Umsatzsteuer | Vorsteuerabzug bei Lieferung von Mieterstrom (BFH)
Bei der Lieferung von Strom, den der Vermieter von Wohnraum über eine Photovoltaikanlage selbst erzeugt und an seine Mieter gegen Entgelt abgibt, handelt es sich nicht um eine unselbständige Nebenleistung der umsatzsteuerfreien (langfristigen) Vermietung von Wohnraum, sondern um eine selbständige umsatzsteuerpflichtige Leistung, die zum Vorsteuerabzug aus den Eingangsleistungen berechtigt, da kraft Gesetzes für den Mieter die Möglichkeit besteht, den Stromanbieter frei zu wählen, und die Stromlieferung getrennt und nach individuellem Verbrauch abgerechnet wird (Abgrenzung zum , BStBl II 2024, 503, zum Vorsteuerabzug für die Lieferung einer Heizungsanlage: ; veröffentlicht am ).
Sachverhalt: Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die Lieferung von Mieterstrom eine (unselbständige) Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Wohnraumvermietung darstellt oder ob es sich dabei um eine selbständige Hauptleistung neben der Vermietungsleistung handelt: Der Kläger vermietet mehrere Wohnungen umsatzsteuerfrei gem. § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG. Auf den Dächern der Vermietungsobjekte hatte er im Streitjahr Photovoltaikanlagen installiert. Den erzeugten Strom speicherte er und lieferte ihn an die Mieter zu einem handelsüblichen Preis. Die jährliche Abrechnung erfolgte über einzelne Zähler mit einer individuellen Abrechnung für jeden Mieter.
Hierzu schloss der Kläger mit den Mietern eine Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag, in der u.a. geregelt war, dass der Stromlieferungsvertrag mit einer Frist von vier Wochen zum Monatsende gekündigt werden kann. Für einen anderweitigen Bezug des Stroms hatte der Mieter die dafür erforderlich werden Umbaukosten zu tragen. Die Vorsteuer (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG) aus den Eingangsrechnungen des Installationsbetriebs machte der Kläger steuermindernd geltend.
Das Finanzamt versagte den Abzug mit der Begründung, dass die Stromlieferung eine unselbstständige Nebenleistung zur umsatzsteuerfreien Vermietung sei (Hinweis auf Abschn. 4.12.1 Abs. 5 Satz 3 UStAE).
Die hiergegen gerichtete Klage hatte in allen Instanzen Erfolg (Vorinstanz: , s. hierzu unsere Online-Nachricht v. 17.3.2021).
Hierzu führten die Richter des BFH weiter aus:
Das FG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass es sich bei den streitgegenständlichen Lieferungen von Mieterstrom um selbständige Hauptleistungen handelt, die - mangels Vorliegens unselbständiger Nebenleistungen - nicht das Schicksal der umsatzsteuerfreien Vermietungsleistung teilen.
Das FG hat festgestellt, dass der Kläger die Verbrauchsmenge des Stroms mit seinen Mietern über individuelle (Unter-)Zähler abgerechnet hat. Es hat dies als ein "gewichtiges Indiz" dafür gewertet, dass - was zutreffend ist - vorliegend mit der Vermietung und der Stromlieferung getrennte Leistungen anzunehmen sind.
Ferner hat das FG berücksichtigt, dass der Kläger mit seinen Mietern individuelle (Zusatz-)Vereinbarungen über die Stromlieferungen abgeschlossen hat, in denen auch vom Mietvertrag abweichende Kündigungsmöglichkeiten des Stromlieferungsvertrags vorgesehen waren. Die abweichenden Kündigungsmöglichkeiten hat das FG ebenso zutreffend dahingehend gewertet, dass dies gleichfalls für getrennte Leistungen spricht.
Das FG hat in seine Würdigung, ob hinsichtlich der Stromlieferungen unselbständige Nebenleistungen zur umsatzsteuerfreien Wohnraumvermietung vorliegen, weiter einbezogen, dass die Mieter bei einem Wechsel des Stromanbieters nach der mit dem Kläger geschlossenen Zusatzvereinbarung erforderliche Umbaukosten zu tragen hatten.
Es ist davon ausgegangen, dass die freie Wahl des Stromanbieters durch diese Vereinbarung zwar erschwert, jedoch nicht ausgeschlossen ist. Dabei hat es das FG für denkbar gehalten, dass angesichts des Wettbewerbs derartige Umbaukosten ganz oder teilweise von einem neuen Stromlieferanten übernommen werden könnten.
Diese tatsächliche Würdigung des FG ist möglich und verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze; sie bindet daher den Senat (§ 118 Abs. 2 FGO).
Insbesondere ergibt sich die vom FG aus den vertraglichen Vereinbarungen abgeleitete Freiheit des Mieters, seinen Stromlieferanten frei zu wählen, auch aus gesetzlichen Vorschriften. § 42a Abs. 2 EnWG bestimmt ausdrücklich ein Kopplungsverbot von Miet- und Energieversorgungsvertrag.
Die Würdigung des FG entspricht außerdem dem Grundsatz der Neutralität. Die Erfassung der Lieferung von Mieterstrom durch den Vermieter als selbständige Hauptleistung dient der Gleichheit der Besteuerung des Endverbrauchs. Denn der Lieferer von Mieterstrom tritt in Wettbewerb mit anderen Stromanbietern, die Strom nur umsatzsteuerpflichtig als Hauptleistung anbieten können (vgl. dazu auch Widmann, UR 2022, 7).
Die Rechtsprechung des BFH, nach der die Kosten des Vermieters für eine neue Heizungsanlage jedenfalls dann im direkten und unmittelbaren Zusammenhang zur umsatzsteuerfreien Vermietung stehen, wenn es sich dabei nicht um Betriebskosten handelt, die der Mieter gesondert zu tragen hat (, BStBl II 2024, 503, Rz 16 ff.; s. hierzu unsere Online-Nachricht v. NWB ZAAAJ-61592), ist auf den die Stromlieferung betreffenden Streitfall nicht zu übertragen. Der Vermieter von Wohnraum schuldet zum vertragsgemäßen Gebrauch zwar die Versorgung mit Wärme und warmem Wasser, jedoch nicht die Lieferung von Strom. Aufgrund des Kopplungsverbots des § 42a Abs. 2 EnWG darf eine solche Verpflichtung sogar kein Vertragsbestandteil des Mietvertrags sein.
Quelle: ; NWB Datenbank (il)
Fundstelle(n):
MAAAJ-75962