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Die ESG-Risiko-Scoring-Systeme der Kreditinstitute
Individuelle Einflussmöglichkeiten von Unternehmen
Nachhaltige Unternehmensfinanzierung ist für Berater immer schon eine selbstverständliche Beratungsaufgabe gewesen. Die Zielrichtung dabei lautet: Die Unternehmensfinanzierung für den Mandanten dauerhaft zu sichern durch eine auf das Geschäftsmodell des Unternehmens abgestimmte Finanzierungsstrategie. Nachhaltigkeit in der Unternehmensfinanzierung bekommt jetzt allerdings eine zweite Bedeutung: Es geht darum, wie nachhaltig das Geschäftsmodell des Unternehmens für die Zukunft aufgestellt ist mit Blick auf die drei Nachhaltigkeits-Indikatoren E, S und G. Denn neben der Bonität prüfen Kreditgeber zunehmend auch diese Frage. Damit ergeben sich auch in der Finanzierungsberatung neue Frage- und Aufgabestellungen im Hinblick auf die neuen Bewertungssysteme zu diesen Themenbereichen bei Banken und Sparkassen. Im ersten Teil in NWB-BB 11/2024 S. 326, NWB FAAAJ-77554, wurden Grundlagen und Details der ESG-Risiko-Scoring-Systeme der Kreditinstitute beschrieben. Der folgende zweite Teil beschreibt, wie Berater ihre Mandanten dabei unterstützen können, ihre unternehmensindividuelle Situation und damit besonders ihre ESG-Stärken in die Bewertungssysteme ihrer kreditgebenden Banken einzubringen.
Eine unternehmensindividuelle Ergänzung der derzeit verwendeten pauschalen Zwei-Faktoren-Modelle für das ESG-Risiko ist vorgesehen.
Die Institute gehen unterschiedlich mit der individuellen Ergänzung um hinsichtlich der Größe der Kreditengagements und des Umfangs der Individualisierung.
Die aktuelle Unternehmensbefragung der KfW zeigt, dass die Ergebnisse des ESG-Risiko-Scorings immer relevanter werden.
Die Möglichkeiten der Individualisierung sind umfangreich und von den Datenanforderungen zum Teil komplex; damit sind sie eine Herausforderung für Berater und Unternehmen.
Es kommt entscheidend auf die Informationen an, die Unternehmen an ihre Kreditgeber geben (können).
Es erwächst eine neue Beratungsaufgabe in der Bankenkommunikation und in der Umsetzungsunterstützung bei den Unternehmen.
I. Das derzeitige Zwei-Faktoren-Modell und dessen Individualisierung
Die ESG-Risiko-Scoring-Systeme von Sparkassen und Genossenschaftsbanken als wesentliche Finanzierer kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) beurteilen derzeit pauschal zwei Faktoren, um zu einer ESG-Risiko-Bewertung zu kommen:
Den Standort des Unternehmens auf Basis der im EDV-System der Bank verarbeiteten Postleitzahl.
Die Branche des Unternehmens auf Basis der im EDV-System der Bank verarbeiteten Branchenzuordnung auf Grundlage der WZ 2008-Klassifikation des Statistischen Bundesamts.
Dass eine solche pauschale Bewertung der jeweiligen unternehmensindividuellen Situation in den meisten Fällen nicht gerecht werden kann, liegt auf der Hand. Im Teil 1 in NWB-BB 11/2024 S. 326, NWB FAAAJ-77554, wurde diese Problematik ausführlich beschrieben.
Diese Tatsache ist natürlich auch den Kreditinstituten bewusst. Daher sehen die ESG-Risiko-Scoring-Systeme vor, dass die Institute die pauschale Zwei-Faktoren-Bewertung durch unternehmensindividuelle Angaben ergänzen können. Damit kann sich die Bewertung verbessern oder ggf. auch verschlechtern. Wie die Institute aktuell damit umgehen, ist aber offensichtlich unterschiedlich und sollte deshalb Gesprächsthema sein.
II. Individualisierung der ESG-Risiko-Scorings: Für welche Unternehmen?!
Welche Unternehmen in den „Genuss“ einer Individualisierung kommen, kann von Institut zu Institut unterschiedlich sein. Dabei werden sowohl Aspekte der Risikointensität des S. 357gesamten Kreditportfolios des Instituts (z. B. regionale und/oder Branchenschwerpunkte) als auch Fragen der Prozess-Produktivität relevant sein. Außerdem spielt auch hier eine Vorgabe der Mindestanforderungen an das Risikomanagement der Kreditinstitute (MaRisk) der Bankenaufsicht eine Rolle.
Steiner, Die neuen MaRisk und ihre Auswirkungen auf die Kreditvergabe, NWB-BB 1/2024 S. 16, NWB AAAAJ-55200
Die MaRisk geben den Instituten die Möglichkeit bezüglich der Risikobetrachtung und Prozess-Produktivität zwei Gruppen von Kreditnehmern zu unterscheiden: Firmenkunden im „risiko-relevanten“ Kreditgeschäft und Firmenkunden im „nicht risiko-relevanten“ Kreditgeschäft.
1. Firmenkunden im „risiko-relevanten“ Kreditgeschäft
Maßstab hierfür ist die Höhe aller ausgereichten Kredite an einen Kunden („Gesamtengagement“). Jedes Institut legt diese Grenze selbst fest. Je größer eine Bank (Maßstab: Bilanzsumme der Bank), desto höher wird diese Grenze liegen. Dieses Segment beginnt spätestens bei einem Gesamtengagement von 750 T€. Wenn das Gesamtengagement eines Unternehmens bei einer seiner Banken also über 750 T€ liegt, zählt dieses Unternehmen für diese Bank auf jeden Fall zum „risiko-relevanten“ Kreditgeschäft. Aber Achtung: Bei vielen Instituten liegt die Risiko-Relevanz-Grenze mehr oder weniger deutlich unter 750 T€. Berater sollten also die Risiko-Relevanz-Grenzen der Institute in ihrer Region kennen.