BGH Urteil v. - 5 StR 599/23

Instanzenzug: Az: 8 KLs 105 Js 34746/19

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten G.     und S.           wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in fünf tateinheitlichen Fällen, davon in zwei Fällen in nicht geringer Menge und in drei Fällen „gewerbsmäßig handelnd“, und den Angeklagten M.        wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen. Den Angeklagten G.     hat es unter Einbeziehung von Strafen aus einer rechtskräftigen früheren Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und elf Monaten, den Angeklagten S.            zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten und den Angeklagten M.        zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Zudem hat es gegen die Angeklagten S.         und G.     die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 164.130 Euro als Gesamtschuldner angeordnet und weitere Einziehungsanordnungen gegen die Angeklagten S.         und M.        getroffen. Den Angeklagten R.         hat es aus tatsächlichen Gründen freigesprochen und eine Entschädigungsentscheidung wegen durchgeführter Durchsuchungsmaßnahmen getroffen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihren zuungunsten der Angeklagten eingelegten, auf sachlich-rechtliche Beanstandungen hinsichtlich der Angeklagten G.    , S.        und M.       und auf Verfahrensrügen hinsichtlich des Angeklagten R.        gestützten, Revisionen. Die jeweils mit der Sachrüge – vom Angeklagten S.        auch mit Verfahrensbeanstandungen – geführten Rechtsmittel der Angeklagten G.    und S.        richten sich gegen ihre Verurteilung. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft betreffend die Angeklagten G.    , S.        und M.        ebenso wie die Rechtsmittel der Angeklagten G.     und S.          erzielen den aus dem Urteilstenor ersichtlichen Erfolg. Die gegen den Freispruch des Angeklagten R.        gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft ist hingegen unzulässig. Für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen die Entschädigungsentscheidung (§ 8 Abs. 3 Satz 1 StrEG) ist der Senat nicht zuständig.

I.

21. Das Landgericht hat in den Verurteilungsfällen betreffend die Angeklagten G.   , S.         und M.         (Taten II.1 bis II.5 der Urteilsgründe) folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3a) Der Angeklagte S.          war als sogenannter Kinderzimmerdealer wegen des Betriebs eines Internet-Handels mit Betäubungsmitteln und verschreibungspflichtigen Arzneimitteln im November 2015 vom Landgericht Leipzig zu einer mehrjährigen Jugendstrafe verurteilt worden. Im Frühjahr 2018 lernte er im offenen Vollzug den ebenfalls wegen Betäubungsmitteldelikten eine Haftstrafe verbüßenden Angeklagten G.     kennen. Auf dessen Initiative fassten beide Angeklagte Ende des Jahres 2018 den Plan, einen Online-Handel für Betäubungsmittel und rezeptpflichtige Medikamente aufzubauen. In dessen Umsetzung programmierte S.          unter Nutzung des Domainnamens www.C               .to einen Online-Shop, in dem zahlreiche Betäubungsmittel und Medikamente angeboten wurden. Er sorgte für die Funktionsfähigkeit des Systems, war für die Lösung von Problemen bei der Bedienung des Programms und die Einrichtung der Hardware einschließlich des Druckers für die Adressetiketten verantwortlich. G.     beschaffte die gehandelten Substanzen und sorgte für die Auffüllung des Drogen- und Medikamentenvorrates. Ihm oblag zudem die Suche nach sogenannten Arbeitswohnungen und Bunkermöglichkeiten sowie die Akquisition von Mitarbeitern. Hierfür gewann er spätestens am den Angeklagten M.        und am den gesondert Verurteilten Mo.      , die sodann für die Entgegennahme der Bestellungen, deren Abarbeitung und den Versand der Drogen und Arzneimittel zuständig waren. Weisungsgemäß schlossen beide befristete Mietverträge über einen Raum in einem Apartmenthaus in L.          ab. Dort hielten sie sich auf und bearbeiteten die Bestellungen aus dem Online-Shop. Dafür erhielten sie von den Angeklagten G.     und S.        , die die Miete für die Arbeitswohnung übernahmen, jeweils einen Lohn in Höhe von monatlich 1.500 Euro.

4Ab Anfang August 2019 nutzten die Täter eine andere Arbeitswohnung in L.         . Aufgrund schlechter Arbeitsbedingungen beendeten der Angeklagte M.       und der gesondert Verurteilte Mo.      vermutlich zum ihre Tätigkeit. In der Folgezeit erledigte G.     die Abarbeitung der Bestellungen, wobei er zumindest vorübergehend durch eine nicht identifizierte männliche Person mit dem Spitznamen „Kä.         “ unterstützt wurde. Die nach weiteren Umzügen in der Zeit vom 20. November bis als Arbeitswohnung dienenden Räumlichkeiten hatte der Angeklagte R.         organisiert. Am mussten sie geräumt werden, nachdem der Vermieter auf einem Kontrollgang auf „Aktivitäten“ in der Mietsache aufmerksam geworden war und den umgehenden Auszug verlangt hatte. Am wurde der Online-Shop abgeschaltet.

5Der Angeklagte S.         vereinnahmte die Verkaufserlöse in Form von Kryptowährung (Bitcoin), die er sich nach Umtausch in Euro an Geldautomaten bar auszahlen ließ. Insgesamt erlangte er vom bis zum einen Betrag in Höhe von 164.130 Euro.

6Zu den einzelnen Taten ist Folgendes im Urteil festgestellt:

7Am bewahrten S.          und G.     im bewussten und gewollten Zusammenwirken in einem „Bunker“ oder in dem oben genannten Apartmenthaus Betäubungsmittel und verschreibungspflichtige Arzneimittel auf, wobei sie die Vorräte durch Nachlieferungen aus unbekannten Quellen immer wieder auffüllten. Bei den Betäubungsmitteln mit weitgehend durchschnittlichen Wirkstoffgehalten handelte es sich um etwa zweieinhalb Kilogramm Haschisch, rund 16,5 Kilogramm Amphetamin, knapp zwei Kilogramm MDMA, über dreihundert Gramm Kokain, mehr als 5.700 Ecstasy-Tabletten, annähernd ein halbes Kilogramm Methamphetamin und über 800 LSD-Blotter sowie verschreibungspflichtige Tabletten, unter anderem mit den Inhaltsstoffen Fentanyl, Zolpidem, Alprazolam, Bromazepam, Clonazepam, Diazepam, Lorazepam, Midazolam und Nitrazepam. Diese Substanzen, die von einer Vielzahl von Kunden bestellt worden waren, verpackten und versendeten M.        und der gesondert Verurteilte Mo.      im Zeitraum vom 13. Juli bis in Form von 471 Postsendungen an Abnehmer im gesamten Bundesgebiet und in andere Länder. Zudem bestellten sie Verpackungsmaterial unter Nutzung eigener Kundendaten. Sie waren strikten Anweisungen unterworfen. Der Angeklagte S.        , den der Angeklagte M.       persönlich kannte, kommunizierte mit dem gesondert Verurteilten Mo.      unter dem Namen „Ra.    “ nur auf elektronischem Weg. Zur Vermeidung von Diebstählen wurde die Arbeitswohnung per Video überwacht. Jede abgearbeitete Bestellung musste fotografisch dokumentiert werden, um eine lückenlose Kontrolle zu ermöglichen (Tat II.1 der Urteilsgründe).

8Aufgrund eines anonymen Hinweises und der Angaben eines Zeugen fanden ab dem Sommer 2019 Observations- und Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen der Polizei gegen die Angeklagten G.     und S.         statt. Zudem wurden Bestellungen durch einen Verdeckten Ermittler der Polizei veranlasst, um die Funktionsfähigkeit des Shops zu prüfen. In diesem Kontext stehen die nachfolgenden Taten (II.2 bis II.5 der Urteilsgründe).

9Jeweils auf Bestellungen des Verdeckten Ermittlers versandten die Angeklagten G.      und S.           am insgesamt 1,06 g Methamphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 0,77 g Methamphetamin-Base zum Preis von 47 Euro (Tat II.2 der Urteilsgründe), am (Bestellungen vom 14. und ) einmal 25,02 g MDMA mit einer Wirkstoffmenge von 17,43 g MDMA-Base und 5 LSD-Blotter mit einer durchschnittlichen Wirkstoffmenge an Lysergsäurediethylamid von 250 bis 300 mcg zum Preis von insgesamt 133,50 Euro sowie zum anderen 2,95 g Methamphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 2,17 g Methamphetamin-Base zum Preis von 132 Euro (Tat II.3 der Urteilsgründe), spätestens am (Bestellung vom ) insgesamt 3 g Methamphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 2,14 g Methamphetamin-Base zum Preis von 132 Euro (Tat II.4 der Urteilsgründe) und schließlich am (Bestellung vom Vortag) einmal 52,21 g Amphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 3 g Amphetamin-Base zum Preis von 116 Euro und zum anderen 46,68 g Amphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 2,42 g Amphetamin-Base sowie 1 g Methamphetamin mit einer Wirkstoffmenge von 0,72 g Methamphetamin-Base zum Preis von 158 Euro (Tat II.5 der Urteilsgründe). Alle Sendungen wurden nach Aufgabe zur Post mittels Einwurfs in den Briefkasten sichergestellt.

10b) Das Landgericht hat unter Anwendung des Zweifelssatzes nicht auszuschließen vermocht, dass es zu Überschneidungen einzelner Ausführungshandlungen beim Erwerb und Abverkauf der Betäubungsmittel kam, weshalb es in allen Fällen von Tateinheit ausgegangen ist.

11Die Tathandlungen der Angeklagten G.     und S.        hat es als gemeinschaftliches Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in fünf tateinheitlichen Fällen, davon in drei Fällen „gewerbsmäßig“ und in zwei Fällen in nicht geringer Menge gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG gewertet, die des Angeklagten M.       als Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 StGB.

122. Den Angeklagten R.         hat es aus tatsächlichen Gründen von den Anklagevorwürfen des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen (Anklagepunkte 1 und 3) und des bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen (Anklagepunkte 2, 4 und 6) freigesprochen.

II. Revisionen der Staatsanwaltschaft

131. Die gegen den Freispruch des Angeklagten R.        gerichtete Revision der Staatsanwaltschaft ist unzulässig (§ 349 Abs. 1 StPO). Eine Sachrüge ist insoweit nicht erhoben; die Verfahrensrügen entsprechen nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.

14a) Dem Angeklagten, der sich nicht zum Tatvorwurf eingelassen hat, ist mit der zugelassenen Anklageschrift vorgeworfen worden, sich als Täter am Betäubungsmittelhandel der Angeklagten G.    , S.        und M.       beteiligt zu haben. Das Landgericht hat ihn aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.

15b) Die von der Staatsanwaltschaft erhobenen Verfahrensrügen, mit denen sie die „unterbliebene Beweiserhebung“ nach entsprechenden Beweisanträgen beanstandet, sind nicht in der vom Gesetz geforderten Form erhoben worden (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) und deshalb unzulässig.

16aa) In der Hauptverhandlung vom hatte der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft beantragt, den Vermieter der von Mitte November bis Anfang Dezember 2019 genutzten Arbeitswohnung (Zeuge Kr.      ) zum Beweis dafür zu vernehmen, dass er dem Angeklagten R.           den Wohnungsschlüssel übergeben habe, dass dieser Angeklagte sein einziger Ansprechpartner gewesen sei, dass der Zeuge Anfang Dezember 2019 eine Vielzahl von Kartons mit verschiedenfarbigen Tabletten in großer Anzahl in der Wohnung festgestellt und diese fotografiert habe und dass er dem Angeklagten habe versprechen müssen, nach Räumung und Säuberung der Wohnung keine Strafanzeige zu erstatten, die von ihm gefertigten Bilder zu löschen und eine mit einem Namen beschriebene Serviette zu vernichten (Beweisantrag 1). Zudem waren Beweisanträge auf auszugsweise Verlesung eines polizeilichen Auswertberichts vom mit Chatnachrichten, die zwischen den Angeklagten R.          und G.     ausgetauscht wurden (Beweisantrag 2), und auf die Inaugenscheinnahme von Telefonaten zwischen diesen beiden Angeklagten (Beweisantrag 3) gestellt worden.

17Der Zeuge Kr.       ist in der Hauptverhandlung vom vernommen worden. Eine Frage des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft an den Zeugen hat der Vorsitzende nicht zugelassen. Die Beanstandung dieser Verfügung hat die Strafkammer mit dem in der Hauptverhandlung vom verkündeten Beschluss zurückgewiesen und zugleich die gestellten Beweisanträge wegen eines „Beweiserhebungsverbots“ gemäß § 160a Abs. 1 StPO abgelehnt, da sich der Tatverdacht gegen den Angeklagten R.         allein aus überwachten Telefonaten mit dem Angeklagten G.     ergeben habe, hinsichtlich derer für ihn als Berufsgeheimnisträger ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 StPO bestanden habe.

18bb) Das Rügevorbringen, mit dem sich die Staatsanwaltschaft im Kern gegen das vom Landgericht angenommene Beweisverwertungsverbot wendet, erfüllt bei keiner der Rügen die Darlegungsanforderungen gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.

19(1) Die Revision lässt hinsichtlich aller drei Rügen einen klar strukturierten Vortrag und eine erkennbare Unterscheidung zwischen Revisionsvortrag und wahllos aneinandergereihtem Akteninhalt vermissen (vgl. zu den Vortragsanforderungen BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 184/22, NStZ 2023, 127; vom – 5 StR 672/19, NStZ 2020, 625). Die Verfahrenstatsachen müssen aber in einer Weise angegeben werden, die das Revisionsgericht allein anhand der Revisionsbegründung in die Lage versetzt, darüber – unter der Voraussetzung der Erweisbarkeit – endgültig zu entscheiden (vgl. , NStZ-RR 2019, 26 f.; vom – 2 StR 466/93, NJW 1994, 1015 f.). Dazu muss der Revisionsvortrag aus sich heraus so verständlich sein, dass das Revisionsgericht ohne weiteres daran anknüpfen kann (vgl. Rn. 50; Urteil vom – 4 StR 370/86). Es ist nicht Sache des Revisionsgerichts, den Revisionsvortrag aus vorgelegten Unterlagen an jeweils passender Stelle zu ergänzen (BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 672/19, NStZ 2020, 625; vom – 1 StR 647/11, NStZ-RR 2012, 178; vom – 4 StR 496/86, BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Formerfordernis 1; Urteil vom – 1 StR 75/14 Rn. 67).

20Hier erschöpft sich der Revisionsvortrag, der die Überprüfung des vom Landgericht angenommenen Beweisverwertungsverbotes ermöglichen muss, in der Vorlage einer Auswahl polizeilicher Vermerke, dokumentierter Gesprächsinhalte überwachter Telefonate, von Gerichtsbeschlüssen und anderen Aktenteilen, aus denen sich der Gang des Ermittlungsverfahrens ergeben soll. Eine nachvollziehbare Darstellung des für die jeweils erhobene Rüge maßgeblichen Sachverhalts fehlt.

21(2) Darüber hinaus sind auch die besonderen, sich aus der Art des gerügten Rechtsverstoßes ergebenden Vortragsvoraussetzungen nicht erfüllt (vgl. zur Rüge des Unterlassens einer beantragten Beweiserhebung wegen der Annahme eines Beweisverwertungsverbots , NStZ-RR 2019, 26 f.; vom – 3 StR 140/14, NStZ-RR 2014, 318 f.; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 344 Rn. 38 f. mwN).

22So fehlt es am Vortrag der im Ablehnungsbeschluss des in Bezug genommenen Unterlagen oder Aktenbestandteile (vgl. hierzu , NStZ 2022, 250 mwN). Dies betrifft den Vermerk des Zollbeamten B.         vom , der sich zur Einschätzung des im Ermittlungsverfahren zuständigen Staatsanwalts verhalten soll, unter welchen Voraussetzungen die abgehörten Gespräche zwischen den Angeklagten R.          und G.     als „kernbereichsrelevant“ zu werten und zu löschen seien. Gleiches gilt für im Beschluss erwähnte Urkunden betreffend die als kernbereichsrelevant und „Berufsgeheimnisträger-Gespräche“ identifizierten Telefonate. Bei der Rüge wegen Ablehnung des Beweisantrages auf auszugsweise Verlesung eines Auswertberichts vom werden zudem die in diesem Bericht angesprochenen Dokumente: „Ermittlungsbericht zur Räumung der F.         F.             Str.   “ und „Ermittlungsbericht Ereignisse vom 20.11. – “ nicht vorgetragen, ebenso wenig der in den Durchsuchungsbeschlüssen des Amtsgerichts Leipzig vom 17. und betreffend die Wohn- und Geschäftsräume des Angeklagten R.          bezeichnete Ermittlungsbericht vom , ferner die „Erkenntnisse Telekommunikationsüberwachung“, auf die in der Rüge verwiesen wird. Der Angabe des Inhalts all dieser Dokumente hätte es – neben dem erforderlichen nachvollziehbaren Rügevorbringen – bedurft, da diese für die Prüfung des vom Landgericht angenommenen Beweisverwertungsverbotes nach § 160a Abs. 1 StPO durch den Senat von Bedeutung sein könnten.

23Aufgrund der bereits aufgezeigten, für sich schon die Unzulässigkeit der erhobenen Verfahrensrügen begründenden Vortragsmängel kommt es nicht mehr entscheidend darauf an, dass die Beschwerdeführerin es bei der Beanstandung der Ablehnung des Beweisantrages betreffend die Vernehmung des Zeugen Kr.     (Beweisantrag 1) zudem versäumt hat mitzuteilen, wie sich der in der Hauptverhandlung vom vernommene Zeuge dort geäußert hat (vgl. Rn. 42; Beschluss vom – 4 StR 21/15, NStZ 2015, 540 f.).

24c) Eine Prüfung materiell-rechtlicher Fehler des Urteils hinsichtlich des freisprechenden Teils ist dem Revisionsgericht dagegen verwehrt. Die erhobene Sachrüge umfasst nicht den Freispruch des Angeklagten R.         . Sie ist auf die Fälle der Verurteilung der Angeklagten G.      , S.          und M.       beschränkt.

25Hinsichtlich des Angriffsziels einer Revision ist der Sinn der Rechtsmittelbegründung maßgeblich. Für Revisionen der Staatsanwaltschaft ist hierbei Nr. 156 RiStBV in den Blick zu nehmen. Danach ist die Staatsanwaltschaft verpflichtet, jedes von ihr eingelegte Rechtsmittel zu begründen (Nr. 156 Abs. 1 RiStBV). Darüber hinaus soll sie ihre Revision stets so rechtfertigen, dass klar ersichtlich ist, in welchen Ausführungen des angefochtenen Urteils sie eine Rechtsverletzung erblickt und auf welche Gründe sie ihre Rechtsauffassung stützt (Nr. 156 Abs. 2 RiStBV). Dies entspricht auch dem Zweck der Vorschrift des § 345 Abs. 2 StPO, die der sachkundigen Zusammenfassung der von der Revision erstrebten rechtlichen Angriffe dient (vgl. Rn. 14; vom – 5 StR 313/21, NStZ-RR 2022, 201; vom – 4 StR 225/22 Rn.15; vom – 2 StR 270/22 Rn. 10). Nach diesen Grundsätzen ist nach dem insoweit maßgeblichen Sinn der Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft der Freispruch des Angeklagten R.        allein mit Verfahrensrügen, nicht jedoch mit sachlich-rechtlichen Beanstandungen angegriffen worden.

26Zwar hat die Staatsanwaltschaft ihrer Revisionsbegründung nach Aufzählung aller Angeklagten einen umfassend formulierten Revisionsantrag wegen der „Verletzung formellen und materiellen Rechts“ vorangestellt. In der folgenden Begründung hat sie indes – nachdem sie in einem Abschnitt unter „A. Verfahrenshistorie“ zunächst – überflüssigerweise – die Anklageschrift und das angefochtene Urteil vollumfänglich wiedergegeben hatte, unter „B. Verfahrensrügen“ allein den Freispruch des Angeklagten R.          betreffende Verfahrensbeanstandungen erhoben. Unter „C. Sachrüge“ wird dann nach mehr als 460 Seiten Revisionsbegründung „die Verletzung materiellen Rechts“ gerügt und – erneut – beantragt, „das mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen.“ Als rechtsfehlerhaft wird dann aber lediglich beanstandet, dass das Landgericht die Angeklagten G.     und S.          nicht wegen bandenmäßigem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 BtMG und den Angeklagten M.        nicht wegen Beihilfe zum bandenmäßigen Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 BtMG, § 27 Abs. 1 StGB verurteilt hat. In der weiteren Begründung dazu heißt es, das Landgericht sei seiner Kognitionspflicht nicht gerecht geworden, weil es „sich in den Urteilsgründen nicht mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob die Angeklagten G.     und S.          gemeinsam mit dem Angeklagten M.        und dem gesondert Verfolgten Mo.     – diese jeweils als Gehilfen – eine Bande“ gebildet hätten. Der Angeklagte R.          wird in diesem Abschnitt der Revisionsbegründung an keiner Stelle erwähnt.

27Nach diesem Inhalt der Revisionsbegründungsschrift richtet sich die von der Staatsanwaltschaft erhobene Sachrüge ausschließlich gegen den die Angeklagten G.    , S.         und M.        betreffenden Schuldspruch, nicht aber auch gegen den Freispruch des Angeklagten R.          . Denn die Staatsanwaltschaft bemängelt insoweit allein das Unterbleiben weiterer Beweiserhebungen, nicht aber die fehlerhafte Würdigung der erhobenen Beweise im Urteil.

28d) Aufgrund der Unzulässigkeit der danach allein zur Begründung der Revision gegen den Angeklagten R.           angebrachten Verfahrensrügen ist das Rechtsmittel ihn betreffend insgesamt unzulässig (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 383/06, NJW 2007, 3010 f.; vom – 4 StR 315/03).

292. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft, mit denen sie mit der Sachrüge die Schuldsprüche der Angeklagten G.    , S.          und M.        angreift, haben Erfolg.

30a) Das Landgericht hat seine Kognitionspflicht (§ 264 Abs. 1 StPO) verletzt.

31Die Kognitionspflicht gebietet, dass der durch die zugelassene Anklage abgegrenzte Prozessstoff durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird. Der Unrechtsgehalt der Tat muss ohne Rücksicht auf die dem Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte Bewertung ausgeschöpft werden, soweit keine rechtlichen Gründe entgegenstehen. Fehlt es daran, ist dies schon auf die Sachrüge hin beachtlich (st. Rspr.; vgl. etwa , NStZ 2022, 409, 410 mwN). So verhält es sich hier.

32aa) Das Landgericht hat rechtsfehlerhaft weder eine Verurteilung der Angeklagten G.     und S.          wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Fall II.1 der Urteilsgründe geprüft (§ 30a Abs. 1 BtMG, § 27 StGB) noch eine Beihilfe des Angeklagten M.        hierzu.

33Wesentliches Merkmal einer Bande ist die auf eine gewisse Dauer angelegte Verbindung von mindestens drei Personen zur gemeinsamen Deliktsbegehung (st. Rspr.; vgl. , BGHSt 46, 321, 325; Urteil vom – 3 StR 83/09, BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 1 Bande 9 mwN). Ausweislich der Feststellungen hatten sich S.           und G.     gegen Ende des Jahres 2018 dazu entschlossen, einen Online-Handel mit Betäubungsmitteln und verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aufzubauen. Dieses Vorhaben setzten sie 2019 plangemäß um und gewannen für die Bearbeitung eingehender Bestellungen den Angeklagten M.       und den gesondert Verurteilten Mo.     . Beide arbeiteten bis zur Beendigung ihrer Tätigkeit Mitte August 2019 gemeinsam in einer zu diesem Zweck angemieteten Arbeitswohnung. Die Miete übernahmen die Angeklagten G.     und S.       , von denen M.       und Mo.     auch ihren Lohn erhielten. M.       kannte sowohl G.     als auch S.          persönlich. Der gesondert Verurteilte Mo.      hatte jedenfalls zu dem sich als „Ra.    “ bezeichnenden Angeklagten S.          elektronischen Kontakt. Damit hätte sich das Landgericht im Urteil auseinandersetzen müssen. Weil es dies nicht bedacht hat, fehlt es auch an Feststellungen zu einer Bandenabrede (vgl. insoweit zum gesondert Verurteilten Mo.      ).

34bb) Soweit bei Tat II.1 der Urteilsgründe nach den Feststellungen Medikamente mit in der Anlage III zu § 1 BtMG genannten Wirkstoffen Alprazolam, Bromazepam, Clonazepam, Diazepam, Lorazepam, Midazolam und Nitrazepam und den dort festgelegten Dosierungen auch ins Ausland geliefert wurden („in andere Länder“), wäre der Tatbestand der unerlaubten Ausfuhr von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG iVm Anlage III, letzter Spiegelstrich, Buchst. b zum BtMG erfüllt (vgl. ; vom – 1 StR 581/09, NStZ 2011, 461 f.), wobei der Angeklagte M.       dazu Beihilfe geleistet haben könnte. Da das Handeltreiben mit den in der Anlage III des BtMG aufgeführten ausgenommenen Zubereitungen nicht dem BtMG unterfällt, würde die Ausfuhr von Betäubungsmitteln nicht vom (bandenmäßigen) Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verdrängt werden (vgl. Rn. 27).

35Das Landgericht hat insoweit keine konkreten Feststellungen bezogen auf die Ausfuhr der oben genannten Stoffe und den darauf bezogenen Vorsatz der Angeklagten getroffen, was sich ebenfalls als rechtsfehlerhaft erweist, da sich die Kognitionspflicht des Landgerichts auch hierauf erstreckt hat. Die von der Staatsanwaltschaft bei Anklageerhebung vorgenommene Beschränkung nach § 154a Abs. 1 StPO betraf nur die in Bezug auf den angeklagten Sachverhalt nach dem Arzneimittelgesetz verwirklichten Straftaten.

36cc) Schließlich hätte das Landgericht eine tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten M.       wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG bei Tat II.1 der Urteilsgründe prüfen müssen.

37Das Landgericht hat nicht erkennbar bedacht, dass er nicht nur den Betäubungsmittelhandel der Angeklagten S.           und G.     durch seinen Tatbeitrag unterstützte, sondern zugleich als Täter Besitz an Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ausgeübt haben könnte (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG).

38Der Angeklagte packte nach den Feststellungen aus einem Vorrat verschiedener Betäubungsmittel, die jeweils für sich genommen schon den Grenzwert der nicht geringen Menge überschritten, Einzelverkaufsmengen ab und brachte sie zum Versand. Diese Handlungen konnten das von einem Besitzwillen getragene tatsächliche Herrschaftsverhältnis im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG begründen (st. Rspr.; vgl. , BGHR BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 2 Besitz 8; Urteil vom – 5 StR 17/23, NStZ-RR 2023, 282 mwN).

39b) Die aufgezeigten Rechtsfehler zwingen zur Aufhebung des Urteils, soweit die Angeklagten G.    , S.        und M.       verurteilt worden sind. Die zum objektiven Geschehen in den Verurteilungsfällen getroffenen rechtsfehlerfreien Feststellungen können bestehen bleiben und um solche ergänzt werden, die ihnen nicht widersprechen.

40c) Das neue Tatgericht wird, soweit sich die Tathandlungen im Fall II.1 der Urteilsgründe auf den Umgang mit 2,64 Kilogramm Haschisch beziehen, das am in Kraft getretene Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KCanG, BGBl. I 2024 Nr. 109) gemäß § 2 Abs. 3 StGB zu beachten haben.

41Bei der Strafzumessung wird außerdem zu berücksichtigen sein, dass der vom Landgericht den Angeklagten G.     und S.        strafmildernd zugute gehaltene Umstand, ein Zugriff der Ermittlungsbehörden wäre schon nach der erfolgreichen Bestellung vom (Tat II.2) möglich gewesen, keinen Strafmilderungsgrund darstellt (vgl. Rn. 138; vom – 5 StR 2/21, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 41; vom – 5 StR 542/20 und 5 StR 207/21, BGHR MRK Art. 6 Abs. 1 Satz 1 fair trial 2 mwN).

423. Für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Entschädigungsentscheidung des Landgerichts (§ 8 Abs. 3 Satz 1 StrEG) ist der Senat nicht zuständig, weil er nicht zugleich über eine zulässige Revision zu entscheiden hat (vgl. Rn. 15 mwN). Zuständig ist das Oberlandesgericht Dresden.

III. Revisionen der Angeklagten G.     und S.       

431. Die vom Angeklagten S.         erhobenen Verfahrensrügen erweisen sich aus den vom Generalbundesanwalt ausgeführten Gründen als erfolglos.

442. Die auf die Sachrüge der Angeklagten G.     und S.          veranlasste Nachprüfung des Urteils führt hinsichtlich beider Angeklagten zur Aufhebung des Schuldspruchs.

45Denn das Handeltreiben im Fall II.1 der Urteilsgründe bezog sich auch auf 2,64 Kilogramm Haschisch. Am ist das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KCanG) in Kraft getreten (BGBl. I 2024 Nr. 109). Nach der Neuregelung unterfällt der Umgang mit Cannabis dem Konsumcannabisgesetz, wenn sich dieses als das mildere Recht erweist (BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 136/24; vom – 5 StR 254/24), was nach § 2 Abs. 3 StGB im Revisionsverfahren zu beachten ist.

46Der Senat hat wegen der aufgrund des Erfolgs der Revisionen der Staatsanwaltschaft veranlassten Prüfung einer bandenmäßigen Tatbegehung der Angeklagten durch das neue Tatgericht – sowohl bezogen auf das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 1 BtMG) als auch mit Cannabis (§ 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG) – von einer Schuldspruchanpassung entsprechend § 354 Abs. 1 iVm § 354a StPO abgesehen, um dem neuen Tatgericht insgesamt einen das strafrechtlich relevante Verhalten der Angeklagten vollständig erfassenden Schuldspruch zu ermöglichen.

473. Die Aufhebung des Schuldspruchs entzieht dem jeweiligen Strafausspruch und den – hinsichtlich des Angeklagten S.          für sich genommen rechtsfehlerfreien – Einziehungsanordnungen die Grundlage.

48Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es nicht (vgl. § 353 Abs. 2 StPO); eine Ergänzung um widerspruchsfreie neue Feststellungen bleibt möglich.

494. Das neue Tatgericht wird zu beachten haben, dass die gegen den Angeklagten G.     getroffene Entscheidung über die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 164.130 Euro als Gesamtschuldner von den bisherigen Feststellungen nicht getragen wird. Den Urteilsgründen kann auch unter Berücksichtigung ihres Zusammenhangs nicht entnommen werden, dass der Angeklagte G.     aus dem Handel mit Betäubungsmitteln einen Geldbetrag in der genannten Höhe im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB erlangte. Nach den Feststellungen leisteten die Kunden des Online-Shops den Kaufpreis für bestellte Betäubungsmittel und andere gehandelte Stoffe ausschließlich in Kryptowährung. Diese (Bitcoin) tauschte der Angeklagte S.          in Euro und ließ sich das Guthaben in Höhe von insgesamt 164.130 Euro an Geldautomaten bar auszahlen. Das ausgezahlte Geld wurde zwischen ihm und dem Angeklagten G.     zu nicht bekannt gewordenen Anteilen geteilt. Eine faktische oder jedenfalls wirtschaftliche (Mit-)Verfügungsgewalt über den Gesamtbetrag (st. Rspr.; vgl. Rn. 7 mwN; vom – 4 StR 102/22 Rn. 8, jeweils mwN) ist damit für den Angeklagten G.     nicht festgestellt.

505. Auf den Angeklagten M.      , der kein Rechtsmittel eingelegt hat, ist die auf die Revisionen der Angeklagten G.     und S.         vorzunehmende Aufhebung des Urteils nicht zu erstrecken (vgl. ).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:051124U5STR599.23.0

Fundstelle(n):
WAAAJ-80398