BGH Urteil v. - 4 StR 456/22

Instanzenzug: Az: 11 KLs - 210 Js 464/20 - 1/21 Urteil

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten M.             wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in 24 Fällen, Betrugs in 15 Fällen, Untreue und Beihilfe zur Untreue in zehn Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Den Angeklagten F.        hat es wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in 29 Fällen und wegen Beihilfe zur Untreue zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt; ferner hat es gegen ihn als Gesamtschuldner die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 507.101 € angeordnet.

2Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten M.              sowie die auf eine Verfahrensbeanstandung und auf sachlich-rechtliche Einwendungen gestützte Revision des Angeklagten F.           führen jeweils mit der Sachrüge zu dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind die Rechtsmittel unbegründet.

3Die zu Ungunsten des Angeklagten M.             eingelegte, mit der Sachrüge begründete und wirksam auf den unterbliebenen Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat Erfolg.

I.

4Das Landgericht hat – soweit vorliegend von Bedeutung – im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

51. Die Angeklagten M.             und F.         kamen mit dem gesondert verfolgten S.                im Oktober 2015 überein, zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts künftig nach einem im Wesentlichen von S.                entworfenen betrügerischen Geschäftsmodell ohne jede Gegenleistung Gelder privater Anleger zu erlangen, um diese für eigene Zwecke zu verwenden; durch eine wiederholte Tatbegehung wollten sie sich eine Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen.

6a) Zu diesem Zweck gründete der wegen Betrugs vorbestrafte frühere Mitangeklagte und nunmehr gesondert verfolgte S.               zwei Gesellschaften, die                                                     [künftig: DS.   GmbH] als Anlagegesellschaft sowie die DT.   GmbH als Vertriebsgesellschaft. Vorgeblicher Unternehmenszweck beider Firmen war es, Nachrangdarlehen als Geldanlagen sowie sonstige Finanzdienstleistungen für Privatpersonen anzubieten. Der gesondert verfolgte S.             war zunächst als alleiniger Geschäftsführer der beiden Firmen tätig. Im September 2016 wurde der Angeklagte M.               , der vom an als Angestellter für die DT.   GmbH in der Telefonakquise und im Außendienst tätig war, zum weiteren Geschäftsführer der DT.   GmbH bestellt. Der Angeklagte F.        sollte als Rechtsanwalt das Vertrauen der Anleger in die Seriosität der vermeintlich angebotenen Finanzdienstleistungen sowie die Bereitschaft der Versicherungsunternehmen, die Rückkaufswerte nach erfolgter Kündigung der Verträge auszukehren, erhöhen.

7b) Nach dem gemeinsam für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen gefassten Tatplan wurden geeignete Kunden zunächst per Telefon kontaktiert. Ziel dieser fernmündlichen Gespräche war es ausschließlich, einen persönlichen Beratungstermin zu vereinbaren. Dazu wurde den Kunden überwiegend vorgespiegelt, es sei eine Beratung zur „Optimierung“ ihrer bestehenden Geldanlagen (Kapitallebensversicherungen, Rentenversicherungen sowie sonstiger Geldanlagen) beabsichtigt. In einigen Fällen wurden sie mit der wahrheitswidrigen Behauptung zu einem Beratungstermin bewegt, aufgrund aktueller Gerichtsentscheidungen oder einer neuen Gesetzeslage bestehe die Möglichkeit, zu hohe Abschlussgebühren und sonstige Kosten von den Versicherungen zurückzufordern. Ziel dieser regelmäßig zeitnah stattfindenden persönlichen Kundengespräche war die Erlangung von auf den Angeklagten F.         lautenden Blankovollmachten der Kunden, um tatplangemäß zeitnah eine Kündigung der Versicherungsverträge ‒ auch ohne oder gegen den Willen der Kunden – sowie eine Vereinnahmung der Auszahlungsbeträge zur eigennützigen Verwendung zu ermöglichen.

8Der Angeklagte M.              veranlasste die Kunden sodann tatplangemäß zur Unterzeichnung einer auf den Angeklagten F.         lautenden Rechtsanwaltsvollmacht und/oder einer Maklervollmacht nebst Vollmacht zur Entgegennahme von Leistungen für die DS.   GmbH, die DT.   GmbH oder die Firma St.                                             des gesondert verfolgten S.             . In einer Vielzahl von Fällen ließ der Angeklagte M.              die Kunden einen so genannten „Zeichnungsschein“ unterschreiben. Mit diesem eigens von dem gesondert verfolgten S.              entworfenen Formular boten die Kunden der DS.   GmbH ein Nachrangdarlehen in Höhe der Rückkaufswerte ihrer Versicherungs-/Sparverträge an. Der „Zeichnungsschein“ sah zudem eine Ermächtigung des Angeklagten F.          zur Kündigung des Versicherungsvertrags, zur Empfangnahme der Versicherungsleistung sowie zur Auszahlung an die DS.   GmbH vor. Den Kunden war bei Unterzeichnung des „Zeichnungsscheins“ entweder nicht bewusst, dass sie der DS.   GmbH ein Nachrangdarlehen anboten, oder ihnen wurde wahrheitswidrig vorgespiegelt, dass es sich bei den unter den Namen „DS.   Fixzins“, „DS.   Flexzins“ und „DS.   Ansparzins“ vertriebenen angeblichen Finanzprodukten um sichere und rentable Geldanlagen handelte. Ihnen wurde verschwiegen, dass es sich um eine hoch spekulative Anlageform handelte und dass die DS.   GmbH weder einen regulären Geschäftsbetrieb unterhielt noch Gewinne erwirtschaftete, so dass der jeweilige Anspruch auf Darlehensrückzahlung von vornherein wertlos war. Im Zeitraum von Januar bis Juli 2018 wurden die Geschädigten im Regelfall auch zur Unterzeichnung einer Erklärung über die Abtretung der Ansprüche aus den Versicherungs-/Sparverträgen an die DS.   GmbH bestimmt.

9Im Verlaufe der Beratungsgespräche veranlasste der Angeklagte M.               die Kunden weiterhin dazu, ihm ihre Versicherungspolicen auszuhändigen oder eine Verlustbescheinigung zu unterzeichnen; ohne diese Unterlagen war ‒ wie die Beteiligten wussten ‒ eine Kündigung der Kapitallebensversicherungen nicht möglich. Die täuschungsbedingt erlangten Unterlagen reichte der Angeklagte M.              zeitnah an den gesondert verfolgten S.             weiter, der sie dem Angeklagten F.         zuleitete. Dieser ließ die von den Kunden blanko unterzeichneten Rechtsanwaltsvollmachten in seiner Kanzlei dergestalt vervollständigen, dass der Eindruck entstand, er sei zur Kündigung der Vertragsverhältnisse sowie zur Empfangnahme der Rückkaufswerte ermächtigt. Anschließend kündigte der Angeklagte F.         die Verträge der Kunden und verlangte Zahlung des Rückkaufswerts auf eines seiner Konten. Nach ihrem Eingang leitete der Angeklagte F.          die Gelder vollständig, in einigen Fällen gemäß Absprache mit dem gesondert Verfolgten S.              nach Abzug eines Anteils zu eigennütziger Verwendung, an diesen weiter. Ab August 2018 erfolgten die Vertragskündigungen durch den gesondert verfolgten S.               mittels der durch den Angeklagten M.              täuschungsbedingt erlangten und auf die DT.   GmbH, die DS.   GmbH oder die Firma St.                                            lautenden Vollmachten. Die erlangten Gelder wurden zu keinem Zeitpunkt angelegt, um Gewinne zu erwirtschaften, sondern ‒ dem zuvor gefassten Tatplan entsprechend ‒ zur Deckung laufender Betriebsausgaben (Büromiete, Callcenter, Dienstwagen etc.) oder für die private Lebensführung verwendet. Über andere Einkünfte als die Kundengelder verfügten der gesondert verfolgte S.               und seine beiden Gesellschaften nicht. Eine Trennung von Privat- und Gesellschaftsvermögen fand zu keinem Zeitpunkt statt. Tatplangemäß wurde in keinem der Fälle eine Vertragsprüfung, eine Gebührenrückforderung oder eine Auszahlung der Rückkaufswerte nach Kündigung der Versicherungsverträge durchgeführt. Auch eine Rückzahlung der Nachrangdarlehen erfolgte nicht.

10c) In den Fällen II.15, 17, 26, 30, 36 der Urteilsgründe trat nicht der Angeklagte M.             , sondern der gesondert verfolgte      H.               als „Außendienstmitarbeiter“ auf, der die Kunden tatplangemäß täuschte, entsprechende Kundenvollmachten und sonstige Unterlagen erlangte und diese an den gesondert verfolgten S.              weiterreichte. Der Angeklagte F.         rechnete auch in diesen Fällen damit, dass der gesondert verfolgte H.               die Kunden über die Art der Geldanlage und die Verwendung ihrer Gelder täuschte.

11d) Der Angeklagte M.                stellte durch seine Tätigkeit sicher, dass seine Arbeitgeberin über ausreichende Einnahmen verfügte, um sein Gehalt und die vereinbarten Provisionen auszahlen zu können. Er erhielt als Arbeitnehmer der DT.   GmbH ab ein Nettogehalt in Höhe von 2.000 €, ab 2017 ein Nettogehalt in Höhe von 2.500 €, sowie 4,5 % der jeweiligen Darlehenssumme als Provisionsanspruch. Weiterhin stand ihm ein „Dienstwagen“ zur Verfügung. Der Angeklagte F.        stellte dem gesondert verfolgten S.              vereinbarungsgemäß eine Gebühr von 200 € netto je Kündigung in Rechnung.

122. Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten M.                als gewerbs- und bandenmäßigen Betrug in 24 Fällen (Fälle 2, 4, 5, 6, 7, 10, 11, 13, 14, 16, 18, 20, 21, 23, 24, 25, 27, 28, 29, 31, 33, 34, 37, 38), „gewerbsmäßigen“ Betrug in 15 Fällen (Fälle 42, 43, 44, 47, 48, 49, 50, 51, 58, 59, 60, 61, 62, 63, 64), „gewerbsmäßige“ Untreue (Fall 46) und Beihilfe zur „gewerbsmäßigen“ Untreue in 10 Fällen (Fälle 8, 52, 53, 54, 55, 56, 57, 65, 66, 67) gewertet. Hinsichtlich des Angeklagten F.         ist das Landgericht davon ausgegangen, dass er des gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs in 29 Fällen (Fälle 2, 4, 5, 6, 7, 10, 11, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 20, 21, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 33, 34, 36, 37, 38) sowie der Beihilfe zur „gewerbsmäßigen“ Untreue (Fall 8) schuldig ist. Dabei hat das Landgericht die betrugsrelevante Vermögensverfügung darin gesehen, dass die Kunden entweder einen Zeichnungsschein der DS.   GmbH oder eine Abtretungserklärung zu deren Gunsten unterschrieben. Weiterhin hat es angenommen, dass die Angeklagten und der gesondert verfolgte S.               ‒ in den Fällen 15, 17, 26, 30 und 36 der Urteilsgründe der Angeklagte F.         und die gesondert verfolgten S.               und H.              ‒ bis Juli 2018 bandenmäßig im Sinne des § 263 Abs. 5 StGB handelten.

II.

13Die Revision des Angeklagten M.          

14Die Revision des Angeklagten M.               führt zur Einstellung des Verfahrens im Fall II.5 der Urteilsgründe und erzielt mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.

151. Der Senat stellt das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts ein, soweit der Angeklagte im Fall II.5 der Urteilsgründe verurteilt worden ist. Dies führt zum Wegfall der hierfür verhängten Einzelstrafe von drei Jahren.

162. Die Schuldsprüche wegen Betrugs begegnen in den Fällen II.4, 6, 7, 10, 11, 13, 14, 18, 20, 21, 23, 24, 25, 27 bis 29, 31, 33, 34, 37, 38, 42, 43, 44, 49, 50, 58, 59, 60, 61 bis 62, 63 und 64 der Urteilsgründe keinen rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass der Angeklagte die Geschädigten jeweils durch wahrheitswidrige Vorspiegelung einer lukrativen Geldanlage zur Aushändigung eines Bargeldbetrags (Fall II.4 der Urteilsgründe) bzw. zur Ausstellung eines „Zeichnungsscheins“ veranlasste, wodurch sie der DS.   GmbH ein Nachrangdarlehen gewährten. Es ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Angeklagte die Geschädigten auch in denjenigen Fällen, in denen ihnen aufgrund seiner Täuschungen überhaupt verborgen blieb, über ihr Vermögen zu verfügen (vgl. dazu , BGHSt 22, 88, 89), zu einer Vermögensverfügung veranlasste, die angesichts der tragfähig belegten Wertlosigkeit des Rückzahlungsanspruchs zu einem Vermögensschaden in voller Höhe führte.

17Hingegen halten die Schuldsprüche wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in den Fällen II.2 und II.16 der Urteilsgründe sowie wegen Betrugs in den Fällen II.47, 48 und 51 der Urteilsgründe einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Denn die Feststellungen belegen auch unter Berücksichtigung des Zusammenhangs der Urteilsgründe nicht, dass die Geschädigten in diesen Fällen täuschungsbedingt eine Vermögensverfügung trafen, die unmittelbar zum Eintritt des festgestellten Vermögensschadens im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB führte.

18a) Nach den Feststellungen im Fall II.2 der Urteilsgründe erklärte der Angeklagte M.            dem Geschädigten O.   wahrheitswidrig, einen Teil der Summe aus dessen Lebensversicherungsvertrag für zwölf Jahre mit guter Verzinsung für ihn anlegen zu können. Im Vertrauen auf diese Angaben unterzeichnete der Geschädigte O.    eine auf den Angeklagten F.         lautende Blanko-Rechtsanwaltsvollmacht sowie eine Verlusterklärung in der Annahme, dass diese Unterlagen zur Neuanlage des Geldes erforderlich seien; mit einer Kündigung seines Lebensversicherungsvertrags war er nicht einverstanden. Die täuschungsbedingt erlangten Unterlagen gab der Angeklagte M.              an den gesondert verfolgten S.               weiter, der sie dem Angeklagten F.         zuleitete. Dieser ergänzte die Rechtsanwaltsvollmacht tatplangemäß dahin, dass sie zum Zwecke der Kündigung der Lebensversicherung ausgestellt sei. Unter Vorlage dieser Vollmacht und der Verlusterklärung kündigte der Angeklagte F.         die Lebensversicherung des Geschädigten und verlangte Auszahlung des Rückkaufswerts auf eines seiner Konten. Nach Bestätigung der Kündigung überwies der Versicherer den Rückkaufswert in Höhe von 5.626,62 € auf das Konto des Angeklagten F.        .

19Im Fall II.16 der Urteilsgründe veranlasste der Angeklagte M.              die Geschädigte K.             mit der wahrheitswidrigen Behauptung, für sie Prämienrückforderungsansprüche gegen ihre Versicherung infolge einer angeblichen Gesetzesänderung realisieren zu können, zur Unterzeichnung zweier auf den Angeklagten F.          lautender Blankovollmachten. Der Angeklagte M.              reichte diese Blankovollmachten mit den ihm von der Geschädigten überlassenen Versicherungsscheinen an den gesondert verfolgten S.               weiter, der die täuschungsbedingt erlangten Unterlagen an den Angeklagten F.         weiterreichte. Dieser kündigte tatplangemäß die Lebensversicherungen der Geschädigten unter Vorlage der von ihm vervollständigten Blankovollmachten abredewidrig und ließ sich die „Versicherungsleistung“ in Höhe von 8.163,30 € auf eines seiner Konten auszahlen.

20In den Fällen II.47, 48 und 51 der Urteilsgründe veranlasste der Angeklagte M.               die Geschädigten jeweils mit der wahrheitswidrigen Behauptung, Gebühren von ihren Versicherungen für sie zurückfordern bzw. eine Zinsneuberechnung vornehmen zu können, zum Abschluss eines Maklervertrags mit der DT.   GmbH (Taten II.47 und 48 der Urteilsgründe) bzw. der DS.   GmbH (Tat II.51 der Urteilsgründe), zur Unterzeichnung jedenfalls einer Maklervollmacht, einer Vollmacht zur Entgegennahme von Leistungen des Versicherers sowie einer Verlusterklärung. Möglicherweise unterzeichneten die Geschädigten jeweils auch einen Zeichnungsschein, mit dem sie der DS.   GmbH den Abschluss eines Nachrangdarlehens anboten. Ob eine Zeichnung tatsächlich erfolgt ist, konnte nicht sicher festgestellt werden. Der Angeklagte M.               reichte diese Unterlagen jeweils an den gesondert verfolgten S.               weiter, der die Versicherungsverträge namens der DT.   GmbH bzw. der DS.   GmbH zeitnah und abredewidrig kündigte und die jeweiligen Rückkaufswerte vereinnahmte.

21b) In keinem dieser Fälle ist eine Vermögensverfügung der Geschädigten im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB, die unmittelbar den vom Landgericht festgestellten Vermögensschaden herbeigeführt hat, zweifelsfrei belegt.

22aa) Von dem Begriff der Vermögensverfügung im Sinne des § 263 Abs. 1 StGB werden nicht nur die Verfügungen des bürgerlichen Rechts umfasst. Vielmehr ist hierunter jedes Handeln, Dulden oder Unterlassen des Getäuschten zu verstehen, das ‒ unmittelbar ‒ eine Vermögensminderung im wirtschaftlichen Sinne bei dem Geschädigten selbst oder einer dritten Person herbeiführt (vgl. ‒ 4 StR 588/59, BGHSt 14, 170, 171). Der Verfügende muss dabei nicht in dem Bewusstsein handeln, auf sein Vermögen einzuwirken (vgl. RGSt 70, 225, 227). An dem Unmittelbarkeitserfordernis der Vermögensverfügung fehlt es, wenn der Getäuschte dem Täter lediglich die tatsächliche Möglichkeit eröffnet, den Vermögensschaden durch weitere selbständige deliktische Schritte herbeizuführen (vgl. , BGHSt 50, 174, 178).

23bb) Eine Vermögensverfügung in diesem Sinne ist in den Fällen II.2 und II.16 der Urteilsgründe nicht festgestellt. Eine solche liegt weder in der Ausstellung einer Blankovollmacht zugunsten des Angeklagten F.         noch in der Hingabe der Versicherungsunterlagen (Versicherungspolice oder Verlusterklärung).

24Zwar eröffnete die auf ihn lautende Blankovollmacht sowie die Aushändigung der Vertragsunterlagen dem Angeklagten F.         die Möglichkeit, dem gemeinsamen Tatplan entsprechend die Kündigung der Kapitalversicherungen auszusprechen und die Auszahlung der Rückkaufswerte auf seine Konten zu erreichen. Als selbständiger deliktischer Zwischenschritt auf Täterseite erforderte dies jedoch die Kündigung der Versicherungsverträge durch den Angeklagten F.         . Er verfasste unter seinem Briefkopf und unter Berufung auf die beigefügten und von ihm vervollständigten Blankovollmachten der jeweiligen Kunden die Kündigungen der Versicherungsverträge und verlangte Auszahlung des infolge der Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses entstehenden und den Geschädigten zustehenden Rückkaufswerts auf sein Konto. Anders als etwa in der Fallkonstellation eines betrügerisch vervollständigten Überweisungsträgers (vgl. ‒ 3 StR 302/13 Rn. 14) liegt in der Unterzeichnung der Blankovollmachten nicht schon eine Vermögensverfügung der Geschädigten, welcher durch die vom Angeklagten F.       vorgenommene oder veranlasste Vervollständigung nachträglich ein bestimmter rechtlicher Sinngehalt mit vermögensmindernder Wirkung verliehen worden wäre. Vielmehr wurde der Vermögensschaden erst durch die Kündigung der bestehenden Versicherungsverträge durch den Angeklagten F.           sowie das Auszahlungsverlangen auf eines seiner Konten und damit durch einen selbstständigen deliktischen Zwischenschritt herbeigeführt.

25Eine abweichende rechtliche Bewertung ist auch unter dem Gesichtspunkt der schadensgleichen Vermögensgefährdung nicht angezeigt. Zwar kann in der täuschungsbedingten Übergabe einer Bankkarte nebst Geheimnummer eine Vermögensgefährdung gesehen werden (vgl. , NStZ-RR 2015, 337, 338); denn beides dient ausschließlich dazu, auf das Bankguthaben zugreifen zu können. In der Übergabe von Bankkarte und Preisgabe der Geheimnummer liegt damit zugleich die Preisgabe des Bankguthabens durch den Getäuschten selbst. Bei dieser Sachlage erscheint die nachfolgende Geldabhebung durch den Täter nur als ein unwesentlicher Zwischenschritt bei der Bewirkung der Vermögensminderung. Demgegenüber kann in der Erteilung der Vollmacht einschließlich der Aushändigung der Versicherungsunterlagen noch keine Preisgabe des den Geschädigten zustehenden Vermögenswerts gesehen werden. Vielmehr dienten die Vollmachten dazu, diejenigen rechtsgestaltenden Handlungen von Täterseite vornehmen zu können, die zur Herbeiführung der Vermögensminderung der Geschädigten aus Tätersicht erforderlich waren. Sie ermöglichten die Kündigung der bestehenden Versicherungsverträge und die nachfolgende Vereinnahmung der Rückkaufswerte nach der durch die jeweiligen Versicherungsunternehmen veranlassten Auszahlungen. Das Hauptgewicht des deliktischen Vorgehens liegt demnach nicht im Bewirken einer freiwilligen Selbstschädigung, sondern in einer treuwidrigen Fremdschädigung.

26cc) Gleiches gilt in den Fällen II.47, 48 und 51 der Urteilsgründe. Zwar eröffnete die täuschungsbedingt erwirkte Maklervollmacht sowie die Vollmacht zur Entgegennahme von Leistungen dem gesondert verfolgten S.               bzw. dem Angeklagten M.             die faktische Möglichkeit, die Kapitalversicherungsverträge der Geschädigten (abredewidrig) zu kündigen und die ihnen nach kündigungsbedingter Abwicklung des Vertragsverhältnisses zustehenden Ansprüche auf Auszahlung der Rückkaufswerte zu vereinnahmen. Auch insoweit war jedoch als selbständiger deliktischer Zwischenschritt die ‒ abredewidrige ‒ Kündigung der Versicherungen durch die DT.   GmbH bzw. die DS.   GmbH erforderlich, so dass es auch insoweit an der Unmittelbarkeit der Vermögensverfügung fehlt.

27c) Die Feststellungen ergeben aber zweifelsfrei, dass der Angeklagte in den Fällen II.47 und 48 der Urteilsgründe der (gewerbsmäßigen) Untreue im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB und in den Fällen II.2, 16 und 51 der Urteilsgründe jedenfalls der Beihilfe zu der vom Angeklagten F.          bzw. dem gesondert verfolgten S.               begangenen Untreue (§§ 266 Abs. 1, 27 StGB) schuldig ist.

28aa) Untreue setzt sowohl in der Alternative des Missbrauchs- als auch der des Treubruchtatbestands voraus, dass dem Täter eine Vermögensbetreuungspflicht obliegt. Diese erfordert, dass der Täter in einer Beziehung zu dem (potentiell) Geschädigten steht, die eine besondere Verantwortung für dessen materielle Güter mit sich bringt. Den Täter muss eine inhaltlich herausgehobene Pflicht zur Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen treffen, die über die für jedermann geltenden Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten und insbesondere über die allgemeine Pflicht, auf die Vermögensinteressen eines Vertragspartners Rücksicht zu nehmen, ebenso hinausgeht wie über den bloßen Bezug zu fremden Vermögensinteressen oder eine rein tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit auf materielle Güter anderer (vgl. ‒ 2 StR 421/18 Rn. 3; Beschluss vom – 4 StR 408/17 Rn. 28; Beschluss vom ‒ 4 StR 163/16 Rn. 9 mwN). Eine Strafbarkeit wegen Untreue setzt daher voraus, dass dem Täter die Vermögensbetreuung als Hauptpflicht, also als zumindest mitbestimmende und nicht nur beiläufige Verpflichtung obliegt (vgl. ‒ 3 StR 17/15, NJW 2016, 2585, 2590 mwN) und die ihm übertragene Tätigkeit nicht durch ins Einzelne gehende Weisungen vorgezeichnet ist, sondern ihm Raum für eigenverantwortliche Entscheidungen und eine gewisse Selbständigkeit belassen wird. Hierbei ist nicht nur auf die Weite des dem Täter eingeräumten Spielraums abzustellen, sondern auch auf das Fehlen von Kontrolle, also auf seine tatsächlichen Möglichkeiten, ohne gleichzeitige Steuerung und Überwachung durch den Treugeber auf dessen Vermögen zuzugreifen (vgl. ‒ 4 StR 163/16 Rn. 10 mwN).

29bb) Gemessen daran oblag dem Angeklagten F.          in den Fällen II.2 und 16 der Urteilsgründe jeweils eine Vermögensbetreuungspflicht zugunsten der Geschädigten. Der Angeklagte M.             , der tatplangemäß die „Beratungsgespräche“ mit den Kunden führte, veranlasste die Geschädigten jeweils dazu, den Angeklagten F.        als Rechtsanwalt mit der vermeintlichen Optimierung ihrer Lebensversicherungsverträge zu beauftragen. Zentrale Pflicht dieses Auftrags war damit die Betreuung der Vermögensinteressen der Geschädigten; dabei handelte es sich um die wesentliche Pflicht des Auftragsverhältnisses. Die dem Angeklagten F.         zur Erfüllung dieses im alleinigen Vermögensinteresse der Geschädigten liegenden Auftrags erteilten Blankovollmachten stellten jeweils eine trotz Anfechtbarkeit (§ 123 BGB) wirksam durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis zur Verfügung über fremdes Vermögen i.S.d. Missbrauchstatbestands des § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB dar. Diese Befugnis missbrauchte der Angeklagte F.         , indem er abredewidrig die Versicherungsverträge der Geschädigten kündigte und die daraus resultierenden Forderungen der Versicherungsnehmer durch Einziehung zum Erlöschen brachte (§ 362 BGB). Mangels schadensausgleichender Kompensation stellt der Verlust der Forderungen auch einen Vermögensnachteil der Geschädigten i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB dar.

30cc) In den Fällen II.47 und II.48 der Urteilsgründe oblag der DT.   GmbH und im Fall 51 der Urteilsgründe der DS.   GmbH im Rahmen des mit den Geschädigten vereinbarten „Maklervertragsverhältnisses“ die Betreuung deren Vermögensinteressen als herausgehobene Hauptpflicht. Der Angeklagte M.             , der hinsichtlich der DT.   GmbH als organschaftlicher Vertreter und hinsichtlich der DS.  GmbH als Bevollmächtigter fungierte, vereinbarte jeweils mit den Geschädigten, deren vermeintliche Ansprüche auf Gebührenrückerstattung gegenüber den Versicherungsgesellschaften geltend zu machen und damit im Vermögensinteresse der Geschädigten tätig zu werden. Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB erstreckte sich die Vermögensbetreuungspflicht (§ 266 StGB) in den Fällen II.47 und 48 der Urteilsgründe auf den Angeklagten M.             als Geschäftsführer der DT.   GmbH und im Fall 51 der Urteilsgründe auf den gesondert verfolgten S.               als Geschäftsführer der DS.   GmbH. Die von den Geschädigten für die DT.   GmbH bzw. die DS.   GmbH jeweils erteilten Maklervollmachten und Vollmachten zur Entgegennahme von Leistungen des Versicherers stellten die durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis zur Verfügung über fremdes Vermögen i.S.d. Missbrauchstatbestands des § 266 Abs. 1 Alt. 1 StGB dar, die der gesondert verfolgte S.             missbrauchte, indem er die Versicherungsverträge absprachewidrig kündigte und die daraus resultierenden Forderungen der Versicherungsnehmer durch Einziehung zum Erlöschen brachte (§ 362 BGB). Dem Angeklagten M.              sind diese Handlungen in den Fällen II. 47 und 48 der Urteilsgründe im Wege der Mittäterschaft (§ 25 Abs. 2 StGB) zuzurechnen. Mangels schadensausgleichender Kompensation stellt der jeweilige Verlust der Forderungen auch einen Vermögensnachteil der Geschädigten im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB dar.

31d) Der Senat stellt die Schuldsprüche daher entsprechend § 354 Abs. 1 StPO in den Fällen II.47 und 48 der Urteilsgründe auf (gewerbsmäßigen) Untreue im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB sowie in den Fällen II.2, 16 und 51 der Urteilsgründe auf Beihilfe zur Untreue (§§ 266 Abs. 1, 27 StGB) um. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil der ‒ überwiegend geständige ‒ Angeklagte sich hiergegen nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

32e) Die Schuldspruchänderungen lassen die Aussprüche über die Einzelstrafen in den Fällen II.47 und II.48 der Urteilsgründe unberührt. Sie führen in den Fällen II.2, 16 und 51 der Urteilsgründe in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO zu einer Herabsetzung der Einzelstrafen auf jeweils ein Jahr. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht, das für die rechtsfehlerfrei als Beihilfe zur Untreue gewertete Tat II.52 der Urteilsgründe eine Einzelstrafe von einem Jahr als tat- und schuldangemessen angesehen hat, bei zutreffender rechtlicher Bewertung angesichts der erheblich höheren Schäden auf noch mildere Einzelstrafen erkannt hätte.

333. Die konkurrenzrechtliche Bewertung in den Fällen II.61 und 62 der Urteilsgründe begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Insoweit liegt nicht Tatmehrheit (§ 53 Abs. 1 StGB), sondern eine Tat im Rechtssinne (vgl. § 52 Abs. 1 StGB) vor.

34a) Nach den Feststellungen veranlasste der Angeklagte M.              die Geschädigten K.       Sch.     (Fall 61) und M.          Sch.   (Fall 62) im Rahmen eines gemeinsamen Beratungstermins am in der Wohnung des Geschädigten M.         Sch.     zur Unterzeichnung diverser Unterlagen, indem er ihnen wahrheitswidrig vorspiegelte, er werde ihre Lebensversicherungsverträge kündigen und die Auszahlungsbeträge an sie weiterleiten. Da die betrugsrelevanten Täuschungshandlungen des Angeklagten M.              im Rahmen eines einheitlichen Beratungsgesprächs erfolgten, liegt eine natürliche Handlungseinheit und damit nur eine Tat im Rechtssinne vor (st. Rspr.; vgl. nur ‒ 4 StR 226/21; Beschluss vom ‒ 4 StR 235/17).

35b) Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich der überwiegend geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Dies führt zum Wegfall der Einzelstrafe im Fall II.62 der Urteilsgründe.

364. Im Übrigen lassen die Einzelstrafaussprüche einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht erkennen.

375. Der Ausspruch über die Gesamtstrafe bleibt vom Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen II.5 (drei Jahre) und II.62 (zwei Jahre und fünf Monate) sowie der Herabsetzung der Einzelstrafen in den Fällen II.2, 16 und 51 der Urteilsgründe von jeweils einem Jahr und neun Monaten (Fällen II.2 und 16) bzw. zwei Jahre und einen Monat (Fall II.51 der Urteilsgründe) auf ein Jahr unberührt.

386. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 StPO. Angesichts des geringfügigen Erfolgs der Revision ist es nicht unbillig, dem Angeklagten die gesamten Kosten seines Rechtsmittels aufzuerlegen.

III.

39Die Revision des Angeklagten F.     

40Die Revision des Angeklagten F.         erzielt ‒ nach Einstellung des Verfahrens im Fall II.5 der Urteilsgründe ‒ mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg und erweist sich im Übrigen als unbegründet.

411. Die Verfahrensrüge hat aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, keinen Erfolg.

422. Die Revision des Angeklagten F.        führt auf Antrag des Generalbundesanwalts zur Einstellung des Verfahrens, soweit er im Fall II.5 der Urteilsgründe verurteilt worden ist. Dies hat den Wegfall der hierfür verhängten Einzelstrafe von zwei Jahren und neun Monaten sowie des Einziehungsausspruchs in Höhe von 38.866,39 € zur Folge.

433. Die Schuldsprüche wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs in den Fällen II.2 und II.16 halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, weil den Feststellungen eine Vermögensverfügung der Geschädigten nicht zweifelsfrei zu entnehmen ist. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen unter II.2 dieses Urteils Bezug genommen.

44Der Senat stellt die Schuldsprüche auf (gewerbsmäßige) Untreue im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB um. Da dem Angeklagten F.         als von den Geschädigten beauftragter und bevollmächtigter Rechtsanwalt eine eigene Vermögensbetreuungspflicht oblag (vgl. zur Untreue durch einen Rechtsanwalt ‒ 1 StR 587/14, NStZ 2015, 517; siehe aber auch ‒ 2 StR 421/18), ist er ‒ anders als das Landgericht im Fall II.8 der Urteilsgründe angenommen hat ‒ nicht nur als Gehilfe, sondern als Täter anzusehen. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da der Angeklagte ‒ dem insoweit bereits mit der Antragsschrift der Staatsanwaltschaft Münster vom Untreue zur Last gelegt und der in der Revisionshauptverhandlung vor dem Senat auf diese Möglichkeit formlos hingewiesen worden ist ‒ sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

45Die Schuldspruchänderungen führen ‒ in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO und zur Vermeidung jeglicher Beschwer des Angeklagten ‒ zur Herabsetzung der Einzelstrafaussprüche von jeweils einem Jahr und sechs Monaten auf ein Jahr. Angesichts des Umstands, dass das Landgericht für die als Beihilfe zur Untreue gewertete Tat II.8 der Urteilsgründe eine Einzelstrafe von einem Jahr und zwei Monaten als tat- und schuldangemessen angesehen hat, schließt der Senat aus, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Bewertung auf noch niedrigere Einzelstrafen erkannt hätte.

464. Der Strafausspruch begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Dies gilt auch für die im Fall II.17 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts sind die Feststellungen zum entstandenen Schaden nicht lückenhaft. Der Senat entnimmt dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe, dass insoweit ein Gesamtschaden in Höhe 40.940,99 € entstanden ist. Zwar finden sich in den Feststellungen lediglich zwei ‒ ausdrücklich bezifferte ‒ Schadenspositionen, nämlich der Rückkaufswert der Versicherung des Zeugen P.              (19.846,41 €) sowie die Zahlung in Höhe von insgesamt 5.600 €, welche die beiden Geschädigten insgesamt für die vermeintliche Geldanlage „DS.   Ansparzins“ leisteten. Den Feststellungen ist aber zweifelsfrei zu entnehmen, dass der Angeklagte F.         auch die „Versicherungsleistung“ für die Zeugin P.             am „erlangt“ hat. Das Landgericht hat es ersichtlich allein aufgrund eines Versehens bei Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe unterlassen, auch diese weitere Schadensposition zu beziffern. Bei dieser Sachlage entnimmt der Senat dem Zusammenhang der Urteilsgründe, dass insgesamt ein Schaden in Höhe von 40.940,99 € entstanden ist, die das Landgericht als erlangt im Sinne des § 73, § 73c StGB angesehen hat.

475. Der Wegfall der Einzelstrafe im Fall II.5 der Urteilsgründe sowie die Herabsetzung der Einzelstrafen in den Fällen II.2 und 16 der Urteilsgründe lassen den Ausspruch über die Gesamtstrafe unberührt.

486. Die Einziehungsentscheidung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand. Sie bedarf der Korrektur.

49a) Das Landgericht ist im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass der Angeklagte F.         diejenigen Beträge im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB „durch die Tat“ erlangt hat, welche von den Kunden oder den Versicherungsunternehmen auf eines seiner Konten überwiesen wurden.

50aa) Ein Vermögenswert ist nach § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB „durch die Tat“ erlangt, wenn er dem Beteiligten in irgendeiner Phase des Tatablaufs aus der Verwirklichung des Tatbestands so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann, und ihm so aus der Tat unmittelbar messbar zugutegekommen ist (vgl. Rn. 5; Beschluss vom – 1 StR 399/20 Rn. 36). Bei mehreren Beteiligten ist ausreichend, aber auch erforderlich, dass sie zumindest eine faktische bzw. wirtschaftliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand haben. Dies ist der Fall, wenn sie im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf ihn nehmen können. Unerheblich ist dagegen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Täter oder Teilnehmer eine unmittelbar aus der Tat gewonnene (Mit-)Verfügungsmacht später aufgegeben hat und der zunächst erzielte Vermögenszuwachs durch Mittelabflüsse etwa bei Beuteteilung gemindert wurde (vgl. Rn. 10).

51bb) Nach diesem Maßstab hat der Angeklagte F.          in den urteilsgegenständlichen Fällen im Rahmen der jeweiligen Tatbestandsverwirklichung die Verfügungsgewalt über die Beträge erlangt, welche von den Kunden oder den Versicherungsunternehmen auf seine Konten überwiesen wurden. Nach den beweiswürdigend tragfähig belegten Feststellungen konnte der Angeklagte F.          über die aus den Überweisungen resultierenden Guthaben verfügen. Ob die Konten vom Angeklagten dabei als Treuhand- oder Fremdgeldkonten geführt worden sind, ist für die Einziehungsentscheidung ohne rechtliche Relevanz. Da es sich bei dem Erlangen um einen tatsächlichen Vorgang handelt, kommt es auf zivilrechtliche Besitz- oder Eigentumsverhältnisse nicht an (vgl. Rn. 8; Urteil vom – 5 StR 623 und 624/17 Rn. 8). Entgegen dem Revisionsvorbringen veranlasst die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Abgrenzung der Vermögenssphären von juristischen Personen und deren Organen im Rahmen der Einziehung nach § 73 StGB (vgl. insoweit bspw. Rn. 15) zu keiner abweichenden rechtlichen Beurteilung, da sie einen anderen Problemkreis betrifft.

52Die vorliegende Sachverhaltskonstellation unterscheidet sich auch grundlegend von den Fällen des bloß transitorischen Besitzes eines Boten, Verwahrers oder „Verbindungsmannes“ (vgl. insofern Rn. 3; Urteil vom – 4 StR 63/18 Rn. 14). Denn der Angeklagte F.        war als Hauptverantwortlicher für die Vereinnahmung der Rückkaufswerte und damit für die Abwicklung der Geldeingänge zuständig; er steuerte den Geldfluss und die Beuteteilung maßgeblich. Weiterhin handelte der Angeklagte jeweils als (Mit-) Täter. Der gesondert verfolgte Mittäter S.               erlangte tatplangemäß Verfügungsgewalt über seinen jeweiligen Anteil an den Geldern erst nach deren Eingang auf seinen eigenen Konten bzw. auf Konten der von ihm kontrollierten Gesellschaften. Angesichts dieser Umstände handelt es sich bei der Weiterleitung der Gelder durch den Angeklagten F.         um einen dem Vermögenszufluss nachgelagerten Mittelabfluss, welcher die zuvor erlangte Verfügungsgewalt unberührt lässt (vgl. Rn. 12).

53cc) Der Mittelabfluss durch Überweisung der vereinnahmten Beträge auf die Konten des gesondert verfolgten S.              ist nach den Vorschriften über die Einziehung des Wertes von Taterträgen (§ 73 Abs. 1, § 73c StGB) rechtlich bedeutungslos. Die von der Revision des Angeklagten F.         erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit teilt der Senat nicht. Eine entsprechende Anwendung des § 73a Abs. 2 StGB scheidet aus, weil es schon an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt (vgl. Rn. 37). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht der Einziehung nach den vorstehenden Grundsätzen ebenfalls nicht entgegen (vgl. Rn. 62). Die Strafprozessordnung sieht mit § 459g Abs. 5 StPO ein Regulativ vor, das geeignet ist, unbillige Härten auszuräumen und die Verhältnismäßigkeit zu wahren (vgl. ‒ 2 StR 471/22, Rn. 62 ff.).

54b) Das Landgericht hat jedoch in den Fällen II. 28, 29 und 36 der Urteilsgründe rechtsfehlerhaft zu hohe Einziehungsbeträge festgesetzt. Die Feststellungen ergeben in diesen Fällen Auszahlungsbeträge in Höhe von 19.166,93 € (anstelle von 19.166,96 €) im Fall 28 der Urteilsgründe, 16.380,89 € (anstelle von 16.747,12 €) im Fall 29 sowie 3.596,93 € (anstelle von 3.956, 93 €) im Fall 36 der Urteilsgründe. Der Senat setzt die Einziehungsentscheidung daher in analoger Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO herab.

557. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 StPO. Der nur geringfügige Erfolg der Revision lässt es nicht unbillig erscheinen, den Angeklagten mit den gesamten verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels zu belasten.

IV.

56Die Revision der Staatsanwaltschaft

57Das wirksam auf die unterbliebene Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen (vgl. nur Rn. 6; Urteil vom ‒ 4 StR 156/20 Rn. 5; Urteil vom ‒ 4 StR 78/18 Rn. 5) beschränkte Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft hat Erfolg und führt insoweit zur Aufhebung des Urteils mit den zugehörigen Feststellungen.

581. Nach § 73 Abs. 1 StGB unterliegt der Einziehung grundsätzlich jeder Vermögenswert („etwas“), den der Täter oder Teilnehmer „durch“ oder „für“ eine rechtswidrige Tat (= Erwerbstat) „erlangt“ hat. „Für die Tat“ sind Vorteile erlangt, wenn sie dem Beteiligten als Gegenleistung für sein rechtswidriges Handeln gewährt werden („Lohn“), jedoch nicht auf der Tatbestandsverwirklichung selbst beruhen (vgl. Rn. 5; Urteil vom – 5 StR 443/19 Rn. 96).

592. Gemessen hieran unterliegen die an den Angeklagten M.              ausgezahlten Provisionen einschließlich der an den Mitangeklagten F.         zur Tilgung von Schulden des Angeklagten ausgezahlten Beträge sowie der Arbeitslohn der Einziehung des Wertes von Taterträgen im Sinne der § 73c Abs. 1, § 73 Abs. 1 Alt. 2 StGB.

60Zwar sind Vorteile, die als Gegenleistung für rechtswidriges Handeln gewährt werden, abzugrenzen von Zuwendungen, die der Tatbeteiligte aus einem anderen, von der Tatbegehung unabhängigen Rechtsgrund erhält (vgl. Rn. 100). Ob ein solcher Rechtsgrund tatsächlich vorliegt oder ob der Tatlohn lediglich unter dem Deckmantel eines solchen dem Tatbeteiligten gewährten Anspruchs an ihn weitergeleitet wird, ist Tatfrage und im Rahmen einer wertenden Gesamtbetrachtung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu entscheiden. Die tatgerichtliche Auffassung, es fehle „nicht ausschließbar“ an dem erforderlichen Gegenseitigkeitsverhältnis, weil der Angeklagte sein Gehalt, die Provisionen und die Nutzung des „Dienstwagens“ aufgrund seines Arbeitsvertrages mit der „DS.   GmbH“ [richtig wohl: „DT.   GmbH“] erhalten habe, ist jedoch auf der Grundlage der Feststellungen nicht nachvollziehbar.

61Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen erhielt der Angeklagte M.             die Provisionen für die angebliche „Vermittlung“ der Kunden und damit zweifelsfrei als Gegenleistung für den von ihm geleisteten Tatbeitrag. Gleiches gilt für die von ihm erhaltene monatliche Vergütung. Nach den Feststellungen war die Tätigkeit des Angeklagten M.             für die vom gesondert verfolgten S.              kontrollierten Gesellschaften DS.   GmbH und DT.   GmbH von Beginn an auf die Begehung von Straftaten angelegt. Der Abschluss des Arbeitsvertrags zwischen dem Angeklagten M.              und der DT.   GmbH fiel zeitlich mit dem Beginn der Umsetzung des gemeinsamen Tatplans zwischen den beiden Angeklagten und dem gesondert verfolgten S.               zusammen. Nach den bisher getroffenen Feststellungen liegt daher der Schluss nahe, dass sämtliche „Provisionszahlungen“ tatsächlich dem Tatlohn entsprechen.

62Auch hinsichtlich der Gehaltszahlungen und möglicher Gebrauchsvorteile aus der Zurverfügungstellung eines Kraftfahrzeugs kann der Arbeitsvertrag nicht als ein von der Tatbegehung unabhängiger Rechtsgrund angesehen werden. Denn nach den Feststellungen erschöpfte sich die gesamte Tätigkeit des Angeklagten M.             für die DT.   GmbH in der Begehung von Vermögensstraftaten nach dem Muster der urteilsgegenständlichen Taten. So hat das Landgericht insbesondere festgestellt, dass die DT.   GmbH Einnahmen ausschließlich aus Kundengeldern generierte und der eigennützige Verbrauch der gesamten Einnahmen Teil des gemeinsamen Tatplans der Angeklagten und des gesondert verfolgten S.              gewesen ist. Demnach sprechen die Feststellungen im Ergebnis dafür, dass der Arbeitsvertrag hinsichtlich aller Zuwendungen der DT.   GmbH an den Angeklagten M.               nur als Deckmantel für die Leistung eines vereinbarten Tatlohns diente.

633. Neben genaueren Feststellungen zum Umfang der Einnahmen des Angeklagten M.             aus Provisions- und Gehaltszahlungen wird das neue Tatgericht auch aufzuklären haben, ob und ggf. in welchem Umfang dem Angeklagten M.              das festgestellte Dienstfahrzeug zur privaten Nutzung zur Verfügung stand. Gebrauchsvorteile für die private Nutzung eines Pkw kommen als Einziehungsgegenstand i.S.d. § 73 Abs. 1 StGB in Betracht (vgl. Rn. 24). Im Umfang der Nutzung für Fahrten im Zusammenhang mit den urteilsgegenständlichen Taten wäre dem Angeklagten M.              das Fahrzeug hingegen nicht „für die Tat“ (§ 73 Abs. 1 Alt. 2 StGB), sondern für deren Durchführung zugewendet worden (vgl. Rn. 5).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:250424U4STR456.22.0

Fundstelle(n):
ZAAAJ-77812