Ziele mit Risiken und Nebenwirkungen: Financial Covenants in Beratung und Prüfung durch WP
Liebe Leserinnen und Leser,
jeder Wanderer kennt das Problem: Ohne Ziel wird es schwer, einen Weg zu finden. Soweit – so einfach. Wer es etwas belesener ausdrücken möchte und sich als Liebhaber antiker Schriften oder versierter Nutzer von Internetsuchmaschinen ausweisen will, findet dann z. B. ein auf Seneca zurückgehendes Zitat, das frei übersetzt lautet: Wer nicht weiß, wohin er segeln möchte, dem ist kein Wind günstig. Und obwohl die Formulierung eines Ziels zu Beginn einer jeden Unternehmung unmittelbar einleuchtet, fehlt es doch in einer erstaunlichen Zahl von Fällen an genau diesem. Der dänische Ökonom Bent Flyvbjerg hat sogar eine unzureichende Zielformulierung als eine der wesentlichen Ursachen ausgemacht, an der Projekte von der Küchenrenovierung oder Atommüllendlagerung über die Sanierung eines Museums oder eines IT-Großprojekts bis zum Bau eines Flughafens oder einer Hochgeschwindigkeitsstrecke scheitern können, wie seinem sehr lesenswerten Buch „How Big Things Get Done“ zu entnehmen ist. Damit Kreditgeber sicher sein können, dass die Kreditnehmer mit den ihnen anvertrauten Mitteln nur das Vereinbarte tun, gibt es aus der angelsächsischen Vertragspraxis kommend in den Verträgen Zielvereinbarungen in der Gestalt von Nebenabreden, die dem Kreditnehmer Verhaltenspflichten auferlegen, bestimmte Dinge zu tun oder auch nicht zu tun. Diese Covenants sollen die Risiken der Kreditgewährung minimieren und Informationsasymmetrien ausgleichen; sie reichen von der Einhaltung bestimmter Bilanzkennzahlen bis hin zur Verpflichtung, bestimmte Geschäftsprozesse aufrechtzuerhalten. Wirtschaftsprüfer kommen in ihrer Praxis immer wieder einmal mit solchen Financial Covenants in Berührung: sei es in der Vertragsverhandlung und Beratung des Mandanten oder sei es bei der Bestätigung, dass die Vereinbarungen eingehalten werden. Diese Ziele tatsächlich einzuhalten, ist dabei keineswegs trivial, weil eine nicht einfach zu behebende Abweichung strenggenommen bedeuten kann, dass der Kreditgeber seinen Kredit fällig stellen darf, sodass die Unternehmung während der Dauer der Abweichung praktisch mit einem Bein in der Insolvenz steht. All dies war Anlass für Prof. Dr. Michael Währisch sich mit Financial Covenants aus der Sicht der Wirtschaftsprüfer einmal etwas näher zu befassen, ein Thema, zu dem erstaunlicherweise nicht übermäßig viel in der Literatur zu finden ist. In dieser Ausgabe stellt er ab das Instrument Financial Covenants vor, systematisiert es und zeigt, wie Wirtschaftsprüfer ihren Mandanten dabei hilfreich zur Seite stehen können. In der kommenden Ausgabe befasst er sich dann in einem zweiten Teil detailliert mit dem prüferischen Vorgehen.
Außerdem in diesem Heft: Prof. Dr. Henning Zülch und WP/StB Tanja Gemünden zeigen, wie sich der CSRD-Nachhaltigkeitsbericht als integrativer Teil der Lageberichterstattung verstehen lässt und ob Verweise allein genügen. WP Prof. Dr. Markus Widmann und Maximilian Schoichet zeigen in der Rubrik „Angewandte Prüfungsmethodik“ diesmal, wie sich die Schichtung von z. B. Konteninformationen mit MS-Excel bewerkstelligen lässt. In den Examensfällen von Prof. Dr. Henner Klönne geht es um eine Zuschlags- und Maschinenstundensatzkalkulation, während WP/StB Prof. Dr. Christian Hanke sich der Befreiung von der Nachhaltigkeitsberichterstattung im Zusammenhang mit § 296 Abs. 2 HGB widmet.
Herzliche Grüße
Christoph Linkemann
Fundstelle(n):
WP Praxis 12/2024 Seite 329
RAAAJ-79332