Ordnungsmittelverfahren - Rechtsbeschwerde
Leitsatz
Der Statthaftigkeit einer zugelassenen Rechtsbeschwerde im Ordnungsmittelverfahren nach einer einstweiligen Unterlassungsverfügung steht die Begrenzung des Instanzenzugs im arbeitsgerichtlichen einstweiligen Verfügungsverfahren nicht entgegen. Das Ordnungsmittelverfahren ist als selbständige Folgesache mit einem eigenen Rechtsmittelzug ausgestattet.
Gesetze: § 72 Abs 4 ArbGG, § 62 Abs 2 S 1 ArbGG, § 890 Abs 2 ZPO, § 890 Abs 1 ZPO, § 929 Abs 2 ZPO
Instanzenzug: ArbG Dessau-Roßlau Az: 8 Ga 1/23 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt Az: 8 Ta 7/24 Beschluss
Gründe
1I. Die Vollstreckungsschuldnerin (Schuldnerin) wendet sich gegen die Androhung eines Ordnungsgeldes, ersatzweise Ordnungshaft nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 890 Abs. 2 ZPO.
2Die Schuldnerin ist eine staatliche Stiftung des öffentlichen Rechts. Auf Antrag der Vollstreckungsgläubigerin (Gläubigerin) wurde der Schuldnerin durch - 8 Ga 1/23 -; im Folgenden Verfügungsurteil) vorläufig untersagt, die im August 2023 bei der Schuldnerin ausgeschriebene Stelle einer Direktorin/eines Direktors mit einer anderen Bewerberin oder einem anderen Bewerber zu besetzen, „bis im Hauptsacheverfahren über die Berücksichtigung der Verfügungsklägerin als Kandidatin im Auswahlverfahren rechtskräftig entschieden worden ist.“ Das Verfügungsurteil ist der Schuldnerin von Amts wegen, nicht jedoch auf Betreiben der Gläubigerin zugestellt worden.
3Mit am beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz hat die Gläubigerin beantragt, der Schuldnerin für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Urteilsverfügung vom ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, anzudrohen. Die Schuldnerin hat die Zurückweisung des Antrags begehrt und ausgeführt, ein dem Tenor des Verfügungsurteils entsprechendes Hauptsacheverfahren sei ihr nicht bekannt. Ohnehin sei die Androhung von Ordnungsmitteln wegen ihrer Bindung an Recht und Gesetz obsolet. Ergänzend hat sie erklärt, die im August 2023 ausgeschriebene Stelle bis zu einer Entscheidung über eine Berufung gegen das Verfügungsurteil nicht mit einem/einer anderen Stellenbewerber/in zu besetzen.
4Mit Beschluss vom , der Schuldnerin von Amts wegen zugestellt am , hat das Arbeitsgericht dem Antrag der Gläubigerin entsprochen, wobei es die ersatzweise angedrohte Ordnungshaft umfänglich nicht weiter konkretisiert hat. Dagegen hat die Schuldnerin mit am gleichen Tag beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz vom sofortige Beschwerde erhoben. Ebenfalls mit Schriftsatz vom hat sie beim Landesarbeitsgericht (- 8 SaGa 9/23 -) gegen das Verfügungsurteil des Arbeitsgerichts Berufung eingelegt. Zur Begründung ihrer sofortigen Beschwerde hat sie geltend gemacht, mangels Parteizustellung innerhalb der gesetzlichen Vollziehungsfrist sei der Unterlassungstitel nicht mehr vollstreckbar. Weiterhin hat sie erklärt, sie werde sich im Fall der Zurückweisung ihrer Berufung gegen das Verfügungsurteil dieser Entscheidung beugen.
5Das Landesarbeitsgericht hat die sofortige Beschwerde, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat, mit Beschluss vom (- 8 Ta 7/24 -) zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Schuldnerin mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Gläubigerin begehrt.
6Im Verlauf des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat das Landesarbeitsgericht durch Urteil vom (- 8 SaGa 9/23 -) auch die Berufung der Schuldnerin gegen das Verfügungsurteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen.
7II. Die zulässige Rechtsbeschwerde bleibt mit der aus dem Tenor ersichtlichen Maßgabe ohne Erfolg.
81. Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund ihrer Zulassung durch das Landesarbeitsgericht statthaft (§ 78 Satz 1 ArbGG iVm. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 78 Satz 1 ArbGG iVm. § 575 ZPO). Insbesondere steht der Statthaftigkeit nicht entgegen, dass die Gläubigerin die Androhung von Ordnungsmitteln hinsichtlich einer Urteilsverfügung begehrt. Ist Gegenstand des Ausgangsverfahrens eine einstweilige Verfügung, endet insoweit der Instanzenzug zwar gemäß § 72 Abs. 4 ArbGG beim Landesarbeitsgericht (vgl. - zu II der Gründe, BAGE 104, 302). Diese Begrenzung gilt aber nicht für das Ordnungsmittelverfahren, das als selbständige Folgesache mit einem eigenen Rechtsmittelzug ausgestattet ist (vgl. - Rn. 10 mwN).
92. Die Rechtsbeschwerde ist weitgehend unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die - zulässige - sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Androhungsbeschluss des Arbeitsgerichts in der Sache zu Recht zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für die Androhung von Ordnungsmitteln im Beschlusswege nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 890 Abs. 2 ZPO liegen vor. Soweit es im Tenor des arbeitsgerichtlichen Beschlusses an der Bezeichnung des Ausmaßes der angedrohten Ersatzordnungshaft fehlt, konnte der Senat die gebotene Konkretisierung selbst vornehmen und den Beschluss auch hinsichtlich der Vertretungsperson, an der eine ggf. festzusetzende Ersatzordnungshaft zu vollziehen wäre, ergänzen.
10a) Die Gläubigerin hat die Androhung von Ordnungsmitteln, nachdem das Verfügungsurteil eine solche Androhung nicht enthielt, iSv. § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 890 Abs. 2 ZPO ordnungsgemäß beim Arbeitsgericht als zuständigem Prozessgericht des ersten Rechtszugs beantragt. Einer konkreten Angabe des Ausmaßes der anzudrohenden Ordnungsmittel im Antrag des Gläubigers bedarf es grundsätzlich nicht (vgl. Seibel in Zöller ZPO 35. Aufl. § 890 ZPO Rn. 13; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Sturhahn 7. Aufl. ZPO § 890 Rn. 9).
11b) Das nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 936 iVm. § 929 Abs. 1 ZPO vorläufig vollstreckbare Verfügungsurteil ist inhaltlich vollstreckungsfähig. Nach dem Tenor des Verfügungsurteils hat die Schuldnerin eine bestimmt bezeichnete Handlung, nämlich die Besetzung der im August 2023 ausgeschriebenen Stelle einer Direktorin/eines Direktors mit einer anderen Bewerberin oder einem anderen Bewerber, zu unterlassen. Es bestehen auch keine Unklarheiten mit Blick auf die im Tenor angesprochene Hauptsache. Die in der Urteilsformel enthaltene Formulierung „bis im Hauptsacheverfahren über die Berücksichtigung der Verfügungsklägerin als Kandidatin im Auswahlverfahren rechtskräftig entschieden worden ist“ bezieht sich - jedenfalls unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe, die bei der Auslegung des Vollstreckungstitels ergänzend heranzuziehen sind (zuletzt etwa - Rn. 9 mwN) - unzweifelhaft auf eine Klage auf Einbeziehung der Gläubigerin in das Auswahlverfahren für die im August 2023 ausgeschriebene Stelle einer Direktorin/eines Direktors bei der Schuldnerin. Nach der Begründung des Verfügungsurteils wird mit der einstweiligen Verfügung ein Bewerbungsverfahrensanspruch der Gläubigerin aus Art. 33 Abs. 2 GG ausschließlich im Hinblick auf das Auswahlverfahren gesichert, das mit der im August 2023 erfolgten Stellenausschreibung eingeleitet worden ist. Ein Bezug zu einem früheren Stellenbesetzungsverfahren betreffend die nämliche Stelle, das seitens der Schuldnerin abgebrochen wurde, besteht nicht.
12c) Der Titel hat, nachdem das Landesarbeitsgericht mit Urteil vom (- 8 SaGa 9/23 -) zwischenzeitlich die Berufung der Schuldnerin gegen das Verfügungsurteil des Arbeitsgerichts zurückgewiesen hat, auch weiterhin Bestand. Darauf, ob die Gläubigerin ein dem Tenor des Verfügungsurteils entsprechendes Hauptsacheverfahren eingeleitet hat, kommt es nicht an. Dies wäre allenfalls beachtlich, wenn die Gläubigerin einer ihr nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 926 ZPO - ggf. durch gesonderten Beschluss - gesetzten Frist zur Einleitung eines solchen Verfahrens nicht nachgekommen und daraufhin die einstweilige Verfügung auf Antrag der Schuldnerin aufgehoben worden wäre. Hier ist schon eine Fristsetzung zur Erhebung der Hauptsacheklage nicht erkennbar. In das Verfügungsurteil wurde eine solche Frist jedenfalls nicht aufgenommen.
13d) Einer Vollstreckungsklausel bedurfte es nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 936 iVm. § 929 Abs. 1 ZPO nicht.
14e) Der Antrag der Gläubigerin ist auch nicht mangels fristgerechter Vollziehung der Unterlassungsverfügung nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 936 iVm. § 929 Abs. 2 ZPO unstatthaft.
15aa) Nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 936 iVm. § 929 Abs. 2 ZPO ist die Vollziehung einer durch Urteil erlassenen einstweiligen Verfügung unstatthaft, wenn seit dem Tag, an dem sie verkündet worden ist, ein Monat verstrichen ist. Unter „Vollziehung“ in diesem Sinne ist die Einleitung der Zwangsvollstreckung aus der einstweiligen Verfügung zu verstehen. Der Gläubiger muss innerhalb der Vollziehungsfrist des § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 929 Abs. 2 ZPO aktiv werden, indem er von dem Titel Gebrauch macht; dies gilt auch für eine auf Unterlassung gerichtete einstweilige Verfügung (vgl. - Rn. 32 ff., BAGE 124, 80; - zu B II 1 c der Gründe, BGHZ 120, 73). Die Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO hat den Zweck, dass der Vollstreckungsschuldner nicht über Gebühr im Ungewissen gelassen wird, ob er noch aus dem Titel in Anspruch genommen werden soll. Sie ist zum Schutz des Schuldners vor der Erwirkung von Entscheidungen auf Vorrat und ihrer Durchsetzung erst nach längerer Zeit und unter veränderten Umständen erforderlich ( -; - Rn. 15 mwN, BGHZ 180, 72; - IX ZR 211/89 - zu 1 b aa der Gründe mwN, BGHZ 112, 356). Nach Ablauf der Vollziehungsfrist ist der Titel nicht mehr im Wege der Zwangsvollstreckung durchsetzbar. Das gilt auch für Unterlassungsverfügungen, mit denen es - wie hier - einem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber untersagt worden ist, zur Sicherung des grundrechtsgleichen Rechts eines Bewerbers auf gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt nach Art. 33 Abs. 2 GG, dh. des Bewerbungsverfahrensanspruchs des Gläubigers, eine ausgeschriebene Stelle mit einem Konkurrenten zu besetzen (vgl. - Rn. 44 mwN, aaO).
16bb) Die Gläubigerin hat die Unterlassungsverfügung binnen der Monatsfrist des § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 929 Abs. 2 ZPO, die am Tag der Verkündung des Verfügungsurteils, dh. am begann und mit Ablauf des endete (§ 222 Abs. 1 ZPO iVm. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB), vollzogen.
17(1) Allerdings stellt, wovon auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen ist, die am erfolgte amtswegige Zustellung des Verfügungsurteils für sich alleine keine Vollziehung im Sinne des Gesetzes dar. Der Amtszustellung fehlt - weil sie vom Gericht veranlasst wird - das „spezifisch vollstreckungsrechtliche Element“, dass der Gläubiger tätig wird und seinen Willen kundgibt, von dem Titel zwangsweise Gebrauch zu machen ( - Rn. 37, BAGE 124, 80; - zu B II 1 d der Gründe, BGHZ 120, 73).
18(2) Es kann dahinstehen, ob allein die Zustellung einer Unterlassungsverfügung im Parteibetrieb, entweder durch den Gerichtsvollzieher (§ 192 Satz 1 ZPO) oder von Anwalt zu Anwalt (§ 195 Abs. 1 ZPO), als Vollziehung genügt (offengelassen auch durch - Rn. 38, BAGE 124, 80) oder ob zur Vollziehung durch Parteizustellung stets zusätzlich eine Ordnungsmittelandrohung erforderlich ist (so - zu I 1 c der Gründe, BGHZ 131, 141; - IX ZR 148/88 - zu II 2 a bb der Gründe mwN; zustimmend Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Schuschke/Kessen 7. Aufl. ZPO § 929 Rn. 29 mwN; zum Meinungsstand vgl. Clemenz NZA 2005, 129, 131 f.). Die Unterlassungsverfügung wurde der Schuldnerin nicht im Parteibetrieb zugestellt.
19(3) Die Gläubigerin hat die Vollziehungsfrist aber dadurch gewahrt, dass sie die Androhung von Ordnungsmitteln nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 890 Abs. 2 ZPO durch gesonderten Beschluss erwirkt hat, wobei dieser Beschluss der Schuldnerin vor Ablauf der Vollziehungsfrist, nämlich am , nach § 329 Abs. 3 ZPO von Amts wegen zugestellt wurde. Eine Parteizustellung des Verfügungsurteils war neben den amtswegig veranlassten und vor Ablauf der Vollziehungsfrist erfolgten Zustellungen nicht geboten.
20(a) Bei einem durch Urteilsverfügung ausgesprochenen Unterlassungsgebot ist die Zustellung des Titels im Parteibetrieb nicht der einzig mögliche Weg der Vollziehung. Denn nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. §§ 936, 922 Abs. 2 ZPO ist die Parteizustellung nur für die ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss angeordnete einstweilige Verfügung vorgeschrieben. Für die durch Urteil erlassene einstweilige Verfügung, die bereits mit ihrer Verkündung wirksam wird, enthält das Gesetz keine von den § 317 Abs. 1 Satz 1, § 750 Abs. 1 ZPO abweichenden Vorschriften. Das Erfordernis einer Parteizustellung ergibt sich insoweit auch nicht aus Sinn und Zweck der Vorschriften über die Vollziehung einer einstweiligen Verfügung, insbesondere über die Vollziehungsfrist nach § 929 Abs. 2 ZPO ( - zu II 2 a bb der Gründe). Der Gläubiger kann deshalb seinen Willen, von einer durch Urteil erlassenen Unterlassungsverfügung Gebrauch zu machen, auch auf andere Weise als durch Parteizustellung dokumentieren, etwa - soweit der Titel bereits eine Ordnungsmittelandrohung enthält - durch einen Antrag auf Festsetzung von Ordnungsmitteln nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 890 Abs. 1 ZPO (vgl. - Rn. 40, BAGE 124, 80; - zu II 2 a bb der Gründe; aA Stein/Jonas/Bruns 23. Aufl. § 929 ZPO Rn. 20).
21(b) Enthält die nur im Amtsbetrieb zugestellte, durch Urteil erlassene Unterlassungsverfügung nicht bereits die Androhung von Ordnungsmitteln, wird nach der - zu § 945 ZPO ergangenen - Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die einstweilige Unterlassungsverfügung erst mit der Zustellung eines vom Gläubiger nachträglich erwirkten gesonderten Androhungsbeschlusses vollzogen ( - zu I 1 c der Gründe, BGHZ 131, 141). Dem schließt sich der Senat jedenfalls insoweit an, als spätestens mit der Zustellung des erwirkten gesonderten Beschlusses nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 890 Abs. 2 ZPO die Voraussetzungen der Vollziehung iSv. § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 929 Abs. 2 ZPO vorliegen, wobei die Amtszustellung des Androhungsbeschlusses auch dann ausreicht, wenn die Urteilsverfügung ebenfalls nur von Amts wegen zugestellt worden ist. Ob bereits im Antrag auf nachträgliche Ordnungsmittelandrohung durch gesonderten Beschluss nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 890 Abs. 2 ZPO bzw. spätestens im Zeitpunkt seiner Zustellung an den Schuldner eine Vollziehung einer auf Unterlassung gerichteten Urteilsverfügung liegt (vgl. OLG Braunschweig - 2 U 50/12 - zu I 2 der Gründe; -; MüKoZPO/Drescher 6. Aufl. ZPO § 938 Rn. 48; Hk-ZPO/Kemper 10. Aufl. § 936 Rn. 12; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Schuschke/Kessen 7. Aufl. ZPO § 929 Rn. 29), bedarf hier keiner Entscheidung.
22(aa) Wie die Rechtsbeschwerde selbst zutreffend ausführt, lassen sich Unterlassungsgebote nicht durch unmittelbaren Zwang durchsetzen. Eine gerichtliche Unterlassungsverfügung kann nur durch Wohlverhalten erfüllt oder durch Nichtbeachtung verletzt werden. Vor diesem Hintergrund hat § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 890 ZPO den Zweck, dem Unterlassungsanspruch durch mittelbaren Zwang nachzuhelfen. Erwirkt ein Gläubiger nach Verkündung eines auf Unterlassung lautenden Verfügungsurteils die Androhung von Ordnungsmitteln durch gesonderten Beschluss nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 890 Abs. 2 ZPO, liegt darin - anders als bei der aus Zweckmäßigkeitserwägungen zulässigen Aufnahme der Androhung in den Titel - bereits der Beginn der Zwangsvollstreckung ( - Rn. 10 mwN).
23Die nachträgliche Androhung durch besonderen Beschluss erfordert ein besonderes Verfahren. Der Antrag ist an das Prozessgericht erster Instanz als Vollstreckungsgericht zu richten, das hierüber nicht ohne Anhörung des Schuldners entscheiden kann. Auch müssen die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung nach den § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. §§ 750 ff. ZPO grundsätzlich gegeben sein. Ferner unterliegt der Androhungsbeschluss der sofortigen Beschwerde nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 793 ZPO. Damit sind die Erwirkung des nachträglichen Androhungsbeschlusses und dessen Zustellung an den Schuldner zugleich deutlicher Ausdruck des Willens des Gläubigers, von dem Unterlassungstitel Gebrauch zu machen. Obwohl Voraussetzung für die Ordnungsmittelandrohung nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 890 Abs. 2 ZPO nicht ist, dass der Schuldner dem Verbot bereits zuwider gehandelt hat, wird mit der Androhung durch gesonderten Beschluss doch ein weit stärkerer mittelbarer Druck auf den Schuldner ausgeübt als durch eine bereits im Titel enthaltene, meist routinemäßig beantragte Androhung ( - zu II 3 der Gründe). Dies rechtfertigt es, in der Zustellung des gesonderten Androhungsbeschlusses die Vollziehung einer durch Urteil erlassenen Unterlassungsverfügung, die ihrerseits bereits amtswegig zugestellt worden ist, zu sehen.
24(bb) Für die Wahrung der Vollziehungsfrist des § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 929 Abs. 2 ZPO ist grundsätzlich nicht erforderlich, dass die maßgebliche Vollziehungsmaßnahme innerhalb der Monatsfrist bereits abgeschlossen ist oder auch nur vom zuständigen Vollstreckungsorgan bereits begonnen wurde (vgl. - zu 1 b aa der Gründe, BGHZ 112, 356). Das spricht dafür, dass die Vollziehungsfrist - bei Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen im Übrigen - bereits durch einen Antrag auf nachträgliche Ordnungsmittelandrohung gewahrt wird, selbst wenn die Entscheidung des Prozessgerichts hierüber erst nach Ablauf der Monatsfrist ergeht oder jedenfalls erst nach Fristablauf an den Schuldner zugestellt wird. Darauf kommt es vorliegend indes nicht an, da sowohl der Androhungsbeschluss als auch dessen vom Arbeitsgericht veranlasste Zustellung innerhalb der Monatsfrist des § 929 Abs. 2 ZPO vorlagen.
25(cc) Soweit die Rechtsbeschwerde demgegenüber insbesondere aus den Ausführungen des - I ZR 107/77 - zu II 3 der Gründe) ableiten will, auch in einer Situation wie der Vorliegenden bedürfe es noch einer Parteizustellung, geht dies fehl. Dafür lässt sich aus der angezogenen Entscheidung nichts ableiten. Im Übrigen ist es zwar richtig, dass Zwangsvollstreckung nie von Amts wegen erfolgt, sondern einer Initiative des Gläubigers bedarf. Diese Initiative liegt aber mit dem Antrag auf Erwirkung der Androhung von Ordnungsmitteln durch nachträglichen Beschluss des Vollstreckungsgerichts vor. In einer Situation wie der Vorliegenden zusätzlich noch eine Parteizustellung zu verlangen, wäre eine durch nichts gerechtfertigte Förmelei.
26Der von der Rechtsbeschwerde angeführte Beschluss des Bundesgerichtshofs ( - Rn. 10) ist nicht einschlägig. Dieser bezieht sich auf die Verhängung eines Ordnungsgeldes bei der Vollstreckung aus einem gerichtlichen Vergleich als der Zwangsvollstreckung zugrunde liegendem Vollstreckungstitel.
27f) Soweit die Schuldnerin eingewendet hat, der Gläubigerin fehle das Rechtsschutzbedürfnis für den Androhungsantrag, weil sie als staatliche Stiftung des öffentlichen Rechts von Verfassungs wegen verpflichtet sei, das ihr auferlegte Unterlassungsgebot zu beachten, dringt sie damit ebenfalls nicht durch. Ein Rechtsschutzbedürfnis ist der Gläubigerin auch nicht deshalb abzusprechen, weil die Schuldnerin Erklärungen zu ihrer Bereitschaft abgegeben hat, sich an die Unterlassungsverfügung zu halten. Auch dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
28aa) Der Antrag nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 890 Abs. 2 ZPO setzt kein besonderes Rechtsschutzbedürfnis voraus ( - Rn. 7 ff.). Insbesondere ist er nicht daran geknüpft, dass eine Zuwiderhandlung konkret droht (vgl. Stein/Jonas/Bartels 23. Aufl. § 890 ZPO Rn. 13). Das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis ergibt sich ohne Weiteres aus dem durchsetzbaren Titel und wird grundsätzlich nicht einmal durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung beseitigt (Rensen in Wieczorek/Schütze ZPO 4. Aufl. § 890 Rn. 24). Die Androhung von Ordnungsmitteln unabhängig von einer gegenwärtig bestehenden Gefahr der Zuwiderhandlung ist Ausdruck effektiven Rechtsschutzes. Sie soll es dem Gläubiger ermöglichen, im Fall einer Missachtung des Unterlassungsgebots sofort gegen den Schuldner im Wege eines Festsetzungsantrags nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 890 Abs. 1 ZPO vorgehen zu können. Entsprechend kann die Androhung bereits im Erkenntnisverfahren in den Unterlassungstitel aufgenommen werden und damit zu einem Zeitpunkt erfolgen, in dem typischerweise noch nicht erkennbar ist, ob eine Zuwiderhandlung überhaupt zu erwarten steht.
29bb) Der Umstand, dass es sich bei der Schuldnerin um eine Stiftung des öffentlichen Rechts handelt, verlangt - auch mit Blick auf den Streitgegenstand des dem Verfügungsurteil zugrunde liegenden Verfahrens - keine abweichende Beurteilung.
30(1) Zwar ist bei öffentlichen Arbeitgebern davon auszugehen, dass sie sich wegen ihrer Bindung an den aus Art. 33 Abs. 2, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3 GG folgenden Justizgewährleistungsanspruch auch ohne Androhung von Ordnungsmitteln an ein ihnen im Wege der einstweiligen Verfügung auferlegtes Unterlassungsgebot halten, solange der Titel besteht (vgl. - Rn. 44 mwN, BAGE 124, 80). Darauf kann ein Bewerber, der - wie hier die Gläubigerin - zur Sicherung seines Bewerbungsverfahrensanspruchs eine gerichtliche Verfügung erwirkt hat, die es dem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber vorläufig untersagt, eine ausgeschriebene Stelle mit einem Mitbewerber zu besetzen, vertrauen. Das gilt umso mehr, wenn Erklärungen oder das Verhalten des öffentlich-rechtlichen Arbeitgebers darauf schließen lassen, er werde dem gerichtlichen Titel unabhängig von seiner fortdauernden Vollstreckbarkeit Folge leisten (vgl. - Rn. 46, aaO). Setzt sich der öffentliche Arbeitgeber dennoch über die gerichtliche Verfügung durch endgültige Stellenbesetzung hinweg, kann er sich gegenüber dem Bewerber hierauf nicht berufen und geht der Bewerbungsverfahrensanspruch des Betroffenen nicht unter. Der Bewerber kann vielmehr auch bei unterlassener Vollziehung der Unterlassungsverfügung verlangen, verfahrens- und materiell-rechtlich so gestellt zu werden, als sei die einstweilige Verfügung beachtet worden ( - Rn. 30, aaO; - 9 AZR 751/00 - zu A II 5 der Gründe, BAGE 101, 153; ebenso für das beamtenrechtliche Konkurrentenstreitverfahren 2 C 14.02 - BVerwGE 118, 370).
31(2) Das berechtigt aber nicht zur Ablehnung des Rechtsschutzbedürfnisses für einen Antrag auf Ordnungsmittelandrohung, dessen vollstreckungsrechtliche Voraussetzungen an sich vorliegen (ebenso - zu II der Gründe; für das beamtenrechtliche Konkurrentenstreitverfahren etwa: OVG des Landes Sachsen-Anhalt - 1 O 61/18 - zu 1 der Gründe; aA OVG Lüneburg - 5 OB 107/19 - zu II der Gründe; differenzierend - zu B der Gründe). Dem Vollstreckungsgläubiger bleibt es auch bei einem dem Titel zugrunde liegenden arbeitsgerichtlichen Konkurrentenstreitverfahren gegen einen öffentlichen Arbeitgeber unbenommen, mithilfe einer Androhung nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 890 Abs. 2 ZPO zusätzlichen Druck auf die Entschließung des Schuldners zur Beachtung des Unterlassungsgebots auszuüben. Unabhängig davon sind die Arbeitsgerichte bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 890 Abs. 2 ZPO verpflichtet, die Androhung auszusprechen. Für eine Einbeziehung unter Umständen komplexer verfassungsrechtlicher Erwägungen in die Entscheidungsfindung besteht angesichts der strengen Formalisierung des Verfahrens nach § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 890 ZPO kein Raum. Es kommt hinzu, dass ungeachtet der verfassungsrechtlichen Bindung der Schuldnerin ein Verstoß gegen das ihr auferlegte Unterlassungsgebot jedenfalls faktisch nicht gänzlich ausgeschlossen oder „undenkbar“ ist.
323. Mit Recht beanstandet die Schuldnerin zwar, dass der Androhungsbeschluss des Arbeitsgerichts insoweit nicht den Bestimmtheitsanforderungen genügt, als er das Ausmaß der angedrohten Ersatzordnungshaft nicht ohne Weiteres (unmittelbar) erkennen lässt (vgl. dazu - zu III der Gründe, BGHZ 130, 205; Musielak/Voit/Lackmann 21. Aufl. ZPO § 890 Rn. 17 mwN). Die erforderliche Konkretisierung konnte der Senat aber bei gebotener Auslegung des Androhungsbeschlusses ohne Eingriff in den Ermessensspielraum des Vollstreckungsgerichts selbst vornehmen. Das Arbeitsgericht hat dadurch, dass es in seinem Beschluss vom für „den“ Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000,00 Euro und „ersatzweise“ Ordnungshaft angedroht hat, zu erkennen gegeben, dass es dem Antrag der Gläubigerin, der bei sinnvoller Auslegung entsprechend dem Rahmen des § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG iVm. § 890 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf die Androhung einer Ersatzordnungshaft von bis zu sechs Monaten gerichtet war, vollumfänglich entsprechen wollte. Dass eine ggf. festzusetzende Ordnungshaft gegen den gesetzlichen Vertreter der Schuldnerin, demnach gegen ihren satzungsmäßigen Vorstand und Direktor zu vollziehen ist, konnte der Senat nach Anhörung der Schuldnerin zu den Vertretungsverhältnissen ebenfalls selbst klarstellen.
33III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 62 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, § 891 Satz 3 iVm. § 97 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:211024.B.8AZB10.24.0
Fundstelle(n):
NJW 2024 S. 10 Nr. 51
PAAAJ-77996