Suchen
Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein - VI 3510 - S 7100 - 723

Umsatzsteuerliche Bewertung der Maßnahmen des Redispatch

- USt-Kurzinformation -

Stromnetzbetreiber sind nach dem Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) verpflichtet, für die Sicherheit und Zuverlässigkeit der Elektrizitätsversorgung in ihrem Netz zu sorgen (§§ 13, 13a, 14 EnWG). Für die Sicherheit der Netzstabilität und zur Vermeidung von Netzengpässen werden Redispatch-Maßnahmen durchgeführt. Der Begriff „Redispatch“ (RD) steht dabei für eine Abänderung des vorgesehenen Kraftwerkseinsatzes (Dispatch) zur Vermeidung von Netzengpässen.

1. Umsatzbesteuerung der Maßnahmen des Redispatch 1.0

1.1 Einspeisemanagement-Entschädigungszahlungen vor Redispatch 2.0

Bei den Kompensationszahlungen an den Anlagenbetreiber im Rahmen des Redispatch 1.0 handelt es um nichtsteuerbaren Schadensersatz, da keine Lieferung von Strom durch den Anlagenbetreiber erfolgt, sondern dieser lediglich dafür entschädigt wird, dass er keine Lieferungen erbringen durfte. Hinsichtlich der sonstigen Zahlungen bei Nichteinspeisung können keine allgemeingültigen Aussagen getroffen werden. Es kommt hier auf die Würdigung des Einzelfalles an. Im Übrigen wird auf das Beispiel zu privatrechtlichen Vereinbarungen unter 2.1.2.1.2. verwiesen.

1.2 Konventionelle Anlagen im Redispatch 1.0

Bei der Redispatch-Maßnahme bei konventionellen Anlagen erbringt der hochfahrende Anlagenbetreiber eine umsatzsteuerbare Stromlieferung an den Übertragungsnetzbetreiber, für die er von dem Übertragungsnetzbetreiber vergütet wird. Der seine Anlage herunterfahrende Anlagenbetreiber erhält von dem Übertragungsnetzbetreiber eine Entschädigung für die entgangenen Einkünfte; diese stellt einen nichtsteuerbaren Schadensersatz dar. In den Fällen, in denen eine Zahlung des herunterfahrenden Anlagenbetreibers an den Übertragungsnetzbetreiber erfolgt, liegt dieser Zahlung kein Leistungsverhältnis (insbesondere keine Entsorgungsleistung) zugrunde.

2. Umsatzbesteuerung der Maßnahmen des Redispatch 2.0

2.1 Leistungsbeziehungen zwischen anweisendem Netzbetreiber/Anschlussnetzbetreiber und Anlagenbetreiber

In dieser Leistungsbeziehung ist der anweisende Netzbetreiber im Regelfall der Anschlussnetzbetreiber. Bei den Leistungsbeziehungen zwischen Anschlussnetzbetreiber und direkt angeschlossenen Anlagen ist zwischen konventionellen und Erneuerbare-Energien-/Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen zu unterscheiden:

2.1.1 Konventionelle Anlagen
2.1.1.1 Positiver Redispatch (Regelfall)

Es liegt eine steuerbare und steuerpflichtige Stromlieferung des Anlagenbetreibers an den anweisenden Netzbetreiber vor. Sollten der Anschlussnetzbetreiber und der anweisende Netzbetreiber nicht dieselbe Person sein, könnte ein weiterer Leistungsaustausch zwischen dem anweisenden Netzbetreiber (Leistender) und dem Anschlussnetzbetreiber (Leistungsempfänger) vorliegen

2.1.1.2. Negativer Redispatch

Weder der finanzielle noch der bilanzielle Ausgleich stellt Entgelt für eine umsatzsteuerliche Leistung des Anlagenbetreibers dar. Es handelt sich wie bisher um nichtsteuerbaren Schadensersatz (siehe 1.2.).

2.1.1.3 Verhältnis Redispatch-Bilanzkreis (Anschlussnetzbetreiber) zum Bilanzkreis des Bilanzkreisverantwortlichen

Zwischen dem Redispatch-Bilanzkreis des Netzbetreibers und dem Bilanzkreis des Bilanzkreisverantwortlichen im Zusammenhang mit Redispatch-Maßnahmen bestehen keine gegenseitigen umsatzsteuerlichen Leistungsbeziehungen.

2.1.2 Erneuerbare-Energien-/Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen
2.1.2.1 Direktvermarktung
2.1.2.1.1 Verhältnis Anschlussnetzbetreiber als anweisender Netzbetreiber zum Anlagenbetreiber

Im Rahmen der Direktvermarktung ohne Redispatch-Maßnahme zahlt der Anschlussnetzbetreiber an den Anlagenbetreiber die Marktprämie. Hierbei handelt es sich um eine einseitige nichtsteuerbare Zahlung. Im Falle der Abschaltung einer Anlage (negativer RD) durch den Anschlussnetzbetreiber mit Redispatch-Maßnahme erhält der Anlagenbetreiber in der Direktvermarktung eine Entschädigung (§ 13a Absatz 2 Nummer 5 EnWG). Bei dem rein finanziellen Ausgleich für die Marktprämie anstelle der bisherigen Zahlung der Marktprämie handelt es sich um nichtsteuerbaren Schadensersatz, da der Grund der Zahlung weiterhin in einer Entschädigung besteht und die Zahlung somit als echter Schadensersatz zu behandeln ist. Sofern im Planwertmodell anstelle der Naturalrestitution ein finanzieller Ausgleich vom Anschlussnetzbetreiber an den Anlagenbetreiber erfolgt, weil bei Anlagen mit fluktuierender Erzeugung kein vollständiger bilanzieller Ausgleich (Naturalrestitution) vom Redispatch-Bilanzkreis in den Direktvermarkter-Bilanzkreis möglich ist, handelt es sich umsatzsteuerlich hierbei um nichtsteuerbaren Schadensersatz. Denn der finanzielle Ausgleich tritt in dieser Konstellation an die Stelle der Naturalrestitution, die üblicherweise im Redispatch-Bilanzkreis abgebildet würde, und ist somit als echter Schadensersatz zu behandeln.

2.1.2.1.2 Verhältnis Anlagenbetreiber zum Direktvermarkter

Im Rahmen der Leistungsbeziehung ohne Redispatch-Maßnahme liefert der Anlagenbetreiber Strom aus seiner Anlage an den Direktvermarkter und erhält das im Direktvermarktungsvertrag vereinbarte Entgelt. Dabei handelt es sich um eine steuerbare und steuerpflichtige Stromlieferung. Im Falle einer Redispatch-Maßnahme durch den Anschlussnetzbetreiber erfüllt der Anlagenbetreiber weiterhin seine Verpflichtung aus dem Stromliefervertrag mit dem Direktvermarkter und liefert an diesen Strom. Diese Lieferung des Anlagenbetreibers an den Direktvermarkter ist umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig. Der bilanzielle Ausgleich zwischen Redispatch-Bilanzkreis und Direktvermarkter-Bilanzkreis ist nicht steuerbar. Etwas anderes kann im Einzelfall für privatrechtliche Vereinbarungen gelten.

Beispiel:

Ein Vermarkter erneuerbarer Energien beabsichtigt mit einem Direktvermarkter von Strom einen Vertrag über das Bilanzkreismanagement von direktvermarkteten EEG-Anlagen abzuschließen. Der Direktvermarkter hat seinerseits mit Anlagenbetreibern einen Direktvermarktungsvertrag abgeschlossen. Neben der Verpflichtung zur Stromabnahme enthält der Vertrag zwischen dem Vermarkter erneuerbarer Energien und dem Direktvermarkter von Strom eine Entschädigungsverpflichtung auf Grund der marktbedingten Reduzierungsmaßnahmen der Einspeiseleistung durch den Direktvermarkter sowie Regelungen im Rahmen des Redispatch 2.0. Der Vermarkter übernimmt das Bilanzkreismanagement der EEG-Anlagen (Prognostizierung der erzeugten Energie, Vermarktung im Day-Ahead- und Intradaymarkt, Bezug und Abrechnung von Ausgleichsenergie). Dafür werden die EEG-Anlagen dem Vermarkter zugeordnet und der in den EEG-Anlagen erzeugte Strom wird über den Direktvermarkter an den Vermarkter übergeben. Der Vermarkter vergütet dem Direktvermarkter den eingespeisten Strom.

Darüber hinaus soll sich der Vermarkter verpflichten, dem Direktvermarkter nicht eingespeiste Strommengen („Ausfallarbeit“) aufgrund einer vom Vermarkter veranlassten Reduzierung der Einspeiseleistung zu entschädigen. Dieser Anspruch soll nur für den Zeitraum bestehen, für den vom Vermarkter ein Reduktionswert an die Anlagen gesendet wurde und eine Reduzierung der IST-Einspeisung tatsächlich erfolgt ist. Die Reduzierungsmaßnahme erfolgt anhand wirtschaftlicher Kriterien, zum Beispiel wenn die Veräußerung des Stroms für den Vermarkter unwirtschaftlich ist. Zahlungen auf Grund des Redispatch 2.0 stellen nichtsteuerbaren echten Schadensersatz dar. Die Entschädigungszahlungen für die Ausfallarbeit (Reduzierungsmaßnahme erfolgt aufgrund wirtschaftlicher Kriterien) sind hingegen Entgelt für eine steuerpflichtige sonstige Leistung des Direktvermarkters. Denn grundsätzlich hat der Direktvermarkter ein Recht auf die Abnahme des durch die Anlagenbetreiber erzeugten Stroms. Auf Grund des Vertrages wird dieses Recht durch den Direktvermarkter auf den Vermarkter übertragen, so dass der Direktvermarkter insoweit eine sonstige Leistung gegen Entgelt erbringt. Die Entschädigungszahlungen sind ggf. in nichtsteuerbaren Schadensersatz (Reduzierungsmaßnahmen im Rahmen des Redispatch 2.0) und Entgelt für sonstige Leistungen (marktbedingte Reduzierungsmaßnahmen) aufzuteilen.

2.1.2.1.3 Verhältnis Anschlussnetzbetreiber zum Direktvermarkter

Zwischen Anschlussnetzbetreiber als anweisendem Netzbetreiber und Direktvermarkter findet bei der Durchführung der Redispatch-Maßnahme kein Leistungsaustausch statt, da zwischen beiden Beteiligten keine Leistungsbeziehung besteht. Die zu den Stromlieferungen vom Anlagenbetreiber an den Direktvermarkter korrespondierenden Buchungen vom Redispatch-Bilanzkreis des Anschlussnetzbetreibers in den Redispatch-Bilanzkreis des Direktvermarkters haben als Naturalrestitutionen den Charakter eines echten Schadensersatzes und sind daher nicht umsatzsteuerbar.

2.1.2.1.4 Verhältnis Redispatch-Bilanzkreis (Anschlussnetzbetreiber) zum Direktvermarkter-Bilanzkreis

Zwischen dem Anschlussnetzbetreiber und dem Direktvermarkter besteht bezüglich des bilanziellen Ausgleichs kein Leistungsverhältnis. Der bilanzielle Ausgleich wird durch § 13a Absatz 1a EnWG gesetzlich geregelt. Diesem Ausgleich liegt jedoch keine Leistung, sondern eine Naturalrestitution zugrunde (siehe oben unter 2.1.1.3.).

2.1.2.1.5 Beschaffung der Energie: Verhältnis Anschlussnetzbetreiber zum Lieferanten für den Redispatch-Bilanzkreis

Die dem bilanziellen Ausgleich zugrundeliegende Energielieferung durch den Lieferanten der Energie an den Anschlussnetzbetreiber zum Zwecke des energetischen Ausgleichs ist eine umsatzsteuerbare und umsatzsteuerpflichtige Leistung. Denn im Gegensatz zu der virtuellen Umbuchung infolge des bilanziellen Ausgleichs zwischen den Bilanzkreisen handelt es sich bei dieser Leistungsbeziehung um das Verhältnis, in dem die tatsächliche Energielieferung erfolgt.

2.1.2.2 Einspeisung: Verhältnis Anschlussnetzbetreiber zum Anlagenbetreiber

Die Entschädigungen nach § 15 EEG (alt) und § 13 fort folgende EnWG (neu) stellen kein Entgelt für einen steuerbaren Umsatz dar. Es handelt sich um nichtsteuerbaren Schadensersatz.

2.1.3 Leistungsbeziehungen zwischen anweisendem Netzbetreiber und anforderndem Netzbetreiber (sog. Kaskade)

Der Anschlussnetzbetreiber erbringt als anweisender Netzbetreiber eine sonstige Leistung in Form der Umsetzung des Auftrages des anfordernden Netzbetreibers zum Redispatch nach Maßgabe der gesetzlichen Verpflichtungen. Sowohl bei einem positiven als auch bei einem negativen Redispatch ist der anfordernde Netzbetreiber Leistungsempfänger und der anweisende Netzbetreiber Leistender. Im Fall des negativen Redispatch kehrt sich die Leistungsrichtung nicht um, selbst wenn ein negatives Entgelt vorliegt. Denn der Leistungsgegenstand des anweisenden Netzbetreibers besteht nicht in einer Stromlieferung, sondern in einer sonstigen Leistung, nämlich der Durchführung der Redispatch-Maßnahme. Die Zahlung gemäß § 14 Absatz 1c Satz 2 EnWG zwischen anforderndem Netzbetreiber und anweisendem Netzbetreiber stellt das Entgelt für die Durchführung der Redispatch-Maßnahme dar.

2.1.4 Anforderung von mehreren anfordernden Netzbetreibern (gemeinsame Redispatch-Maßnahmen)

Der anfordernde Netzbetreiber 1 erbringt durch die Redispatch-Maßnahme eine umsatzsteuerbare sonstige Leistung an die übrigen anfordernden Netzbetreiber. Es handelt sich bei dieser sonstigen Leistung um eine Geschäftsbesorgungsleistung des anfordernden Netzbetreibers 1 an die anderen anfordernden Netzbetreiber. Die sonstige Leistung des anfordernden Netzbetreibers 1 besteht darin, dass er dienstleistend für die anderen anfordernden Netzbetreiber tätig wird, indem er den energetischen Ausgleich durch den Lieferanten organisiert und alle für die Redispatch-Maßnahme notwendigen Schritte durchführt.

2.1.5 Cluster

Die oben beschriebene Würdigung der diversen Leistungsbeziehung wird nicht durch die Zusammenfassung von steuerbaren Ressourcen für Redispatch-Maßnahmen berührt. Umsatzsteuerrechtlich ist entscheidend, ob ein Unternehmer eine Stromlieferung beziehungsweise eine sonstige Leistung an einen anderen erbringt.

Die bloße organisatorische Zusammenfassung ändert an diesen Grundaussagen nichts. Wie stets im Umsatzsteuerrecht muss jeder Einzelfall anhand der oben geschilderten Kriterien bestimmt werden.

2.2 Umsatzsteuerliche Würdigung der Übergangslösung im Redispatch 2.0

Der Bilanzkreisverantwortliche erbringt im Rahmen dieser Übergangslösung zum Redispatch 2.0 eine sonstige Leistung an den Anschlussnetzbetreiber, wenn der Anschlussnetzbetreiber den bilanziellen Ausgleich nicht vornimmt und der Bilanzkreisverantwortliche anstelle des Anschlussnetzbetreibers den Bilanzkreisausgleich infolgedessen selbst durchführt und dafür vergütet wird.

2.3 Nichtbeanstandungsregelung

Es wird jedoch nicht beanstandet, wenn die Beteiligten für bis zum geleistete Zahlungen, die nach den obigen Ausführungen nicht steuerbaren Schadensersatz darstellen, übereinstimmend – auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs – von einem Entgelt für eine umsatzsteuerbare Leistung ausgehen.

Finanzministerium des Landes Schleswig-Holstein v. - VI 3510 - S 7100 - 723

Fundstelle(n):
UR 2024 S. 744 Nr. 19
WAAAJ-75603