Instanzenzug: LG Marburg Az: 12 KLs 1/24
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall II.1. der Urteilsgründe) sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit „Handeltreiben mit einem neuen psychoaktiven Stoff (Ketamin)“ und „jeweils mit Besitz von Munition, einer Schusswaffe, eines Springmessers, eines Schlagrings und eines Gürtelschnallenmessers“ (Fall II.2. der Urteilsgründe) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die hiergegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts und – insoweit unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) – auf eine nicht ausgeführte Verfahrensrüge gestützte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.
21. Nach den Feststellungen verkaufte der Angeklagte in der Zeit von Dezember 2021 bis März 2022 an mindestens sieben Tagen jeweils 15 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von jeweils 4,5 Gramm Kokainhydrochlorid und 100 Gramm Marihuana oder Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von jeweils 2,5 Gramm THC an P. . Die Bezahlung sollte auf Kommission oder in Raten erfolgen (Fall II.1. der Urteilsgründe) und gelang bis zur Festnahme des Angeklagten nur in Höhe eines Teils des insgesamt aufgelaufenen Betrages.
3Bei einer Durchsuchung seiner Wohnung am bewahrte der Angeklagte in verschiedenen Wohnräumen und seinem Keller über 8 kg Marihuana und Haschisch mit einem Gesamtwirkstoffgehalt von 686,3 Gramm THC sowie 14,78 Gramm Kokain mit einem Wirkstoffgehalt von 14,1 Gramm Kokainhydrochlorid, 260 Ecstasy-Tabletten mit einem Wirkstoffgehalt von 51,1 Gramm MDMA-Hydrochlorid (entsprechend 43,0 Gramm MDMA-Base), 47,41 Gramm Amphetamin mit einem Wirkstoffgehalt von 2 Gramm Amphetamin-Base und Ketamin mit einem Wirkstoffgehalt von 375,68 Gramm Ketamin-Hydrochlorid auf. Alle Drogen waren von ihm zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt. In den verschiedenen Räumen verwahrte er zudem zugriffsbereit eine halbautomatische Pistole der Marke Browning, Kaliber 9 mm, ein Springmesser, einen Schlagring, ein Gürtelschnallenmesser und Pistolen- und Gewehrmunition (Fall II.2. der Urteilsgründe).
42. Die rechtliche Einordnung der Taten bedarf der Anpassung an die nach Urteilsverkündung veränderte Rechtslage. Der Senat hat zudem den Tenor des im Fall II.2. der Urteilsgründe mitverwirklichten Waffendelikts klarstellend neu gefasst.
5a) Im Fall II.1. der Urteilsgründe hat der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO das zum in Kraft getretene Konsumcannabisgesetz zu berücksichtigen, das im konkreten Fall das mildere Gesetz ist. Das Landgericht hat – nur auf der Grundlage einer prozentualen Zusammenrechnung der Wirkstoffmengen des jeweils gehandelten Kokains und Cannabis nach dem Betäubungsmittelgesetz rechtsfehlerfrei (vgl. , Rn. 6) – die Strafe dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG (Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr) entnommen. Da eine Ergänzung der Wirkstoffmengen aufgrund einer prozentualen Zusammenrechnung nach neuem Recht im Fall des Zusammentreffens eines Betäubungsmittels mit Cannabis nicht mehr in Betracht kommt, die Wirkstoffmengen des Kokains aus den einzelnen in Tateinheit stehenden Fällen des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln indessen entgegen der Annahme des Landgerichts ebenfalls nicht zusammengerechnet werden können (vgl. Maier, in: Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 29a Rn. 175 mwN), ist für die Strafzumessung betreffend das Handeltreiben mit Kokain im Grundsatz nur noch der Strafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG (Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe) eröffnet. Unabhängig davon, ob unter der Geltung des Konsumcannabisgesetzes gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB die Strafe im Fall II.1. dem Strafrahmen des § 34 Abs. 3 Satz 1 KCanG (Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren) zu entnehmen ist (vgl. , Rn. 5) oder für die Strafzumessung der Strafrahmen des § 29 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 BtMG Relevanz gewinnt (vgl. , Rn. 27), ist die Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis für den Angeklagten günstiger. Auch im zweiten Fall lassen die Herausnahme des tatgegenständlichen Cannabis aus der Strafbarkeit nach dem Betäubungsmittelgesetz und dessen gesonderte Erfassung durch eine tateinheitliche Verurteilung wegen Handeltreibens mit Cannabis aufgrund des geringeren Schuldgehalts von Taten nach dem Konsumcannabisgesetz Raum für eine mildere Bestrafung (vgl. , Rn. 11). Wie schon die Strafkammer sieht der Senat davon ab, die gleichartige Tateinheit im Tenor kenntlich zu machen (vgl. , NStZ 2024, 673, 675 Rn. 16 mwN).
6b) In Fall II.2. der Urteilsgründe, in dem die nach der Gesetzesänderung weiterhin dem Regime des Betäubungsmittelgesetzes unterfallenden Betäubungsmittel auch ohne Addition der auf das Cannabis entfallenden Wirkstoffmenge den Grenzwert der nicht geringen Menge übersteigen, hat die Strafkammer die Strafe dem weiterhin maßgeblichen Strafrahmen des § 30a Abs. 1 BtMG (Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren) entnommen. Verbleibt es auch nach neuem Recht gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB dabei, weil die Strafdrohung des tateinheitlich mitverwirklichten bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 4 KCanG in jedem Fall milder ist, lassen die Herausnahme des tatgegenständlichen Cannabis aus der Strafbarkeit nach dem Betäubungsmittelgesetz und dessen gesonderte Erfassung durch eine tateinheitliche Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis aufgrund des geringeren Schuldgehalts von Taten nach dem Konsumcannabisgesetz gleichwohl auch hier Raum für eine mildere Bestrafung. Bei Anwendung des § 30a Abs. 3 BtMG folgte die Strafe – ebenfalls jeweils milder – je nach dem Ergebnis der Prüfung des § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB entweder aus diesem Strafrahmen oder dem des § 34 Abs. 4 KCanG.
7c) Der Senat ändert den Schuldspruch in beiden Fällen der Urteilsgründe entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ab. Zugleich präzisiert er den den Verstoß gegen das Waffengesetz betreffenden Schuldspruch, weil es zur Kennzeichnung des begangenen Unrechts in Abgrenzung zu einer Straftat nach § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a) WaffG der konkreten rechtlichen Bezeichnung der Tat bedarf (§ 260 Abs. 4 Satz 1 StPO; , Rn. 8). § 265 Abs. 1 StPO steht der Änderung des Schuldspruchs nicht entgegen, da der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
83. Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Im Fall II.1. der Urteilsgründe ist die Strafe nunmehr entweder einem milderen Strafgesetz zu entnehmen oder bei einer Bestrafung nach § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG jedenfalls der Schuldgehalt der Tat geringer. Im Fall II.2. der Urteilsgründe, in dem die Tat sich überwiegend auf Cannabis bezog, kann der Senat ungeachtet der strafmildernden Bewertung von Cannabis als weiche Droge durch die Strafkammer und der Berücksichtigung des Umstands, dass eine Gesetzesänderung bevorstand, nicht ausschließen, dass das Landgericht bei Anwendung des neuen Rechts aus dem Strafrahmen des § 30a Abs. 1 BtMG eine mildere Strafe verhängt oder die Strafe je nach dem Ergebnis seiner Prüfung des § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB dem § 30a Abs. 3 BtMG oder dem § 34 Abs. 4 KCanG entnommen hätte. Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich.
94. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben, da sie von dem Aufhebungsgrund nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Gleiches gilt für die für sich rechtsfehlerfreie Einziehungsentscheidung.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:211124B2STR318.24.1
Fundstelle(n):
KAAAJ-82398