BGH Beschluss v. - I ZB 31/24

Leitsatz

1. Das Vollstreckungsgericht hat bei der Entscheidung über einen Zwangsmittelantrag durch Auslegung des Vollstreckungstitels zu ermitteln, welche Verhaltensweisen dieser erfasst. Die Auslegung hat vom Tenor der zu vollstreckenden Entscheidung auszugehen; erforderlichenfalls sind ergänzend die Entscheidungsgründe und unter bestimmten Voraussetzungen auch die Antrags- oder Klagebegründung und der Parteivortrag heranzuziehen. Bei der Auslegung des Vollstreckungstitels ist grundsätzlich ohne Bedeutung, welche sachlich-rechtlichen Ansprüche dem Gläubiger zustehen (Bestätigung von , GRUR 2015, 1248 [juris Rn. 20 f.]).

2. Ergibt die Auslegung des Vollstreckungstitels über die Erteilung einer Auskunft auf markenrechtlicher Grundlage eine Verpflichtung des Schuldners, dem Gläubiger solche Dritte zu benennen, die markenverletzende Ware an ihn geliefert oder die von ihm markenverletzende Ware erhalten haben, hat der Schuldner nicht alle in Betracht kommenden Lieferanten und Abnehmer zu benennen, bei denen dies lediglich möglicherweise der Fall ist.

Gesetze: § 888 Abs 1 S 1 ZPO, § 19 MarkenG

Instanzenzug: Az: I-20 W 82/23vorgehend Az: 2a O 173/20

Gründe

1A. Die Gläubigerin ist Inhaberin mehrerer weltweit bekannter Marken, die für Landfahrzeuge und Teile hiervon Schutz genießen. Die Schuldnerin vertreibt Ersatz- und Zubehörteile für Kraftfahrzeuge. Sie verkauft sowohl Originalteile als auch Ersatzteile von Drittherstellern, wobei sie ihre Waren aus unterschiedlichen Quellen, teils auch aus dem europäischen Ausland, bezieht.

2Einer der Abnehmer der Schuldnerin vertrieb über die Plattform eBay einen mit Marken der Gläubigerin gekennzeichneten Luftfilter, bei dem es sich nicht um ein Originalprodukt der Gläubigerin handelte. Nachdem die Gläubigerin den Abnehmer der Schuldnerin abgemahnt hatte, teilte dieser der Gläubigerin mit, dass er den Luftfilter von der Schuldnerin erworben habe. Die Schuldnerin gab der Gläubigerin gegenüber eine Unterlassungsverpflichtungserklärung ab, die die Gläubigerin annahm. Die Gläubigerin nahm sodann die Schuldnerin auf markenrechtlicher Grundlage auf Auskunft, Rückruf, Vernichtung und Feststellung ihrer Schadensersatzverpflichtung in Anspruch.

3Die Schuldnerin ist gemäß Ziffer I des Urteils des Landgerichts verurteilt worden,

der (Gläubigerin) Auskunft zu erteilen über das Inverkehrbringen oder den Besitz zu diesem Zweck im geschäftlichen Verkehr auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland von Luftfiltern für Kraftfahrzeuge, die mit den folgenden Zeichen gekennzeichnet sind:

sofern diese Luftfilter nicht von der A.  AG oder in deren Auftrag bzw. mit deren Zustimmung im Inland, in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind,

unter Angabe der Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Waren sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren, und die Menge der ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Waren sowie über die Preise, die für die betreffenden Waren bezahlt wurden.

4Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen.

5Die Schuldnerin erteilte über ihre Verfahrensbevollmächtigten Auskunft zu den Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Waren sowie den gewerblichen Abnehmern und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren. Die Gläubigerin hält diese Auskunft für nicht ausreichend. Sie hat deshalb beantragt, gegen die Schuldnerin zur Erzwingung der vollständigen Erfüllung dieser Auskunftsverpflichtung ein empfindliches Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft festzusetzen.

6Die Schuldnerin hat vorgetragen, sie habe die Luftfilter, die sie von verschiedenen Lieferanten erhalten habe, nach Anlieferung gemeinsam gelagert. Nach Aufnahme in den Lagerbestand könne nicht mehr zugeordnet werden, welcher Luftfilter von welchem der verschiedenen Lieferanten stamme. Eine Nachfrage bei ihren Lieferanten habe keine Erkenntnisse dazu erbracht, welcher der in Betracht kommenden Lieferanten die Plagiate geliefert habe.

7Das Landgericht hat zur Erzwingung der Erfüllung der Auskunftsverpflichtung gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld in Höhe von 300 €, ersatzweise Zwangshaft verhängt, weil die Schuldnerin ihrer Verpflichtung zur Angabe von Lieferanten und gewerblichen Abnehmern überwiegend, aber nicht vollständig nachgekommen sei. Es hat den Antrag im Übrigen zurückgewiesen. Die Schuldnerin sei nicht verpflichtet, Namen und Anschriften derjenigen Lieferanten zu benennen, bei denen sie keine Erkenntnisse darüber erlangt habe, dass sie gefälschte Waren geliefert hätten. Dies gelte entsprechend für die gewerblichen Abnehmer.

8Das Beschwerdegericht hat auf die im Hinblick auf die Festsetzung des Zwangsgelds eingelegte sofortige Beschwerde der Schuldnerin den Beschluss des Landgerichts abgeändert und den Zwangsgeldantrag insgesamt zurückgewiesen. Die gegen die teilweise Zurückweisung des Zwangsgeldantrags durch das Landgericht eingelegte sofortige Beschwerde der Gläubigerin hat es zurückgewiesen.

9Dagegen richtet sich die vom Beschwerdegericht hinsichtlich der Zurückweisung ihrer Beschwerde zugelassene Rechtsbeschwerde der Gläubigerin, deren Zurückweisung die Schuldnerin beantragt.

10B. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die sofortige Beschwerde der Schuldnerin sei begründet, die sofortige Beschwerde der Gläubigerin dagegen unbegründet. Zur Begründung hat es ausgeführt:

11Die Schuldnerin habe im Rahmen des Beschwerdeverfahrens die vom Landgericht zu Recht als unvollständig und teilweise widersprüchlich beanstandeten Auskünfte ergänzt und sei damit ihrer Verpflichtung zur Auskunftserteilung nunmehr vollständig nachgekommen. Zu Recht habe das Landgericht die Verhängung eines Zwangsgelds insoweit abgelehnt, als die Gläubigerin die namentliche Nennung der Lieferanten und Vorbesitzer sowie der gewerblichen Abnehmer von der Schuldnerin verlange. Die Schuldnerin habe dargelegt, dass ihr die namentliche Benennung desjenigen Lieferanten unmöglich sei, der die angegriffenen Erzeugnisse, bei denen es sich nicht um Originalteile der Gläubigerin gehandelt habe, geliefert habe. Die Schuldnerin sei nicht verpflichtet, die Namen sämtlicher in Frage kommender Lieferanten und gewerblichen Abnehmer zu benennen. Die von der Gläubigerin geforderte namentliche Benennung aller in Betracht kommenden Lieferanten und gewerblichen Abnehmer der Schuldnerin stelle sich als unverhältnismäßig dar.

12C. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig (dazu C I). Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg (dazu C II).

13I. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch sonst zulässig (§ 575 ZPO). Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin hat ein wirksames Rechtsbeschwerdeverfahren eingeleitet. Die Gläubigerin hat gegen den Zwangsmittelbeschluss des Landgerichts wirksam sofortige Beschwerde eingelegt, so dass dieser nicht bereits rechtskräftig geworden ist.

141. Die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde ist vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu überprüfen. Ein gültiges und rechtswirksames Verfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht ist nur möglich, solange das Verfahren noch nicht rechtskräftig beendet ist. Das setzt neben der Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde voraus, dass die erstinstanzliche Entscheidung durch eine zulässige sofortige Beschwerde angegriffen worden und die Rechtskraft dieser Entscheidung damit in der Schwebe gehalten ist (zum Revisionsverfahren vgl. , GRUR 2022, 1675 [juris Rn. 20] = WRP 2022, 1519 - Google-Drittauskunft, mwN).

15Die Beschwer muss als allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzung für jedes Rechtsmittel nach der Zivilprozessordnung noch zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel gegeben sein; fehlt sie, ist das Rechtsmittel - im Fall der sofortigen Beschwerde nach § 572 Abs. 2 Satz 2 ZPO - als unzulässig zu verwerfen. Die klagende oder antragstellende Partei ist durch eine gerichtliche Entscheidung beschwert, wenn diese von dem in der unteren Instanz gestellten Antrag zu ihrem Nachteil abweicht, ihrem Begehren also nicht voll entsprochen worden ist (, GRUR 2024, 157 [juris Rn. 11] = WRP 2024, 215 mwN).

162. Im Streitfall ist die sofortige Beschwerde der Gläubigerin zulässig, insbesondere ist sie durch den Beschluss beschwert, mit dem das Landgericht über ihren gemäß § 888 Abs. 1 ZPO gestellten Zwangsgeldantrag entschieden hat. Zwar hat das Landgericht ihrem Antrag entsprochen und ein Zwangsgeld festgesetzt. Die Beschwer der Gläubigerin liegt jedoch darin, dass ausweislich der Begründung des Landgerichts mit dem festgesetzten Zwangsgeld nicht alle diejenigen Handlungen erzwungen werden sollen, zu deren Vornahme die Gläubigerin die Schuldnerin als verpflichtet ansieht. Diese Beschwer der Gläubigerin zeigt sich auch in dem Umstand, dass das Landgericht ihren Zwangsgeldantrag ausdrücklich teilweise zurückgewiesen hat.

17II. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Das Beschwerdegericht hat im Ergebnis mit Recht angenommen, dass der Schuldnerin die Erfüllung der titulierten Auskunftsverpflichtung unmöglich ist und aus diesem Grund kein Zwangsmittel gegen sie verhängt werden kann.

181. Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, gemäß § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf Antrag des Gläubigers von dem Prozessgericht des ersten Rechtszugs zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei.

192. Die Verurteilung der Schuldnerin ist auf die Erteilung einer Auskunft gerichtet, die nur aufgrund des persönlichen Wissens der Schuldnerin gegeben werden kann und daher als unvertretbare Handlung nach § 888 ZPO zu vollstrecken ist (, NJW 2008, 2919 [juris Rn. 8]; Beschluss vom - I ZB 74/14, GRUR 2015, 1248 [juris Rn. 15]).

203. Da die Verhängung von Zwangsmitteln nach § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO voraussetzt, dass eine Handlung erzwungen werden soll, die ausschließlich vom Willen des Schuldners abhängt, schließt die objektive oder subjektive Unmöglichkeit der Handlung die Anordnung eines Zwangsmittels aus. Es ist Sache des Schuldners darzulegen, dass und aus welchen Gründen ihm die Vornahme der titulierten Handlung unmöglich ist (, NJW 2022, 393 [juris Rn. 58] mwN). Die Beurteilung des Beschwerdegerichts, die Anordnung eines Zwangsmittels sei ausgeschlossen, weil die Schuldnerin nach dem Vollstreckungstitel allein verpflichtet sei, solche Dritte zu benennen, die markenverletzende Waren an sie geliefert oder von ihr erhalten hätten (dazu B II 3 a), und ihr die Erfüllung dieser Verpflichtung unmöglich sei (dazu B II 3 b), ist aus Rechtsgründen im Ergebnis nicht zu beanstanden. Es kommt unter diesen Umständen nicht darauf an, ob eine Verpflichtung der Schuldnerin zur Benennung aller in Betracht kommender Lieferanten und Abnehmer unverhältnismäßig wäre (dazu B II 3 c).

21a) Die Schuldnerin ist nach dem Vollstreckungstitel allein dazu verpflichtet, solche Dritte zu benennen, die markenverletzende Waren an sie geliefert oder von ihr erhalten haben.

22aa) Das Vollstreckungsgericht hat durch Auslegung des Vollstreckungstitels zu ermitteln, welche Verhaltensweisen dieser erfasst. Die Auslegung hat vom Tenor der zu vollstreckenden Entscheidung auszugehen; erforderlichenfalls sind ergänzend die Entscheidungsgründe und unter bestimmten Voraussetzungen auch die Antrags- oder Klagebegründung und der Parteivortrag heranzuziehen (BGH, GRUR 2015, 1248 [juris Rn. 20] mwN). Umstände, die außerhalb des Titels liegen, sind bei der Auslegung wegen der Formalisierung des Vollstreckungsverfahrens grundsätzlich nicht zu berücksichtigen. Insbesondere ist es ohne Bedeutung, welche sachlich-rechtlichen Ansprüche dem Gläubiger zustehen. Dem Gläubiger ist es verwehrt, im Verfahren der Zwangsvollstreckung allein deshalb Auskünfte zu erzwingen, weil der Schuldner materiell-rechtlich zu deren Erteilung verpflichtet ist. Andererseits ist es aber auch dem Schuldner versagt, die Erfüllung der titulierten Auskunftspflicht mit der Begründung zu verweigern, er sei materiell-rechtlich zur Auskunftserteilung nicht verpflichtet (BGH, GRUR 2015, 1248 [juris Rn. 21] mwN). Das Prozessgericht, das als zuständiges Vollstreckungsorgan über eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme aus einem Titel entscheidet, den es selbst erlassen hat, kann bei der Auslegung des Titels allerdings sein Wissen aus dem Erkenntnisverfahren mit heranziehen und damit Umstände berücksichtigen, die außerhalb des Titels liegen. Für die Auslegung des Vollstreckungstitels durch das Beschwerdegericht, das über die sofortige Beschwerde gegen eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme aus einem Titel entscheidet, den das Prozessgericht des ersten Rechtszugs erlassen hat, gelten diese Grundsätze entsprechend (vgl. BGH, GRUR 2015, 1248 [juris Rn. 22 und 23]).

23bb) Das Beschwerdegericht hat das rechtskräftig gewordene landgerichtliche Urteil mit Recht dahin ausgelegt, dass die Schuldnerin allein verpflichtet ist, der Gläubigerin solche Dritte zu benennen, die markenverletzende Ware an sie geliefert oder die von ihr markenverletzende Ware erhalten haben.

24(1) Der Wortlaut des Tenors des Vollstreckungstitels verpflichtet die Schuldnerin, Auskunft zu erteilen über das Inverkehrbringen oder den Besitz auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland von Luftfiltern für Kraftfahrzeuge, die mit den Marken der Gläubigerin gekennzeichnet sind, sofern diese Luftfilter nicht von der A.  AG oder in deren Auftrag beziehungsweise mit deren Zustimmung im Inland, in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind. Die Auskunft bezieht sich auf die Angabe der Namen und Anschriften der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Waren sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren.

25Aufgrund dieses Tenors ist die Schuldnerin nicht verpflichtet, Auskunft über solche Dritte zu erteilen, die Waren ohne Verletzung der Marken der Gläubigerin an die Schuldnerin geliefert haben oder die nicht markenverletzende Waren von ihr erworben haben.

26(2) Aus den Entscheidungsgründen des Vollstreckungstitels und des Berufungsurteils ergibt sich nichts anderes.

27(a) Das Landgericht hat im Rahmen der Prüfung der Frage, ob die Schuldnerin ihre Auskunftsverpflichtung bereits erfüllt hat, Ausführungen zum Umfang dieser Auskunftsverpflichtung gemacht. Es hat ausgeführt, dem Interesse der Schuldnerin, der Gläubigerin nicht ihre sämtlichen Bezugsquellen offenlegen zu müssen, werde dadurch Rechnung getragen, dass die Gläubigerin ihr Auskunftsbegehren ausdrücklich auf solche Waren beschränkt habe, die nicht mit ihrer Zustimmung im Europäischen Wirtschaftsraum in Verkehr gebracht seien. Das Landgericht hat außerdem angenommen, da die Schuldnerin angebe, dass zwei Lieferanten in Betracht kämen, sei sie grundsätzlich dazu verpflichtet, beide Lieferanten zu benennen. Jedenfalls wäre sie zu Nachforschungen bei den beiden Lieferanten verpflichtet gewesen, um im Folgenden dezidiertere Darlegungen zu ihren Nachforschungen sowie deren Ergebnissen zu machen. Es sei nicht ersichtlich, dass sich die Schuldnerin bei ihren Lieferanten um Aufklärung bemüht hätte.

28(b) Das Berufungsurteil, auf das das Beschwerdegericht Bezug genommen hat, befasst sich ebenfalls mit dem Erfüllungseinwand der Schuldnerin und kommt zu dem Ergebnis, es sei nicht erkennbar, dass die Schuldnerin - zum damaligen Zeitpunkt - der ihr obliegenden Pflicht zur Informationsbeschaffung nachgekommen sei. Weiter hat das Berufungsgericht angenommen, die Frage, ob die Schuldnerin nach Erfüllung der ihr obliegenden Nachforschungspflichten verpflichtet sei, der Gläubigerin beide für die Lieferung der Plagiatsware in Betracht kommenden Lieferanten auch in dem Fall zu benennen, dass die durchgeführte Nachforschung keine weiteren Erkenntnisse erbringe, welcher von ihnen die gefälschte Ware an die Schuldnerin geliefert habe, sei derzeit nicht zu entscheiden. Es sei völlig offen, welches Ergebnis die erforderliche Nachforschung der Schuldnerin ergeben werde. Hierdurch werde die Frage der Unmöglichkeit der Auskunftserteilung nicht unzulässig in den Bereich des Vollstreckungsverfahrens verlagert. Bevor keine den Voraussetzungen an eine vollständige Auskunftserteilung genügende Auskunft der Schuldnerin vorliege, könne über eine etwaige Unmöglichkeit noch nicht entschieden werden.

29(c) Die Entscheidungsgründe der im Erkenntnisverfahren ergangenen Urteile lassen nicht erkennen, dass die Schuldnerin für den Fall, dass sie nicht ermitteln kann, welcher ihrer Lieferanten ihr die Marken der Gläubigerin verletzende Ware geliefert hat, alle ihre Lieferanten und alle ihre Abnehmer zu benennen hätte. In den Entscheidungsgründen des landgerichtlichen Urteils klingt zwar an, dass das Landgericht die Schuldnerin für verpflichtet gehalten hat, alle ihre Lieferanten zu benennen, wenn sie die Herkunft der markenverletzenden Ware nicht ermitteln kann. Diese Überlegung, auf die sich die Rechtsbeschwerde in anderem Zusammenhang beruft, steht jedoch zum einen im Widerspruch zur vom Landgericht vorgenommenen Auslegung des Auskunftsantrags der Gläubigerin; zum anderen war sie nicht tragend, weil das Landgericht davon ausgegangen ist, dass die Schuldnerin ihre Nachforschungspflichten bislang nicht erfüllt hat. Es verbleibt deshalb dabei, dass die Schuldnerin ausweislich des Vollstreckungstitels nur diejenigen Lieferanten und Abnehmer benennen muss, die ihr markenverletzende Ware geliefert beziehungsweise von ihr bezogen haben.

30cc) Die Rechtsbeschwerde macht ohne Erfolg geltend, die Schuldnerin sei durch den Vollstreckungstitel verpflichtet, alle in Betracht kommenden Lieferanten und sämtliche Abnehmer zu benennen, wenn sie denjenigen Lieferanten nicht benennen könne, der ihr die markenverletzende Ware geliefert habe. Das Beschwerdegericht hat im Ergebnis mit Recht angenommen, dass eine dahingehende Auslegung des Vollstreckungstitels nicht in Betracht kommt.

31(1) Das Oberlandesgericht Köln hat allerdings die Ansicht vertreten, dass, wenn - wie im Streitfall - der Verletzer darlegt, er könne weder Lieferanten noch Abnehmer von nachgewiesenermaßen markenverletzender Ware benennen, weil er nicht ersehen könne, von welchem Lieferanten das einzelne Produkt ausgeliefert worden sei, er dem Markeninhaber gemäß § 19 Abs. 1 und 3 MarkenG die Namen der in Betracht kommenden Lieferanten mitzuteilen habe, auch wenn dabei die Namen solcher Lieferanten bekanntgegeben werden müssten, die die konkret beanstandeten Waren nicht geliefert hätten (OLG Köln, GRUR 1999, 337 [juris Rn. 13]). Diese Auffassung hat im Schrifttum Zustimmung gefunden (zu § 101 UrhG vgl. Czychowski in Fromm/Nordemann, UrhG, 12. Aufl., § 101 Rn. 84; Spindler in Spindler/Schuster, Recht der elektronischen Medien, 4. Aufl., § 101 UrhG Rn. 13; MAH/Schlüter, Urheber- und Medienrecht, 3. Aufl., § 35 Rn. 145).

32(2) Diese Ansicht verhält sich allein zur Reichweite des materiell-rechtlichen Auskunftsanspruchs aus § 19 MarkenG, die für die Beantwortung der hier in Rede stehende Frage der Reichweite des titulierten Auskunftsanspruchs grundsätzlich ohne Bedeutung ist. Dieser Ansicht kann jedoch auch nicht im Sinne einer Kontrollüberlegung für die Auslegung des Vollstreckungstitels beigetreten werden.

33(a) Der Vollstreckungstitel verpflichtet die Schuldnerin ausschließlich dazu, Lieferanten für von ihr in Verkehr gebrachte oder von ihr zu diesem Zweck im Besitz gehaltene Luftfilter zu benennen, die nicht mit Zustimmung der Gläubigerin im Inland, in einem der übrigen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den Verkehr gebracht worden sind. Lieferanten von Waren, die keine solchermaßen die Rechte der Gläubigerin verletzende Waren an die Schuldnerin geliefert haben, hat die Schuldnerin danach nicht zu benennen, genauso wenig wie Abnehmer, die solche Ware von ihr erhalten haben.

34(b) Die Tenorierung dieser Verurteilung entspricht § 19 Abs. 1 und 3 MarkenG. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 MarkenG kann der Inhaber einer Marke oder einer geschäftlichen Bezeichnung den Verletzer in den Fällen der §§ 14, 15 und 17 MarkenG auf unverzügliche Auskunft über die Herkunft und den Vertriebsweg von widerrechtlich gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Der zur Auskunft Verpflichtete hat Angaben zu machen über Namen und Anschrift der Hersteller, Lieferanten und anderer Vorbesitzer der Waren oder Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren (§ 19 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG) und die Menge der hergestellten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Waren sowie über die Preise, die für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen bezahlt wurden (§ 19 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG).

35Die Regelungen in § 19 MarkenG dienen der Umsetzung von Art. 8 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums und sind deshalb richtlinienkonform auszulegen (vgl. BGH, GRUR 2022, 1675 [juris Rn. 18] - Google-Drittauskunft, mwN). Mit § 19 Abs. 1 und 2 MarkenG wird Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG umgesetzt. Danach stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die zuständigen Gerichte im Zusammenhang mit einem Verfahren wegen Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums auf einen begründeten und die Verhältnismäßigkeit wahrenden Antrag des Klägers hin anordnen können, dass Auskünfte über den Ursprung und die Vertriebswege von Waren oder Dienstleistungen, die ein Recht des geistigen Eigentums verletzen, von dem Verletzer und/oder jeder anderen Person erteilt werden, die nachweislich für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen in gewerblichem Ausmaß erbrachte (Art. 8 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2004/48/EG). § 19 Abs. 3 MarkenG dient der Umsetzung von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48/EG. Danach erstrecken sich die Auskünfte nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG, soweit angebracht, auf die Namen und Adressen der Hersteller, Erzeuger, Vertreiber, Lieferer und anderer Vorbesitzer der Waren oder Dienstleistungen sowie der gewerblichen Abnehmer und Verkaufsstellen, für die sie bestimmt waren (Buchst. a), sowie auf Angaben über die Mengen der hergestellten, erzeugten, ausgelieferten, erhaltenen oder bestellten Waren und über die Preise, die für die betreffenden Waren oder Dienstleistungen gezahlt wurden (Buchst. b). Nach Art. 8 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2004/48/EG gelten Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/48/EG unbeschadet anderer gesetzlicher Bestimmungen, die dem Rechtsinhaber weitergehende Auskunftsrechte einräumen.

36Entgegen der nicht näher begründeten Ansicht der Rechtsbeschwerde ergibt sich sowohl aus § 19 Abs. 1 und 3 MarkenG als auch aus Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/48/EG, dass sich die Auskunftspflicht auf diejenigen Lieferanten und Abnehmer bezieht, die markenrechtsverletzende Ware geliefert beziehungsweise bezogen haben, und nicht auf solche Lieferanten und Abnehmer von Waren, die nur möglicherweise markenrechtsverletzende Waren geliefert beziehungsweise bezogen haben.

37Der deutsche Gesetzgeber hat im Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums vom (BT-Drucks. 16/5048) deutlich gemacht, dass § 19 Abs. 3 MarkenG nunmehr im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48/EG zu verstehen ist. Damit ist der Umfang der Auskunft der Auslegung durch den Gerichtshof der Europäischen Union überlassen (BGH, GRUR 2022, 1675 [juris Rn. 39] - Google-Drittauskunft). Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, dass die Harmonisierung in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48/EG auf klar umschriebene Auskünfte beschränkt ist (, GRUR 2020, 840 [juris Rn. 36] = WRP 2020, 1174 - Constantin Film Verleih).

38Auch vor diesem Hintergrund verbietet sich eine erweiternde Auslegung des in Einklang mit § 19 MarkenG auf die Benennung von "Lieferanten" beziehungsweise "Abnehmer" markenverletzender Ware beschränkten Vollstreckungstitels dahingehend, dass die Schuldnerin auch solche Lieferanten und Abnehmer zu benennen hätte, bei denen lediglich in Betracht kommt, markenrechtsverletzende Ware geliefert beziehungsweise bezogen zu haben.

39b) Das Beschwerdegericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Schuldnerin die Erfüllung der titulierten Auskunftsverpflichtung unmöglich ist. Das Beschwerdegericht hat festgestellt, dass der Schuldnerin eine Benennung des Lieferanten, der ihr die Marken der Gläubigerin verletzende Ware geliefert habe, wegen der Organisation des Wareneingangs in ihrem Betrieb und der gemeinsamen Lagerung der von verschiedenen Lieferanten stammenden Waren unmöglich ist, und dass es ihr deshalb auch unmöglich ist, diejenigen gewerblichen Abnehmer zu benennen, die Erzeugnisse, welche die Marken der Gläubigerin verletzten, erhalten hätten. Dagegen erhebt die Rechtsbeschwerde keine gesonderten Rügen.

40c) Da der Vollstreckungstitel die Schuldnerin nicht verpflichtet, solche Lieferanten beziehungsweise Abnehmer zu benennen, die möglicherweise markenrechtsverletzende Ware geliefert beziehungsweise bezogen haben, und ihr eine Erfüllung der titulierten Verpflichtung unmöglich ist, muss nicht mehr geprüft werden, ob eine Auslegung des Vollstreckungstitels, wonach die Schuldnerin zu einer Benennung von solchen Lieferanten und Abnehmern verpflichtet ist, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstieße. Auf die vom Beschwerdegericht angestellten Überlegungen dazu, dass sich eine über den Wortlaut des Vollstreckungstitels hinausgehende Auskunftsverpflichtung der Schuldnerin als unverhältnismäßig darstellte, kommt es nicht an.

41D. Danach ist die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Beschwerdegerichts auf Kosten der Gläubigerin (§ 97 Abs. 1 ZPO) zurückzuweisen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:071124BIZB31.24.0

Fundstelle(n):
BAAAJ-82002