Neues grundsteuerliches Bewertungsrecht (Bundesmodell) nicht verfassungswidrig (im Streitfall: Eigentumswohnung in Berlin)
Leitsatz
1. Die Ermittlung des Grundsteuerwerts für eine Eigentumswohnung in Berlin nach den vorgesehenen einfachgesetzlichen Regelungen
des Bundesmodells ist nicht verfassungswidrig, insbesondere sind die Regelungen der §§ 218 ff. BewG mit dem allgemeinen Gleichheitssatz
vereinbar und führen nicht zu einem strukturellen Vollzugsdefizit. Der Senat teilt nicht die Bedenken des , welche sich unter anderem darauf gründen, dass nicht sämtliche Berechnungsparameter
auf Daten beruhen, die im selben Ermittlungszeitraum erhoben worden sind, und zudem auf der Einschätzung beruhen, die Daten
seien nicht hinreichend aktuell.
2. Auch die gesetzlich angeordnete Mindestrestnutzungsdauer von 30 % sieht der Senat als von der Typisierungsbefugnis des
Gesetzgebers gedeckt an. Der Gesetzgeber war auch nicht gehalten, anstelle der typisierten Liegenschaftszinsätze die vom jeweiligen
Gutachterausschuss veröffentlichten regionalen Liegenschaftszinssätze heranzuziehen. Im Rahmen der Typisierungsbefugnis des
Gesetzgebers liegt auch die Festlegung der typisierten Umrechnungskoeffizienten nach Anlage 36 BewG.
3. Es führt jedenfalls nicht zur Verfassungswidrigkeit und Nichtigkeit der Bewertungsregelungen als solcher, wenn es in Einzelfällen
zu extrem über das normale Maß hinausgehenden Differenzen zwischen dem objektiviert-realen Wert eines individuellen Grundstücks
und dem nach den gesetzlichen Regelungen anzusetzenden typisierten Grundsteuerwert kommt. Bei nachgewiesenem Vorliegen eines
solchen Extremfalles käme es allenfalls in Betracht, den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert anzusetzen.
4. Weder Äquivalenz- noch Leistungsfähigkeitsgesichtspunkte als Belastungsgrund erfordern zwingend eine deutlichere lagebezogene
Differenzierung zwischen den Grundstücken innerhalb eines Gemeindegebiets, als die §§ 248 ff. BewG sie durch Berücksichtigung
der Bodenrichtwerte vorsehen.
5. Der Senat sieht auch keinen Verfassungsverstoß darin, dass gemäß § 2 Nr. 2 GrStG in Verbindung mit § 244 Abs. 3 Nr. 1 BewG
in Verbindung mit § 261 BewG in Erbbaurechtsfällen eine aus dem Erbbaurechtsgrundstück und dem Erbbaurecht zusammen bestehende
wirtschaftliche Einheit zu bilden ist, für die ein Gesamtwert zu ermitteln ist, der festzustellen wäre, wenn die Belastung
mit dem Erbbaurecht nicht bestünde, und deren ermittelter Wert nur dem Erbbauberechtigten zuzurechnen ist.
6. Es liegt kein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot (Art. 2 Abs. 1 GG, § 20 Abs. 3 GG) im Hinblick darauf vor, dass die
genaue Höhe der zu zahlenden Grundsteuer regelmäßig erst feststeht, nachdem die Einspruchsfrist bezüglich der Grundsteuerwertfeststellung
abgelaufen ist.
7. Eine Verfassungswidrigkeit des neuen Grundsteuerrechts ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass bei einem Anteil der
Wohnungen in dem Gebäude von maximal 80 % der Nutzfläche das Sachwertverfahren und sonst das Ertragswertverfahren Anwendung
findet und dass das Ertragswertverfahren auch bei der Bewertung von ertragbringenden Geschäftsgrundstücken ausgeschlossen
ist.
8. Es ist auch nicht verfassungswidrig, dass in einer Spitzenlage einer hochpreisigen Stadt der beim Mindestwert nach § 251
BewG vorgesehene Abschlag von 25 % auf den Bodenrichtwert in absoluten Eurobeträgen eine vielfach höhere Berücksichtigung
der Freilegungskosten im Vergleich zu einer peripheren Lage mit geringen Bodenrichtwerten bedeutet.
9. Die MietNEinV und die dort geregelte Einordnung des gesamten Berliner Stadtgebietes in die Mietniveaustufe 4 verstoßen
weder gegen die Vorgaben der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage noch sind sie verfassungswidrig. Dasselbe gilt für die Berliner
Verordnung zur Durchführung des Baugesetzbuchs v. , welche im Einklang mit der Ermächtigungsgrundlage in § 199 Abs.
2 BauGB die Einzelheiten zur Bildung und Tätigkeit des Gutachterausschusses regelt; es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür,
dass die Bildung und Tätigkeit des Gutachterauschusses in Berlin gegen die Vorgaben des Gesetzes und der DVO-BauGB verstoßen
haben könnte.
10. Jedenfalls hinsichtlich des wertenden, die besondere Sachkunde des örtlichen Gutachterausschusses ansprechenden Teils
des zur Subsumtion gehörenden Wertermittlungsvorgangs (also z. B.: Zuschnitt der Bodenrichtwertzonen innerhalb der gesetzlichen
Vorgaben, Bestimmung der Merkmale des Bodenrichtwertgrundstücks, Gewichtung und Aufteilung der bekannten Kaufpreise und Ableitung
des Bodenrichtwertes, die deduktive Ableitung bei Fehlen eines Grundstücksverkehrs) sind die Bodenrichtwerte des Gutachterausschusses
der finanzgerichtlichen Überprüfung entzogen. Es bleibt offen, ob das FG zu einer Prüfung berechtigt ist, ob der Gutachterausschuss
die verfahrensrechtlichen Vorschriften eingehalten hat, ob er von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist (z. B. Art
der Nutzung und Qualität der Grundstücke, Grundstücksmerkmale), ob er diesen vollständig erfasst hat, ob sachfremde Erwägungen
angestellt wurden und ob das Ergebnis schlechthin unvertretbar ist.
11. Das für den steuerlichen Belastungsgrund als maßgeblich erachtete Bemessungsziel des Gesetzgebers im neuen grundsteuerlichen
Bewertungsrecht ist erkennbar. Bemessungsziel ist – wie im alten Einheitswertrecht – eine Annäherung an einen objektiviert-realen
Grundstückswert, der dem gemeinen Wert entspricht. Die Bemessungsregeln wurden auch so ausgestaltet, dass sie grundsätzlich
geeignet sind, den mit der Steuer verfolgten Belastungsgrund in der Relation realitätsgerecht abzubilden. Der Gesetzgeber
hat die einzelnen gesetzlich typisierten Bewertungsparameter aufgrund ausreichender Ermittlungen so bemessen, dass sie im
Durchschnitt aller zu bewertenden Objekte den objektiviert-realen Grundstückswert jedenfalls nicht evident verfehlen.
12. Der niedrigere gemeine Wert ist nur dann als Grundsteuerwert anzusetzen, wenn der Steuerpflichtige durch ein Gutachten
des zuständigen Gutachterausschusses oder eines öffentlich beglaubigten und vereidigten oder eines zertifizierten Gutachters
nachweist, dass der typisierte Grundsteuerwert erheblich von dem gemeinen Wert der wirtschaftlichen Einheit im Feststellungszeitpunkt
abweicht. Der Senat folgt nicht der Auffassung, wonach nicht nur der Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts im Vergleich
zum Endergebnis der typisierten Berechnung des Grundbesitzwerts, sondern auch ein Nachweis niedrigerer einzelner Berechnungsparameter
zuzulassen sei.
13. Der Bund hat ein eigenständiges Bewertungssystem für die Grundsteuer geschaffen und die Steuerbemessung nicht etwa unzulässigerweise
in die Nähe der Einkommensteuer oder Vermögensteuer gerückt.
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FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 04.12.2024 - 3 K 3170/22
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