für zurückliegende Leistungszeiträume hätte. Er hat es weiterhin unterlassen, die tatsächlichen Grundlagen für die Gleichsetzung der in den Sammelunterkünften wohnenden alleinstehenden Grundleistungsberechtigten mit erwachsenen Leistungsberechtigten, die mit einem Ehegatten oder Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft mit einem Partner zusammenleben, darzustellen und durch empirische Erkenntnisse zu belegen. Mit Art 3 Nr 2 des Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung (Rückführungsverbesserungsgesetz) vom (BGBl I Nr 54) ist mit Wirkung vom vielmehr die Wartefrist für Analogleistungen in § 2 Abs 1 Satz 1 AsylbLG von 18 auf 36 Monate verlängert und damit die Belastung, die für alleinstehende Grundleistungsberechtigte in Sammelunterkünften durch die Absenkung auf die Bedarfsstufe 2 entsteht, deutlich vergrößert worden. Auch mit dieser Gesetzesänderung wird aber nach wie vor nicht begründet dargelegt, dass die in den Sammelunterkünften wohnenden alleinstehenden Grundleistungsberechtigten regelmäßig tatsächlich Einsparungen durch gemeinsames Wirtschaften mit anderen Bewohnerinnen und Bewohnern erzielen, die einer Absenkung der Leistungshöhe um zehn Prozent gegenüber der Bedarfsstufe 1 entsprechen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2024:260924BB8AY122R0
Fundstelle(n):
MAAAJ-84619