Einrichtungsbezogener Impfnachweis - Urlaubsanspruch
Leitsatz
Die Zeiten einer unbezahlten Freistellung wegen Nichtvorlage eines Nachweises iSd. § 20a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 IfSG aF sind bei der Berechnung des Jahresurlaubs zu berücksichtigen, was zu einem anteilig kürzeren Urlaubsanspruch führt.
Gesetze: § 20a Abs 1 S 1 IfSG vom , § 20a Abs 2 S 1 Nr 1 IfSG vom , § 20a Abs 5 IfSG vom , § 295 BGB, § 297 BGB, § 615 S 1 BGB, § 1 BUrlG, § 3 Abs 1 BUrlG, § 3 Abs 1 S 1 EntgFG, § 106 S 1 GewO
Instanzenzug: ArbG Duisburg Az: 1 Ca 809/22 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 12 Sa 621/22 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten in der Revision noch über einen Anspruch der Klägerin auf Vergütung für den Zeitraum vom 1. April bis zum unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs, bis zum auch als Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Weiter streiten sie über den Umfang des Urlaubsanspruchs der Klägerin für das Jahr 2022. Hintergrund sind die Regelungen zum einrichtungsbezogenen Immunitätsnachweis nach § 20a IfSG in der im streitgegenständlichen Zeitraum befristet geltenden Fassung vom (im Folgenden IfSG aF).
2Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem in Teilzeit als Alltagsbegleiterin in einem Seniorenzentrum beschäftigt. Ihr Bruttomonatsgehalt belief sich zuletzt auf 1.200,00 Euro, ihr vertraglicher Urlaubsanspruch auf 30 Tage. Die Klägerin erbrachte ihre Arbeitsleistung im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche. Sie übernahm betreuerische Aufgaben und hauswirtschaftliche Tätigkeiten. Die Klägerin war nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 geimpft. Sie verfügte weder über einen Genesenennachweis noch über eine ärztliche Bescheinigung, dass sie aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht geimpft werden konnte.
3Am stellte die Einrichtungsleiterin der Beklagten die Klägerin telefonisch „wegen ihres Impfstatus“ ab dem ohne Zahlung der Vergütung von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei. Die Klägerin war vom 30. März bis zum arbeitsunfähig erkrankt. Mit Schreiben vom teilte die Beklagte ihr unter dem Betreff „Keine Beschäftigung ohne gültigen Immunitätsnachweis“ mit, man werde sie „aufgrund des fehlenden gesetzlichen Erfordernisses“ ab dem vorerst nicht mehr beschäftigen und den Arbeitsvertrag daher „unbezahlt ruhend stellen“. Wenn die Klägerin die erforderlichen Nachweise vorlege, könne sie weiterbeschäftigt werden. Weiter heißt es: „Wir weisen ebenfalls darauf hin, dass Ihr Anspruch auf Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat während der unbezahlten Ruhendstellung um ein Zwölftel gekürzt wird.“
4Ab dem 1. (bzw. 7.) April 2022 beschäftigte die Beklagte die Klägerin nicht mehr und zahlte auch keine Vergütung. Mit Wirkung zum sprach das zuständige Gesundheitsamt mittels Ordnungsverfügung gegenüber der Klägerin ein bis zum befristetes Tätigkeitsverbot aus. Die Klägerin erhielt in der Zeit vom 1. April bis zum keine Leistungen der Sozialversicherung; sie war, nachdem die Beklagte sie von der Sozialversicherung abgemeldet hatte, auch nicht mehr gesetzlich krankenversichert. Ab dem arbeitete sie wieder als Alltagshelferin bei der Beklagten.
5Die Klageschrift vom und der Schriftsatz vom bezeichnen als Beklagte eine „A GmbH“. Sie enthalten - soweit für die Revision noch von Bedeutung - die Anträge, die sich auf die Vergütung für April und Mai 2022 beziehen sowie den auf den Umfang des Urlaubsanspruchs gerichteten Feststellungsantrag. Diese Anträge waren zunächst Gegenstand eines weiteren Verfahrens (- 2 Ca 597/22 -). Nach Klarstellung der „richtigen“ Beklagten wurde das Verfahren unter dem hiesigen erstinstanzlichen Aktenzeichen neu eingetragen und weitergeführt. Für die genannten Schriftsätze ist aber keine Zustellung an die nunmehrige Beklagte in der Akte dokumentiert (vgl. S. 4 der angefochtenen Entscheidung).
6Die Klägerin hat behauptet, von ihrer Beschäftigung gehe wegen des nachlassenden Impfschutzes gegenüber der Beschäftigung jener Mitarbeiter, die vor mehr als eineinhalb Jahren zwei Impfungen erhalten hätten, kein erhöhtes Ansteckungsrisiko aus. Sie bestreite mit Nichtwissen, dass die Beklagte den Impfstatus der übrigen Mitarbeiter, insbesondere auch hinsichtlich der Auffrischungsimpfungen, ordnungsgemäß geprüft habe. Nach aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen schütze die Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 nicht vor einer Infektion und der Weitergabe des Virus. Durch die Omikron-Variante habe sich die Sachlage entscheidend geändert. § 20a Abs. 3 Satz 4 IfSG aF habe zudem ein unmittelbares Beschäftigungsverbot nur für ab dem neu eingestellte Beschäftigte vorgesehen, nicht aber für Bestandkräfte wie sie. Da die Beklagte sie eindeutig und unmissverständlich freigestellt habe, sei sie nicht verpflichtet gewesen, jeden Tag persönlich ihre Arbeitsleistung anzubieten bzw. dies nach dem Ende ihrer Erkrankung zu tun. Da die Beklagte zur Freistellung nicht berechtigt gewesen sei, sei der Urlaubsanspruch für die streitgegenständliche Zeit von April bis August 2022 ungekürzt entstanden.
7Die Klägerin hat - soweit für die Revision noch von Bedeutung - beantragt,
8Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, sie schulde keine Annahmeverzugsvergütung und keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Es sei ihr unzumutbar gewesen, die ungeimpfte Klägerin zu beschäftigen, weil ihr gegenläufiges Interesse am Schutz der Gesundheit der besonders vulnerablen Heimbewohner sowie ihrer Beschäftigten Vorrang habe. Sie habe für alle Beschäftigten entsprechend der niedergelegten gültigen Impfschutzfristen die erforderlichen Impfnachweise bzw. die erforderlichen ärztlichen Zeugnisse angefordert. Aufgrund der besonders hohen Gesundheitsgefahr, die von der Klägerin ausgegangen sei, sei diese nicht in der Lage gewesen, ihre vertraglich geschuldete Tätigkeit zu erbringen. Die Klägerin habe die tätigkeitsbezogenen Anforderungen des § 20a Abs. 1 IfSG aF nicht erfüllt. Jedenfalls habe sie ihre Arbeitsleistung im Anschluss an die angezeigte Arbeitsunfähigkeit im April 2022 nicht ordnungsgemäß angeboten. Wegen der - berechtigten - streitgegenständlichen fünfmonatigen Freistellung sei rechnerisch von einem um 12,5 Tage geringeren Urlaubsanspruch der Klägerin auszugehen, aufzurunden auf 13 Tage.
9Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Vergütungsansprüche unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs bzw. nach § 3 Abs. 1 EFZG für die Zeit von April bis August 2022 weiter sowie die Feststellung des Bestehens insoweit ungekürzter Urlaubsansprüche für das Jahr 2022. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
10Die Revision der Klägerin ist im Wesentlichen unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage überwiegend zu Recht abgewiesen.
11A. Eine Sachentscheidung ist auch über die Anträge möglich, die in der Klageschrift vom und der ersten Klageerweiterung vom enthalten sind. Hinsichtlich dieser Schriftsätze, die als Beklagte noch die „A GmbH“ bezeichnen, ist allerdings aus der Vorakte nicht ersichtlich, dass sie der hiesigen Beklagten förmlich zugestellt wurden. Ihr auch darauf bezogener Klageabweisungsantrag im Kammertermin vor dem Arbeitsgericht stellt sich aber unter Berücksichtigung des in der Akte dokumentierten Prozessverlaufs als rügelose Einlassung iSv. § 295 ZPO dar. Nach dieser Vorschrift können auch Zustellungsmängel geheilt werden ( - zu II 1 b der Gründe, BGHZ 25, 66; - VIII ZR 12/07 - Rn. 12; Anders/Gehle/Bünnigmann 82. Aufl. ZPO § 295 Rn. 24 Stichwort „Zustellung“).
12B. Die Revision ist nicht bereits deshalb unbegründet, weil die Berufung der Klägerin hinsichtlich der noch streitgegenständlichen Anträge unzulässig gewesen wäre. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessfortsetzungsvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung. Sie ist vom Revisionsgericht deshalb von Amts wegen zu prüfen ( - Rn. 17). Das Landesarbeitsgericht hat insoweit frei von Rechtsfehlern angenommen, dass die Berufung der Klägerin - soweit hier noch von Bedeutung - trotz fehlender ausformulierter Berufungsanträge zulässig war (zu den Anforderungen - Rn. 21 f.; GMP/Schleusener 10. Aufl. ArbGG § 64 Rn. 73a). Die Berufungsbegründung lässt mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, dass die Klägerin die erstinstanzlich abgewiesenen Zahlungsanträge sowie den Feststellungsantrag betreffend den Umfang ihres Urlaubsanspruchs jeweils in vollem Umfang weiterverfolgen wollte.
13C. Die Klägerin kann, wie das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat, für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. April bis zum von der Beklagten keine Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs verlangen. Die Klägerin hat der Beklagten trotz deren Anordnung keinen Immunitätsnachweis iSd. § 20a IfSG aF vorgelegt und war damit außer Stande, die geschuldete Arbeitsleistung zu bewirken (§ 297 BGB).
14I. Ein Anspruch auf Vergütung unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs scheitert - anders als die Beklagte meint - nicht bereits an einem fehlenden tatsächlichen oder wörtlichen Angebot der Arbeitsleistung. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Klägerin, nachdem die Beklagte sie freigestellt hatte, ihre Arbeitsleistung zur Begründung des Annahmeverzugs nicht gesondert anbieten musste.
151. Nach § 615 Satz 1 BGB hat der Arbeitgeber die nach § 611a Abs. 2 BGB vereinbarte Vergütung fortzuzahlen, wenn er mit der Annahme der Dienste in Verzug gerät. Gemäß § 293 BGB kommt der Arbeitgeber in Annahmeverzug, wenn er im erfüllbaren Arbeitsverhältnis die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung grundsätzlich tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Ein wörtliches Angebot genügt (nur), wenn der Arbeitgeber ihm zuvor erklärt hat, er werde die Arbeitsleistung nicht annehmen oder er sei nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einem die tatsächliche Heranziehung übersteigenden Umfang zu beschäftigen, § 295 BGB ( - Rn. 15, BAGE 178, 293; - 1 AZR 642/13 - Rn. 41, BAGE 151, 35). Ein Angebot der Arbeitsleistung kann ausnahmsweise entbehrlich sein, wenn offenkundig ist, dass der Gläubiger auf seiner Weigerung, die geschuldete Leistung anzunehmen, beharrt (st. Rspr., vgl. nur - Rn. 19 mwN, BAGE 168, 25; zur Arbeitsunfähigkeit zum Kündigungstermin - Rn. 21 mwN). Entsprechendes gilt, wenn er durch einseitige Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeit auf das Angebot der Arbeitsleistung verzichtet hat ( - Rn. 12; - 5 AZR 843/14 - Rn. 19, BAGE 153, 85; Staudinger/Fischinger [2022] BGB § 615 Rn. 120; Schaub ArbR-HdB/Linck 20. Aufl. § 95 Rn. 10).
162. Ausgehend hiervon war ein Angebot der Klägerin entbehrlich, ohne dass es auf ihre Erkrankung vom 30. März bis zum ankommt. Die Beklagte hatte die Klägerin bereits zuvor telefonisch „wegen ihres Impfstatus“ ab dem von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freigestellt und mit ihrem Schreiben vom unmissverständlich bekräftigt, dass sie die Arbeitsleistung der Klägerin nicht annehmen werde, solange diese nicht über einen Immunitätsnachweis verfüge. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, dass in diesem Fall eine Anzeige der wiedergewonnenen Arbeitsfähigkeit gegenüber der Beklagten nicht erforderlich war.
17II. Die Beklagte hat jedoch zu Recht eingewandt, die Klägerin sei iSv. § 297 BGB nicht im Stande gewesen, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.
181. Gemäß § 297 BGB gerät der Arbeitgeber unbeschadet der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen nicht in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer außer Stande ist, die geschuldete Arbeitsleistung aus in seiner Person liegenden Gründen zu bewirken (st. Rspr., vgl. - Rn. 9 mwN). Leistungswille und Leistungsfähigkeit sind vom Leistungsangebot und dessen Entbehrlichkeit unabhängige Voraussetzungen, die während des gesamten Annahmeverzugszeitraums vorliegen müssen (st. Rspr., vgl. nur - Rn. 18 mwN, BAGE 178, 293). Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer von der Arbeitspflicht freigestellt worden ist. Deren Aufhebung bedeutet zwar einen Verzicht des Arbeitgebers auf das Angebot der Arbeitsleistung. Jedoch muss der Arbeitnehmer zur Erbringung der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeitsleistung fähig sein. Ein Absehen von den Erfordernissen des § 297 BGB bedarf einer - im Streitfall nicht existierenden - ausdrücklichen Vereinbarung der Parteien (vgl. - Rn. 22, BAGE 153, 85).
19a) Leistungsfähigkeit setzt voraus, dass der Arbeitnehmer tatsächlich und rechtlich zur geschuldeten Arbeitsleistung in der Lage ist (MüKoBGB/Henssler 9. Aufl. § 615 Rn. 32; MHdB ArbR/Tillmanns 6. Aufl. Bd. 1 § 76 Rn. 31). Ob Leistungsfähigkeit besteht, bestimmt sich nach objektiven Kriterien. Grundsätzlich unerheblich ist die Ursache für eine Leistungsunfähigkeit des Arbeitnehmers. Das Unvermögen kann auf tatsächlichen Umständen (wie zB Arbeitsunfähigkeit) beruhen oder seine Ursache im Rechtlichen haben, etwa wenn ein gesetzliches Beschäftigungsverbot besteht oder eine erforderliche Erlaubnis für das Ausüben der geschuldeten Tätigkeit fehlt ( - Rn. 22 mwN, BAGE 178, 293). In diesen Fällen steht der Erbringung der Arbeitsleistung ein objektives Leistungshindernis entgegen.
20b) Leistungswille setzt voraus, dass der Arbeitnehmer den ernstlichen Willen hat, die Arbeitsleistung in dem geschuldeten Umfang zu erbringen. Dies ist nicht der Fall, wenn der Arbeitnehmer es selbst in der Hand hat, den Hinderungsgrund, welcher der Erbringung der Arbeitsleistung entgegensteht, zu beseitigen (vgl. - Rn. 20, BAGE 178, 150).
21c) Leistungsunfähigkeit und Leistungsunwillen schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern können nach den Umständen des Einzelfalls auch nebeneinander bestehen. Ein Arbeitnehmer kann zugleich zur Erbringung der Arbeitsleistung nicht bereit und nicht dazu in der Lage sein.
22d) Bei der Anwendung des § 297 BGB ist zwischen den Fällen abzugrenzen, in denen die Nichtannahme der Arbeit ausschließlich auf dem Willen des Arbeitgebers beruht, so dass er gemäß § 615 Satz 1 BGB zur Fortzahlung des Entgelts verpflichtet ist, und den Konstellationen, in denen mangels Leistungsbereitschaft oder Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers kein Vergütungsanspruch wegen Annahmeverzugs besteht ( - Rn. 18 und 24 mwN, BAGE 178, 293). Handelt es sich um Leistungshindernisse, die ihre Ursache in dem vom Arbeitgeber bereitzustellenden Sachsubstrat oder der von ihm zu regelnden Arbeitsorganisation haben, ist er deshalb grundsätzlich zur Zahlung der Annahmeverzugsvergütung verpflichtet (vgl. Staudinger/Fischinger [2022] BGB § 615 Rn. 90).
23e) Beruft sich der Arbeitgeber gegenüber einem Anspruch des Arbeitnehmers auf Annahmeverzug auf dessen Leistungsunfähigkeit oder Leistungsunwilligkeit iSd. § 297 BGB, erhebt er eine Einwendung, für deren Voraussetzungen er als Gläubiger der Arbeitsleistung die Darlegungs- und Beweislast trägt ( - Rn. 11).
242. Dies zugrunde gelegt bestehen die von der Klägerin erhobenen Annahmeverzugsansprüche nicht. Die Beklagte hat mit Erfolg eingewandt, dass die Klägerin in dem streitgegenständlichen Zeitraum iSv. § 297 BGB außer Stande war, die geschuldete Arbeitsleistung zu bewirken.
25a) Für die Klägerin bestand allerdings kein unmittelbares Beschäftigungsverbot kraft Gesetzes. Den Regelungen in § 20a IfSG aF lässt sich ein solches für Bestandskräfte, die über keinen Immunitätsnachweis verfügten, nicht entnehmen.
26aa) Nach § 20a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG aF mussten Personen, die wie die als Alltagsbegleiterin arbeitende Klägerin in voll- oder teilstationären Einrichtungen zur Betreuung und Unterbringung älterer, behinderter oder pflegebedürftiger Menschen tätig waren, ab dem über einen Impf- oder Genesenennachweis nach § 22a Abs. 1 oder 2 IfSG aF verfügen, sofern nicht eine medizinische Kontraindikation vorlag, aufgrund derer eine Impfung gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 nicht erfolgen konnte. § 20a Abs. 2 Satz 1 IfSG aF sah weiter vor, dass Personen, die in den in Abs. 1 Satz 1 genannten Einrichtungen oder Unternehmen (bereits) tätig waren (Bestandskräfte), der Leitung der jeweiligen Einrichtung bis zum Ablauf des einen Impf- oder Genesenennachweis oder ein ärztliches Zeugnis über die medizinische Kontraindikation vorlegen mussten. Kamen sie dem nicht nach, hatte die Einrichtungsleitung das jeweils zuständige Gesundheitsamt darüber zu benachrichtigen (§ 20a Abs. 2 Satz 2 IfSG aF). Dieses konnte nach § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG aF solchen Mitarbeitern gegenüber ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot aussprechen. Demgegenüber mussten Personen, die ab dem (erstmals) in einer der im Gesetz genannten Einrichtungen tätig werden sollten, nach § 20a Abs. 3 IfSG aF vor Beginn ihrer Tätigkeit einen Immunitätsnachweis vorlegen. Taten sie dies nicht, durften sie nach § 20a Abs. 3 Satz 4 IfSG aF in den entsprechenden Einrichtungen nicht beschäftigt werden.
27bb) Bei der in § 20a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 IfSG aF aufgestellten Anforderung handelte es sich um eine berufliche Tätigkeitsvoraussetzung (vgl. - Rn. 244, BVerfGE 161, 299; Berneith COVuR 2022, 135, 136; Oberthür ArbRB 2022, 80, 81; Seel öAT 2022, 155). Dies kommt in § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG aF, wonach Mitarbeiter, die in den im Einzelnen aufgeführten Einrichtungen tätig sind, über einen Immunitätsnachweis „verfügen müssen“, hinreichend klar zum Ausdruck (vgl. zu dieser Anforderung - Rn. 15, BAGE 130, 29).
28cc) Die vom Gesetz aufgestellte Tätigkeitsvoraussetzung bedurfte, soweit Bestandskräfte sie nicht erfüllten, der Umsetzung durch weitere Maßnahmen. Dies wird durch den Vergleich von § 20a Abs. 2 iVm. Abs. 5 IfSG aF und § 20a Abs. 3 IfSG aF verdeutlicht. Für Bestandskräfte war - anders als in § 20a Abs. 3 Satz 4 IfSG aF für neu einzustellende Mitarbeiter - ein unmittelbares Betretungs- oder Tätigkeitsverbot im Gesetz nicht vorgesehen (vgl. - Rn. 215, 253, BVerfGE 161, 299; Gerhardt 6. Aufl. IfSG § 20a Rn. 49). Ein solches ergab sich auch nicht über eine analoge Anwendung aus § 20a Abs. 3 IfSG aF (Weigert NZA 2022, 166, 169 f.). Unter Berücksichtigung der Gesamtregelung des § 20a IfSG aF mit der darin vorgenommenen Differenzierung zwischen Bestandskräften und neu eingestellten Mitarbeitern lag keine planwidrige Regelungslücke vor. Zudem verbliebe bei einem solchen Gesetzesverständnis für Betretungs- und Tätigkeitsverbote durch Anordnung des Gesundheitsamtes nach § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG aF kein Anwendungsbereich mehr (Christ/Jeck DStR 2022, 944, 945; Schmidt/Schneider NZA-RR 2022, 121, 122).
29b) Im Fall der Klägerin ordnete das zuständige Gesundheitsamt erst ab dem Maßnahmen zur Umsetzung der in § 20a Abs. 1 IfSG aF vorgesehenen Tätigkeitsvoraussetzung an. Für den streitgegenständlichen Zeitraum hatte es ihr gegenüber noch kein Betretungs- bzw. Tätigkeitsverbot nach § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG aF verhängt. Die Umsetzung der in § 20a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 IfSG aF geregelten beruflichen Tätigkeitsvoraussetzung konnte für Bestandskräfte - was das Landesarbeitsgericht offengelassen hat - jedoch auch durch den Arbeitgeber erfolgen.
30aa) Arbeitsrechtlich wurzelte die Befugnis der Arbeitgeber, für die (weitere) Beschäftigung der Arbeitnehmer in den in § 20a Abs. 1 Satz 1 IfSG aF genannten Einrichtungen befristet für die Dauer der Geltung dieser Vorschrift einen der dort in Abs. 2 aufgeführten Nachweise zu verlangen, in § 106 Satz 1 GewO. Hiernach kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. In diesem Rahmen konnte der Arbeitgeber die in § 20a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 IfSG aF gesetzlich vorgesehene berufliche Tätigkeitsanforderung für die Dauer ihrer Geltung im Wege des Weisungsrechts auch zur Voraussetzung für eine weitere Beschäftigung der unter ihren Geltungsbereich fallenden Arbeitnehmer machen.
31bb) Diese in § 106 Satz 1 GewO iVm. § 20a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 IfSG aF gründende Befugnis des Arbeitgebers wird durch die Regelungen des Infektionsschutzgesetzes für Bestandskräfte nicht ausgeschlossen (iE ebenso Sangs/Eibenstein/Sangs IfSG § 20a Rn. 76; Bonitz/Schleiff NZA 2022, 233, 238; Christ/Jeck DStR 2022, 944, 947; Peisker/Bleckmann BB 2022, 635, 638; Thüsing/Bleckmann/Rombey COVuR 2021, 66, 70; Singer FS Henssler 2023 S. 613, 624; Sangs NVwZ 2021, 1481, 1485; nur bei bestimmten Personengruppen Fischinger SR 2022, 37, 42; aA: Harländer/Otte NZA 2022, 160, 163; Chama/Noll MDR 2022, 406, 407; Stach NZA 2023, 83, 85; wohl auch Gerhardt 6. Aufl. IfSG § 20a Rn. 49).
32(1) Dem Wortlaut von § 20a IfSG aF lässt sich nicht entnehmen, dass eine Umsetzung der dort geregelten Tätigkeitsvoraussetzung auf privatrechtlicher Ebene durch den Arbeitgeber unzulässig sein sollte. § 20a Abs. 2 Satz 2 IfSG aF verpflichtete den Arbeitgeber, das zuständige Gesundheitsamt zu unterrichten, wenn Bestandskräfte bis zum Ablauf des den gesetzlich vorgesehenen Immunitätsnachweis nicht vorlegten. Diese Regelung befasste sich insoweit - wie auch § 20a Abs. 3 Satz 2 IfSG aF - nur mit den (Informations-)Pflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Gesundheitsamt (so auch Bonitz/Schleiff NZA 2022, 233, 237), ohne Anhaltspunkte dafür, dass damit eine abschließende Regelung getroffen sein sollte. § 20a Abs. 5 IfSG aF regelte das weitere Vorgehen des Gesundheitsamtes, darunter seine Befugnis, Personen, die trotz Anforderung keinen Immunitätsnachweis vorlegten, das Betreten der im Gesetz genannten Einrichtungen oder eine Tätigkeit in diesen zu untersagen. Die Regelungen in § 20a IfSG aF bezogen sich insgesamt auf die öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen, Befugnisse und verfahrensrechtlichen Vorgaben. Eine ausdrückliche Pflicht zur Weiterbeschäftigung von Bestandskräften ohne Immunitätsnachweis oder ein Verbot arbeitsrechtlicher Maßnahmen gegenüber diesen statuierte das Gesetz nicht.
33(2) Auch in der Gesetzesbegründung finden sich keine konkreten Aussagen zu den Auswirkungen des Fehlens der beruflichen Tätigkeitsvoraussetzung nach § 20a IfSG aF auf die arbeitsrechtlichen Vertragsbeziehungen. Weitere denkbare „arbeitsrechtliche Konsequenzen“ werden dort hinsichtlich der Bestandskräfte lediglich mit Bezug zu einem vom Gesundheitsamt angeordneten Betretungs- oder Tätigkeitsverbot angesprochen (BT-Drs. 20/188 S. 42). Den Fall, dass ein solches nicht oder zunächst (noch) nicht ausgesprochen wird, behandelt die Gesetzesbegründung nicht.
34(3) Nicht maßgeblich für die Interpretation von § 20a IfSG aF und in der Sache unzutreffend ist die Handreichung des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) zur Impfprävention in Bezug auf einrichtungsbezogene Tätigkeiten vom , in der ausgeführt wird, ein Recht des Arbeitgebers zur Freistellung sei nicht begründet (S. 21 - zuletzt abgerufen am unter https://www.bsn-ev.de/site/assets/files/63723/faqs_zu_20a_ifsg-1_2022-02-22.pdf [der Link führt auf die Seite des Behinderten Sportverbands Niedersachsen, auf der Internetseite des BMG findet sich die Handreichung nicht mehr]). Das BMG ist als Teil der Exekutive nicht zur verbindlichen Auslegung von Gesetzen berechtigt (vgl. auch Chama/Noll MDR 2022, 406, die aber dennoch eine Berechtigung zur Freistellung ablehnen).
35(4) Der aus der Gesetzesbegründung hinreichend deutlich erkennbare Zweck der einrichtungsbezogenen Nachweispflicht nach § 20a IfSG aF spricht klar dafür, dass Arbeitgeber nach § 106 Satz 1 GewO die Tätigkeit als Pflegefachkraft oder Alltagsbegleiterin in einem Seniorenheim vom Vorliegen der in § 20a Abs. 2 IfSG aF geregelten Tätigkeitsvoraussetzung abhängig machen konnten. Die gesetzliche Regelung sollte dem Schutz der sog. vulnerablen Personengruppen dienen, bei denen aufgrund ihres Gesundheitszustands und/oder Alters ein erhöhtes Risiko für einen schweren oder tödlichen COVID-19-Krankheitsverlauf besteht, die zudem häufig weniger gut auf die Impfung ansprechen bzw. bei denen sonstige Schutzmaßnahmen weniger gut umgesetzt werden können (vgl. BT-Drs. 20/188 S. 1 ff., 37 f.). Mit der einrichtungsbezogenen Nachweispflicht wurde eine Erhöhung der Impfquote der Beschäftigten in den in § 20a IfSG aF aufgeführten Einrichtungen angestrebt (vgl. BT-Drs. 20/188 S. 4, 37). Betretungs- und Tätigkeitsverbote sollten vulnerable Personen darüber hinaus auch dann schützen, wenn sich die von der Nachweispflicht Betroffenen gegen eine Impfung entschieden und gleichwohl ihre Tätigkeit fortsetzen wollten; zugleich sollten die Verbote Zwecken des öffentlichen Gesundheitsschutzes dienen (BT-Drs. 20/188 S. 42).
36(5) Ausgehend hiervon können § 20a Abs. 2, 3 und 5 IfSG aF auch im Zusammenhang nicht dahingehend ausgelegt werden, dass Arbeitgeber bis zu einer Entscheidung des Gesundheitsamtes zu einer Weiterbeschäftigung von Bestandskräften verpflichtet gewesen wären, die keinen Immunitätsnachweis vorgelegt hatten. Die unterbliebene Anordnung eines unmittelbaren gesetzlichen Betretungs- und Tätigkeitsverbots auch für Bestandskräfte verfolgte im Rahmen des gesetzlichen Gesamtkontextes ersichtlich einen anderen Zweck. Der Gesetzgeber sah bei diesem Personenkreis ein Bedürfnis für eine - gebundene - Ermessensentscheidung, bei der dem Gesundheitsamt jedoch - vorbehaltlich besonders gelagerter Einzelfälle - kein relevanter Spielraum verblieb. Der § 20a Abs. 5 IfSG aF zugrundeliegende Regelungszweck, vulnerable Personen zu schützen, legte vielmehr den Erlass einer Anordnung nach § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG aF im Regelfall nahe (vgl. - Rn. 85, BVerfGE 161, 299). Bestandskräften sollte nicht ein dem Gesetzeszweck zuwiderlaufender Beschäftigungsanspruch aufrechterhalten bleiben, sondern es sollte allein die Berücksichtigung besonders gelagerter Einzelfälle möglich bleiben. Dabei sollte insbesondere der Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens Rechnung getragen werden.
37(6) Dieser Regelungszweck erforderte es, auch dem Arbeitgeber eine Ermessensentscheidung zu ermöglichen (vgl. auch - Rn. 245, BVerfGE 161, 299, wonach „insbesondere“ die Gesundheitsämter entsprechend befugt waren). Die Gesundheitsämter arbeiteten „am Rand der Belastbarkeit bzw. deutlich darüber hinaus“ und waren ersichtlich zur Anordnung eines Betretungs- oder Tätigkeitsverbots zeitnah nach Eingang der Arbeitgebermeldungen nicht in der Lage (vgl. die Stellungnahme Deutscher Landkreistag vom [S. 2] und die Stellungname Deutscher Städtetag vom [S. 3] im Rahmen der öffentlichen Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Impfprävention gegen COVID-19 und zur Änderung weiterer Vorschriften im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie, beide zuletzt abgerufen am unter https://www.bundestag.de/ausschuesse/hauptausschuss/anhoerungen/870414-870414). Auch vorliegend erging eine Anordnung erst mehrere Monate nach der Meldung. Ein bloßes Abstellen auf das Tätigwerden der Gesundheitsämter hätte zu einem weitgehenden Leerlaufen der Regelung in § 20a Abs. 5 Satz 3 IfSG aF führen können, einer Vorschrift, die mit dem erstrebten Schutz von Gesundheit und Leben der besonders gefährdeten, vulnerablen Personen überragend wichtigen Rechtsgütern diente ( - Rn. 256, aaO). Darüber hinaus kommt es für die Beurteilung, ob ein besonders gelagerter Einzelfall vorliegt und ob eine Beschäftigung nicht geimpfter Mitarbeiter für die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit einer bestimmten Einrichtung erforderlich ist, aufgrund seiner Sachnähe und Kenntnis der persönlichen und betrieblichen Gegebenheiten ohnehin primär auf die Einschätzung des Arbeitgebers an.
38c) Hiervon ausgehend hat die Beklagte mit der mündlichen Freistellung und dem Schreiben vom die von der Klägerin geschuldete Arbeitsleistung wirksam dahingehend konkretisiert, dass sie die in § 20a Abs. 1 IfSG aF geregelte Tätigkeitsvoraussetzung für das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin verbindlich verlangte.
39aa) Die streitgegenständliche Konkretisierung der Arbeitsleistung war trotz des dadurch mittelbar auf eine Impfentscheidung gerichteten Entscheidungs- und Handlungsdrucks zulässiger Gegenstand einer arbeitsvertraglichen Weisung. Die Entscheidung für oder gegen eine Impfung ist zwar grundsätzlich dem Bereich der privaten Lebensführung zuzuordnen, in den durch das Weisungsrecht in der Regel nicht eingegriffen werden darf ( - Rn. 24 mwN, BAGE 143, 62). Mit der erfolgten Konkretisierung der Arbeitspflicht hat die Beklagte jedoch diesen besonders geschützten Bereich nicht verletzt. Die in das Arbeitsverhältnis umgesetzte gesetzliche Tätigkeitsanforderung zielte in erster Linie darauf ab, dass sich die Klägerin für eine Impfung entscheidet, um ungehindert weiter arbeiten zu können (vgl. - Rn. 86, BVerfGE 161, 299). Die Klägerin übte als Alltagsbegleiterin mit betreuerischen und hauswirtschaftlichen Aufgaben eine Tätigkeit aus, die auf den Kontakt mit den Bewohnern des Seniorenzentrums angelegt war. Ihr musste klar sein, dass damit auch eine besondere Verantwortung gegenüber den von ihr betreuten Personen verbunden war und sie damit rechnen musste, dass zum Schutz der Heimbewohner neue Tätigkeitsanforderungen geschaffen werden. Dies hat auch der Gesetzgeber im Rahmen der Regelungen zur einrichtungsbezogenen Nachweispflicht hervorgehoben (vgl. BT-Drs. 20/188 S. 2; - Rn. 265, aaO).
40bb) Der gesetzliche Anknüpfungspunkt, § 20a IfSG aF, unterlag keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (sh. im Einzelnen - BVerfGE 161, 299). Die in § 20a IfSG aF geregelte einrichtungs- und unternehmensbezogene Nachweispflicht griff zwar in die durch Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte körperliche Unversehrtheit ein. Der Eingriff war jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt (vgl. - Rn. 109 ff., aaO). Die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG war nicht verletzt (vgl. - Rn. 243 ff., aaO). Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, stellt auch der spätere Pandemieverlauf diese Einschätzung nicht in Frage.
41cc) Die von der Beklagten gestellte Anforderung an eine betreuende Tätigkeit in einem Seniorenheim genügt dem Erfordernis billigen Ermessens gemäß § 106 Satz 1 GewO, § 315 BGB.
42(1) Die Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen. Dem Inhaber des Bestimmungsrechts nach § 106 Satz 1 GewO, § 315 Abs. 1 BGB verbleibt für die rechtsgestaltende Leistungsbestimmung ein nach billigem Ermessen auszufüllender Spielraum. Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung dieser Grenzen trägt der Bestimmungsberechtigte. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hatte (st. Rspr., - Rn. 38 f.; - 5 AZR 28/22 - Rn. 27, BAGE 178, 150; - 9 AZR 343/20 - Rn. 68).
43(2) Ob die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt worden sind, unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle, wobei es nicht auf die vom Arbeitgeber angestellten Erwägungen, sondern darauf ankommt, ob das Ergebnis der getroffenen Entscheidung den gesetzlichen Anforderungen genügt. Weil der Begriff des billigen Ermessens bei der Ausübung des Weisungsrechts ein unbestimmter Rechtsbegriff ist, steht den Tatsacheninstanzen bei der Ausübungskontrolle ein Beurteilungsspielraum zu, der vom Revisionsgericht nur darauf zu überprüfen ist, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnorm Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist ( - Rn. 39).
44(3) Vorliegend hat das Landesarbeitsgericht eine Prüfung der Ermessensausübung nicht im Rahmen von § 20a IfSG aF iVm. § 106 Satz 1 GewO vorgenommen, sondern in einem anderen Kontext - der Unzumutbarkeit der Beschäftigung nach § 20a IfSG aF iVm. § 242 BGB. Der Senat kann dennoch über die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Konkretisierung der Arbeitsleistung selbst entscheiden. Denn im Streitfall ergibt sich die Wahrung billigen Ermessens ausnahmsweise schon daraus, dass die Beklagte sich im Rahmen des gesetzlich Vorgesehenen bewegt und lediglich den vom Gesetzgeber mit § 20a IfSG aF primär bezweckten Schutz besonders vulnerabler Personen während der Corona-Pandemie verwirklicht hat. Dabei durfte sie davon ausgehen, dass der Gesetzgeber bei seiner Normsetzung die Interessen der betroffenen Beschäftigten ausreichend abgewogen hat. Besondere Umstände, die dem vom Gesetzgeber unterstellten Regelfall der Nichtbeschäftigung entgegenstünden, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Hierauf hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend abgestellt.
45(4) Da maßgeblich für die Ausübungskontrolle der Zeitpunkt ist, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hatte, kommt es auf von der Revision vorgebrachte Zweifel an der Effektivität der mit § 20a IfSG aF umgesetzten Maßnahmen aufgrund des weiteren Pandemieverlaufs und fortschreitender Erkenntnisse der Wissenschaft nicht an. Solche späteren Entwicklungen stehen der Wirksamkeit der Weisung nicht entgegen. Im maßgeblichen Zeitpunkt entsprach es ganz überwiegender wissenschaftlicher und auch der vom BMG und dem Robert-Koch-Institut vertretenen Auffassung, dass eine Impfung gegen das SARS-CoV-2-Virus vor einer Übertragung des Virus schützt. Hiervon konnte auch die Beklagte ausgehen. Zudem waren die stetige Entwicklung der pandemischen Lage sowie die Änderung der Virusvarianten und Impfeffektivität in der Weisung berücksichtigt, die - wie § 20a IfSG aF - zeitlich befristet war.
46d) Schließlich war vorliegend kein Fall gegeben, in dem die Nichtannahme der Arbeit ausschließlich auf dem Willen des Arbeitgebers beruhte, so dass er gemäß § 615 Satz 1 BGB zur Fortzahlung des Entgelts verpflichtet bliebe (anders im Verfahren - BAGE 178, 293). Die über die Freistellung erfolgte Konkretisierung der geschuldeten Arbeitsleistung (§ 106 Satz 1 GewO) für die Zeit bis zum entsprach dem aus der Gesetzesbegründung klar ersichtlichen primären Sinn und Zweck des § 20a IfSG aF. Die Beklagte hat eine vom Gesetz geleitete Ermessensentscheidung getroffen. Der Klägerin fehlte in der Folge eine von der Beklagten in Übereinstimmung mit dem Gesetz verlangte Tätigkeitsvoraussetzung. Ursache hierfür war ihre persönliche und freie Entscheidung, sich nicht gegen SARS-CoV-2 impfen zu lassen. Insoweit war sie sowohl leistungsunfähig wie auch leistungsunwillig iSd. § 297 BGB.
47D. Der Klägerin steht für die Zeit vom 1. bis zum auch kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG zu. Hiervon ist das Landesarbeitsgericht ohne Rechtsfehler ausgegangen.
48I. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft. Die Klägerin war in der Zeit vom 1. bis zum unstreitig wegen einer Erkrankung nicht in der Lage, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.
49II. Einem Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall steht - wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat - jedoch der Grundsatz der Monokausalität entgegen.
501. Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG besteht hiernach grundsätzlich nur dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung ist und der Anspruch auf Arbeitsentgelt nicht bereits aufgrund anderer Ursachen entfallen ist. Der Entgeltfortzahlungsanspruch setzt somit voraus, dass der erkrankte Arbeitnehmer ohne die Arbeitsunfähigkeit einen Vergütungsanspruch gehabt hätte, den § 3 Abs. 1 Satz 1, § 4 Abs. 1 EFZG aufrechterhalten ( - Rn. 26 mwN). Deshalb besteht nach ständiger Rechtsprechung und ganz herrschender Meinung im Schrifttum grundsätzlich kein Entgeltfortzahlungsanspruch, wenn der Arbeitnehmer im Falle der Nichterkrankung aus anderen Gründen nicht gearbeitet und kein Entgelt erhalten hätte (sh. zuletzt - Rn. 16 mit zahlreichen weiteren Nachw.).
512. So liegt der Fall hier. Die Erkrankung der Klägerin war wegen des zugleich fehlenden Immunitätsnachweises nicht die alleinige Ursache für den Verdienstausfall. Auch ohne Erkrankung hätte sie keinen Anspruch auf Vergütung gehabt, weil sie außer Stande war, im Streitzeitraum die geschuldete Arbeitsleistung als Alltagsbegleiterin zu bewirken und die Beklagte deshalb trotz der Nichtbeschäftigung der Klägerin nach § 297 BGB nicht in Annahmeverzug geraten konnte.
52E. Zinsansprüche scheiden mangels Hauptansprüchen aus.
53F. Hinsichtlich des Feststellungsantrags ist die Revision im Wesentlichen unbegründet. Die Klägerin hat unter Berücksichtigung der streitgegenständlichen fünfmonatigen Freistellung keinen Anspruch auf weitere 12,5 Urlaubtage für das Jahr 2022.
54I. Der Feststellungsantrag ist zulässig, bedurfte allerdings der Auslegung.
551. Nach seinem Wortlaut war der Antrag vorinstanzlich auf die „(Nicht-)Berechtigung zur Kürzung des Urlaubsanspruchs“ gerichtet. Dies wäre kein zulässiger Antragsgegenstand, weil es sich hierbei nicht um ein Rechtsverhältnis iSv. § 256 Abs. 1 ZPO handeln würde. Im Rahmen der gebotenen rechtsschutzgewährenden Auslegung (vgl. dazu - Rn. 15) war der Antrag jedoch als auf die Feststellung gerichtet zu verstehen, dass der Klägerin aus dem Kalenderjahr 2022 noch die wegen der unbezahlten Freistellung vom 1. April bis zum nach Mitteilung der Beklagten gekürzten (weiteren) 13 Urlaubstage zustehen (vgl. zu einer entsprechenden Antragsformulierung - Rn. 6, BAGE 166, 176). Die Klägerin hat - nach entsprechendem richterlichen Hinweis - dieses Antragsverständnis in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt.
562. Der so verstandene Antrag ist zulässig. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellunginteresse besteht. Die Beklagte hat sich in ihrem Schreiben vom auf eine „Kürzung“ des Urlaubsanspruchs berufen. Im Verfahren hat sie mitgeteilt, der Klägerin stehe ihrer Auffassung nach wegen der streitgegenständlichen fünfmonatigen Freistellung ein um 13 Tage kürzerer Urlaubsanspruch zu, ausgehend von 2,5 Tagen pro Monat, was 12,5 Tage, aufgerundet 13 Tage ergebe.
57Die Klägerin war nicht gehalten, vorrangig eine Leistungsklage auf Urlaubsgewährung zu erheben ( - Rn. 10 mwN, BAGE 166, 176). Soweit das Arbeitsverhältnis der Klägerin zwischenzeitlich aufgrund des Bezugs von Altersrente geendet habe sollte, schließt dies in einem Fall wie dem vorliegenden das Feststellungsinteresse nicht aus. Es besteht für eine vergangenheitsbezogene Feststellung fort, wenn sich aus dieser noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben (vgl. - Rn. 12 f.; - 5 AZR 874/12 - Rn. 17). Hiervon ist vorliegend mit Blick auf den der Klägerin ggf. noch zustehenden Anspruch auf Urlaubsabgeltung und das Fehlen weiterer streitiger Punkte auszugehen. Das Feststellungsinteresse kann bejaht werden, wenn - wie hier - über weitere Faktoren, die die Anspruchshöhe bestimmen, kein Streit besteht und die konkrete Bezifferung lediglich eine Rechenaufgabe ist, die von den Parteien ebenso unstreitig durchgeführt werden kann wie die Umsetzung der weiteren Zahlungsmodalitäten (vgl. - Rn. 15; in einem anders gelagerten Fall ablehnend - Rn. 18).
58II. Der Feststellungsantrag ist jedoch im Wesentlichen unbegründet.
591. Der Umfang des Urlaubsanspruchs der Klägerin war unter Berücksichtigung der von dem Feststellungsantrag umfassten Zeit ihrer Freistellung vom 1. April bis zum neu zu berechnen. Die aufgrund dieser fünfmonatigen Freistellung wegen Nichterfüllung der beruflichen Tätigkeitsvoraussetzung nach § 20a IfSG aF nicht geleisteten Arbeitstage sind weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht Zeiten mit Arbeitspflicht gleichzustellen.
60a) Nach den §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG setzt das Entstehen des Urlaubsanspruchs - dem Grunde nach - allein das Bestehen des Arbeitsverhältnisses voraus. Der Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub nach dem Bundesurlaubsgesetz soll es dem Arbeitnehmer aber gerade ermöglichen, sich von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen (vgl. - Rn. 25 f., BAGE 166, 176). Ausgehend hiervon hängt die Anzahl der Urlaubstage von der Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht ab. So ist eine Umrechnung des nach § 3 Abs. 1 BUrIG in Werktagen bemessenen Urlaubs in Arbeitstage grundsätzlich auch bei einer - in der Regel aufgrund einzelvertraglicher Absprachen oder kollektivrechtlicher Bestimmungen - eintretenden unterjährigen Änderung der Arbeitstage mit Arbeitspflicht vorzunehmen. Der gesetzliche Urlaubsanspruch ist dann unter Berücksichtigung der einzelnen Zeiträume der Beschäftigung und der auf sie entfallenden Wochentage mit Arbeitspflicht neu zu berechnen (vgl. - Rn. 11 ff., BAGE 176, 251; - 9 AZR 406/17 - Rn. 21 ff., aaO).
61b) Die hiernach in bestimmten Konstellationen vorzunehmende Neuberechnung des Urlaubsanspruchs begegnet aus unionrechtlicher Perspektive keinen Bedenken. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union wird mit dem in Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG verankerten Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub ein doppelter Zweck verfolgt, der darin besteht, es dem Arbeitnehmer zu ermöglichen, sich zum einen von der Ausübung der ihm nach seinem Arbeitsvertrag obliegenden Aufgaben zu erholen und zum anderen über einen Zeitraum der Entspannung und Freizeit zu verfügen. Dieser Zweck, durch den sich der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub von anderen Arten des Urlaubs mit anderen Zwecken unterscheidet, beruht jedoch, wie der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt hat, auf der Prämisse, dass der Arbeitnehmer im Lauf des Bezugszeitraums tatsächlich gearbeitet hat ( - Rn. 32 f.). Etwas anderes gilt nur, wenn der Umstand, dass der Arbeitnehmer nicht gearbeitet hat, nicht vorhersehbar und vom Willen des Arbeitnehmers unabhängig ist ( - Rn. 26 mwN; vgl. auch - Rn. 36).
622. Die hiernach geltenden Berechnungsgrundsätze sind auch in einem Fall wie dem vorliegenden anzuwenden.
63a) Die Beklagte hatte die von der Klägerin geschuldete Arbeitsleistung im streitgegenständlichen Zeitraum dahingehend konkretisiert, dass sie die in § 20a Abs. 1 IfSG aF geregelte Tätigkeitsvoraussetzung für das Arbeitsverhältnis verbindlich für die Geltungsdauer dieser Vorschrift verlangte. Solange die Klägerin nicht über den hiernach erforderlichen Immunitätsnachweis verfügte, galt die Freistellung. Dass die Klägerin nicht arbeitete, war weder unvorhersehbar noch von ihrem Willen unabhängig. Denn zum einen setzte die Beklagte mit der Freistellung lediglich die bekannten gesetzlichen Regelungen um und zum anderen hätte die Klägerin ihre Tätigkeit bei Vorlage der vom Gesetz vorgesehenen Nachweise wieder aufnehmen können. Dass sie dies nicht tat, beruhte auf ihrer freien und höchstpersönlichen Entscheidung, sich nicht gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 impfen zu lassen.
64b) Der Zeitraum dieser Freistellung ist bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs mit „null“ Arbeitstagen in Ansatz zu bringen und der Umfang des Urlaubsanspruchs der Klägerin unter Berücksichtigung der Freistellungszeit neu zu berechnen. Ihr vertraglicher Urlaubsanspruch ist nach den Regelungen des Arbeitsvertrags wie der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch zu behandeln. In Anwendung der in der Rechtsprechung entwickelten Umrechnungsformel ( - Rn. 31, BAGE 166, 176) ergibt sich damit für das Jahr 2022 ein um 12,5 Tage verkürzter Urlaubsanspruch der Klägerin. Für die von der Beklagten im Rahmen der Neuberechnung des Urlaubsanspruchs zu Lasten der Klägerin - wie sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat einräumte - „versehentlich“ vorgenommene Aufrundung auf 13 Tage besteht dagegen keine Rechtsgrundlage ( - Rn. 30 ff. mwN, BAGE 161, 347). Es war daher festzustellen, dass der Klägerin aus dem Kalenderjahr 2022 noch weitere 0,5 Urlaubstage zustehen.
653. Die längerfristige Freistellung der Klägerin wegen des fehlenden Immunitätsnachweises nach § 20a IfSG aF ist aufgrund ihrer Besonderheiten nicht vergleichbar mit einseitigen Änderungen des regelmäßigen Arbeitsrhythmus durch arbeitgeberseitiges Direktionsrecht (vgl. zu dieser Problematik Kiel/Burg in FS Henssler 2023 S. 337, 348 f.). Sie diente der Umsetzung der Regelungen des IfSG aF und beinhaltete insbesondere die Möglichkeit der Klägerin, bei Erfüllen der gesetzlichen Anforderungen ihre Tätigkeit wieder aufzunehmen und damit einer weiteren Kürzung des Urlaubsanspruchs zu entgehen. Diese Besonderheit unterscheidet die vorliegende Fallkonstellation auch von anderen Fällen einseitiger Freistellungen durch den Arbeitgeber, zB nach einer von ihm ausgesprochenen Kündigung während des Laufs der Kündigungsfrist. Hier liegt - auch wenn der Arbeitnehmer die Freistellung hinnimmt - ihre Ursache allein in einer vom Willen des Arbeitnehmers unabhängigen Entscheidung des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer erwirbt deshalb im Regelfall während einer solchen Freistellung, die nicht von überwiegenden berechtigten Interessen des Arbeitgebers getragen ist, den Urlaubsanspruch, obwohl er nicht arbeitet (vgl. auch - Rn. 37).
66Entsprechendes dürfte grundsätzlich auch für vergleichsweise vereinbarte Freistellungen gelten. Denn ohne besondere Anhaltspunkte in der zugrundeliegenden Vereinbarung - zB einem Aufhebungsvertrag - wird in der Regel nicht davon auszugehen sein, dass der Arbeitnehmer hierbei auf das Anwachsen des Urlaubsanspruchs verzichten will, ebenso wie ohne besondere Anhaltspunkte nicht anzunehmen ist, dass während einer in einem Vergleich vereinbarten Freistellung für den Arbeitgeber eine Zahlungspflicht geschaffen werden soll, die über die gesetzlich geregelten Fälle der Entgeltfortzahlung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit hinausgeht (vgl. dazu - zu II 2 a der Gründe, BAGE 112, 120).
67G. Die Klägerin hat die Kosten ihrer im Wesentlichen erfolglosen Revision zu tragen (§ 97 Abs. 1, § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:190624.U.5AZR167.23.0
Fundstelle(n):
Nr. 46/2024 S. 2839
BB 2024 S. 1587 Nr. 27
BB 2024 S. 2548 Nr. 44
DStR-Aktuell 2024 S. 10 Nr. 30
YAAAJ-75488