Modernisierung des Organschaftsrechts durch Abschaffung des Gewinnabführungsvertrags
Das deutsche Unternehmensteuerrecht bedarf dringend der Strukturreform. Dies betrifft auch das für Konzerne und Mittelstand wichtige ertragsteuerliche Organschaftsrecht, das – abweichend zur Konzernrechnungslegung – zwar keine Konsolidierung erlaubt, aber in einem inländischen Unternehmensverbund Gewinne und Verluste einzelner Legaleinheiten phasenkongruent zum Ausgleich bringt. §§ 14, 17 KStG fordern dafür einen wirksam begründeten und auf mindestens fünf Jahre durchgeführten Gewinnabführungsvertrag i. S. des § 291 Abs. 1 AktG (GAV) – übrigens auch bei GmbHs – sowie eine finanzielle Eingliederung der Tochter- in die Muttergesellschaft mit mind. 50 % Stimmenmehrheit. Das GAV-Erfordernis ist nicht nur eine deutsche Besonderheit, die andere Staaten in ihren Gruppenbesteuerungssystemen nicht kennen, sondern auch ein „Einfallstor“ für etliche steuerliche Fallstricke. Fehler in Konzeption und Durchführung des GAV können „gescheiterte Organschaften“ nach sich ziehen – teils mit dramatischen Steuerbelastungsnachteilen. Hinzu kommt: Der GAV ist ein satzungsähnlicher organisationsrechtlicher Unternehmensvertrag, der strengen Formalien unterliegt und nur nach objektiven Gesichtspunkten ausgelegt werden kann. Der gesamte Themenbereich organschaftlicher Mehr- und Minderabführungen (§ 14 Abs. 3, 4 KStG) wurzelt in der handelsrechtlichen Gewinnabführung und Verlustübernahme mit ihren Abweichungen zur ertragsteuerlichen Einkommenszurechnung.
Es ist also an der Zeit für die Steuerpolitik der anstehenden neuen Legislatur, mit Mut und Weitblick eine Fortentwicklung des ertragsteuerlichen Organschaftsrechts hin zu einem modernen, weniger hierarchisch ausgestalteten Gruppenbesteuerungssystem vorzunehmen. Sowohl im Abschlussbericht der Expertenkommission „Vereinfachte Unternehmenssteuer“ vom als auch im IDW-Positionspapier vom wird deshalb die Abschaffung des GAV angeregt, verbunden bspw. mit einem auf fünf Jahre Bindungsdauer ausgerichteten Antragsrecht sowie einem qualifizierten Mehrheitserfordernis von 75 % der Stimmrechte. Ähnliches schlägt auch die CDU/CSU-Fraktion in einem Antrag vom zur Modernisierung des Unternehmensteuerrechts vor. Der Antrag verpflichtet die Muttergesellschaft zugleich zur Verlusttragung und rechtfertigt deshalb die steuersubjektübergreifende Einkommenszurechnung zum Gruppenträger. Dadurch wird der GAV mangels Zukunftsfähigkeit entbehrlich. Nach der jüngeren EuGH- sowie BFH-Rechtsprechung muss sich der Steuergesetzgeber keine Sorgen mehr über einen ungewollten organschaftsbedingten Import ausländischer Verluste zu Lasten deutschen Besteuerungssubstrats machen. Zugleich könnte der Gesetzgeber mit einem solchen Modernisierungsschritt die unionsrechtliche Diskriminierungsproblematik des GAV bei ausländischen Tochtergesellschaften beseitigen. Freilich wird es bei schuldrechtlichen Steuerumlageverträgen aus gesellschaftsrechtlicher Sicht bleiben müssen, aber mit deutlich geringerer Komplexität. Auch sind Übergangsregelungen notwendig. Auf die steuerpolitische Agenda einer neuen Regierung gehört zugleich auch die Änderung der hochproblematischen umsatzsteuerlichen Organschaft mit ihren faktischen Eingliederungserfordernissen hin zu einer antragsgebundenen Mehrwertsteuergruppe. Für den Steuerstandort Deutschland wäre beides ein beachtlicher Fortschritt.
Ulrich Prinz
Fundstelle(n):
StuB 3/2025 Seite 1
LAAAJ-84427