Instanzenzug: Az: S 12 KR 176/21 Urteilvorgehend Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Az: L 5 KR 179/22 Urteil
Tatbestand
1Streitig ist die Verjährung einer Forderung auf Zahlung der Aufwandspauschale.
2Der Kläger ist Träger eines nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhauses. Dieses behandelte 2016 eine Versicherte der beklagten Krankenkasse (KK) vollstationär und berechnete hierfür 3141,42 Euro. Die Beklagte beglich die Rechnung und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Prüfung des Behandlungsfalls. Im Ergebnis der Prüfung rechnete sie im September 2016 einen Teil des Rechnungsbetrages mit einer anderen unstreitigen Forderung des Klägers auf. Im nachfolgenden Klageverfahren gab die Beklagte im November 2020 ein Anerkenntnis ab, welches der Kläger annahm.
3Im Januar 2021 forderte der Kläger von der Beklagten die Zahlung einer Aufwandspauschale von 300 Euro. Die Beklagte verweigerte die Zahlung und erhob im Klageverfahren die Einrede der Verjährung. Das SG hat die Beklagte zur Zahlung der Aufwandspauschale nebst Zinsen verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das LSG zurückgewiesen. Der Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale sei erst mit Eingang des Anerkenntnisses beim SG entstanden. Erst zu diesem Zeitpunkt habe festgestanden, dass das maßgebliche Ereignis - Unterbleiben einer Minderung des Abrechnungsbetrages infolge der Abrechnungsprüfung - eingetreten sei. Ungeachtet der Frage, ob der Anspruch einer zweijährigen oder einer vierjährigen Verjährung unterliege, sei dieser bei Klageerhebung nicht verjährt gewesen (Urteil vom ).
4Die Beklagte rügt mit ihrer Revision eine Verletzung von § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V in der bis zum geltenden Fassung, alternativ § 275c Abs 1 Satz 2 SGB V in der ab geltenden Fassung. Der Anspruch auf die Aufwandspauschale entstehe im Sinne eines "gestreckten Tatbestandes" unter der auflösenden Bedingung des Unterbleibens einer Rechnungsminderung, sobald dem Leistungserbringer ein Aufwand durch die Prüfung mit Übersendung der Unterlagen an den MDK entstanden sei. Danach sei hier der Anspruch im Jahr 2016 entstanden und unter Anwendung der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm § 195 BGB Ende 2019 verjährt.
7Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Gründe
8Die Revision der Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Zu Recht hat das LSG die Berufung der Beklagten gegen das der Klage stattgebende SG-Urteil zurückgewiesen. Die (echte) Leistungsklage ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig (stRspr; vgl KR R - BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 9; - BSGE 133, 24 = SozR 4-2500 § 2 Nr 17, RdNr 7) und begründet.
9Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale iHv 300 Euro. Auf den Sachverhalt findet noch § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V Anwendung (dazu 1.). Dessen Voraussetzungen sind hier erfüllt (dazu 2.). Diesem Anspruch steht nicht die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung entgegen. Der Anspruch des Klägers ist erst mit Zugang des von der Beklagten abgegebenen Anerkenntnisses beim SG entstanden (dazu 3.) und nicht verjährt (dazu 4.).
101. Anspruchsgrundlage ist § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V (idF des Art 3 Nr 8a des Krankenhausfinanzierungsreformgesetzes - KHRG - vom , BGBl I 2009, 534), da der Prüfauftrag 2016 und damit vor der Änderung des SGB V mit Verlagerung der Anspruchsgrundlage nach § 275c Abs 1 Satz 2 SGB V (idF des Art 1 Nr 23 des MDK-Reformgesetzes vom , BGBl I 2789) erteilt und dem Krankenhaus der Klägerin übermittelt wurde (vgl zur Maßgeblichkeit des Zugangs des Prüfauftrags der KK beim Krankenhaus - BSGE 130, 299 = SozR 4-2500 § 275 Nr 32, RdNr 14). Danach hat die KK dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 300 Euro zu entrichten, falls die Prüfung unter Beauftragung des MDK nach Datenerhebung beim Krankenhaus nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt und dem Krankenhaus durch die erneute Befassung mit dem Abrechnungs- und Behandlungsfall zusätzlicher Aufwand entstanden ist (vgl - BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 17). Der Anspruch scheidet jedoch aus, wenn die KK durch eine nachweislich fehlerhafte Abrechnung des Krankenhauses zur Einleitung des Prüfverfahrens veranlasst wurde (vgl BSG, aaO, RdNr 18 ff; - juris RdNr 11; aA für die ab geltende Fassung des § 275 Abs 1c SGB V - juris RdNr 19 und SG Duisburg vom - S 17 KR 306/20 - juris RdNr 20 ff) oder das Krankenhaus gegenüber der KK bestehende Informationspflichten verletzt hat (vgl -SozR 4-2500 § 275c Nr 1 RdNr 12 ff).
112. Diese Anspruchsvoraussetzungen sind nach den Feststellungen des LSG erfüllt. Die Beklagte prüfte die Abrechnung des Krankenhauses des Klägers und beauftragte hierzu den MDK. Dieser erstellte nach Eingang der beim Krankenhaus angeforderten Unterlagen das Gutachten vom , auf dessen Grundlage die Beklagte eine Erstattungsforderung gegenüber dem Kläger geltend machte. Aufgrund des von der Beklagten im Verfahren S 3 KR 245/20 vor dem SG Koblenz abgegebenen Anerkenntnisses vom führte die Prüfung schlussendlich zu keiner Minderung des Abrechnungsbetrages. Eine den Anspruch auf die Aufwandspauschale ausschließende Veranlassung der Prüfung infolge fehlerhafter Abrechnung des Krankenhauses wurde von der Beklagten nicht geltend gemacht, vom LSG nicht festgestellt und ist auch nicht ersichtlich.
123. Der Anspruch des Klägers auf Zahlung der Aufwandspauschale ist mit dem Zugang des von der Beklagten abgegebenen Anerkenntnisses beim SG im November 2020 entstanden.
13Ein Anspruch entsteht, wenn die letzte von der Anspruchsgrundlage vorgegebene Anspruchsvoraussetzung erfüllt ist und rechtshindernde Einwendungen nicht vorliegen (vgl Rolfs in Hauck/Noftz, SGB I, 49. EL, § 40 RdNr 1; Groth in jurisPK-SGB I, 4. Aufl, § 40 RdNr 12). Dem Anspruch auf die Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V steht hier nicht der Eintritt einer Abrechnungsminderung entgegen (siehe 2.). Der Nichteintritt einer Abrechnungsminderung ist keine auflösende Bedingung eines bereits mit der Einleitung der Prüfung entstandenen Anspruchs (dazu a). Er ist ein negatives Tatbestandsmerkmal (dazu b). Die Feststellung des Zeitpunktes, wann dieses negative Tatbestandsmerkmal eingetreten ist, bestimmt sich nach einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Maßgeblich ist danach, dass das Krankenhaus den für die Behandlung gegenüber der KK abgerechneten Betrag erhält bzw behält, den es mit der Abrechnung gegenüber der KK geltend gemacht hat, und eine Abrechnungsminderung jedenfalls gegen den Willen des Krankenhauses - und in diesem Sinne faktisch - ausgeschlossen ist (dazu c). Danach ist der Anspruch des Klägers auf die hier streitige Aufwandspauschale mit dem Zugang des Anerkenntnisses beim SG spätestens am entstanden (dazu d).
14a) Der Eintritt einer Abrechnungsminderung ist keine auflösende Bedingung, die zum Wegfall des bereits begründeten Anspruchs auf Zahlung der Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V führt (so aber - juris RdNr 25). Bei Vereinbarung einer auflösenden Bedingung endet die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts ex tunc mit Eintritt der Bedingung (§ 158 Abs 2 BGB). Diese Möglichkeit privatautonom vereinbarter Durchbrechung der regelhaften Gleichzeitigkeit von Rechtsgeschäft und Rechtsentstehung (vgl Armbrüster in Erman, BGB, 17. Aufl 2023, Vor § 158 RdNr 1) ist zu unterscheiden von den Voraussetzungen eines gesetzlich (und nicht rechtsgeschäftlich) begründeten Anspruchs, die möglicherweise versetzt über einen längeren Zeitraum eintreten. Der als Rechtsbedingung bezeichnete (so LSG Berlin-Brandenburg aaO) Nichteintritt einer Abrechnungsminderung umschreibt schlicht eine (negative) tatbestandliche Voraussetzung des Anspruchs auf Zahlung der Aufwandspauschale.
15Ein anderes Verständnis der Norm ist auch nicht der Entscheidung des Senats vom (B 1 KR 15/19 R - BSGE 130, 299 = SozR 4-2500 § 275 Nr 32) zu entnehmen. Danach wird mit der Anzeige der Einleitung eines Prüfverfahrens beim Krankenhaus im Rahmen eines gestreckten Tatbestandes der Rechtsboden für die Entstehung des Anspruchs auf Zahlung einer Aufwandspauschale gelegt (aaO, RdNr 14). Mit der Bezeichnung des gestreckten Tatbestandes wird lediglich verdeutlicht, dass die Voraussetzungen für den Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale zeitlich versetzt eintreten, wobei zwischen der Einleitung des Prüfverfahrens als erste Voraussetzung und der Nichtminderung des Abrechnungsbetrages als letzte Voraussetzung ein längerer Zeitraum liegen kann.
16b) Der Nichteintritt der Abrechnungsminderung als solcher ist - soweit es nicht um die anspruchshindernde Einwendung geht, das Krankenhaus habe die Einleitung des Prüfverfahrens durch eine nachweislich fehlerhafte Abrechnung veranlasst - anhand einer wirtschaftlichen und nicht an einer an der Rechtmäßigkeit der Abrechnung orientierten rechtlichen Betrachtungsweise festzustellen. Dies ergibt sich sowohl aus dem Wortlaut des § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V (dazu aa) als auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte (dazu bb). Auf die Richtigkeit der Abrechnung kommt es insofern nicht an (dazu cc).
17aa) Anspruchsvoraussetzung nach § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V ist, dass die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt (vgl zur Minderung des Abrechnungsbetrages - juris RdNr 10). Ein durch die Prüfung beim Krankenhaus verursachter Aufwand allein begründet nach dem Wortlaut der Norm den Anspruch noch nicht. Nur ein nutzloser, weil nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führender, durch die Prüfung ausgelöster Aufwand soll mit der Aufwandspauschale abgegolten werden. Denn nach dem Wortlaut kommt es auf das betragsmäßige Ergebnis der Prüfung an. Mit dem Verb "führt" ist ein tatsächliches Geschehen und nicht eine rechtliche Bewertung der Abrechnung angesprochen. Die Nichtminderung des Abrechnungsbetrages muss dabei dauerhaft eingetreten sein. Nur dann hat die Prüfung letztlich zu keiner Minderung geführt. Der Vorschrift ist hingegen nicht zu entnehmen, dass es anstelle der ökonomisch wirksamen Minderung schon genügen soll, dass das Krankenhaus bei objektiver Betrachtung der materiell-rechtlichen Rechtslage einen geringeren als den abgerechneten und von der KK beglichenen Vergütungsanspruch hat. Nicht entscheidend ist danach der dem Krankenhaus bei rechtlicher Betrachtung zustehende niedrigere Rechnungsbetrag, unabhängig von der erfolgreichen Geltendmachung eines etwaigen Differenzbetrages durch die KK. Wäre dies beabsichtigt gewesen, wäre eine Formulierung in dem Sinne zu erwarten gewesen, dass Anspruch auf die Aufwandspauschale besteht, wenn dem Krankenhaus ein geringerer Betrag als abgerechnet zusteht. Maßgeblich ist vielmehr, dass die vom Krankenhaus abgerechnete und von der KK gezahlte Vergütung im Vermögen des Krankenhauses tatsächlich verbleibt bzw bei vorenthaltener Zahlung noch diesem zufließt.
18bb) Auch der aus den Gesetzgebungsmaterialien ersichtliche Zweck der Norm legt die Maßgeblichkeit des wirtschaftlichen Ergebnisses der Prüfung nahe. Die KKn sollten mit der Einführung der Aufwandspauschale von der Einleitung massenhafter und sachwidriger Prüfungen abgehalten werden (BT-Drucks 16/3100 S 171 zu Nummer 185, Buchst a). Die Sachwidrigkeit der Prüfung sollte nicht im Einzelfall festzustellen sein, sondern wurde durch den objektiv festzustellenden Erfolg der Prüfung in Gestalt der Minderung des Abrechnungsbetrages ersetzt (vgl - juris RdNr 10). Der Aufwandspauschale kommt zwar kein Sanktions- oder Strafcharakter zu (vgl - BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 16; - BSGE 111, 58 = SozR 4-2500 § 109 Nr 24, RdNr 22). Sie wirkt aber insoweit präventiv, als sich die KK mit jeder Prüfung dem Risiko des Anfalls einer Aufwandspauschale aussetzt. Dieses Risiko verwirklicht sich, wenn eine Minderung des Abrechnungsbetrages nicht eintritt, also die abgerechnete und gezahlte Vergütung im Vermögen des Krankenhauses dauerhaft verbleibt oder die KK den noch offenen Rechnungsbetrag dauerhaft begleichen muss und die Prüfung damit nach der gesetzgeberischen Vorstellung sachwidrig war.
19Der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drucks 16/3100 S 171 zu Nummer 185, Buchst a) ist weiter zu entnehmen, dass Streitigkeiten über die Richtigkeit oder Fehlerhaftigkeit einer Kodierung und damit der Abrechnung im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung über das Bestehen eines Anspruchs auf die Aufwandspauschale nicht gewollt waren (vgl - BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3, RdNr 26). Die inzidente Prüfung des zutreffenden Abrechnungsbetrages im Streit über den Anspruch auf eine Aufwandspauschale ist nur vermeidbar, wenn maßgebend für diesen Anspruch allein die tatsächliche Abrechnungsminderung - ggf nach dem Ergebnis einer gerichtlichen Überprüfung - ist, nicht aber die rechtliche Beurteilung der Abrechnung unabhängig vom wirtschaftlichen Ergebnis der Prüfung.
20cc) Ob und in welcher Höhe das Krankenhaus einen Anspruch auf die Vergütung für die Behandlung eines Versicherten der KK hat, ist rechtlich determiniert und unterliegt nicht der Verfügungsbefugnis von KK und Krankenhaus. Rechtsgrundlage des vom Krankenhaus wegen der stationären Behandlung eines Versicherten geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V iVm § 17b KHG und § 7 KHEntgG, der durch § 9 Abs 1 KHEntgG iVm der für den jeweiligen Behandlungsfall gültigen Fallpauschalenvereinbarung (hier FPV 2016) konkretisiert wird (vgl - SozR 4-5562 § 9 Nr 10 RdNr 10 mwN). Die Höhe des Vergütungsanspruchs ergibt sich nach Abschluss der Behandlung rechtsverbindlich aus der Eingabe und Verarbeitung von Daten in einem automatischen Datenverarbeitungssystem, das auf einem zertifizierten Programm (Grouper) basiert (vgl § 1 Abs 6 Satz 1 FPV 2016; vgl für die stRspr zum rechtlichen Rahmen der Klassifikationssysteme und des Groupierungsvorgangs: - SozR 4-5562 § 9 Nr 10 RdNr 13 und 17 mwN; zur Anwendbarkeit des im Zeitpunkt der Aufnahme geltenden Fallpauschalen-Katalogs und der dazu gehörenden Abrechnungsregeln vgl § 15 Abs 1 Satz 1 KHEntgG und § 1 Abs 1 Satz 1 FPV 2016).
21Auch wenn die Abrechnung des Krankenhauses unter Anwendung dieses Regelungsgefüges objektiv überhöht ist, kann es gleichwohl zu der Situation kommen, dass eine Abrechnungsminderung trotz Prüfung nicht eintritt, weil entweder MDK, KK oder Gerichte über einzelne Voraussetzungen oder die Höhe des Vergütungsanspruchs irren oder die KK aus anderen Gründen keine Minderung der Abrechnung verlangt. Auch in einem solchen Fall ist das Krankenhaus mit Aufwand für eine Prüfung belastet, deren Ergebnis nicht zu einer Abrechnungsminderung führt.
22c) Erst mit dem faktischen Ausschluss einer Abrechnungsminderung ist die von § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V geforderte negative Anspruchsvoraussetzung erfüllt. Ein solcher faktischer Ausschluss der Abrechnungsminderung liegt vor, wenn ein bestehender oder auch nur behaupteter Erstattungsanspruch der KK nicht mehr gegen den Willen des Krankenhauses durchgesetzt werden kann bzw die KK bei unvollständiger Begleichung der Rechnung nicht länger sich darauf berufen kann, der Anspruch sei insoweit nicht entstanden, und deswegen tatsächlich gezahlt hat.
23Die im Wortlaut des § 275 Abs 1c Satz 3 SGB V angelegte und durch die Gesetzgebungsmaterialien bestätigte wirtschaftliche Betrachtungsweise (dazu oben RdNr 18 f) wirkt sich auch auf den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs aus. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass die nach dem Wortlaut vorgesehene tatsächliche Minderung des Abrechnungsbetrages nur an einem regelhaften Verlauf gemessen werden kann. Danach werden Krankenhäuser nur diejenigen Erstattungsforderungen gegen sich gelten lassen, die im dafür vorgesehenen Verfahren und innerhalb der geltenden Fristen von den KKn geltend gemacht und ggf gerichtlich bestätigt worden sind. Unter dieser Annahme entsteht der Anspruch auf die Aufwandspauschale insbesondere, sobald die KK dem Krankenhaus zum Abschluss des Prüfverfahrens die Richtigkeit der Abrechnung bestätigt (dazu aa), das Krankenhaus einer etwaigen Erstattungsforderung der KK die Einrede der Verjährung entgegensetzen kann (dazu bb) oder die KK in einem gerichtlichen Verfahren über die Höhe der abgerechneten Vergütung die Richtigkeit der Abrechnung anerkennt bzw die Richtigkeit der Abrechnung gerichtlich bestätigt wird (dazu cc). Dies korrespondiert spiegelbildlich mit dem Fall, dass das Krankenhaus seinen Vergütungsanspruch nicht mehr gegen den Willen der KK durchsetzen kann (dazu dd). Soweit der Senat im Urteil vom (B 1 KR 24/14 R - juris RdNr 13 ff) im Zusammenhang mit der Verzinsung von einer früheren Anspruchsentstehung ausgegangen ist, hält er daran nicht fest.
24aa) Ab dem Inkrafttreten der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) 2014 für Krankenhausbehandlungen, bei denen die Aufnahme ab erfolgt, ist eine abschließende Entscheidung der KK zur Wirtschaftlichkeit der Leistung oder zur Korrektur der Abrechnung (für letztere wirksam ab ; vgl - SozR 4-2500 § 301 Nr 8; - BSGE 130, 299 = SozR 4-2500 § 275 Nr 32, RdNr 10 ff) vorgesehen (§ 8 Satz 1 PrüfvV 2014, ebenso PrüfvV 2016 und PrüfvV 2021). Mit dieser Mitteilung ist das Prüfverfahren abgeschlossen. Bestätigt die KK die Abrechnung des Krankenhauses, ist sie mit weiteren Einwendungen gegen die Vergütungsforderung des Krankenhauses und damit auch mit einer Minderung der Abrechnung ausgeschlossen (vgl - BSGE 133, 126 = SozR 4-2500 § 275 Nr 36, RdNr 26).
25bb) Für Krankenhausbehandlungen, bei denen die Aufnahme bis erfolgte, galten keine Regelungen über den Abschluss des Prüfverfahrens. § 275 Abs 1c Satz 2 SGB V aF sah lediglich vor, dass die Prüfung spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der KK einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen war. Im Übrigen war die Prüfung zeitnah durchzuführen (§ 275 Abs 1c Satz 1 SGB V aF). Nach fristgerechter Einleitung des Prüfverfahrens griff allein die vierjährige Verjährungsfrist als Zeitgrenze für die Geltendmachung eines aus der Minderung der Abrechnung resultierenden Erstattungsanspruchs (vgl - BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8 RdNr 36). Das Krankenhaus musste - sofern die KK den Abschluss des Prüfverfahrens nicht verbindlich mitgeteilt hatte - bis zum Ablauf der Verjährungsfrist damit rechnen, dass die Abrechnung beanstandet und ein Erstattungsanspruch geltend gemacht wird. Erst mit Ablauf der Verjährungsfrist, die in Anlehnung an die allgemeine sozialrechtliche Verjährungsfrist des § 45 SGB I vier Jahre betrug (vgl - BSGE 98, 142 = SozR 4-2500 § 276 Nr 1, RdNr 25; ab gilt nach § 109 Abs 5 Satz 1 SGB V eine zweijährige Verjährungsfrist), konnte das Krankenhaus einem gleichwohl geltend gemachten Erstattungsanspruch die Einrede der Verjährung entgegenhalten (so auch - Revision anhängig gewesen unter B 1 KR 19/24 R, erledigt durch Rücknahme). Auch wenn ein solcher Erstattungsanspruch weiterhin bestand, war dessen Durchsetzung gegen den Willen des Krankenhauses faktisch ausgeschlossen. Die Aufrechnung des verjährten Erstattungsanspruchs mit einer Forderung des Krankenhauses ist nur unter den engen Voraussetzungen des § 215 BGB denkbar. Auch wenn es dem Krankenhaus letztlich freisteht, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten (zB im Rahmen eines Gesamtvergleichs), ist mit Ablauf der Verjährungsfrist die Erstattungsforderung der KK wirtschaftlich wertlos und der Eintritt einer Minderung der Abrechnung faktisch ausgeschlossen. Ob die Aufrechnung der bis zum entstandenen und nicht bis zum gerichtlich geltend gemachten Erstattungsansprüche darüber hinaus dem Ausschluss nach § 409 SGB V unterliegt (idF des Art 1 Nr 36 Patientendaten-Schutz-Gesetz - PDSG - vom , BGBl I 2115, in Kraft ab , bis § 325 SGB V), bedarf auch hier keiner Entscheidung (vgl B1 KR 32/22 R - SozR 4-2500 § 109 Nr 91 RdNr 25).
26cc) Bestand in einem gerichtlichen Verfahren Streit über die Höhe der dem Krankenhaus zustehenden Vergütung für den geprüften Behandlungsfall, entsteht der Anspruch auf die Aufwandspauschale mit dem Ende des gerichtlichen Verfahrens zugunsten des Krankenhauses.
27Erkennt die KK die vom Krankenhaus für den geprüften Behandlungsfall geltend gemachte Vergütungsforderung ausdrücklich oder im Falle der Aufrechnung der Erstattungsforderung mit einer anderer Forderung des Krankenhauses implizit an, steht fest, dass eine Minderung der Abrechnung nicht eingetreten ist. An das gegenüber dem Gericht abgegebene Anerkenntnis ist die KK auch ohne die Annahme durch das Krankenhaus gebunden (vgl - SozR 4-1500 § 101 Nr 1 RdNr 21; - BSGE 119, 293 = SozR 4-1500 § 101 Nr 2, RdNr 12), sodass eine erneute Minderung der Abrechnung aufgrund der durchgeführten Prüfung ausgeschlossen ist.
28Endet das Verfahren durch eine gerichtliche Entscheidung, besteht Gewissheit über den Nichteintritt der Abrechnungsminderung mit der Rechtskraft des Urteils, mit der die KK zur Zahlung der vom Krankenhaus geforderten Vergütung verurteilt wird oder ihre Klage auf Erstattung zu viel gezahlter Vergütung abgewiesen wird. Denn damit steht dem Krankenhaus für die streitige Behandlung die abgerechnete Vergütung in voller Höhe zu, sodass im Aufrechnungsfall der Vergütungsanspruch für eine andere Behandlung durch die Aufrechnung mit einem vermeintlichen Erstattungsanspruch der KK nicht erloschen ist, das Krankenhaus einen durchsetzbaren Anspruch auf die noch ausstehende Vergütung gegenüber der KK hat oder die bereits erhaltene Vergütung nicht erstatten muss.
29dd) Damit im Einklang steht die Aussage des Senats zur Verneinung einer Aufwandspauschale, dass nicht die Beurteilung der zutreffenden Kodierung und Abrechnung durch den prüfenden MDK oder die KK ausschlaggebend ist, sondern die - ggf nach gerichtlicher Überprüfung der Leistungsentscheidung der KK - objektiv feststellbare Minderung der Abrechnung ( - juris RdNr 10). Die Abrechnungsprüfung muss lediglich eine der Bedingungen dafür sein, dass letztlich die KK einen zunächst nicht beglichenen Teil der Abrechnung auch weiterhin nicht bezahlen muss oder berechtigt ist, eine Erstattungsforderung geltend zu machen (vgl - BSGE 116, 165 = SozR 4-2500 § 301 Nr 4, RdNr 27). Es genügt, dass von der KK ein Prüfverfahren eingeleitet wird, wodurch dem Krankenhaus ein Aufwand in Gestalt einer Datenerhebung entsteht und am Ende einer sich anschließenden außergerichtlichen oder nachfolgenden gerichtlichen Prüfung eine dauerhafte Minderung des Abrechnungsbetrages eintritt, ohne dass diese kausal auf der Datenerhebung beruhen muss. Darüber hinaus kommt es für den Ausschluss der Aufwandspauschale nicht darauf an, ob das Krankenhaus eine dem materiellen Recht entsprechende Abrechnung vorgenommen hat, sondern allein darauf, dass es seinen Vergütungsanspruch ganz oder teilweise gegen den Willen der KK nicht mehr durchsetzen kann, zB nach rechtskräftigem, aber in der Sache unzutreffendem Urteil über die Wirksamkeit der Aufrechnung oder den Erstattungsanspruch. So korrespondieren Nichtdurchsetzbarkeit des Vergütungsanspruchs und Nichtdurchsetzbarkeit der Vergütungsminderung insoweit, als es nicht auf die materiell-rechtliche Rechtslage ankommt, sondern darauf, ob die jeweilige Rechtsposition des einen nicht länger gegen den Willen des anderen durchsetzbar ist.
30d) Die Beklagte hat nach den unangegriffenen und den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) am ein Anerkenntnis abgegeben. In dem dortigen Verfahren ging es um die Vergütung des Klägers für einen anderen, unstreitigen Behandlungsfall, mit welcher die Beklagte ihre (vermeintliche) Erstattungsforderung aufgerechnet hat. Das Anerkenntnis betrifft vordergründig nur den Vergütungsanspruch aus der unstreitigen Behandlung. Es beinhaltet aber auch die Bestätigung, dass der Beklagten kein Erstattungsanspruch in Bezug auf den streitigen Behandlungsfall zustand. Denn mangels einer Erstattungsforderung ist der Vergütungsanspruch für die unstreitige Behandlung nicht durch Aufrechnung erloschen. Den Feststellungen des LSG ist nicht zu entnehmen, zu welchem Zeitpunkt die Erklärung des Anerkenntnisses beim Gericht eingegangen ist. Nachdem der Kläger das Anerkenntnis am angenommen hat, ist von einem Eingang des Anerkenntnisses bei Gericht zwischen dem und dem auszugehen. Der Anspruch auf die Aufwandspauschale ist damit spätestens am entstanden.
314. Die Beklagte erhebt zu Unrecht die Einrede der Verjährung. Die hier maßgebende Verjährungsfrist von zwei Jahren in analoger Anwendung des § 109 Abs 5 Satz 1 SGB V (dazu a) war bei Erhebung der Klage am noch nicht abgelaufen (dazu b).
32a) Die Verjährung von Ansprüchen auf die Zahlung einer Aufwandspauschale, die ab dem entstanden sind, richtet sich nach § 109 Abs 5 Satz 1 SGB V (in der ab geltenden Fassung des Art 7 Nr 8a Pflegepersonal-Stärkungsgesetz - PpSG - vom , BGBl I 2394) analog ( - juris RdNr 39 f, 43).
33b) Der Anspruch des Klägers auf die Aufwandspauschale ist im November 2020 entstanden. Die zweijährige Verjährungsfrist begann mit Ablauf des Jahres 2020 am und endete am (§ 26 Abs 1 SGB X iVm § 187 Abs 1, § 188 Abs 2 BGB). Der Kläger hat innerhalb dieser Frist am Klage auf Zahlung der Aufwandspauschale erhoben.
345. Zutreffend hat das LSG entschieden, dass dem Krankenhaus Rechtshängigkeitszinsen nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm § 291 Satz 1 Halbsatz 1, Satz 2, § 288 Abs 1 Satz 2 BGB in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit nach Klageerhebung am zustehen (vgl - BSGE 128, 65 = SozR 4-2500 § 129a Nr 2 RdNr 39). Eine abweichende Vereinbarung zur Verzinsung hat das LSG nicht festgestellt.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2024:280824UB1KR2323R0
Fundstelle(n):
YAAAJ-82457