Online-Nachricht - Donnerstag, 21.11.2024

Körperschaftsteuer | Zusammenfassung von Betrieben gewerblicher Art gem. § 4 Abs. 6 S. 1 KStG (BFH)

Auch bei einer Zusammenfassung von mehr als zwei Betrieben gewerblicher Art (BgA) müssen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 bis 3 KStG jeweils zwischen allen BgA, die zusammengefasst werden sollen, einzeln vorliegen (gegen , BStBl I 2009, 1303, Rz 5 Satz 2 und 3) (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt: Die Klägerin, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, betrieb u.a. die Betriebe Wasserversorgung und ein Freibad. Im Jahr 2007 errichtete sie ein Blockheizkraftwerk (BHKW) zur Beheizung des Freibads. Der erzeugte Strom wurde verkauft, und die Wärme wurde während der Freibadsaison hauptsächlich vom Schwimmbad genutzt, außerhalb der Saison von Kunden im Neubaugebiet. Ausgehend von der Annahme, dass ein BgA "Versorgung" bestehe, zu dem das Freibad, die BHKW und die Wasserversorgung gehören sollten, verrechnete die Klägerin, die negativen Einkünfte aus dem Betrieb des Freibades mit den Einkünften aus der Wasserversorgung und der Strom- und Wärmeerzeugung aus dem Betrieb der BHKW.

Das FA erkannte das Freibad als eigenständigen BgA an, der nicht mit den anderen BgA zusammengefasst werden könne. Das Finanzgericht (FG) entschied jedoch durch ein zweistufiges Prüfungsverfahren, dass die BgA "BHKW" und "Wasserversorgung" zusammengefasst werden könnten und diese anschließend mit dem BgA "Freibad" ebenfalls zusammengefasst werden könnten, da eine enge technisch-wirtschaftliche Verflechtung bestehe.

Die Revision des FA hatte Erfolg und die Richter des BFH hoben das Urteil des FG auf:

  • Ein BgA kann gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 KStG mit einem oder mehreren anderen BgA zusammengefasst werden, wenn sie gleichartig sind, zwischen ihnen nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht besteht oder BgA im Sinne des § 4 Abs. 3 KStG (Versorgungs , Verkehrs- oder Hafenbetriebe) vorliegen. Diese mit dem Jahressteuergesetz 2009 eingefügten Voraussetzungen beruhen auf den vom BFH zuvor entwickelten "Zusammenfassungsgrundsätzen", so dass die bisher hierzu ergangene Rechtsprechung weiterhin grundsätzlich herangezogen werden kann (, BFH/NV 2023, 962, Rz 11; , BFH/NV 2023, 828, Rz 19; , BFHE 271, 521, BStBl II 2021, 872, Rz 24; , BFHE 265, 230, Rz 26).

  • § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG ermöglicht keine abgestufte Kettenbetrachtung, bei der mehrere BgA gedanklich nacheinander zusammengefasst werden (Kettenzusammenfassung), wenn dies bei einer zeitgleichen Betrachtung, also in einem Zusammenfassungsvorgang, nicht möglich wäre. Daher müssen auch bei einer Zusammenfassung von mehr als zwei BgA die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 bis 3 KStG jeweils zwischen allen BgA, die zusammengefasst werden sollen, vorliegen.

  • Danach ist das Urteil des FG aufzuheben. Bei der Zusammenfassung eines in einem ersten Schritt gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 bis 3 KStG zusammengefassten BgA mit einem weiteren BgA gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG in einem zweiten Schritt muss die enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung von einigem Gewicht zwischen allen zusammenzufassenden BgA gegeben sein. Das FG hat demgegenüber in Bezug auf die Zusammenfassung des BgA "Freibad" mit dem aus dem BgA "BHKW" und dem BgA "Wasserversorgung" zusammengefassten BgA "BHKW/Wasserversorgung" die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG nur in Bezug auf den BgA "BHKW" geprüft, ohne gesondert festzustellen, ob nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse objektiv eine enge wechselseitige technisch-wirtschaftliche Verflechtung im Sinne von § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 KStG auch zwischen dem BgA "Freibad" und dem BgA "Wasserversorgung" vorlag.

Anmerkung von Dr. Ruben Martini, Richter im V. Senat des BFH:

Zwischen den Beteiligten des vor dem BFH geführten Verfahrens war zunächst ausschließlich streitig, ob die in dem BMF-Schreiben v. 12.11.2009 (BStBl I 2009, 1303, Rz 5) für eine Zusammenfassung eines BgA mit einem bereits zusammengefassten BgA aufgestellten Voraussetzungen - wonach die Zusammenfassungsvoraussetzungen grundsätzlich nur zwischen diesem BgA und einem der BgA des zusammengefassten BgA vorliegen müssen - in der Sache erfüllt waren. Der V. BFH-Senat entschied in seinem Besprechungsurteil hingegen, dass die vom BMF zugelassene „Kettenzusammenfassung“ schon von vornherein nicht mit der gesetzlichen Regelung des § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 bis 3 KStG vereinbar ist. Vielmehr müssen – woran es in dem vom BFH entschiedenen Streitfall fehlte - die Voraussetzungen des § 4 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 bis 3 KStG jeweils zwischen allen BgA, die zusammengefasst werden sollen, einzeln vorliegen.

Wie auch im unionsrechtlich vorgegebenen Beihilfenrecht oftmals der Fall, konnte der BFH seiner Rolle als neutraler Sachwalter lediglich aufgrund des Umstandes, dass die Beteiligten über die sachlichen Voraussetzungen einer von der Finanzverwaltung über die gesetzliche Regelung hinaus gewährten Vergünstigung stritten, nachkommen. Insoweit spielte insbesondere keine Rolle, dass es sich bei der Klägerin um eine Anstalt des öffentlichen Rechts handelte und – gleichsam dem Argumentationsmuster „linke Tasche, rechte Tasche“ - die von ihr geleisteten Steuerzahlungen aus öffentlichen Haushalten (und damit im Ergebnis ebenfalls aus Steuermitteln) bestritten werden. Ist die Bereitstellung von freiwilligen Einrichtungen der Daseinsvorsorge durch die Kommunen politisch gewünscht, sollte dies - schon aufgrund der unterschiedlichen Aufkommensverteilungen und unter Berücksichtigung des unionsrechtlichen Beihilfeverbotes – ausschließlich durch unmittelbare Bereitstellung von Haushaltsmitteln und nicht mit steuerrechtlich überbrachten Vergünstigungen in Form der Quersubventionierung defizitärer BgA verfolgt werden.

Quelle: (gr)

Fundstelle(n):
BAAAJ-79453