Konkurrentenstreit um höherwertigen Dienstposten, Zusätzliche Auswahlinstrumente im Auswahlverfahren
Leitsatz
Zusätzliche Auswahlinstrumente - wie etwa Assessmentverfahren - kommen in Betracht, wenn ein Vorsprung auch unter "Ausschöpfung" der dienstlichen Beurteilungen nicht festgestellt werden kann oder wenn eine abschließende Entscheidung über Eignung, Leistung und Befähigung der Bewerber auf der Grundlage der dienstlichen Beurteilungen nicht möglich ist.
Gesetze: Art 33 Abs 2 GG, § 123 Abs 1 S 1 VwGO, § 123 Abs 3 VwGO
Gründe
I
1Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens an die Beigeladene.
2Der im Jahr ... geborene Antragsteller ist Bundesbeamter mit der Befähigung für die Laufbahn des höheren sprach- und kulturwissenschaftlichen Dienstes. Er ist Oberregierungsrat (Besoldungsgruppe A 14 BBesO) und wird seit Oktober 2003 beim Bundesnachrichtendienst (BND) verwendet.
3Im Juli 2023 schrieb die Antragsgegnerin den mit der Besoldungsgruppe A 15 BBesO bewerteten Dienstposten als Sachgebietsleiter/Sachgebietsleiterin (m/w/d) "A ..." ausschließlich für Bewerber der Besoldungsgruppe A 14 BBesO "förderlich" aus. Dabei bestimmte sie konstitutive Anforderungen für die Einbeziehung in das weitere Auswahlverfahren, außerdem beurteilungsbasierte zusätzliche Anforderungen für den Qualifikationsvergleich anhand der dienstlichen Beurteilung bei gleicher Gesamtnote mehrerer Bewerber und schließlich zusätzliche Anforderungen bei im Wesentlichen gleich beurteilten Bewerbern. Auf die Ausschreibung hin gingen 20 Bewerbungen ein.
4Mit (Teil-)Auswahlvermerk vom September 2023 prüfte die Antragsgegnerin zunächst (1. Schritt), welche Bewerber die konstitutiven Anforderungen für die Einbeziehung in das weitere Auswahlverfahren erfüllten. Das bejahte sie für 18 Bewerber, darunter der Antragsteller und die Beigeladene. Sodann (2. Schritt) stellte die Antragsgegnerin fest, dass 13 Bewerber in der Regelbeurteilung zum Stichtag mit der im Bewerberfeld höchsten Gesamtnote 5 ("Übertrifft die Anforderungen durch ganz überwiegend herausragende Leistungen") beurteilt worden sind, darunter ebenfalls der Antragsteller und die Beigeladene. Im nächsten Schritt (3. Schritt) nahm sie eine Binnendifferenzierung der Leistungs- und Befähigungsmerkmale der aktuellen Beurteilungen, orientiert an den im Anforderungsprofil aufgeführten Einzelmerkmalen vor. Hierbei schieden fünf Bewerber aus dem weiteren Leistungsvergleich aus. Die verbliebenen acht Bewerber - darunter der Antragsteller und die Beigeladene - wurden sodann (4. Schritt) einem weiteren Vergleich der übrigen Inhalte der zugrunde gelegten dienstlichen Beurteilungen unterzogen. Danach ergab sich nur zu Lasten eines Bewerbers ein relevanter Nachteil, sodass bei sieben Bewerbern - darunter der Antragsteller und die Beigeladene - die vorherigen Regelbeurteilungen betrachtet wurden (5. Schritt). Da zwei der Bewerber - darunter die Beigeladene - zum Stichtag der früheren Regelbeurteilung noch in der laufbahnrechtlichen Probezeit waren und deshalb seinerzeit noch nicht regelbeurteilt wurden, wurden die früheren Regelbeurteilungen nicht berücksichtigt.
5Die Antragsgegnerin führte daraufhin (6. Schritt) - wegen der Vielzahl der förderlichen Stellenausschreibungen auch für andere Auswahlverfahren - an den Anforderungen des Statusamtes orientierte und den Schwerpunkt auf die Führungseignung der Bewerber legende ergänzende Auswahlverfahren in Form von Assessment-Centern durch. Diese bestanden aus einer Selbstpräsentation, einem Rollenspiel und einem Interview.
6Mit abschließendem Auswahlvermerk vom Dezember 2023 wiederholte die Antragsgegnerin die Darstellung der ersten Auswahlschritte und nahm sodann den Bewerbervergleich auf der Grundlage der Assessment-Center vor. Hieraus ergab sich ein Vorsprung für die Beigeladene als Viertbeste (Punktwert 4,81) gegenüber dem Antragsteller als Sechstbestem (Punktwert 4,18). Die drei bestplatzierten Bewerber wurden in parallel laufenden Auswahlverfahren berücksichtigt und standen deshalb für eine Besetzung des streitgegenständlichen Dienstpostens nicht mehr zur Verfügung. Dementsprechend wurde die Beigeladene dem Bedarfsträger - d. h. dem Referat, dem der zu besetzende Dienstposten zugeordnet ist - als bestgeeignete Bewerberin vorgeschlagen; der Antragsteller wurde als Dritter in der Reihe platziert.
7Sodann forderte die Antragsgegnerin die Beigeladene auf, den Sprachtest nach SLP 3 zu aktualisieren. Der Bedarfsträger führte mit der Beigeladenen ein Verwendungsgespräch und beurteilte sie danach als sehr geeignet für eine dortige Verwendung. Die Beteiligung von Gesamtpersonalrat, Gleichstellungsbeauftragter und Schwerbehindertenvertretung ergab Zustimmung bzw. keine Einwände.
8Im Januar 2024 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass der Dienstposten mit der Beigeladenen besetzt werden solle. Im Februar 2024 legte der Antragsteller Widerspruch ein und hat den vorliegenden Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt.
9Der Antragsteller ist der Ansicht, die Antragsgegnerin sei zu seinem Nachteil von den verbindlichen Kriterien des Anforderungsprofils der Stellenausschreibung abgewichen. Unberücksichtigt geblieben seien insoweit seine formale Qualifikation mit dem zweiten Hauptfach Betriebswirtschaftslehre im Studium, obwohl der zu vergebende Dienstposten im Wesentlichen die Durchführung volkswirtschaftlicher Analysen verlange; hier habe er einen Vorsprung gegenüber der Beigeladenen. Unberücksichtigt geblieben sei außerdem seine einschlägige berufliche Erfahrung und bezüglich der Führungskompetenz seine berufliche Erfahrung von knapp vier Jahren vertretungsweiser bzw. kommissarischer Sachgebietsleitung und die hierfür vergebenen überdurchschnittlichen Beurteilungsnoten in den Beurteilungen vom Juni 2021 und vom November 2023. Er, der Antragsteller, habe mit 8:7 bei den herausgehobenen Beurteilungsmerkmalen einen relevanten Leistungsvorsprung gegenüber der Beigeladenen. Es sei auch nicht erkennbar, wie die Beigeladene bei dem Merkmal "Fähigkeit zum Führen von Mitarbeitern" die (Höchst-)Stufe D habe erhalten können, obwohl sie bei den Merkmalen "Organisation, Anleitung, Aufsicht und Delegation, Motivation" nicht beurteilt worden sei. Dies gelte umso mehr, als sie im Unterschied zu ihm Mitarbeiterführung im Wesentlichen nicht geleistet habe. Damit reduziere sich das Auswahlermessen zu seinen Gunsten.
10Auch das Verfahren der Antragsgegnerin sei zu beanstanden. Das im Rahmen des Assessment-Centers geführte Auswahlgespräch mit der Beigeladenen habe entgegen der behördeninternen Dienstvorschrift erst ca. drei Monate nach dem Auswahlgespräch mit dem Antragsteller stattgefunden; deshalb fehle es für die Prüfer an der erforderlichen Aktualität des Vergleichs. Außerdem sei eine Prüferin im Bereich der Beigeladenen tätig, weshalb die erforderliche Neutralität und Gleichbehandlung nicht gewahrt sei. Schließlich sei entgegen der behördeninternen Dienstvorschrift kein Vertreter des Bedarfsträgers in der Auswahlkommission vertreten gewesen.
11Der Antragsteller beantragt,
der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zu untersagen, den ausgeschriebenen Dienstposten als Sachgebietsleiter/Sachgebietsleiterin (m/w/d) "A ..." mit der Beigeladenen zu besetzen.
12Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
13Sie ist der Ansicht, das zweite Studienfach des Antragstellers (Betriebswirtschaftslehre) habe bei der Auswahlentscheidung nicht berücksichtigt werden müssen, denn der streitgegenständliche Dienstposten sei mit den Laufbahnen des höheren nichttechnischen Verwaltungsdienstes und des höheren sprach- und kulturwissenschaftlichen Dienstes hinterlegt, sodass alle diese Studienabschlüsse gleichermaßen zur Aufgabenwahrnehmung befähigten und das weitere Studienfach des Antragstellers keinen zu berücksichtigenden Qualifikationsvorsprung begründe. Auch die neuere Regelbeurteilung des Antragstellers zum Stichtag sei zu Recht unberücksichtigt geblieben, denn im maßgeblichen Zeitpunkt der Auswahlentscheidung im Dezember 2023 sei noch keinem der Bewerber die neue Regelbeurteilung eröffnet gewesen.
14Hinsichtlich des Verfahrens weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass sie mehrere Auswahlverfahren zur förderlichen Besetzung von Dienstposten der Besoldungsgruppe A 15 BBesO durchgeführt habe, in denen ebenfalls mangels hinreichender Leistungsunterschiede bei den dienstlichen Beurteilungen zusätzliche Assessment-Center "Führung" hätten durchgeführt werden müssen. Da sich die Bewerberfelder teilweise überschnitten hätten, sei nicht für jeden Dienstposten gesondert ein Assessment-Center "Führung", sondern ein übergreifendes Assessment-Center durchgeführt worden. Deshalb hätten für 17 Bewerber sechs Termine zwischen Mitte September und Ende November 2023 stattgefunden. Wegen des sich überschneidenden Bewerberfeldes hätten die Assessment-Center nicht - wie grundsätzlich von der behördeninternen Dienstvorschrift vorgesehen - dienstpostenbezogen und in engem zeitlichen Zusammenhang durchgeführt werden können; andernfalls hätte ein Teil der Bewerber mehrfach teilnehmen müssen, was das Ergebnis der späteren Assessment-Center verfälscht hätte. Unschädlich sei, dass eine Prüferin im Bereich der Beigeladenen tätig sei, denn dieser Bereich umfasse mehr als 1 200 Dienstposten und sei von den Auswahlverfahren nicht betroffen; es habe kein auch nur mittelbares Unterstellungsverhältnis zwischen Beigeladener und Prüferin und auch keine besonderen dienstlichen Kontakte und kein besonderes Dienstverhältnis bestanden. Unschädlich sei schließlich, dass kein Vertreter des Bedarfsträgers in der Auswahlkommission vertreten gewesen sei. Die behördeninterne Dienstvorschrift enthalte insoweit lediglich eine Soll-Regelung, von der angesichts der Besonderheiten des vorliegenden Falles - Orientierung nicht an den Anforderungen des Dienstpostens, sondern an denen des Statusamtes - habe abgewichen werden können.
15Die Beigeladene hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
16Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten und die dem Gericht übersandten Verwaltungsvorgänge verwiesen.
II
17Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, über den der Senat gemäß § 123 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO in erster und letzter Instanz zu befinden hat, ist unbegründet. Der Antragsteller hat zwar die Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Entscheidung glaubhaft gemacht (1.), zeigt aber keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der zugunsten der Beigeladenen getroffenen Auswahlentscheidung auf, sodass er keinen Anspruch auf vorläufige Unterlassung ihres Vollzugs hat (2.).
181. Dem Antragsteller steht ein Anordnungsgrund i. S. v. § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO für den begehrten Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Seite.
19Zwar ist Gegenstand des Verfahrens nicht die Vergabe eines statusrechtlichen Amts, die nach Ernennung des ausgewählten Bewerbers nach dem Grundsatz der Ämterstabilität nur noch rückgängig gemacht werden könnte, wenn der unterlegene Bewerber unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG an der Ausschöpfung seiner Rechtsschutzmöglichkeiten gehindert worden wäre (vgl. 2 C 16.09 - BVerwGE 138, 102 Rn. 27 und vom - 2 A 5.18 - BVerwGE 164, 84 Rn. 22 ff.). Ausschreibung und Auswahlentscheidung sind vielmehr ausdrücklich nur auf die Vergabe eines Dienstpostens bezogen. Diese kann nachträglich aufgehoben und der Dienstposten anderweitig besetzt werden, sodass dem Antragsteller nachgelagerter Rechtsschutz zur Verfügung steht ( 2 VR 3.11 - Buchholz 232.1 § 48 BLV Nr. 1 Rn. 19).
20Mit der Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens ist auch keine "Anwartschaft" oder in sonstiger Weise rechtlich gesicherte Position im Hinblick auf die Vergabe des höherwertigeren Statusamtes verbunden ( 2 VR 3.23 - NVwZ 2024, 236 Rn. 12). Die Übertragung eines höherwertigen Dienstpostens begründet keinen Anspruch auf Beförderung ( 6 C 55.68 - BVerwGE 36, 218 <222> und vom - 2 C 51.13 - BVerwGE 151, 114 Rn. 16). Die Einstufung und Wertigkeit des Dienstpostens, den der Beamte innehat, ist vielmehr kein den Vorgaben des Grundsatzes der Bestenauswahl aus Art. 33 Abs. 2 GG entsprechendes Kriterium ( 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <103>; Beschluss vom - 2 B 117.07 - DÖD 2009, 99 <100>; ebenso - NVwZ 2013, 1603 Rn. 22 f.).
21Die von der Antragsgegnerin getroffene Auswahlentscheidung für die Dienstpostenvergabe vermag die Rechtsstellung des Antragstellers aus Art. 33 Abs. 2 GG aber dennoch zu beeinträchtigen, weil sie Vorwirkungen auf die nachfolgende Vergabe von Statusämtern entfalten kann (vgl. 2 VR 1.13 - BVerwGE 147, 20 Rn. 14 ff. m. w. N.). Der von der Antragsgegnerin zur Nachbesetzung vorgesehene und mit der Besoldungsgruppe A 15 BBesO bewertete Dienstposten stellt für den Antragsteller, der ein Amt der Besoldungsgruppe A 14 BBesO innehat, einen höherwertigen Dienstposten dar. Die Übertragung schafft daher die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für eine spätere Beförderung (§ 22 Abs. 2 BBG; vgl. zur ämtergleichen Umsetzung dagegen 2 A 6.13 - BVerwGE 153, 246 Rn. 18). Diese Vorwirkung ist mit der bewusst "förderlichen" Besetzung des Dienstpostens durch Beamte mit einem Statusamt der niedrigeren Besoldungsgruppe A 14 BBesO von der Antragsgegnerin auch beabsichtigt.
222. Der Antragsteller hat aber keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Durchgreifende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der zugunsten der Beigeladenen getroffenen Auswahlentscheidung ergeben sich weder aus den geltend gemachten Verfahrensfehlern (a) noch in inhaltlicher Hinsicht (b).
23a) Verfahrensfehler der angegriffenen Auswahlentscheidung hat die Beschwerde nicht aufgezeigt.
24aa) Die zeitliche Gestaltung der Auswahlgespräche war im Hinblick auf die besonderen Ausnahmeumstände, bei der die Auswahlkommission eine Vielzahl von Verfahren mit teils überschneidendem Bewerberkreis zu bewältigen hatte, noch gerechtfertigt.
25Der Bundesnachrichtendienst führt seine Auswahlverfahren zur Gewährleistung gleicher Maßstäbe bei der nach den Maßstäben des Art. 33 Abs. 2 GG zu treffenden Bestenauswahl auf der Grundlage von Verwaltungsvorschriften durch (vgl. 2 VR 5.23 - juris Rn. 24). Dies sind insbesondere die Richtlinie zur Durchführung von Verfahren zur internen förderlichen Besetzung von Dienstposten und Auswahl von Bewerberinnen und Bewerbern (m/w/d) im Bundesnachrichtendienst (Förderungsrichtlinie BND - FöRL-BND) vom und die Dienstvorschrift für ergänzende Auswahlverfahren zur Besetzung von Dienstposten mit Führungsverantwortung (DV Führungskräfte-AV) vom . Beide Verwaltungsvorschriften waren im vorliegenden Auswahlverfahren anwendbar. Ziff. 5.3.2. FöRL-BND enthält Verfahrensvorschriften zum Auswahlgespräch und weiteren Auswahlinstrumenten, die durch die DV Führungskräfte-AV ergänzt werden. Nach Ziffer 6 dritter Gliederungspunkt DV Führungskräfte-AV sollen die Auswahlgespräche aller Bewerbenden, soweit nicht wichtige organisatorische Gründe dagegensprechen, am gleichen Tag bzw. an unmittelbar aufeinander folgenden Tagen durchgeführt werden.
26Im vorliegenden Fall fand das Auswahlgespräch mit dem Antragsteller am und das Auswahlgespräch mit der Beigeladenen am und damit - deutlich - außerhalb der Soll-Vorgabe der Ziffer 6 der DV Führungskräfte-AV statt. Diese Abweichung ist im Hinblick auf die vorliegenden Besonderheiten jedoch gerechtfertigt. Wegen der Mehrzahl der unter Nutzung weiterer Auswahlinstrumente durchzuführenden Auswahlverfahren zur Besetzung von nach der Besoldungsgruppe A 15 BBesO bewerteten Dienstposten war die Antragsgegnerin zur Gewährleistung eines chancengleichen Bewerbungsverfahrens (vgl. 2 VR 10.23 - NVwZ 2024, 827 Rn. 22) berechtigt, ein übergreifendes statusamtsbezogenes Assessment-Center für alle 17 Bewerber durchzuführen, um zu verhindern, dass ein Teil der Bewerber mehrfach teilnehmen konnte und sich damit einen auf dieser Erfahrung basierenden Vorteil gegenüber den anderen Bewerbern verschaffte. Dies war ein sachlicher Grund für die Antragsgegnerin, von der zeitlichen Vorgabe der Soll-Vorschrift der Ziffer 6 der DV Führungskräfte-AV abzuweichen. Angesichts der Anzahl der zu führenden Gespräche ist auch der hierfür in Anspruch genommene Zeitraum von ca. zweieinhalb Monaten noch von den organisatorischen Besonderheiten der Fallgestaltung gedeckt.
27bb) Nicht verfahrensfehlerhaft ist auch, dass ein Mitglied der Auswahlkommission beim Assessment-Center im Bereich der Beigeladenen tätig gewesen ist. Angesichts des Umstandes, dass dieser Bereich sehr groß (über 1 200 Dienstposten) und von den Auswahlverfahren nicht betroffen war sowie zwischen der Beigeladenen und diesem Mitglied der Auswahlkommission kein auch nur mittelbares Unterstellungsverhältnis und auch keine besonderen dienstlichen Kontakte bestanden, war eine nicht neutrale Bewertung durch dieses Mitglied der Auswahlkommission nicht zu besorgen. Deshalb verletzte dessen Mitwirkung nicht das Recht des Antragstellers auf ein chancengleiches Bewerbungsverfahren.
28cc) Schließlich ist es nicht verfahrensfehlerhaft, dass kein Vertreter des Bedarfsträgers in der Auswahlkommission vertreten war.
29Ziff. 5.3.2.1. FöRL-BND bestimmt u. a., dass ein Vertreter des Bedarfsträgers (mindestens in der Funktionsebene einer Sachgebietsleitung im höheren Dienst) in der Gesprächskommission, die die Auswahlgespräche führt, vertreten ist. Nach Ziff. 4.3 der DV Führungskräfte-AV besteht die Auswahlkommission "im Regelfall" u. a. aus einem Vertreter der bedarfstragenden Abteilung. Zwar ist dieser Vorgabe im vorliegenden Fall nicht entsprochen worden. Diese Abweichung ist vorliegend indes durch Sachgründe gerechtfertigt. Die Regelungen über die Teilnahme eines Vertreters des Bedarfsträgers bezweckt ersichtlich, dessen Kenntnisse der Anforderungen des zu vergebenden Dienstpostens im Rahmen des nach Ziff. 5.3.2.1. FöRL-BND grundsätzlich auf diesen Dienstposten zugeschnittenen Fragenkatalogs und Auswahlgesprächs nutzbar zu machen. Im vorliegenden Fall waren aber Bezugspunkt des weiteren Auswahlverfahrens und damit von Fragenkatalog und Auswahlgesprächen - wie bereits erwähnt - nicht die zu vergebenden Dienstposten. Bezugspunkt war vielmehr das Statusamt, dem diese Dienstposten zugeordnet sind. Dies war wegen der Mehrzahl der zu vergebenden Dienstposten zur Gewährleistung des chancengleichen Bewerbungsverfahrens und im Übrigen nach Ziff. 5.3.2.1. FöRL-BND auch deshalb geboten, weil der Antragsteller den förderlichen Dienstposten bereits kommissarisch wahrgenommen hatte. Bei einer größeren Anzahl der zu vergebenden Dienstposten können und müssen deshalb in der übergreifenden Auswahlkommission nicht alle Bedarfsträger vertreten sein.
30b) Die Beschwerde hat auch keine inhaltlichen Mängel der Auswahlentscheidung aufgezeigt.
31aa) Es erscheint zwar fraglich, ob das von der Antragsgegnerin mit erheblichem Aufwand durchgeführte Verfahren zur Differenzierung der Bewerber mit im Wesentlichen gleichem Gesamturteil zweckmäßig ist, um den bestgeeigneten Bewerber zu identifizieren. Angesichts der schematischen Betrachtung von über zehn hervorgehobenen Einzelmerkmalen, die zu einer gleichen Gewichtung von Anforderungspunkten wie dem Durchsetzungsvermögen - das allein auf einer Befähigungseinschätzung beruht - und zentralen Leistungselementen, wie der Qualität und Verwertbarkeit der Arbeitsergebnisse oder spezifischen Fachkenntnissen, führt, ist die Kritik des Antragstellers, der die Aufgaben des ausgeschriebenen Dienstpostens kommissarisch wahrnimmt, durchaus nachvollziehbar. Die auf die Förderungsrichtlinie des BND zurückgehende Verfahrensweise bei Bewerbern mit gleichem Gesamturteil überschreitet den dem Dienstherrn zustehenden Gestaltungsspielraum aber nicht (vgl. 2 VR 1.13 - BVerwGE 147, 20 Rn. 46 ff.).
32Nicht zu beanstanden ist auch, dass die Antragsgegnerin ergänzend auf die Ergebnisse eines Assessmentverfahrens zurückgegriffen hat. Zwar sind für die Gestaltung des Auswahlverfahrens grundsätzlich gesetzliche Grundlagen erforderlich (vgl. bereits - BVerfGE 73, 280 <294 ff.> für die Vergabe von Notarassessorstellen). Denn die Verfahrensgestaltung wirkt sich unmittelbar auf die Konkurrenzsituation und den Bewerbervergleich aus. Der "verfahrensmäßigen Absicherung" des Bewerbungsverfahrensanspruchs kommt daher wesentliche Bedeutung für die Verwirklichung des grundrechtsgleichen Rechts aus Art. 33 Abs. 2 GG zu (vgl. - juris Rn. 27). Dies gilt für die Einbeziehung von Prüfungen, Tests, Bewerbungsgesprächen oder anderen Assessmentverfahren in offenkundiger Weise. Anders als die über einen längeren Zeitraum durch die Vorgesetzten gewonnene Einschätzung von Leistungsbild und Entwicklungspotential in einer dienstlichen Beurteilung beruhen derartige Bewertungen nur auf einer Momentaufnahme und sind von der Einschätzung des zur Durchführung berufenen Gremiums geprägt.
33Die "ergänzende" Heranziehung "weiterer Hilfsmittel neben der dienstlichen Beurteilung" hat das Bundesverfassungsgericht indes ausdrücklich gebilligt (vgl. - NVwZ 2011, 1191 Rn. 12; - BVerfGE 141, 56 Rn. 58). Zusätzliche Auswahlinstrumente dürften daher insbesondere in Betracht kommen, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein Vorsprung auch unter "Ausschöpfung" der dienstlichen Beurteilungen nicht festgestellt werden kann oder wenn eine abschließende Entscheidung über Eignung, Leistung und Befähigung der Bewerber auf der Grundlage der dienstlichen Beurteilungen - etwa angesichts ihrer Verschiedenartigkeit - nicht möglich ist (vgl. - juris Rn. 26).
34bb) Angesichts der ausführlichen Substantiierung zur Auswertung der dienstlichen Beurteilungen im Schriftsatz vom , der der Antragsteller nicht entgegengetreten ist, kann auch die Einschätzung, dass zwischen dem Antragsteller und der Beigeladenen ein wesentlicher Qualifikationsvorsprung nicht festgestellt werden kann, nicht beanstandet werden.
35Das damit zugunsten des Antragstellers ermittelte Verhältnis von 8:7 hinsichtlich der in der Ausschreibung herausgehobenen Anforderungsmerkmale reicht nach den Vorgaben der in Ziff. 5.2.2. FöRL-BND für die Annahme eines wesentlichen Unterschieds nicht aus. Danach ist ein wesentlicher Unterschied grundsätzlich insbesondere nur dann anzunehmen, wenn ein Bewerber in mindestens 3/5 der im Ausschreibungsanforderungsprofil herausgehobenen Einzelmerkmale bei gleichzeitiger Gleicheignung in den übrigen herausgehobenen Einzelmerkmalen um eine Notenstufe besser beurteilt ist. Insoweit ist auch entgegen der Annahme des Antragstellers nicht zu beanstanden, dass dieser unwesentliche Vorsprung im Rahmen des weiteren, nachfolgenden Qualifikationsvergleichs nicht berücksichtigt wurde. Es liegt in der Konsequenz abgestufter Auswahlverfahren, dass unwesentliche Qualifikationsunterschiede bei nachfolgenden Vergleichsstufen nicht berücksichtigt werden müssen. Im Übrigen sind die Bewertungen der herausgehobenen Anforderungsmerkmale in die nachfolgende Gesamtsummation eingeflossen und damit auch berücksichtigt worden. Lediglich angemerkt sei, dass sich bei einer Gegenüberstellung der Einzelbewertungen der dienstlichen Beurteilungen von Antragsteller und Beigeladenen ein gewisser Vorsprung für die Beigeladene ergäbe; diese hat insbesondere sowohl bei den Leistungs- als auch bei den Befähigungsmerkmalen mehr Bewertungen mit der Spitzennote erhalten.
36cc) Die Antragsgegnerin musste entgegen der Annahme des Antragstellers auch nicht dessen zweites Hauptfach Betriebswirtschaftslehre berücksichtigen, denn darauf kam es nach dem Anforderungsprofil der Stellenausschreibung nicht an. Unabhängig von dieser formellen Qualifizierung sind die dem Antragsteller durch seine Ausbildung tatsächlich vermittelten Fähigkeiten materiell im Rahmen des Anforderungsmerkmals "Spezifische Fachkenntnisse" berücksichtigungsfähig. Dort ist dem Antragsteller auch ein Vorsprung vor der Beigeladenen zuerkannt worden.
37Entsprechendes gilt für die vom Antragsteller vermisste Würdigung seiner "einschlägigen beruflichen Erfahrung". Auch diese war für sich genommen nicht Bestandteil des ausgeschriebenen Anforderungsprofils und musste daher - über den materiellen Gehalt der in den Einzelmerkmalen zur Fachkenntnis enthaltenen Elemente hinaus - nicht gesondert berücksichtigt werden. Soweit der Antragsteller auf die Aussagen der zum Stichtag für die Bewerber erstellten Regelbeurteilungen verweist, sind die dort enthaltenen Erwägungen nicht berücksichtigungsfähig, weil diese Beurteilungen zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung im Dezember 2023 den Bewerbern noch nicht eröffnet waren.
38dd) Zweifel an der zugunsten der Beigeladenen getroffenen Auswahlentscheidung ergeben sich auch nicht im Hinblick auf die fehlende Beurteilung der Beigeladenen im Merkmal "Belastbarkeit". Anhaltspunkte dafür, dass das Befähigungsmerkmal wegen der Art der angefallenen Aufgaben im Beurteilungszeitraum nicht bewertet hätte werden können (vgl. Nr. 14.1 der Bestimmungen über die Beurteilung der Beamtinnen, Beamten und Beschäftigen im Bundesnachrichtendienst vom - BB-BND -), sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die dienstliche Beurteilung der Beigeladenen ist daher unvollständig und insoweit fehlerhaft. Auf diesem Mangel kann der zwischen dem Antragsteller und der Beigeladenen angestellte Auswahlvergleich indes nicht beruhen, weil dem Antragsteller hinsichtlich des Anforderungsmerkmals der Belastbarkeit der im Vergleichssystem maximal vorgesehene Vorsprung eingeräumt worden ist.
39Schließlich ist es entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht zu beanstanden, dass die Beigeladene bei dem Merkmal "Fähigkeit zum Führen von Mitarbeitern" die (Höchst-)Stufe D erhalten hat, obwohl sie bei den Merkmalen "Organisation, Anleitung, Aufsicht und Delegation, Motivation" nicht beurteilt worden ist. Angesichts der in den Einzelmerkmalen "Arbeitsweise" und "soziale Kompetenz" für die Beigeladene vergebenen Spitzennoten ist die Einstufung beim Befähigungsmerkmal "Mitarbeiterführung" nicht zu beanstanden. Abgesehen davon hat die Antragsgegnerin auch hinsichtlich des Merkmals "Führungskompetenz" einen Vorsprung des Antragstellers gegenüber der Beigeladenen angenommen und beim Auswahlvergleich berücksichtigt.
403. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG und in Orientierung an § 52 Abs. 6 Satz 4 GKG. Da der Antragsteller mit dem streitgegenständlichen Eilverfahren nur eine vorläufige Freihaltung der Stelle erreichen kann und nicht eine Vergabe an sich selbst, ist eine weitere Halbierung des Betrags geboten, sodass der Wert auf ein Viertel des sich aus § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 GKG berechneten Betrags festzusetzen ist (vgl. 2 VR 2.19 - Buchholz 232.0 § 9 BBG Nr. 9 Rn. 43).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:250924B2VR1.24.0
Fundstelle(n):
NJW 2024 S. 10 Nr. 45
ZAAAJ-77355