Instanzenzug: LG Aachen Az: 63 KLs 23/22
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die hiergegen gerichtete und mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründete Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist sie unbegründet.
21. Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts veräußerte der Angeklagte in den Fällen 2, 4 und 5 der Anklage jeweils 500 Gramm Marihuana mit einem THC-Gehalt von 10% und in den Fällen 3 und 6 der Anklage jeweils 1 kg Amphetamin mit einem Baseanteil von 10% gewinnbringend an den anderweitig Verfolgten K. . Im Fall 8/9 der Anklage, soweit über diesen nach einer Verfolgungsbeschränkung gemäß § 154a Abs. 2 StPO noch zu entscheiden war, beschaffte sich der Angeklagte Marihuana zum gewinnbringenden Verkauf, das er teilweise an K. schickte und teilweise in seiner Wohnung verwahrte, wo er auch einen zur Verletzung von Menschen bestimmten Elektroschocker griffbereit aufbewahrte.
32. Während die Verurteilung des Angeklagten in den Fällen 3 und 6 der Anklage keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten aufweist, hat der Schuldspruch in den Fällen 2, 4, 5 und 8/9 der Anklage keinen Bestand.
4a) Das Landgericht hat den Angeklagten für seinen Umgang mit Marihuana in diesen Fällen – entsprechend der zum Urteilszeitpunkt geltenden Rechtslage – nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt. Am ist jedoch das Konsumcannabisgesetz (KCanG) vom in Kraft getreten (BGBl. I 2024 Nr. 109). Danach unterfällt Marihuana nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, sondern dem Konsumcannabisgesetz.
5b) Ob deshalb in den Fällen 2, 4, 5 und 8/9 der Anklage das neue Recht als für den Angeklagten günstiger gemäß § 2 Abs. 3 StGB zur Anwendung zu bringen ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Dies richtet sich nach einem konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall (st. Rspr.; vgl. , BGHSt 67, 130 Rn. 12 f. mwN; vom – 3 StR 412/22, NZWiSt 2024, 187 Rn. 70; Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl., § 2 Rn. 28 ff. mwN; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321, 327), der in der Revisionsinstanz kein abschließendes Ergebnis liefert.
6aa) Die Strafkammer hat in den Fällen 2, 4 und 5 der Anklage jeweils einen minder schweren Fall gemäß § 29a Abs. 2 BtMG angenommen. Ob hinsichtlich dieser Taten das neue Recht nach dem Konsumcannabisgesetz für den Angeklagten bei dem nach § 2 Abs. 3 StGB gebotenen konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall günstiger und damit zur Anwendung zu bringen ist oder es ungeachtet der Rechtsänderung bei dem Schuldspruch nach dem Betäubungsmittelgesetz bleibt, hängt deshalb davon ab, ob die Taten nach neuem Recht als besonders schwere Fälle (§ 34 Abs. 3 KCanG) zu werten sind – dann wäre das neue Recht nicht milder und gemäß § 2 Abs. 1 StGB das Tatzeitrecht weiter maßgeblich – oder der Strafrahmen des § 34 Abs. 1 KCanG Anwendung findet. Im letztgenannten Fall wäre das neue Recht für den Angeklagten günstiger. Bei dieser Entscheidung handelt es sich um einen Strafzumessungsakt, der allein dem Tatgericht obliegt (vgl. , Rn. 5). Der Senat kann nicht mit der gebotenen Sicherheit entscheiden, ob die Strafkammer bei Anwendung des Konsumcannabisgesetzes trotz der jeweils nicht geringen Menge des tatgegenständlichen Marihuanas einen besonders schweren Fall gemäß § 34 Abs. 3 KCanG verneint und die Strafe dem Strafrahmen des § 34 Abs. 1 KCanG entnommen hätte.
7bb) Im Fall 8/9 der Anklage hängt das Ergebnis des gemäß § 2 Abs. 3 StGB gebotenen konkreten Gesamtvergleichs davon ab, ob Sonderstrafrahmen Anwendung finden. Die Strafkammer hat insoweit einen minder schweren Fall im Sinne von § 30a Abs. 3 BtMG angenommen. Der sich daraus ergebende Strafrahmen (sechs Monate bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe) – eine Sperrwirkung nach § 29a Abs. 1 BtMG hat die Strafkammer verneint – ist zwar günstiger als der Regelstrafrahmen des § 34 Abs. 4 KCanG (zwei Jahre Mindeststrafe), indes weniger günstig als der Strafrahmen eines minder schweren Falles des § 34 Abs. 4 KCanG (drei Monate bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe). Ob das Tatgericht einen minder schweren Fall des § 34 Abs. 4 KCanG angenommen oder verneint hätte, kann der Senat nicht entscheiden.
83. Die Aufhebung des Schuldspruchs in den Fällen 2, 4, 5 und 8/9 der Anklage führt zum Wegfall der in diesen Fällen verhängten Einzelstrafen und entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage. Sie zieht weiter die Aufhebung der auf diese Fälle bezogenen Einziehung des Wertes von Taterträgen nach sich. Die Einziehung des sichergestellten Mobiltelefons, auf dessen Herausgabe der Angeklagte ausweislich der Urteilsgründe verzichtet hatte, ist hiervon nicht betroffen.
94. Einer Aufhebung der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Soweit die Strafkammer zu Gunsten des Angeklagten gewertet hat, dass es sich bei Cannabis um eine weiche Droge handele, und damit einen unter der Geltung des Konsumcannabisgesetzes nicht mehr statthaften Strafzumessungsgrund herangezogen hat, handelt es sich um eine bloße Wertung und keine Tatsachenfeststellung, die im Falle der Anwendung des Betäubungsmittelgesetzes in den Fällen 2, 4, 5 und 8/9 der Anklage zutreffend bleibt. Das zur neuen Verhandlung und Entscheidung berufene Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese den bisherigen nicht widersprechen.
Menges Meyberg Grube
Schmidt Zimmermann
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:090924B2STR342.24.0
Fundstelle(n):
WAAAJ-80077