Umsatzsteuer | Keine Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Unternehmenszersplitterung (FG)
Es liegt keine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im Ganzen im Sinne von § 1 Abs. 1a UStG vor, wenn ein zuvor von einem Unternehmer betriebenes Unternehmen aufgeteilt und an eine Vielzahl von Erwerbern veräußert wird (; Revision anhängig, BFH-Az. XI R 12/24).
Hintergrund: Gem. § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG unterliegen die Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer. Voraussetzung für die Geschäftsveräußerung ist gemäß § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. In diesem Fall tritt der erwerbende Unternehmer an die Stelle des Veräußerers, § 1 Abs. 1a Satz 3 UStG.
Sachverhalt: Die Klägerin betrieb in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG auf von ihr gepachteten Flächen einen Solarpark. Den von ihr produzierten Solarstrom speiste die Klägerin auf der Grundlage eines von ihr mit einer Netzbetreiberin und einer Direktvermarkterin geschlossenen Netzanschluss- und Einspeisevertrages in das öffentliche Netz ein und erhielt dafür die tarifliche Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz - EEG. Im Jahr 2014 veräußerte die Klägerin die Photovoltaikanlage jeweils zu einem (bestimmten räumlich umgrenzten) Teil an insgesamt zehn Kommanditgesellschaften, wobei die zur Stromeinspeisung erforderliche zentrale Infrastruktur bei der Klägerin verblieb und den Erwerberinnen jeweils zur Nutzung überlassen wurde. Fortan erfolgte die Stromproduktion durch die einzelnen Erwerberinnen, deren Produktionskapazitäten - je nach Größe des übernommenen Anlagenteils - zwischen 8,5 % und 12,5 % der vormaligen Gesamtkapazität der Klägerin erreichten. Die vertraglichen Beziehungen zwischen der Klägerin und der Netzbetreiberin/Direktvermarkterin blieben unverändert.
Im Innenverhältnis zu den Erwerberinnen wurde mit jeweils geschlossenen Einspeise- und Abrechnungsverträgen vereinbart, dass die Erwerberinnen den gesamten produzierten Strom an die Klägerin zu liefern hatten. Diese hatte den Strom abzunehmen, ihn auf der Grundlage des von ihr geschlossenen Netzanschluss- und Einspeisevertrages in das Netz der Netzbetreiberin einzuspeisen, das Entgelt zu vereinnahmen und anschließend gegenüber den Erwerberinnen nach den von diesen produzierten Strommengen abzurechnen und auszuzahlen. Die Klägerin stand auf dem Standpunkt, dass es sich bei den Veräußerungen um sog. Geschäftsveräußerungen im Ganzen gehandelt habe, die gem. § 1 Abs. 1a UStG nicht steuerbar seien.
Dem folgten die Richter des FG nicht:
Liegt eine Mehrzahl von Leistungsbeziehungen vor, weil auf der Veräußerer- und/oder Erwerberseite mehrere Umsatzsteuerrechtssubjekte beteiligt sind, so ist jede zwischen verschiedenen Umsatzsteuerrechtssubjekten bestehende Leistungsbeziehung einzeln und selbständig daraufhin zu beurteilen, ob die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1a UStG vorliegen. Dabei bleiben diejenigen Leistungen außer Betracht, die Gegenstand umsatzsteuerrechtlicher Leistungsbeziehungen zu anderen Unternehmern sind (vgl. , BStBl II 2015, 908; Oelmaier in Sölch/Ringleb, UStG, Stand Juni 2023, § 1 Rz. 183 m.w.N.).
Ausgehend hiervon sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1a UStG vorliegend nicht gegeben.
Angesichts der Vielzahl der (zehn) Erwerberinnen - und der damit einhergehenden Aufteilung insbesondere der zuvor allein von der Veräußerin ausgeübten Produktionstätigkeit – ist die erforderliche Vergleichbarkeit der Tätigkeiten der einzelnen Erwerberinnen mit derjenigen der Veräußerin nicht gegeben.
Die mangelnde Vergleichbarkeit beruht insbesondere auf dem eklatanten Unterschied hinsichtlich der Produktionskapazitäten. Diese sind prägend für die jeweils ausgeübten Tätigkeiten. Die einzelnen Erwerber sind lediglich in der Lage gewesen, zwischen 8,5 % und 12,5 % der Kapazität der Veräußerin zu leisten.
Auf Fälle solcher "Unternehmenszersplitterungen" ist § 1 Abs. 1 a UStG nicht anwendbar, seinem Sinn und Zweck liefe dies sogar zuwider.
Die Revision gegen die Entscheidung ist beim BFH unter dem Aktenzeichen XI R 12/24 anhängig.
Quelle: sowie Schleswig-Holsteinisches FG, Newsletter II/2024 (il)
Fundstelle(n):
BAAAJ-76365