Nichtannahmebeschluss: Ungerechtfertigte Versagung des Zugangs zum Anhörungsrügeverfahren als eigenständige Gehörsverletzung - Statthaftigkeit einer weiteren Anhörungsrüge nach erneuter Sachentscheidung - hier: Mangels substantiierter Begründung unzulässige Verfassungsbeschwerde in einer Zivilsache
Gesetze: Art 103 Abs 1 GG, § 23 Abs 1 S 2 BVerfGG, § 92 BVerfGG, § 321a Abs 5 S 1 ZPO, § 321a Abs 5 S 2 ZPO, § 321a Abs 5 S 3 ZPO, § 343 S 1 ZPO, § 321a Abs 1 S 1 ZPO, § 321a Abs 1 S 2 ZPO
Instanzenzug: AG Eschweiler Az: 25 C 19/22 Beschlussvorgehend AG Eschweiler Az: 25 C 19/22 Urteil
Gründe
I.
1 Die Verfassungsbeschwerde betrifft ein amtsgerichtliches Urteil, das ein vorangegangenes Urteil, mit dem der Beschwerdeführer zur Zahlung von Entgelten für die Belieferung mit Gas verurteilt wurde, nach vorangegangener erfolgreicher Anhörungsrüge aufrechterhält, sowie die Verwerfung der gegen das angegriffene Urteil gerichteten weiteren Anhörungsrüge als unzulässig.
II.
2 Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen. Ihr kommt keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung im Sinne des § 93a Abs. 2 lit. a) BVerfGG zu. Ihre Annahme ist auch nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§ 93a Abs. 2 lit. b) BVerfGG), weil die Verfassungsbeschwerde unzulässig ist (vgl. BVerfGE 90, 22 <25 f.>).
3 Zwar liegt auf der Hand, dass der über die Ablehnung der Gehörsrüge des Beschwerdeführers diesen in seinem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz und auf rechtliches Gehör verletzt (1). Die Verfassungsbeschwerde legt aber nicht in einer den Begründungsanforderungen nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügenden Weise dar, dass die Verwerfung der Anhörungsrüge als unzulässig auf einer Verletzung des Rechts aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip auf effektiven Rechtsschutz (Art. 20 Abs. 3 GG) und einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG beruhen kann (2). Ebenso wenig wird ausreichend dargelegt, dass das angegriffene Urteil auf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beruhen kann (3).
4 1. Das Amtsgericht hat die Zulässigkeit der Anhörungsrüge offensichtlich unvertretbar verneint und dadurch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG und Art. 103 Abs. 1 GG verletzt; es kann daher insoweit auf die aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG folgenden Anforderungen an die Begründung einer Verfassungsbeschwerde verzichtet werden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 326/22 -, Rn. 11; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1555/23 -, Rn. 6).
5 Die Entscheidung über eine Anhörungsrüge kann eine eigenständige verfassungsrechtlich erhebliche Beschwer bewirken (vgl. BVerfGE 119, 292 <295>). Eine solche Beschwer liegt jedenfalls dann vor, wenn die verfassungsrechtliche Rüge sich nicht auf die inhaltliche Überprüfung des Gehörsverstoßes richtet, der bereits Gegenstand der Anhörungsrüge selbst gewesen ist, sondern den Zugang zum Anhörungsrügeverfahren betrifft (vgl. BVerfGK 10, 397 <401>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 2327/07 -, Rn. 17). Wenn der Beschluss über die Anhörungsrüge dazu führt, dass bereits der Zugang zu dem Anhörungsrügeverfahren mit nicht tragfähiger Begründung versagt wird – zum Beispiel durch Ablehnung der Statthaftigkeit –, dieses Ergebnis bindend für den weiteren Prozess ist und eine andere fachgerichtliche Möglichkeit, die Korrektur des gerügten Gehörsverstoßes zu erreichen, nicht mehr besteht, so liegt in dem Beschluss über die Anhörungsrüge eine eigenständige Beschwer (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 653/20 -, Rn. 28).
6 Ausgehend hiervon liegt in der fachgerichtlich nicht mehr korrigierbaren Verwerfung der Anhörungsrüge als unzulässig ersichtlich eine eigenständige verfassungsrechtliche Beschwer. Das Amtsgericht hat angenommen, die form- und fristgerecht eingelegte Anhörungsrüge sei gemäß § 321a Abs. 4 Satz 4 ZPO unzulässig, da sie lediglich eine sekundäre Gehörsverletzung erhebe, um die es sich handele, wenn gerügt werde, dass die angegriffene Entscheidung über ein Rechtsmittel zu Unrecht eine Gehörsverletzung in der Vorinstanz verneint habe. Eine Gehörsverletzung im Rahmen einer Entscheidung über eine Anhörungsrüge könne nicht mit einer weiteren Gehörsrüge nach § 321a ZPO geltend gemacht werden. Dies ist nicht nachvollziehbar. Der Beschwerdeführer hat mit seiner Anhörungsrüge ersichtlich nicht – was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unzulässig wäre (vgl. -, Rn. 4 m.w.N.; hierzu BVerfGK 13, 496 <498 ff.>) – geltend gemacht, dass eine Vorinstanz einen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt habe. Die Anhörungsrüge war auch ersichtlich nicht – was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ebenfalls unzulässig wäre (vgl. -, Rn. 2; Beschluss vom - VI ZR 354/19 -; hierzu BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 597/11 -, Rn. 5) – gegen eine Verwerfung oder Zurückweisung einer vorangegangenen Anhörungsrüge gerichtet. Das Amtsgericht hat die vorangegangene Anhörungsrüge weder verworfen noch zurückgewiesen, sondern das Verfahren nach § 321a Abs. 5 Sätze 1 und 2 ZPO fortgeführt und das ursprüngliche Urteil gemäß § 321a Abs. 5 Satz 3 ZPO in Verbindung mit § 343 Satz 1 ZPO erst nach erneuter Entscheidung in der Sache aufrechterhalten. Diese neue Sachentscheidung konnte hier mit einer weiteren Anhörungsrüge angegriffen werden (vgl. zur Statthaftigkeit einer solchen Anhörungsrüge nach erneuter Sachentscheidung VerfGH Rheinland-Pfalz, VGH B 18/17 -, juris, Rn. 21; Musielak, in: Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 321a Rn. 17; Bacher, in: BeckOK ZPO, § 321a Rn. 72a (September 2024); Jooß, NJW 2016, S. 1210 <1211>).
7 2. Die Verfassungsbeschwerde legt jedoch nicht ausreichend dar, dass die Erfolglosigkeit der Anhörungsrüge auf dieser Verfassungsrechtsverletzung beruhen kann.
8 Die gerügte Verfassungsrechtsverletzung führt nur dann zu einem Erfolg der Verfassungsbeschwerde, wenn die angegriffene gerichtliche Entscheidung – was die Verfassungsbeschwerde darzulegen hat (vgl. BVerfGE 105, 252 <264>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 683/12 -, Rn. 15) – hierauf beruht (vgl. BVerfGE 112, 185 <206>; BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1997/18 -, Rn. 20 m.w.N.). Dies ist der Fall, wenn nicht auszuschließen ist, dass das Fachgericht bei einer Prüfung der Begründetheit der Anhörungsrüge zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gekommen wäre (vgl. BVerfGK 10, 397 <401>). Die Erfolglosigkeit der Anhörungsrüge beruht nicht auf der Verfassungsrechtsverletzung, wenn auch bei zutreffender Bewertung der Zulässigkeit der Anhörungsrüge das Verfahren nicht wegen einer Gehörsverletzung im vorangegangenen Verfahren nach § 321a Abs. 5 ZPO fortzuführen gewesen wäre. Hier wäre es reine Förmelei, von Verfassungs wegen die Fortführung des Verfahrens zu verlangen, obwohl sich das Gericht schon unter Berücksichtigung des Vortrags des Beschwerdeführers eine Überzeugung gebildet hat und klar ist, dass eine für den Beschwerdeführer günstigere Lösung ausgeschlossen ist, also die Entscheidung nicht auf der Gehörsverletzung beruht. Etwas anderes würde nur gelten, wenn die vorausgegangene Entscheidung auf einem weiteren, nicht geheilten Gehörsverstoß beruht hätte (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 2291/13 -, Rn. 4).
9 Dies zugrunde gelegt, legt die Verfassungsbeschwerde nicht dar, dass nicht auszuschließen ist, dass das Amtsgericht bei einer Prüfung der Begründetheit der Anhörungsrüge zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis gekommen wäre. Sie zeigt damit nicht ausreichend auf, dass das vorangegangene und mit der Anhörungsrüge angegriffene Urteil auf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs beruht. Das Amtsgericht hat ein Recht zur Zahlungsverweigerung aus § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder 2 GasGVV zunächst mit der Begründung verneint, dass der erhöhte Gasverbrauch auf einen technischen Defekt der Gasheizung zurückzuführen sei. Den mit der Anhörungsrüge erhobenen Einwand, diese Begründung verletze den Anspruch auf rechtliches Gehör, hat das Amtsgericht nicht in einer dem Art. 103 Abs. 1 GG genügenden Weise zur Kenntnis genommen, indem es die Anhörungsrüge unvertretbar als unzulässig verworfen hat. Das Amtsgericht hat ein Recht zur Zahlungsverweigerung aber zusätzlich selbstständig tragend auch deshalb verneint, weil Verbrauchswerte zum vorangegangenen Abrechnungszeitraum nicht vorlägen. Hinsichtlich dieser Begründung ist dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer mit seiner Anhörungsrüge eine konkrete Gehörsverletzung geltend gemacht hat, so dass nicht dargelegt oder auf der Hand liegend ist, dass das Amtsgericht infolge der unvertretbaren Verwerfung der Anhörungsrüge Vorbringen übergangen hat, aufgrund dessen es das Verfahren hätte fortführen müssen. Bezogen auf diesen Begründungsweg ist eine Gehörsverletzung durch das Urteil oder auch nur deren Möglichkeit ungeachtet dessen auch im Übrigen weder schlüssig dargelegt noch auf der Hand liegend.
10 3. Hieraus ergibt sich zugleich, dass auch die Rüge, das ebenfalls angegriffene Urteil beruhe auf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), den Begründungsanforderungen nicht genügt.
11 Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
12 Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2024:rk20241119.1bvr020224
Fundstelle(n):
GAAAJ-82275