Betriebliche Altersversorgung - Tarifvertrag - Gleichbehandlungsgrundsatz
Instanzenzug: Az: 1 Ca 283/20 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamburg Az: 8 Sa 29/21 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger für eine Beschäftigungszeit vom bis zum Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in entsprechender Anwendung eines Firmentarifvertrags zu gewähren hat.
2Der 1955 geborene Kläger war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen vom bis zum als Arzt - seit 2011 als Oberarzt - beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war zunächst durch Dienstvertrag vom bis zum befristet und wurde durch Dienstvertrag vom auf unbestimmte Zeit fortgesetzt. In beiden Verträgen war vereinbart, dass für das Dienstverhältnis „die Bestimmungen des Manteltarifvertrages für Angestellte (AVH) in der jeweils geltenden Fassung“ gelten. Die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerinnen gewährten ihren Beschäftigten zunächst Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auf Grundlage des Tarifvertrags über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (nachfolgend ATV) bzw. der entsprechenden zuvor geltenden tariflichen Regelungen. Danach hatten die Beschäftigten in der Regel einen Anspruch auf Versicherung bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) nach Maßgabe der Satzung der VBL (VBLS).
3Der Kläger war im Zeitpunkt seiner Einstellung am kraft seiner Mitgliedschaft im ärztlichen Versorgungswerk nach § 7 Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) seit dem von der Versicherungspflicht zur Rentenversicherung der Angestellten befreit. Vor diesem Hintergrund beantragte er - unter Berufung auf § 28 Abs. 4 VBLS - mit Zustimmung der Rechtsvorgängerin der Beklagten mit Schreiben an die VBL vom die Befreiung von der Pflichtversicherung in der VBL ab dem . Mit weiterem Schreiben vom beantragte der Kläger, auch über den hinaus von der Versicherungspflicht in der VBL befreit zu werden. Er wurde darauf von der Arbeitgeberin nicht zur Versicherung bei der VBL angemeldet und war während des bestehenden Arbeitsverhältnisses nicht bei der VBL versichert. Zwischen den Parteien besteht kein Streit darüber, dass die Befreiung von der Pflichtversicherung in der VBL im Einklang mit der VBLS und den damals geltenden Tarifbestimmungen erfolgte.
4Für den Kläger wurden seitens der Rechtsvorgängerin der Beklagten zwei Kapitallebensversicherungen abgeschlossen, die durch Beiträge des Arbeitgebers finanziert wurden und die eine einmalige Kapitalzahlung vorsahen: Zum einen bei der VRK Lebensversicherung (Kollektivvertrag, Versicherungsbeginn , Versicherungsende ); zum anderen bei der Familienfürsorge Lebensversicherung (Kollektivvertrag, Versicherungsbeginn , Versicherungsende ). Beitragszahlungen auf die Versicherung bei der VRK Lebensversicherung erfolgten bis zum , auf die bei der Familienfürsorge Lebensversicherung bis zum . Aus diesen Lebensversicherungen wurden an den Kläger seitens des Versicherers zum 52.186,20 Euro und zum 84.552,19 Euro ausgezahlt.
5Aus Anlass der beabsichtigten Beendigung des Beteiligungsverhältnisses der Beklagten bei der VBL schlossen die Beklagte und die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di den Tarifvertrag „Sicherung der betrieblichen Altersversorgung für die Beschäftigten der Asklepios Westklinikum Hamburg GmbH“ vom (nachfolgend TV Altersversorgung), der am in Kraft trat. Darin heißt es auszugsweise:
6Nach Nr. 2 Abs. 1 und Nr. 3 Abs. 1 der in § 3 Abs. 1 TV Altersversorgung genannten Leistungsrichtlinie 1 ist der Beklagten für die Arbeitnehmer, die unter den „Altbestand I und II“ iSv. § 2 Buchst. a und b TV Altersversorgung fallen, ein für alle Beschäftigten des „Altbestands I und II“ einheitlich auszuübendes Wahlrecht hinsichtlich des Durchführungswegs der betrieblichen Altersversorgung eingeräumt. Ua. besteht die Möglichkeit der Mitgliedschaft bei einer näher zu bestimmenden kommunalen Zusatzversorgungskasse (Pensionskasse). Für diesen Fall bestimmt Nr. 2 Abs. 2 Satz 1 Leistungsrichtlinie 1, dass die Arbeitnehmer mit dem auf den Stichtag folgenden Tag eine Betriebsrente nach Maßgabe der Regelungen des Tarifvertrags über die zusätzliche Altersvorsorge der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (AItersvorsorge-TV-Kommunal/ATV-K vom ) in seiner jeweiligen Fassung in Verbindung mit der Satzung derjenigen kommunalen Zusatzversorgungskasse haben, zu der ein Mitgliedschaftsverhältnis begründet wird. Nach dem - in der Senatsverhandlung von ihnen bestätigten - Vorbringen der Parteien hat die Beklagte für die Arbeitnehmer, die unter den „Altbestand I und II“ fallen, die Mitgliedschaft in der Zusatzversorgungskasse „Bayerische Versorgungskammer“ gewählt. Arbeitnehmer, die entgegen einem tarifvertraglichen/arbeitsvertraglichen Anspruch auf Pflichtversicherung (§ 26 VBLS) pflichtwidrig nicht bei der VBL angemeldet wurden und damit dem „Altbestand III“ iSv. § 2 Buchst. c TV Altersversorgung zuzurechnen sind, erhalten nach Nr. 4 Abs. 1 der Leistungsrichtlinie 1 „der Höhe nach die Leistungen im Wege einer Direktzusage, die sich bei einer pflichtgemäßen Versicherung über die VBL nach dem ATV in Verbindung mit der VBLS ergeben hätten (Verschaffungsanspruch)“.
7Das Versorgungswerk der Ärztekammer Hamburg teilte dem Kläger mit Schreiben vom mit, sein Regelaltersrentenbeginn sei nach dem „zurzeit gültigen Versorgungsstatut der Ärztekammer Hamburg“ der .
8Mit seiner Klage hat der Kläger die Feststellung des Bestehens von Versorgungsansprüchen auf Grundlage des TV Altersversorgung nach Maßgabe der Leistungsrichtlinie 1 unter Berücksichtigung einer Beschäftigungszeit ab bis zum geltend gemacht, wobei er sich zum Teil Leistungen aus der Kapitallebensversicherung bei der VRK Lebensversicherung anrechnen lassen will. Zur Konkretisierung seines Begehrens hat er ausgeführt, als Durchführungsweg nach der Leistungsrichtlinie 1 komme für ihn nur eine Direktzusage in Betracht.
9Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe für seine Beschäftigungszeit vom bis zum einen Anspruch auf Leistungen auf Grundlage des TV Altersversorgung nach Maßgabe der Leistungsrichtlinie 1 erworben. Aufgrund seines durch die Anhebung der Regelaltersgrenze bedingten späteren Ausscheidenszeitpunkts zum bestehe eine Versorgungslücke ab dem Zeitpunkt des Ablaufs der Leistungen der für ihn abgeschlossenen Kapitallebensversicherungen. Zwar unterfalle er nach § 2 TV Altersversorgung nicht dem persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags, da er im Einklang mit damaligen Rechtsvorschriften (nicht pflichtwidrig) nicht bei der VBL versichert gewesen sei. Der TV Altersversorgung enthalte aber eine unbewusste Regelungslücke. Mit dem TV Altersversorgung habe eine umfassende Neugestaltung der betrieblichen Altersversorgung für sämtliche Beschäftigte erfolgen sollen, die - durch Verweis auf die unterschiedlichen Versorgungsmodelle - auch die Anhebung der Regelaltersgrenze umfasse; die Gruppe der Arbeitnehmer, die - wie er - wirksam auf eine Versorgung über die VBL verzichtet hätten, sei dabei im Hinblick auf die Anhebung der Regelaltersgrenze versehentlich nicht bedacht worden. Diese Lücke sei durch Anwendung der Leistungsrichtlinie 1 zu schließen. Der Klageanspruch folge auch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Die Beklagte differenziere sachgrundlos zwischen zwei Gruppen von Beschäftigten, nämlich denjenigen, die in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen, und denjenigen, die wirksam von der Versicherung bei der VBL befreit seien. Die Gruppe der Arbeitnehmer, die - wie er - wirksam auf eine Versicherung bei der VBL verzichtet habe, erhalte anders als alle anderen Arbeitnehmer des Altbestands keine betriebliche Altersversorgung, deren Höhe an der Dauer ihrer gesamten Dienstzeit orientiert sei. Die Beklagte könne sich nicht auf einen bloßen Normenvollzug in Bezug auf die Anwendung des TV Altersversorgung berufen, da sie als Partei an der Schaffung der fraglichen Normen mitgewirkt habe.
10Der Kläger hat zuletzt beantragt
11Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und den Standpunkt eingenommen, der Antrag sei nicht hinreichend bestimmt und daher unzulässig. Jedenfalls seien die Vorschriften des TV Altersversorgung nicht planwidrig lückenhaft. Ein Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz komme schon deshalb nicht in Betracht, da die Beklagte den tariflich festgelegten persönlichen Geltungsbereich anwende, ohne selbst eine Gruppenbildung vorzunehmen. Die unterschiedliche Gruppenbildung sei zudem dadurch gerechtfertigt, dass sich einige Arbeitnehmer - wie der Kläger - gegen eine Pflichtversicherung in der VBL und für eine Kapitallebensversicherung entschieden hätten. Das Begehren des Klägers mache deutlich, dass es ihm auch nicht darum gehe, so gestellt zu werden, als sei er von Anfang an in der VBL versichert gewesen. Vielmehr wolle er die Einmalzahlungen der Lebensversicherungen vereinnahmen und zusätzlich für die Zeit nach Auszahlung der Kapitallebensversicherungen weitere Anwartschaften nach der Leistungsrichtlinie 1 des TV Altersversorgung erlangen. Er begehre mithin „das Beste aus zwei Welten“, was keine Grundlage im Tarifvertrag finde.
12Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage auf die Berufung des Klägers stattgegeben und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger Leistungen der betrieblichen Altersversorgung in entsprechender Anwendung der Leistungsrichtlinie 1 des TV Altersversorgung „in Form einer Direktzusage“ (so nach dem durch Beschluss vom berichtigten Tenor) zu gewähren, die eine Beschäftigungszeit vom bis zum berücksichtigt, wobei für die Zeit vom bis zum die Leistungen der Direktversicherung bei der VRK Lebensversicherung anzurechnen seien. Mit ihrer Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung der klageabweisenden Entscheidung des Arbeitsgerichts. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
13Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger keinen Anspruch auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung auf der Grundlage der Leistungsrichtlinie 1 des TV Altersversorgung unter Berücksichtigung einer Beschäftigungszeit ab bis zum .
14I. Die Klage ist zulässig.
151. Der Feststellungsantrag ist nach der gebotenen Auslegung hinreichend bestimmt (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO; zu den Anforderungen - Rn. 12). Nach dem Antragswortlaut bleibt zwar - auch unter Berücksichtigung der Angabe des Klägers, es komme für ihn nur der „Durchführungsweg der Direktzusage“ in Betracht - unklar, auf der Grundlage welcher Regelung der Leistungsrichtlinie 1 des TV Altersversorgung die Beklagte dem Kläger welche Leistungen gewähren soll. Bei der gebotenen, auf die Ermöglichung einer Sachentscheidung gerichteten rechtsschutzgewährenden Auslegung (vgl. zu den Auslegungsgrundsätzen - Rn. 26 mwN, BAGE 154, 337) ist jedoch nach dem Vorbringen des Klägers hinreichend erkennbar, dass er eine unmittelbare Leistungspflicht der Beklagten („Durchführungsweg der Direktzusage“) über die Versorgungsleistungen festgestellt wissen will, die er - auf Grundlage einer auf den Zeitraum vom bis zum begrenzten Beschäftigungszeit - beanspruchen könnte, wenn er nicht von der Pflichtversicherung bei der VBL befreit worden, sondern bei der VBL versichert gewesen wäre. Da der Kläger unter dieser Prämisse nach § 2 Buchst. a TV Altersversorgung unter den „Altbestand I“ fallen würde, geht es dem Kläger damit der Sache nach um die Feststellung der unmittelbaren Leistungspflicht der Beklagten auf Grundlage der Satzung der Zusatzversorgungskasse „Bayerische Versorgungskammer“, nachdem die Beklagte für die Beschäftigten des „Altbestands I und II“ ihr nach Nr. 2 Abs. 1 und Nr. 3 Abs. 1 der Leistungsrichtlinie 1 zustehendes Wahlrecht entsprechend ausgeübt hat. Dieses Antragsverständnis hat der Kläger in der Senatsverhandlung bestätigt. Er hat ebenso bestätigt, dass die im Antrag formulierte Anrechnung der Leistungen der Direktversicherung bei der VRK Lebensversicherung „für die Zeit vom bis zum “ dergestalt erfolgen soll, dass der auf diesen Zeitraum zeitanteilig entfallende Auszahlungsbetrag der Kapitallebensversicherung auf die oben genannten Leistungen in Anrechnung gebracht werden soll. In diesem Verständnis kann die Beklagte hinreichend erkennen, wie sie einem evtl. Urteilsspruch zugunsten des Klägers nachkommen könnte.
162. Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO liegen vor. Zwar können nach § 256 Abs. 1 ZPO bloße Elemente oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Eine Feststellungsklage muss sich allerdings nicht notwendig auf ein Rechtsverhältnis insgesamt erstrecken. Sie kann sich vielmehr auf einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auch auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken ( - Rn. 23). Der Kläger begehrt mit seinem Antrag die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Versorgungsleistung nach bestimmten Regeln. Hierbei handelt es sich um ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis (vgl. - Rn. 32). Da die Beklagte ihre Leistungspflicht leugnet, steht dem Kläger auch ein Feststellungsinteresse zur Seite.
17II. Die Klage ist unbegründet. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe an den Kläger die begehrten Leistungen auf Grundlage der Leistungsrichtlinie 1 des TV Altersversorgung zu erbringen, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Für das geltend gemachte Begehren besteht keine Anspruchsgrundlage.
181. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, der Anspruch des Klägers ergebe sich aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
19a) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist die privatrechtliche Ausprägung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG. Gemäß § 1b Abs. 1 Satz 4 BetrAVG können Versorgungsverpflichtungen nicht nur auf einer Versorgungszusage, sondern auch auf dem Grundsatz der Gleichbehandlung beruhen. Im Bereich des Betriebsrentenrechts hat der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz damit kraft Gesetzes anspruchsbegründende Wirkung ( - Rn. 28). Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen seiner Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer selbst gegebenen Regel gleich zu behandeln. Er verbietet nicht nur die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, sondern auch eine sachfremde Gruppenbildung (st. Rspr., vgl. - Rn. 24; - 3 AZR 730/19 - Rn. 42, BAGE 171, 1; - 3 AZR 861/16 - Rn. 28). Er findet stets Anwendung, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem bestimmten erkennbaren und generalisierenden Prinzip aufgrund einer abstrakten Regelung gewährt, indem er bestimmte Voraussetzungen oder einen bestimmten Zweck festlegt (st. Rspr., vgl. - aaO; - 3 AZR 861/16 - aaO; - 3 AZR 545/16 - Rn. 23 mwN). Allerdings begrenzt der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz zum Schutz der Arbeitnehmer nur die Gestaltungsmacht des Arbeitgebers. Er greift deshalb nur dort ein, wo er durch gestaltendes Verhalten ein eigenes Regelwerk oder eine eigene Ordnung schafft, nicht hingegen bei bloßem - auch vermeintlichem - Normenvollzug (st. Rspr., - Rn. 21, BAGE 161, 47; - 3 AZR 691/16 - Rn. 30 jeweils mwN).
20b) Hiervon ausgehend hält die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die vom Kläger geltend gemachte Versorgungsverpflichtung der Beklagten ergebe sich aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht ausgeführt, die Beklagte behandele zwei Gruppen von Arbeitnehmern ungleich, indem sie bei der Berechnung der betrieblichen Altersversorgung der Arbeitnehmer, die sich wirksam gegen eine Versorgung nach der VBL entschieden haben, die infolge der Anhebung der gesetzlichen Altersrente über das 65. Lebensjahr hinaus absolvierten Beschäftigungszeiten unberücksichtigt lässt, während sie diese Zeiten für alle anderen Beschäftigten durch Anwendung der tariflichen Regelungen (TV Altersversorgung) berücksichtige. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist der Anwendungsbereich des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes insoweit nicht eröffnet. Daher kann dahinstehen, ob die Annahme des Landesarbeitsgerichts, für die Gruppe „aller anderen Beschäftigten“ würden diese Beschäftigungszeiten „durch die tariflichen Regelungen berücksichtigt“, - wie die Beklagte geltend macht - unter Verstoß gegen ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) erfolgt ist. Selbst wenn - was die Beklagte einräumt - die in diesem Sinne „begünstigte“ Arbeitnehmergruppe jedenfalls die Beschäftigten des „Altbestands I, II und III“ iSv. § 2 TV Altersversorgung umfassen würde, käme der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zur Anwendung.
21aa) Die Beklagte wendet die Regelungen des TV Altersversorgung nicht aufgrund einer gestaltenden Entscheidung an. Sie ist hierzu vielmehr nach § 4 Abs. 1 iVm. § 3 Abs. 1 TVG verpflichtet. Daher beruhte eine etwaige Begünstigung der unter den Anwendungsbereich des TV Altersversorgung fallenden Arbeitnehmer auf einem die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ausschließenden Normenvollzug. Die Beklagte würde, berücksichtigte sie aufgrund des Regelungsinhaltes des TV Altersversorgung bei der Ermittlung der Versorgungsbezüge den gesamten Beschäftigungszeitraum bis zum Erreichen der aktuell geltenden Regelaltersgrenze, nicht in Vollzug eines von ihr selbst geschaffenen generalisierenden Prinzips vorgehen, sondern den Tarifvertrag anwenden. Tarifverträge haben jedoch Kompromisscharakter. Es geht daher nicht um Gruppenabgrenzungen durch die Beklagte, sondern um kollektive Normsetzung der Tarifparteien. Das hat zur Folge, dass der Arbeitgeber innerhalb des Anwendungsbereichs kollektiv-rechtlich geschaffener Normen an den Gleichbehandlungsgrundsatz nicht gebunden ist. Dies gilt unabhängig davon, ob der Tarifvertrag mangels Tarifgebundenheit der Arbeitnehmer nicht unmittelbar und zwingend, sondern lediglich aufgrund einer arbeitsvertraglichen Inbezugnahme Anwendung findet. Diese Inbezugnahme ändert nichts daran, dass letztlich ein bloßer Vollzug eines fremden Regelungswerks vorliegt ( - Rn. 21, BAGE 133, 33).
22bb) Dem steht nicht entgegen, dass der TV Altersversorgung ein Firmentarifvertrag ist, an dessen Zustandekommen die Beklagte unmittelbar beteiligt war. Auch ein Firmentarifvertrag ist keine stets vom Arbeitgeber freiwillig abgeschlossene Vereinbarung, sondern entspricht allenfalls partiell seinem eigenen Willen, da der Abschluss immer unter dem Zwang zur Einigung steht, weil der Arbeitgeber andernfalls Arbeitskampfmaßnahmen ausgesetzt sein könnte (vgl. - zu II 3 b der Gründe, BAGE 94, 273).
23cc) Soweit das Landesarbeitsgericht ausführt, der TV Altersversorgung stehe dem Anspruch des Klägers nicht entgegen, er regele die betriebliche Altersversorgung nur für die in § 2 genannten Gruppen von Arbeitnehmern, nicht aber für die Gruppe, der der Kläger angehört, verkennt es, dass der Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz voraussetzt, dass der Arbeitgeber aufgrund eigener gestaltender Entscheidung eine eigene Ordnung schafft, nach der einer Gruppe von Arbeitnehmern die begünstigende Leistung gewährt wird, einer anderen Gruppe jedoch vorenthalten bleibt. Beruht die Begünstigung der einen Gruppe nicht auf der eigenen Gestaltungsmacht des Arbeitgebers, sondern auf einer Einigung der Tarifparteien, mag zwar die Gruppe, die von der Tarifregelung nicht profitiert, benachteiligt sein. Das hat seinen Grund aber nicht in der Anwendung einer selbst gegebenen Regel. In diesem Fall gehören die Vergleichsgruppen verschiedenen Ordnungs- und Regelungsbereichen an, bei denen dem Arbeitgeber übergreifend keine Gleichbehandlung abverlangt werden kann. Ungeachtet dessen liegen verschiedene Sachverhalte vor, wenn sich die Bemessung der Versorgungsleistung einer Gruppe von Arbeitnehmern nach einem bestimmten Tarifvertrag, die einer zum Vergleich herangezogenen anderen Arbeitnehmergruppe - wie hier - nach einem anderen Regelungswerk richtet (vgl. zur Vergütung aufgrund unterschiedlicher Ordnungsbereiche - zu I 1 1.2 der Gründe, BAGE 90, 30).
24c) Zudem hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht angenommen, der von ihm angenommene Gleichheitsverstoß könne - unterstellt, er wäre gegeben - für die Vergangenheit nur dadurch beseitigt werden, dass dem Kläger die mit der Klage verlangte Leistung zu gewähren sei.
25aa) Der Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz hat zur Folge, dass die gleichheitswidrig benachteiligten Arbeitnehmer von dem Arbeitgeber die vorenthaltene Leistung verlangen können, von der sie ohne sachlichen Grund ausgeschlossen wurden (vgl. - Rn. 41, BAGE 148, 381; - 6 AZR 145/12 - Rn. 42; ErfK/Preis 24. Aufl. BGB § 611a Rn. 699).
26bb) Das Landesarbeitsgericht hat zwar - unter der Prämisse der von ihm angenommenen Ungleichbehandlung - im Ausgangspunkt zutreffend ausgeführt, die Beklagte sei verpflichtet, den Kläger so zu stellen, wie er bei einer dem Tarifvertrag entsprechenden Regelung stünde. Es hat allerdings verkannt, dass der Kläger mit seinem Klagebegehren keine Leistung verlangt, die der Leistungsrichtlinie 1 des TV Altersversorgung entspricht. Das wendet die Beklagte zu Recht ein. Die Arbeitnehmer des „Altbestands I und II“ erhalten nach Nr. 2 Abs. 2 bzw. Nr. 3 Abs. 2 Leistungsrichtlinie 1 mit dem auf den Stichtag folgenden Tag eine Betriebsrente nach Maßgabe der Regelungen des ATV-K iVm. der Satzung der Bayerischen Versorgungskammer. Das macht der Kläger mit seiner Klage nicht geltend. Vielmehr verlangt er lediglich für den Zeitraum einer (Rest-)Beschäftigungszeit vom bis zum eine entsprechende Leistung, während er die Leistungen aus den nach übereinstimmendem Vortrag der Parteien an Stelle der VBL-Versicherung zugesagten Kapitallebensversicherungen ganz weitgehend behalten will und sich lediglich für die (insoweit überlappende) Zeit vom bis zum die Leistungen der Direktversicherung bei der VRK Lebensversicherung mit der Nummer anrechnen lässt. Damit verlangt der Kläger Leistungen aus zwei unterschiedlichen Versicherungswegen. Keinem der Arbeitnehmer, die unter den Anwendungsbereich des TV Altersversorgung fallen, wurden hingegen Ansprüche aus dem Tarifvertrag und Ansprüche aus Kapitallebensversicherungen nebeneinander zugestanden. Das hat der Kläger auch nicht behauptet.
272. Die der Klage stattgebende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
28a) Der Kläger kann die mit der Klage verlangte Versorgungsleistung nicht auf eine unmittelbare Anwendung des TV Altersversorgung iVm. der Leistungsrichtlinie 1 stützen. Er fällt unstreitig nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags. Weder hatte er am Stichtag eine unverfallbare bzw. verfallbare Anwartschaft auf Leistungen der VBL erworben (§ 2 Buchst. a und b TV Altersversorgung, Altbestand I und II) noch wurde er entgegen einem tarifvertraglichen/arbeitsvertraglichen Anspruch auf Pflichtversicherung (§ 26 VBLS) pflichtwidrig nicht bei der VBL angemeldet (§ 2 Buchst. c TV Altersversorgung, Altbestand III). Ebenfalls gehört der Kläger nicht zu den Arbeitnehmern des sog. Neubestands (§ 2 Buchst. d TV Altersversorgung), deren Arbeitsverhältnis erst nach dem Stichtag begann.
29b) Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch folgt auch nicht aus einer ergänzenden Auslegung des TV Altersversorgung. Weder liegt - ausgehend vom Willen der Tarifvertragsparteien - die hierfür erforderliche unbewusste Regelungslücke vor, noch ist die Regelung nachträglich lückenhaft geworden (vgl. zu den Voraussetzungen einer ergänzenden Tarifauslegung: - Rn. 33; - 6 AZR 460/18 - Rn. 26 mwN; - 3 AZR 23/11 - Rn. 29 mwN). Die Tarifparteien des TV Altersversorgung haben für die Gruppe der Arbeitnehmer, die - wie der Kläger - nicht pflichtwidrig nicht bei der VBL versichert waren, bewusst keine Regelung getroffen. Das ergibt sich schon daraus, dass sie - wie § 2 Buchst. c TV Altersversorgung und die dazu formulierte Niederschriftserklärung deutlich machen - die Arbeitnehmergruppe der nicht bei der VBL versicherten Beschäftigten insgesamt gesehen haben, aber nur für die Arbeitnehmer eine Regelung getroffen haben, für die es denkbar erschien, dass eine Befreiung von der Versicherung über die VBL nicht im Einklang mit den Regelungen des Versorgungs-TV vom bzw. des ATV und der VBLS gestanden hat.
30Für die Arbeitnehmer, die rechtmäßig auf eigenen Antrag von der Versicherung in der VBL befreit waren, bestand auch kein Regelungsbedürfnis. Grund für die Neuregelung der Versorgung im TV Altersversorgung war der Umstand, dass die Beklagte beabsichtigte, das Beteiligungsverhältnis mit der VBL zu beenden, und daher festzulegen war, wie mit den nach der VBLS erworbenen Anwartschaften zu verfahren war (vgl. § 1 TV Altersversorgung). Von dieser Problematik waren die von der Versicherung in der VBL wirksam befreiten Arbeitnehmer, die wegen des Verzichts auf die VBL-Leistungen eine Direktversicherungszusage über die Leistungen arbeitgeberseitig zu finanzierender Kapitallebensversicherungen erhielten, nicht betroffen. Soweit der Kläger erstinstanzlich noch geltend gemacht hatte, der TV Altersversorgung sei lückenhaft, weil die Tarifparteien seinerzeit von der im Jahr 2012 noch maßgeblichen Regelaltersgrenze 65 ausgegangen seien und nicht hätten berücksichtigen können, dass der Gesetzgeber die Regelaltersgrenze (schrittweise) bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres anhebt, hat er daran später - soweit ersichtlich - nicht mehr festgehalten. Angesichts dessen, dass die schrittweise Anhebung des Regelrentenalters bereits durch das am in Kraft getretene RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom (BGBl. I S. 554) beschlossen war, kann davon auch nicht ausgegangen werden. Die tariflichen Regelungen geben dafür ebenso wenig Anhaltspunkt, da die Bedingungen der Versorgungsleistungen selbst im TV Altersversorgung nicht geregelt sind, sondern auf andere Versorgungsregelungen verwiesen wird.
31c) Der geltend gemachte Anspruch folgt auch nicht aus einer entsprechenden Anwendung der Vorschriften des TV Altersversorgung (vgl. zu den Voraussetzungen einer entsprechenden Tarifanwendung - Rn. 34 mwN). Jedenfalls ist der TV Altersversorgung - wie oben dargelegt - nicht unbewusst lückenhaft. Zudem besteht im Hinblick auf den Regelungszweck des TV Altersversorgung (Regelung der Folgen der Beendigung der VBL-Beteiligung) zwischen den Arbeitnehmern des Altbestands und des Neubestands einerseits und den Arbeitnehmern, die ohnehin bislang rechtmäßig keine Anwartschaften auf eine VBL-Versorgung erworben haben, keine vergleichbare Interessenlage.
32III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:020724.U.3AZR244.23.0
Fundstelle(n):
PAAAJ-77153