BAG Urteil v. - 4 AZR 265/23

Beschäftigter in einem Wertstoffhof - schwierige Tätigkeiten - fachliche Beratung über Entsorgungsmöglichkeiten

Gesetze: § 1 TVG

Instanzenzug: ArbG Regensburg Az: 8 Ca 938/22 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München Az: 7 Sa 627/22 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers und sich daraus ergebende Differenzentgeltansprüche.

2Der Kläger ist seit dem bei der beklagten Stadt (Beklagte) auf einem von dieser betriebenen Wertstoffhof als Arbeiter beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrags vom bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung.

3Auf dem Wertstoffhof hat der Kläger den Verkehr zu regeln, die Berechtigung der Anlieferer anhand von Ausweiskontrollen festzustellen und Reinigungsarbeiten durchzuführen. Weiter überwacht er die richtige Einsortierung der angelieferten Gegenstände und zeigt den Anliefernden auf Nachfrage die richtige Entsorgungsstelle. Die Beklagte unterscheidet hinsichtlich der Entsorgung von Altholz zwischen vier Kategorien. Altholz der Kategorie IV, welcher Holz zugeordnet wird, das mit Holzschutzmitteln behandelt oder schadstoffbelastet ist, kann auf dem Wertstoffhof der Beklagten nicht abgegeben werden. Liefern Kunden Holz dieser Kategorie an, informiert der Kläger über die Möglichkeit der Entsorgung bei externen Unternehmen. Im Fall der Anlieferung von Bauschutt, ehemals mit Bauten verbundener Teile oder Restmüll hat der Kläger das Volumen des Materials zu schätzen und auf dieser Grundlage einen Preis zu berechnen, der an der Kasse zu bezahlen ist. Weiter hat der Kläger die Presscontainer auf dem Wertstoffhof bei Bedarf zu bedienen und morgens auf äußerliche Schäden zu überprüfen. Deren Wartung und Pflege erfolgt durch ein externes Unternehmen. Schließlich ist der Kläger dafür zuständig, noch funktionsfähige Gegenstände für den Verkauf auf einem von der Beklagten betriebenen Flohmarkt auszusortieren.

4Die Beklagte vergütet den Kläger nach Entgeltgruppe 3 Stufe 6 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) Beschäftigter in einem Wertstoffhof - schwierige Tätigkeiten - fachliche Beratung über Entsorgungsmöglichkeiten im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD/VKA). Mit Schreiben vom machte er ohne Erfolg eine höhere Eingruppierung nach Entgeltgruppe 4 Stufe 6 TVöD/VKA ab dem geltend.

5Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei seit Inkrafttreten des am zwischen dem Kommunalen Arbeitgeberverband Bayern e.V. und der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft - ver.di geschlossenen 13. Landesbezirklichen Tarifvertrags handwerklicher Bereich Bayern (13. LBzTV) ab nach dessen Anlage 1a - Entgeltgruppenverzeichnis handwerkliche Tätigkeiten Bayern - nach Entgeltgruppe 4 Stufe 6 TVöD/VKA zu vergüten. Er übe schwierige Tätigkeiten in einem Wertstoffhof iSd. Entgeltgruppe 4 (Tätigkeitsbereich Wertstoffhof) der Anlage 1a zum 13. LBzTV aus. Er berate die anliefernden Personen fachlich über Entsorgungsmöglichkeiten. Außerdem bediene er die Presscontainer iSd. Protokollerklärung zu dem Tätigkeitsmerkmal „aus sicherheitstechnischer Sicht“. Schließlich sei die Tätigkeit auch schwierig, weil er bei gebührenpflichtig zu entsorgenden Gegenständen das zu zahlende Entgelt festlegen müsse.

6Der Kläger hat der Sache nach beantragt,

7Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Aus dem Vorbringen des Klägers ergebe sich nicht, dass dieser schwierige Tätigkeiten im Tarifsinne auszuüben habe. Dies folge insbesondere nicht aus der vom Kläger gefertigten Tätigkeitsaufstellung. Diese sei unzutreffend und nicht nachvollziehbar. Die bloße Auskunft, welche Gegenstände am Wertstoffhof entsorgt und an welchem Ort zurückgelassen werden können, stelle keine fachliche Beratung über Entsorgungsmöglichkeiten, sondern lediglich eine Überwachung der Beschickung des Wertstoffhofs dar. Eine solche werde von der Entgeltgruppe 3 der Anlage 1a zum 13. LBzTV erfasst. Dies gelte auch für die Tätigkeiten an den Presscontainern der Beklagten. Bei der Festsetzung von Entsorgungskosten handele es sich um Tätigkeiten, die lediglich einer eingehenden Einarbeitung bedürften und daher nicht schwierig seien.

8Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt er sein Klageziel weiter.

Gründe

9Die Revision ist überwiegend begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zu Unrecht insgesamt zurückgewiesen. Die Klage ist lediglich hinsichtlich des Feststellungsantrags teilweise unzulässig. Im Übrigen ist sie begründet.

10I. Der Feststellungsantrag ist nur teilweise zulässig.

111. Für die Zeit ab dem ist der Feststellungsantrag als allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage zulässig (dazu etwa  - Rn. 12). Soweit der Kläger im Antrag neben der Entgeltgruppe eine bestimmte Stufe nennt, ist dies lediglich als Klarstellung bezogen auf den im Antrag genannten Zeitpunkt und nicht als selbstständiges Feststellungsbegehren zu verstehen. Die Stufe steht zwischen den Parteien ersichtlich nicht im Streit.

122. Soweit sich der Feststellungsantrag auf den Zeitraum vom bis zum bezieht, ist er - anders als das Landesarbeitsgericht es meint - unzulässig. Es fehlt an dem nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse. Der Kläger hat nicht vorgetragen, welches über die mit der Leistungsklage verfolgte Zahlung hinausgehende Interesse für diesen Zeitraum an der begehrten Feststellung besteht. Deshalb ist die Klage auch nicht als Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig ( (F) - Rn. 13 mwN).

13II. Im Umfang ihrer Zulässigkeit ist die Klage - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - begründet. Der Kläger kann eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 4 Stufe 6 TVöD/VKA beanspruchen.

141. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund vertraglicher Bezugnahme der TVöD/VKA sowie der 13. LBzTV und der - ebenfalls am in Kraft getretene - 14. Landesbezirkliche Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten im handwerklichen Bereich in die EGO Bayern Handwerk vom (14. LBzTV) Anwendung. Durch die Tarifsukzession im öffentlichen Dienst hat der TVöD/VKA den BMT-G II abgelöst und ist iSd. Bezugnahmeklausel an dessen Stelle getreten. Weiterhin haben die Tarifvertragsparteien für den öffentlichen Dienst in Bayern mit den genannten landesbezirklichen Regelungen von der Möglichkeit nach Abs. 3 iVm. Abs. 4 des Anhangs Regelungskompetenzen zur Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA Gebrauch gemacht. Danach können sie ua. für den Bereich Entsorgung (BT-E) zusätzliche Tätigkeitsmerkmale für Entsorgungsbetriebe im Aufgabenbereich Sammeln, Sortieren und Verwerten von Abfällen und Wertstoffen (Wertstoffentsorgung) vereinbaren.

152. Die Eingruppierung des Klägers bestimmt sich nach den Regelungen des 13. und 14. LBzTV iVm. §§ 12, 13 TVöD/VKA.

16a) Nach § 1 des 13. LBzTV gilt der Tarifvertrag ua. „für die Beschäftigten, die in einem Arbeitsverhältnis zu einem Arbeitgeber stehen, der Mitglied des Kommunalen Arbeitgeberverbandes Bayern e.V. ist und auf die der … TVöD - Besonderer Teil Entsorgung … Anwendung findet, und die handwerkliche Tätigkeiten“ iSd. Teils A Abschnitt I Nr. 2 der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA ausüben. Für deren Eingruppierung gelten nach § 2 des 13. LBzTV die §§ 12, 13 TVöD, die Anlagen 1a und 1b zu dem landesbezirklichen Tarifvertrag sowie die Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA. Der 14. LBzTV findet nach dessen § 1 für diejenigen Beschäftigten Anwendung, die vom Geltungsbereich des 13. LBzTV erfasst werden.

17b) Das Arbeitsverhältnis des Klägers wird nach § 1 TVöD-BT-E von dessen Anwendungsbereich erfasst. Er ist in einem Entsorgungsbetrieb beschäftigt, der die Wertstoffentsorgung zum Gegenstand hat. Weiterhin übt er eine handwerkliche Tätigkeit (dh. eine solche, die vor dem der Rentenversicherung der Arbeiter unterlegen hätte, § 38 Abs. 5 Satz 2 TVöD/VKA) iSd. Teils A Abschnitt I Nr. 2 der Anlage 1 - Entgeltordnung (VKA) zum TVöD/VKA aus.

183. Die für die Eingruppierung maßgebenden Bestimmungen in Anlage 1a zum 13. LBzTV lauten auszugsweise wie folgt:

19Für die Überleitung der Beschäftigten anlässlich des Inkrafttretens der Anlage 1a zum 13. LBzTV bestimmt der 14. LBzTV ua.:

204. Die Tätigkeit des Klägers erfüllt die Anforderungen des Tätigkeitmerkmals der Entgeltgruppe 4 (Tätigkeitsbereich Wertstoffhof) der Anlage 1a zum 13. LBzTV.

21a) Die vom Kläger auszuübenden Tätigkeiten bilden - entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts - einen einheitlichen Arbeitsvorgang.

22aa) Nach § 2 des 13. LBzTV iVm. § 12 Abs. 2 Satz 1 TVöD/VKA ist der Beschäftigte in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Das ist dann der Fall, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen (§ 12 Abs. 2 Satz 2 TVöD/VKA).

23bb) Maßgebend für die Bestimmung von Arbeitsvorgängen ist das Arbeitsergebnis. Für die Beurteilung, ob eine oder mehrere Einzeltätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führen, sind eine natürliche Betrachtungsweise und die durch die Arbeitgeberin vorgenommene Arbeitsorganisation ausschlaggebend. Dabei kann die gesamte vertraglich geschuldete Tätigkeit einen einzigen Arbeitsvorgang ausmachen. Einzeltätigkeiten können dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind. Hierfür reicht jedoch die theoretische Möglichkeit nicht aus, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte zu übertragen. Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden. Dem Arbeitsvorgang hinzuzurechnen sind dabei nach Satz 1 der Protokollerklärung zu § 12 Abs. 2 TVöD/VKA auch Zusammenhangsarbeiten. Das sind solche, die aufgrund ihres engen Zusammenhangs mit bestimmten Aufgaben eines Beschäftigten bei der tariflichen Bewertung zwecks Vermeidung tarifwidriger „Atomisierung“ der Arbeitseinheiten nicht abgetrennt werden dürfen, sondern diesen zuzurechnen sind. Die tarifliche Wertigkeit der verschiedenen Einzeltätigkeiten oder Arbeitsschritte bleibt dabei zunächst außer Betracht. Erst nachdem die Bestimmung des Arbeitsvorgangs erfolgt ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals zu bewerten ( - Rn. 13 f.; ausf. - 4 AZR 195/20 - Rn. 27 ff., BAGE 172, 130 zu § 12 TV-L).

24cc) Der Begriff des „Arbeitsvorgangs“ ist ein feststehender, abstrakter, von den Tarifvertragsparteien vorgegebener Rechtsbegriff. Seine Anwendung durch die Tatsachengerichte ist revisionsgerichtlich in vollem Umfang nachprüfbar (st. Rspr., vgl. zB  - Rn. 18).

25dd) Danach handelt es sich bei den dem Kläger übertragenen Aufgaben um einen einheitlichen Arbeitsvorgang. Sämtliche Tätigkeiten, bei denen eine organisatorische Trennung nicht ersichtlich ist, zielen auf ein einheitliches Arbeitsergebnis ab. Sie dienen dazu, den Bürgern die geordnete Entsorgung der Gegenstände zu ermöglichen, die auf dem Wertstoffhof abgegeben werden können.

26b) Die innerhalb dieses Arbeitsvorgangs auszuübende Tätigkeit ist schwierig iSd. Entgeltgruppe 4 (Tätigkeitsbereich Wertstoffhof) der Anlage 1a zum 13. LBzTV.

27aa) Nach der Protokollerklärung zur Entgeltgruppe 4 (Tätigkeitsbereich Wertstoffhof) der Anlage 1a zum 13. LBzTV stellt ua. die fachliche Beratung der Anlieferer über die Entsorgungsmöglichkeiten eine schwierige Tätigkeit dar. Eine solche liegt nicht bereits vor, wenn zwischen dem Beschäftigten und den Anlieferern irgendeine Kommunikation stattfindet. Das Tarifmerkmal ist allerdings erfüllt, wenn es dem Anlieferer ohne eine fachliche Auskunft des Beschäftigten nicht möglich ist, die von der Beklagten vorgehaltene Entsorgungsmöglichkeit ordnungsgemäß zu nutzen. Das ergibt die Auslegung des Tarifvertrags (vgl. zu den Auslegungsgrundsätzen  - Rn. 35 mwN, BAGE 164, 326).

28(1) Bei der Wortlautauslegung ist anzunehmen, dass ein Begriff in dem Sinne verwendet wird, der dem allgemeinen Sprachgebrauch und dem der beteiligten Kreise entspricht, wenn nicht sichere Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung gegeben sind (st. Rspr., etwa  - Rn. 35). Die Tarifvertragsparteien haben den Begriff der „Beratung“ nicht näher bestimmt. Nach dem allgemeinen Sprachverständnis existieren unterschiedliche Bedeutungen. Als Beratung kann eine Besprechung, Unterredung oder die Erteilung eines Rates oder von Ratschlägen verstanden werden. Es kann damit aber auch eine Auskunft oder eine Beratungsstelle gemeint sein (https://www.duden.de/rechtschreibung/Beratung#bedeutungen, zuletzt abgerufen am ).

29(2) Nach der im Tarifvertrag gewählten Formulierung erfolgt die Beratung gegenüber „Anlieferern“. Das spricht dafür, für eine „fachliche Beratung“ iSd. Protokollerklärung zur Entgeltgruppe 4 (Tätigkeitsbereich Wertstoffhof) der Anlage 1a zum 13. LBzTV die fachliche Auskunft über Entsorgungsmöglichkeiten ausreichen zu lassen. Liefert jemand etwas an, geschieht dies, um die mitgeführten Gegenstände am Ort der Anlieferung zurückzulassen. Ein Anlieferer ist mithin entschlossen, mitgebrachte Gegenstände auf dem Wertstoffhof zu entsorgen. Anlass zur Erteilung eines Rates, ob vom Vorhaben einer Entsorgung Abstand genommen werden sollte, oder zu einem Austausch über das „für“ und „wider“ der Entsorgung der angelieferten Gegenstände besteht daher nicht. Dass ein Wertstoffhof hinsichtlich einer erlaubten Entsorgung Anlieferern selbst mehrere Alternativen offeriert, ist nicht ersichtlich. Eine Erteilung von fachlichen Ratschlägen über das „Wie“ der Entsorgung kommt daher grundsätzlich genauso wenig in Betracht wie hinsichtlich des „Ob“. Damit unterscheidet sich eine Beratung iSd. Protokollerklärung zur Entgeltgruppe 4 (Tätigkeitsbereich Wertstoffhof) der Anlage 1a zum 13. LBzTV grundlegend von Beratungen in anderen Fallgestaltungen wie etwa der Beratung eines Kunden eines Kaufhauses durch dessen Verkaufspersonal.

30(3) Dieses Verständnis wird durch die Systematik bestätigt.

31(a) Für eine Eingruppierung in Entgeltgruppe 4 (Tätigkeitsbereich Wertstoffhof) der Anlage 1a zum 13. LBzTV ist nicht erforderlich, dass der Beschäftigte über eine abgeschlossene mindestens dreijährige Ausbildung verfügt. Eine solche Anforderung besteht erst für eine Eingruppierung ab Entgeltgruppe 5 (Tätigkeitsbereich Wertstoffhof) der Anlage 1a zum 13. LBzTV. Das zeigt, dass sich eine fachliche Beratung nach Entgeltgruppe 4 der Anlage 1a zum 13. LBzTV nicht auf Inhalte beziehen muss, die erst im Rahmen einer Ausbildung vermittelt würden. An die Beratung sind daher keine hohen Anforderungen zu stellen.

32(b) Die fachliche Beratung muss allerdings über die in Entgeltgruppe 3 (Tätigkeitsbereich Wertstoffhof) der Anlage 1a zum 13. LBzTV genannte „Überwachung der ordnungsgemäßen Beschickung“ hinausgehen. Während Letztere auf die Kontrolle der Einhaltung bekannter oder als bekannt vorauszusetzender Regeln zur ordnungsgemäßen Entsorgung abzielt, liegt Erstere vor, wenn Anlieferer nach den Gegebenheiten des Wertstoffhofs ohne die fachliche Auskunft eines Mitarbeiters nicht in der Lage sind, die zur Verfügung stehenden Entsorgungsmöglichkeiten ordnungsgemäß zu nutzen.

33(aa) Unter „überwachen“ versteht man nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ua. „kontrollierend für den richtigen Ablauf einer Sache sorgen; darauf achten, dass in einem bestimmten Bereich alles mit rechten Dingen zugeht“ (https://www.duden.de/rechtschreibung/ueberwachen#bedeutungen, zuletzt abgerufen am ). Sind Anlieferer aufgrund der Beschilderung am Wertstoffhof in der Lage, die ordnungsgemäße Entsorgung ohne weitergehende Auskunft des Wertstoffhofmitarbeiters eigenständig vorzunehmen, stellt die bloße Kontrolle dieses Vorgangs keine fachliche Beratung über Entsorgungsmöglichkeiten iSd. Entgeltgruppe 4 (Tätigkeitsbereich Wertstoffhof) der Anlage 1a zum 13. LBzTV dar. Vielmehr liegt lediglich eine Überwachung der ordnungsgemäßen Beschickung iSd. Entgeltgruppe 3 vor. An dieser Einordnung ändert sich auch dann nichts, wenn der Wertstoffhofmitarbeiter diese Kontrollfunktion ausübt, indem er Anlieferer auf den gekennzeichneten Ablageort hinweist und diese so davon abhält, Gegenstände entgegen der Beschilderung zu entsorgen.

34(bb) Anders verhält es sich hingegen, wenn Anlieferer ohne fachliche Auskünfte des Wertstoffhofmitarbeiters nicht eigenständig in der Lage sind, die zur Verfügung stehenden Entsorgungsmöglichkeiten ordnungsgemäß zu nutzen. Dann beschränkt sich die zu erbringende Tätigkeit nicht auf eine bloße Kontrolle der Anlieferer. Vielmehr eröffnet die Auskunft diesen erst die Möglichkeit einer ordnungsgemäßen Entsorgung.

35bb) Danach umfasst die auszuübende Tätigkeit des Klägers die fachliche Beratung über Entsorgungsmöglichkeiten. Eine solche findet sowohl bei der Anlieferung von Altholz als auch bei der Festlegung von Entsorgungskosten statt.

36(1) Werden Bauschutt, ehemals mit Bauten verbundene Teile oder Restmüll angeliefert, setzt eine ordnungsgemäße Entsorgung voraus, dass hierfür Kosten entrichtet werden. Die Höhe der Kosten kann ein Anlieferer nicht eigenständig errechnen. Er benötigt daher für die ordnungsgemäße Entsorgung derartiger Gegenstände eine Auskunft des Klägers über das zu entrichtende Entgelt, welches dieser unter Anwendung der maßgebenden Gebührenregelung und seiner fachlichen Kenntnisse auf der Grundlage einer Volumenschätzung ermittelt.

37(2) Anlieferer sind auch bei der Anlieferung von Altholz regelmäßig auf fachliche Auskünfte des Klägers angewiesen. Für Kunden des Wertstoffhofs ist nicht ohne weiteres erkennbar, welcher Kategorie Altholz zuzuordnen ist und ob eine Entsorgung bei der Beklagten erfolgen kann.

38c) Die als schwierig zu qualifizierenden Tätigkeiten fallen auch in rechtlich erheblichem Ausmaß an.

39aa) Bei der Bewertung eines Arbeitsvorgangs ist es zur Erfüllung einer qualifizierenden tariflichen Anforderung, hier der „schwierigen Tätigkeit“, ausreichend, wenn diese innerhalb des Arbeitsvorgangs in rechtlich erheblichem Ausmaß vorliegt. Nicht erforderlich ist, dass innerhalb eines Arbeitsvorgangs schwierige Tätigkeiten ihrerseits in dem von § 12 Abs. 2 Satz 2, Satz 4 TVöD/VKA bestimmten Maß anfallen ( - Rn. 34 mwN; ausf. - 4 AZR 195/20 - Rn. 65, BAGE 172, 130 zu § 12 TV-L). Entscheidend ist, dass zu Beginn der Tätigkeit die Fähigkeit, dieser qualitativen Anforderung gerecht zu werden, allgemein bereitgehalten werden muss, weil sie nach der vertraglichen Aufgabenstellung jederzeit, wenn auch in einem nicht vorhersehbaren Umfang, eingesetzt werden muss ( - Rn. 49 zu § 22 BAT-O).

40bb) An dem von der Beklagten betriebenen Wertstoffhof können innerhalb der Öffnungszeiten jederzeit Bauschutt, ehemals mit Bauten verbundene Teile oder Restmüll und Altholz bestimmter Kategorien angeliefert werden. Ohne die dem Kläger nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in diesem Zusammenhang zufallende Aufgabe der fachlichen Beratung über Entsorgungsmöglichkeiten kann die Beklagte den Wertstoffhof nicht in der bisherigen Form betreiben. Auf die Richtigkeit und Nachvollziehbarkeit der vom Kläger gefertigten Aufstellung von Tätigkeiten kommt es daher nicht an.

415. Nach § 3 Nr. 2 des 14. LBzTV ist der Kläger mit Inkrafttreten des 13. LBzTV zum in eine höhere Entgeltgruppe eingruppiert, wenn seine auszuübende Tätigkeit deren Anforderungen entspricht. Ein Höhergruppierungsantrag ist nach den landesbezirklichen Tarifregelungen nicht erforderlich. Die Höhergruppierung erfolgt dabei nach § 3 Nr. 3 des 14. LBzTV iVm. § 17 Abs. 4 TVöD/VKA stufengleich.

426. Der Kläger hat ferner Anspruch auf die mit seinen Leistungsanträgen geltend gemachte weitere Vergütung.

43a) Das Differenzentgelt zwischen der von der Beklagten geleisteten Vergütung nach Entgeltgruppe 3 Stufe 6 TVöD/VKA und dem Entgelt nach Entgeltgruppe 4 Stufe 6 TVöD/VKA beträgt für die Monate Januar und Februar 2020 jeweils 107,12 Euro brutto, für die Monate März 2020 bis einschließlich März 2022 jeweils 107,23 Euro brutto und für die Monate April und Mai 2022 jeweils 109,16 Euro brutto. Nach § 20 Abs. 1 und 2 TVöD/VKA steht dem Kläger für die Jahre 2020 und 2021 zudem noch ein Anspruch auf eine Jahressonderzahlung iHv. jeweils 85,26 Euro brutto zu.

44b) Der Kläger hat die sechsmonatige Ausschlussfrist nach § 37 Abs. 1 TVöD/VKA durch das Schreiben vom gewahrt. Hinsichtlich des mit dem Antrag zu 2. geltend gemachten monatlichen Differenzentgelts für den Zeitraum von Januar 2020 bis April 2021 sowie für die Jahressonderzahlung 2020 lief die Ausschlussfrist nach § 3 Nr. 4 Satz 1 des 14. LBzTV erst am an. Im Übrigen begann diese mit der Fälligkeit der geltend gemachten Ansprüche. Diese trat für die weiteren geltend gemachten Differenzentgeltansprüche nach § 24 Abs. 1 Satz 2 TVöD/VKA mit Ablauf des jeweiligen Monats und für die Jahressonderzahlung 2021 nach § 20 Abs. 5 Satz 1 TVöD/VKA mit Ablauf des Novembers 2021 ein.

457. Die Verzugszinsen (§ 286 Abs. 2 Nr. 1, § 288 Abs. 1 Satz 1 BGB) stehen dem Kläger gemäß § 187 Abs. 1 BGB ab dem Tag nach Eintritt der Fälligkeit (§ 24 Abs. 1 Satz 2 und § 20 Abs. 5 Satz 1 TVöD/VKA) zu.

46III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:170724.U.4AZR265.23.0

Fundstelle(n):
TAAAJ-81413