Instanzenzug: Az: 23 U 15/22 Urteilvorgehend Az: 52 O 157/21 Urteil
Gründe
I.
1 Der Kläger - ein in die Liste qualifizierter Verbraucherverbände eingetragener Verband (§ 18 Abs. 1 Satz 2, § 4 UKlaG in der Fassung vom ) - nimmt die Beklagte auf Unterlassung einer in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendeten Preisanpassungsklausel sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Abmahnkosten in Anspruch.
2 Die Beklagte bietet unter anderem im Bundesgebiet Verträge zu verschiedenen Tarifen über den Streamingdienst "Netflix" an. Diese Verträge können von den beteiligten Vertragspartnern jeweils zum Ende des monatlichen Abrechnungszeitraums gekündigt werden.
3 Nach Nummer 3.5 ihrer ab gültigen Nutzungsbedingungen ist die Beklagte - was die Klägerin zu unterbinden sucht - berechtigt, den Preis der abgeschlossenen Abonnementverträge "von Zeit zu Zeit" nach ihrem billigen Ermessen zu ändern, um die Auswirkungen von Änderungen der mit dem Dienst verbundenen - näher beschriebenen - Gesamtkosten widerzuspiegeln. Zugleich weist die Beklagte dort auf die Möglichkeit der Kündigung vor Wirksamwerden der Preisänderung hin.
4 Die Unterlassungsklage hatte in beiden Instanzen Erfolg. Das Kammergericht hat - wie vor ihm das Landgericht - angenommen, die Klausel benachteilige die Vertragspartner der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben in unangemessener Weise (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dies ergebe sich zum einen aus einem mit Blick auf die mögliche Vornahme von Änderungskündigungen mangelnden berechtigten Interesse der Beklagten an einer Preisanpassungsklausel und zum anderen aus dem Fehlen einer mit dem Preiserhöhungsrecht korrespondierenden Verpflichtung zur Preissenkung durch die Beklagte. Den Streitwert haben die Vorinstanzen auf 2.500 € (Landgericht) beziehungsweise 5.000 € (Berufungsgericht) festgesetzt. Die Revision hat das Kammergericht nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Sie meint, ihre Beschwer sei in Anbetracht der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung entsprechender Klauseln für sie und die Anbieter vergleichbarer Dienstleistungen abweichend vom - kostenrelevanten - Streitwert mit mindestens 25.000 €, jedenfalls aber mit mehr als 20.000 € zu bewerten.
II.
5 Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist unzulässig, weil die gemäß § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Mindestbeschwer von mehr als 20.000 € nicht erreicht wird. Die Beklagte ist durch das Berufungsurteil lediglich in Höhe von 2.500 € beschwert.
61. Die mit der Revision geltend zu machende Beschwer hat das Revisionsgericht selbst zu beurteilen. An die Wertfestsetzung durch das Berufungsgericht ist es nicht gebunden (st. Rspr., zB Senat, Beschlüsse vom - III ZR 250/22, juris Rn. 4; vom - III ZR 150/22, juris Rn. 5 und vom - III ZR 351/20, juris Rn. 7; jew. mwN).
72. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs richtet sich der Wert der Beschwer in Verfahren nach dem Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- oder anderen Verstößen (UKlaG) regelmäßig nach dem Interesse der Allgemeinheit am Unterbleiben des Gebrauchs der strittigen Klausel (vgl. zB Senat, Beschlüsse vom - III ZR 390/16, juris Rn. 4; vom - III ZR 64/15, BeckRS 2015, 19182 Rn. 5 und III ZR 36/15, BeckRS 2015, 19181 Rn. 4; vom - III ZR 229/10, BeckRS 2011, 23098 Rn. 1 und vom - III ZR 33/06, NJW-RR 2007, 497 Rn. 2; BGH, Beschlüsse vom - I ZR 23/20, juris Rn. 12 und vom - VIII ZR 161/19, juris Rn. 24). Um die Verbraucherschutzverbände bei der Wahrnehmung der ihnen im Gemeininteresse eingeräumten Befugnis, den Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu befreien, vor unangemessenen Kostenrisiken zu schützen, hat die wirtschaftliche Bedeutung der Verbote, bestimmte Klauseln zu verwenden, bei der Bemessung der Beschwer keine ausschlaggebende Bedeutung (st. Rspr.; zB Senat, Beschlüsse vom aaO und vom aaO; , NJW-RR 2022, 782 Rn. 11; jew. mwN). Dies gilt nicht nur für die Beschwer eines Verbraucherschutzverbandes, sondern im Regelfall auch für die Bemessung der Beschwer des im Unterlassungsprozess unterlegenen Verwenders (zB Senat, Beschluss vom aaO mwN; BGH, Beschlüsse vom - II ZR 119/20, juris Rn. 8; vom und - I ZR 23/20, jew. juris Rn. 5 mwN; vom - VIII ZR 161/19, juris Rn. 8; vom - I ZR 205/19, juris Rn. 7 und vom - I ZR 139/17, juris Rn. 2). Das Interesse des klagenden Verbands an der allgemeinen Untersagung einer Klausel korrespondiert mit dem Interesse des beklagten Verwenders an deren allgemeiner Weiterverwendung (Senat aaO Rn. 5; BGH, Beschlüsse vom 15. April und ; jew. aaO).
83. Ausgehend hiervon setzt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Beschwer regelmäßig mit 2.500 € je angegriffener (Teil-)Klausel an (zB Senat, Beschlüsse vom aaO Rn. 6; vom - III ZR 15/20, juris Rn. 5; vom aaO Rn. 6 und vom aaO Rn. 5; BGH, Beschlüsse vom aaO Rn. 9; vom - X ZR 3/19, GRUR 2021, 521 Rn. 8 und vom aaO Rn. 6). Dies ist auch im vorliegenden Fall angemessen. Gründe, den Wert der Beschwer ausnahmsweise über diesem Betrag anzusetzen, sind nicht ersichtlich.
9 Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, der Wert müsse wegen der wesentlichen Bedeutung dieser oder vergleichbarer Klauseln in der Branche und der damit einhergehenden hohen wirtschaftlichen Bedeutung der Sache auf (mindestens) 25.000 € festgesetzt werden. Zwar kann im Einzelfall der herausragenden Bedeutung einer Klausel für die betroffenen Verkehrskreise ausnahmsweise durch die Bemessung der Beschwer mit einem höheren Wert Rechnung getragen werden, wenn die Entscheidung über die Wirksamkeit einer bestimmten Klausel nicht nur für deren Verwender und die Vertragspartner, sondern für die gesamte Branche von wesentlicher Bedeutung ist. Dies kommt nach ständiger Rechtsprechung etwa in Betracht, wenn es um äußerst umstrittene verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite geht, über deren Beantwortung bereits vielfältig und mit kontroversen Ergebnissen gestritten wird (vgl. zB Senat, Beschlüsse vom aaO; vom aaO Rn. 5 und vom aaO Rn. 5; BGH, Beschlüsse vom aaO Rn. 14; vom aaO; vom aaO Rn. 9 und vom aaO Rn. 9; jew. mwN). Diese Voraussetzungen sind vorliegend aber nicht gegeben. Die in Streit stehende oder vergleichbare Klauseln anderer Anbieter für die Branche mögen in Anbetracht des Vertragsvolumens von großer wirtschaftlicher Bedeutung sein, umstrittene Rechtsfragen stellen sich jedoch nicht.
10 Preisanpassungsklauseln waren bereits vielfach Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung. Es ist grundsätzlich geklärt, dass eine Klausel die Interessen des Vertragspartners des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt, wenn sie das ursprünglich bestehende Äquivalenzverhältnis nicht sicherstellt und es dem Verwender ermöglicht, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern auch einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen (zB Senat, Urteile vom - III ZR 247/06, WM 2008, 308 Rn. 10, 12 und vom - III ZR 63/07, WM 2007, 2202 Rn. 11; , BGHZ 189, 131 Rn. 36; vom - XI ZR 78/08, BGHZ 180, 257 Rn. 25 und vom - VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362 Rn. 25). Gleiches gilt, wenn die Klausel dem Verwender das Recht einräumt, gestiegene Kosten an seinen Vertragspartner weiterzugeben, ihn aber nicht dazu verpflichtet, dies auch mit gesunkenen Kosten zu tun (vgl. zB - jedenfalls im Ergebnis - Senat, Urteil vom aaO Rn. 12; , WM 2010, 228 Rn. 25, 27; vom aaO Rn. 28; vom - KZR 2/07, BGHZ 176, 244 Rn. 20 f). Ebenso ist geklärt, dass die Unangemessenheit einer Preisanpassungsklausel grundsätzlich nicht dadurch ausgeräumt werden kann, dass dem Kunden ein Kündigungsrecht oder eine sonstige Möglichkeit, sich vom Vertrag zu lösen, eingeräumt wird. Vielmehr hängt es von der Gestaltung im Einzelfall ab, ob ein Recht des Kunden zur Lösung vom Vertrag zu einem angemessenen Interessenausgleich führen kann (zB Senat, Urteil vom aaO Rn. 12; , NJW 2017, 325 Rn. 21 ff). Dass diese Rechtsprechung mit gewichtigen Argumenten in Zweifel gezogen worden ist, ist nicht ersichtlich. Insbesondere ergeben sich solche Zweifel weder aus den von der Beklagten in Bezug genommenen Literaturstellen (Thomas in AcP 209 (2009), S. 84, 115 ff; Borges in Abels/Liebs, AGB im Wirtschaftsverkehr: Herausforderung und Hürde, 2011, S. 83, 93; Fuchs/Zimmermann in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 13. Aufl., § 309 Nr. 1 Rn. 37; MüKoBGB/Wurmnest, 9. Aufl., § 309 Nr. 1 Rn. 28) noch einer einzelnen abweichenden Entscheidung eines Instanzgerichts (hier: OLG Frankfurt am Main, BeckRS 2016, 138794 Rn. 57). Die streitgegenständliche Klausel unterscheidet sich entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht maßgebend von denjenigen, die bereits Gegenstand höchstrichterlicher Rechtsprechung gewesen sind.
114. Die Beklagte wird durch die Wertfestsetzung weder in ihrem Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG) verletzt noch wird ihr der gesetzliche Richter entzogen (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Ebenso wenig ist ein Verstoß gegen das Willkürverbot (Art. 3 Abs. 1 GG) anzunehmen. Es ist aus den vorstehend genannten Gründen auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass sich der - die Prüfung der Zulassungsgründe gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO erst eröffnende - Beschwerdewert und damit der Zugang zur Rechtsmittelinstanz jedenfalls im Ausgangspunkt am individuellen Interesse des Klägers, hier mithin dem Kosteninteresse der Verbraucherschutzverbände, orientiert.
III.
12 Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Beschwerde auch unbegründet ist, weil die Zulassungsvoraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Dies ergibt sich bereits im Wesentlichen aus den vorstehenden Ausführungen zu Nummer II 3. Von der Darstellung der übrigen Gründe sieht der Senat gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO ab.
Herrmann Böttcher
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2025:300125BIIIZR407.23.0
Fundstelle(n):
DAAAJ-84609