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BGH Urteil v. - XI ZR 89/21

Leitsatz

Für den Erhalt der Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB genügt eine den verbundenen Vertrag gegenüber anderen Verträgen abgrenzende Individualisierung, die durch die Benennung des Vertragsgegenstands genauso erfolgen kann wie durch die Verwendung einer Bezeichnung, die dem verbundenen Vertrag im Text des Darlehensvertrags zugeordnet ist.

Gesetze: § 492 Abs 2 BGB, Art 247 § 6 Abs 2 S 3 BGBEG

Instanzenzug: Az: XI ZR 89/21 Beschlussvorgehend OLG Oldenburg (Oldenburg) Az: 8 U 179/20vorgehend LG Oldenburg (Oldenburg) Az: 3 O 651/19

Tatbestand

1Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers.

2Der Kläger erwarb im Mai 2017 einen PKW Audi Q5 zu einem Kaufpreis von 60.409,99 €. Zur Finanzierung des Kaufpreises und einer Restschuldversicherung, für die ein "Beitrag zum KSB Plus für AU, Tod und ALV" in Höhe von 3.106,45 € gesondert ausgewiesen war, schlossen die Parteien mit Datum vom einen Darlehensvertrag über 63.516,44 €. Das mit einem Sollzinssatz von 2,86% p.a. verzinsliche Darlehen sollte in 36 Monatsraten zu je 933,36 € und einer Schlussrate von 34.161,86 € zurückgezahlt werden. Zur Fälligkeit der Raten enthielt Seite 1 des Darlehensvertrags folgende Regelung:

3Bestandteil des durchgehend paginierten Darlehensvertrags waren die auf den Seiten 2 und 3 abgedruckten Darlehensbedingungen der Beklagten, die unter anderem folgende Klausel enthielten:

"2. Vorzeitige Rückzahlung und Vorfälligkeitsentschädigung:

a) Der Darlehensnehmer kann seine Verbindlichkeiten aus diesem Vertrag jederzeit ganz oder teilweise vorzeitig erfüllen. […]

c) Für den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden kann die Bank eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung verlangen.

Den Schaden wird die Bank nach den vom Bundesgerichtshof vorgeschriebenen finanzmathematischen Rahmenbedingungen (Aktiv-Passiv-Methode) berechnen, die insbesondere:

- ein zwischenzeitlich verändertes Zinsniveau,

- die für das Darlehen ursprünglich vereinbarten Zahlungsströme,

- den der Bank entgangenen Gewinn,

- den mit der vorzeitigen Rückzahlung verbundenen Verwaltungsaufwand (Bearbeitungsentgelt) sowie

- die infolge der vorzeitigen Rückzahlung ersparten Risiko- und Verwaltungskosten berücksichtigen.

Die so errechnete Vorfälligkeitsentschädigung wird, wenn sie höher ist, auf den niedrigeren der beiden folgenden Beträge reduziert:

- 1 Prozent beziehungsweise, wenn der Zeitraum zwischen der vorzeitigen und der vereinbarten Rückzahlung weniger als ein Jahr beträgt, 0,5 Prozent des vorzeitig zurückgezahlten Betrages,

- den Betrag der Sollzinsen, den der Darlehensnehmer in dem Zeitraum zwischen der vorzeitigen und der vereinbarten Rückzahlung entrichtet hätte."

4Auf Seite 5 enthielt der Darlehensvertrag folgende Widerrufsinformation:

5Der Kläger widerrief mit Schreiben vom seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung.

6Mit seiner Klage hat der Kläger die Feststellung, dass seine primäre Leistungspflicht aus dem Darlehensvertrag vom zur Zahlung von Zinsen und zur Erbringung von Tilgungsleistungen aufgrund des Widerrufs vom erloschen ist, begehrt.

7In den Vorinstanzen ist die Klage ohne Erfolg geblieben. Mit der - von dem Senat zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Gründe

8Die Revision ist unbegründet.

I.

9Das Berufungsgericht hat seine in BeckRS 2021, 31940 veröffentlichte Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung, im Wesentlichen wie folgt begründet:

10Der Kläger habe seine auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht wirksam widerrufen. Die vierzehntägige Widerrufsfrist sei zum Zeitpunkt der Widerrufserklärung bereits abgelaufen gewesen. Die Widerrufsfrist habe gemäß § 355 Abs. 2 Satz 2, § 356b Abs. 1, 2 BGB mit dem Vertragsschluss zu laufen begonnen, weil die dem Kläger bei Vertragsschluss zur Verfügung gestellte, für ihn bestimmte Vertragsurkunde alle für die Ingangsetzung der Widerrufsfrist erforderlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB, auch eine ordnungsgemäße Widerrufsinformation, enthalten habe.

11Im Hinblick auf die Widerrufsinformation könne sich die Beklagte auf die Gesetzlichkeitsfiktion gemäß Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 und § 12 Abs. 1 Satz 3 EGBGB berufen. Dem stehe nicht entgegen, dass die Beklagte hinsichtlich des tatsächlich erfolgten Beitritts des Klägers zu dem Restschuldversicherungsvertrag Kreditschutzbrief in der Variante "KSB Plus" die Gestaltungshinweise für verbundene Verträge umgesetzt und diesen Vertrag in dem Text der Widerrufsinformation als "Anmeldung zum KSB/KSB Plus" bezeichnet habe. Diese Bezeichnung sei weder unrichtig noch unklar. Ein verständiger Verbraucher erkenne bereits anhand der Erläuterungen auf der ersten Seite des Darlehensvertrags, dass es sich bei dem "KSB" und dem "KSB Plus" nicht um unterschiedliche Verträge handele, sondern um einen einheitlichen Vertrag zur Versicherung der Restschuld, bei dem der Zusatz "Plus" lediglich die optionale Erweiterung der versicherten Risiken, namentlich die zusätzliche Versicherung gegen das Risiko der Arbeitslosigkeit, kennzeichne. Dass es sich bei dem "KSB" und dem "KSB Plus" nicht um unterschiedliche Verträge, sondern um Varianten des Beitritts zu dem Restschuld-Gruppenversicherungsvertrag handele, die sich lediglich hinsichtlich des Umfangs der versicherten Risiken unterschieden, werde durch den Inhalt der Allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht in Frage gestellt.

12Der Darlehensvertrag enthalte die gemäß § 492 Abs. 2 BGB in Verbindung mit Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB erforderliche Pflichtangabe zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung und die gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB erforderlichen Pflichtangaben zu Betrag, Zahl und Fälligkeit der einzelnen Teilzahlungen.

II.

13Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand, so dass die Revision des Klägers zurückzuweisen ist.

14Der Kläger hat den streitgegenständlichen Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag nicht wirksam widerrufen. Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger zwar bei Abschluss des Darlehensvertrags gemäß § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor der Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Dies war aber vorliegend bei Abschluss des Darlehensvertrags im Mai 2017 der Fall, so dass der Widerruf vom verspätet war.

151. Zu den Pflichtangaben gehört nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 EGBGB die Erteilung einer ordnungsgemäßen Widerrufsinformation. Dem ist die Beklagte nachgekommen. Anders als die Revision meint, hat die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB resultierende Verpflichtung, über das nach § 495 Abs. 1 BGB bestehende Widerrufsrecht zu informieren, erfüllt.

16a) Insoweit kann sich die Beklagte auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen.

17aa) Die in dem Darlehensvertrag in hervorgehobener und deutlich gestalteter Form enthaltene Widerrufsinformation entspricht dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB in der vom bis zum geltenden Fassung (im Folgenden: aF). In dem fortlaufend paginierten und dem Kläger zur Verfügung gestellten Vertragsformular wird er auf Seite 5 deutlich auf das ihm nach § 495 Abs. 1 BGB zustehende Widerrufsrecht hingewiesen. Die Widerrufsinformation ist durch die Einrahmung, die Überschrift "Widerrufsinformation" und weitere in Fettdruck gehaltene Zwischenüberschriften hervorgehoben und deutlich gestaltet. Sie entspricht, was der Senat durch einen Vergleich selbst feststellen kann (st. Rspr., vgl. nur , BGHZ 212, 207 Rn. 26 und vom - XI ZR 258/22, BGHZ 239, 337 Rn. 18), dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB aF. Die vorgenommenen Abweichungen hinsichtlich Format und Schriftgröße sind zulässig (Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 5 EGBGB). Dies gilt auch für die Anwendung der Gestaltungshinweise 2, 2a, 5, 5a, 5b, 5c, 5f und 5g. Dass es sich bei dem Kaufvertrag und der Anmeldung zu der Restschuldversicherung um mit dem Darlehensvertrag verbundene Verträge nach § 358 BGB gehandelt hat, hat die Beklagte in der Widerrufsinformation - soweit im Muster vorgesehen - durchgängig genau bezeichnet, so dass der Klammerzusatz in Gestaltungshinweis 2a laut dem zweiten Sternchenhinweis in dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB aF entbehrlich war.

18bb) Der Anwendung der Gesetzlichkeitsfiktion steht nicht entgegen, dass die Anmeldung des Klägers zu einer Restschuldversicherung in der Variante KSB Plus in der ihm erteilten Widerrufsinformation als "die Anmeldung zum KSB/KSB Plus" bezeichnet wird.

19(1) Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei und von der Revision unangegriffen davon ausgegangen, dass es sich bei der Anmeldung des Klägers zu der Restschuldversicherung um einen mit dem Darlehensvertrag verbundenen Vertrag i.S.v. § 358 Abs. 3 BGB handelt. Dass aufgrund der Gestaltung der Restschuldversicherung als Gruppenversicherung insoweit Darlehensgeber und Unternehmer identisch sind, hindert - in dem hier maßgeblichen Zeitraum und der vorliegenden Fallkonstellation - die Anwendbarkeit des § 358 BGB nicht (vgl. Senatsbeschluss vom - XI ZR 491/19, BKR 2021, 164 Rn. 11 mwN).

20(2) Entgegen der Auffassung der Revision war die Beklagte nicht gehalten, in der Widerrufsinformation nach den Versicherungsvarianten KSB und KSB Plus zu differenzieren, um die Gesetzlichkeitsfiktion in Anspruch nehmen zu können.

21(a) Der Senat hat zwar entschieden und eingehend begründet, dass sich der Darlehensgeber nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion nach Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen kann, wenn in der Widerrufsinformation unter der Zwischenüberschrift "Besonderheiten bei weiteren Verträgen" als mit dem Darlehensvertrag verbundener Vertrag nicht nur der Fahrzeugkaufvertrag, sondern - zu Unrecht - auch ein Vertrag über eine Restschuldversicherung angegeben ist, den der Darlehensnehmer tatsächlich nicht abgeschlossen hat. Denn nach dem Wortlaut des Gestaltungshinweises 2a zu dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB aF hat der Darlehensgeber nur den von dem Darlehensnehmer konkret abgeschlossenen, mit dem Darlehensvertrag verbundenen weiteren Vertrag anzugeben (vgl. , BGHZ 227, 253 Rn. 17 ff. und vom - XI ZR 552/20, WM 2022, 1371 Rn. 14).

22(b) Um einen solchen Fall handelt es sich hier jedoch nicht. Der Kläger hat mit der Beklagten (nur) eine Vereinbarung über seine Anmeldung zu einer Restschuldversicherung geschlossen, in der die Varianten Kreditschutzbrief (KSB) mit einer Absicherung gegen Tod und Arbeitsunfähigkeit sowie Kreditschutzbrief Plus (KSB Plus) mit einer Absicherung gegen Tod, Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit lediglich den Umfang der Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger Versicherungsschutz zu verschaffen, beschreiben. Denn nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen des KSB/KSB Plus - die der Senat selbst auslegen kann (vgl. Senatsurteil vom - XI ZR 544/21, BGHZ 237, 71 Rn. 16 mwN) - bestehen die Gruppenversicherungsverträge zwischen der Beklagten als Versicherungsnehmerin und dem jeweiligen Versicherer. Der Darlehensnehmer erwirbt einen Anspruch gegen die Beklagte, von dieser als versicherte Person entweder nur zu dem Gruppenversicherungsvertrag mit dem Versicherungsumfang KSB oder in der Variante KSB Plus zusätzlich auch zu dem Gruppenversicherungsvertrag zur Absicherung des Risikos Arbeitslosigkeit angemeldet zu werden. Er wird nicht selbst Versicherungsnehmer; seine Beitragspflicht besteht nur gegenüber der Beklagten.

23(c) Die Bezeichnung der Vereinbarung mit der Beklagten über den Beitritt zu der Restschuldversicherung als "die Anmeldung zum KSB/KSB Plus" in der Widerrufsinformation schließt die Anwendung der Gesetzlichkeitsfiktion unabhängig davon, ob der Darlehensnehmer im konkreten Fall die Variante KSB oder KSB Plus ausgewählt hat, nicht aus.

24Nach dem sich aus den Gesetzesmaterialien ergebenden Willen des Gesetzgebers ist es für die Geltung der Gesetzlichkeitsfiktion erforderlich, aber auch ausreichend, den abgeschlossenen verbundenen Vertrag "hinreichend konkret" anzugeben. Hierfür kann auf die Bezeichnung des Vertragsgegenstandes des verbundenen Vertrags im Vertragstext Bezug genommen werden, soweit sich dies grammatikalisch in den Mustertext einfügt (BT-Drucks. 17/1394, S. 27 linke Spalte). Eine hinreichende Konkretisierung des verbundenen Vertrags in diesem Sinne erfordert keine Differenzierung nach Einzelheiten des Vertragsinhalts. Es genügt eine den verbundenen Vertrag gegenüber anderen Verträgen abgrenzende Individualisierung, die durch die Benennung des Vertragsgegenstands (z.B. "Restschuldversicherung", vgl. Senatsbeschluss vom - XI ZR 491/19, BKR 2021, 164 Rn. 2, 9) genauso erfolgen kann wie durch die Verwendung einer Bezeichnung, die dem verbundenen Vertrag im Text des Darlehensvertrags zugeordnet ist.

25Danach handelt es sich bei dem Terminus "die Anmeldung zum KSB/KSB Plus" um eine hinreichend konkrete Bezeichnung des verbundenen Vertrags. Die Erläuterungen zu der dem Kläger angetragenen Restschuldversicherung auf Seite 1 des Darlehensvertrags, denen über eine Verweisung auf den unmittelbar darüber abgedruckten Finanzierungsplan der vom Kläger vorliegend nachgefragte Versicherungsumfang KSB Plus zu entnehmen ist, sind gesondert umrahmt. Dieser Rahmen ist mit der seitlich angebrachten, fettgedruckten Überschrift "KSB/KSB Plus" gekennzeichnet, die hierdurch die Bezeichnung der Restschuldversicherung als "KSB/KSB Plus" für den Vertragstext definiert. Dementsprechend wird die Restschuldversicherung an anderen Stellen im Darlehensvertrag, so etwa in der Auflistung der Sicherheiten und in dem Hinweis auf die Versicherungsbedingungen, ebenfalls "KSB/KSB Plus" genannt. Für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher, der weiß, in welchem Umfang er Versicherungsschutz nachgefragt hat, und der den Inhalt von Seite 1 des Darlehensvertrags zur Kenntnis nimmt, besteht deshalb kein Zweifel, dass mit der Bezeichnung "die Anmeldung zum KSB/KSB Plus" seine Vereinbarung mit der Beklagten über die Anmeldung zur Restschuldversicherung in dem von ihm beauftragten, auf Seite 1 des Darlehensvertrags ausgewiesenen Umfang gemeint ist.

26b) Der Anwendung der Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB steht - was der Senat mit Urteil vom (XI ZR 258/22, BGHZ 239, 337 Rn. 19 ff.) entschieden und im Einzelnen begründet hat - das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (im Folgenden: EuGH) vom (C-38/21, C-47/21 und C-232/21, juris - BMW Bank u.a.) nicht entgegen. Die von der Revision befürwortete richtlinienkonforme Auslegung des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB in Form einer teleologischen Reduktion überschritte im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, ihren Sinn und Zweck sowie die Gesetzgebungsgeschichte die Befugnis der Gerichte (Senatsurteil aaO Rn. 24).

272. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Ordnungsgemäßheit der Angaben der Beklagten zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung (§ 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB).

28a) Nach der Rechtsprechung des Senats ist die nach Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 3 EGBGB erforderliche Information über die Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung klar und verständlich, wenn der Darlehensgeber die für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung wesentlichen Parameter in groben Zügen benennt (Senatsurteil vom - XI ZR 650/18, BGHZ 224, 1 Rn. 40 ff. mwN). Bei einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag sollen die Angaben dem Darlehensnehmer die zuverlässige Abschätzung seiner finanziellen Belastung im Falle einer vorzeitigen Rückzahlung ermöglichen, wobei dies durch eine im Wesentlichen wortgleiche Übernahme der Kappungsgrenzen des § 502 Abs. 3 BGB erfolgen und gegebenenfalls durch Angabe einer Pauschale als Obergrenze ergänzt werden kann (vgl. Senatsurteil aaO Rn. 48 ff. mwN).

29b) Daran ist auch auf der Grundlage des , C-47/21 und C-232/21, juris Rn. 247 ff. - BMW Bank u.a.) festzuhalten. Danach ist Art. 10 Abs. 2 Buchst. r der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWGdes Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66, berichtigt in ABl. 2009, L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40 und ABl. 2011, L 234, S. 46; im Folgenden: Verbraucherkreditrichtlinie) dahin auszulegen, dass in einem Kreditvertrag grundsätzlich für die Berechnung der bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits anfallenden Vorfälligkeitsentschädigung die Berechnungsweise dieser Entschädigung in konkreter und für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher leicht verständlicher Weise angegeben werden muss, damit er den Betrag der bei vorzeitiger Rückzahlung anfallenden Entschädigung auf der Grundlage der in diesem Vertrag enthaltenen Angaben ermitteln kann. Auch wenn konkrete und leicht verständliche Angaben zur Berechnungsweise fehlen, kann ein solcher Vertrag aber der in dieser Bestimmung aufgestellten Verpflichtung genügen, sofern er andere Elemente enthält, die es dem Verbraucher ermöglichen, die Höhe der betreffenden Entschädigung und insbesondere den Betrag, den er im Fall der vorzeitigen Rückzahlung des Kredits höchstens zu zahlen haben wird, leicht zu ermitteln (Senatsurteil vom - XI ZR 258/22, BGHZ 239, 337 Rn. 38).

30c) Nach diesen Maßgaben erfüllen die von der Beklagten erteilten Angaben zur Berechnungsmethode des Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung die Anforderungen des Art. 10 Abs. 2 Buchst. r der Verbraucherkreditrichtlinie, weil die Regelung in Ziffer 2.c der Vertragsbedingungen für einen normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbraucher leicht zu berechnende Höchstbeträge ausweist.

313. Schließlich macht der Kläger ohne Erfolg geltend, dass die Angaben der Beklagten zur Fälligkeit der einzelnen Teilzahlungen gemäß Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB unzureichend seien.

32a) Mit der Pflichtangabe zur Fälligkeit der Raten nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 7 EGBGB wird Art. 10 Abs. 2 Buchst. h der Verbraucherkreditrichtlinie umgesetzt (vgl. BT-Drucks. 16/11643, S. 127), der - ebenso wie Art. 5 Abs. 1 Satz 4 Buchst. h, Art. 6 Abs. 3 Buchst. a der Verbraucherkreditrichtlinie - von "Periodizität" spricht. Für die Erfüllung dieser Pflichtangabe ist nicht notwendig, dass im Kreditvertrag jeder Fälligkeitstag der vom Verbraucher zu leistenden Zahlungen durch Bezugnahme auf ein genaues Datum angegeben wird, sofern die Vertragsbedingungen es dem Verbraucher ermöglichen, ohne Schwierigkeiten und mit Sicherheit die Daten dieser Zahlungen zu erkennen (Senatsurteil vom - XI ZR 85/22, n.n.v. Rn. 31 mwN).

33b) Diesen Anforderungen ist vorliegend genügt. Mit der Auszahlung des Darlehens knüpft der Darlehensvertrag an einen objektiv feststellbaren Zeitpunkt an, von dem ausgehend die Fälligkeit sämtlicher Raten einfach kalendarisch bestimmt werden kann. Anders als die Revision meint, steht der Erfüllung der Pflichtangabe nicht entgegen, dass bei Vertragsschluss der Auszahlungszeitpunkt - da von der Erfüllung der Auszahlungsbedingungen durch den Kläger abhängig - noch nicht feststand und der Darlehensbetrag entsprechend der getroffenen Zweckbestimmung nicht an den Kläger auszuzahlen war. Denn die Beklagte hat sich im Darlehensvertrag ausdrücklich verpflichtet, den Kläger unmittelbar nach erfolgter Auszahlung mit gesondertem Schreiben über den Auszahlungszeitpunkt zu informieren und ist dem unstreitig nachgekommen. Damit haben die Bedingungen des Darlehensvertrags - zu denen diese Verpflichtung der Beklagten zählt - dem Kläger ermöglicht, ohne Schwierigkeiten und mit Sicherheit die Daten der Fälligkeit der einzelnen Raten zu erkennen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:171224UXIZR89.21.0

Fundstelle(n):
XAAAJ-83892