BAG Urteil v. - 5 AZR 870/06

Leitsatz

[1] 1. Der Arbeitnehmer kann die Annahme einer zumutbaren Arbeit allein dadurch böswillig unterlassen (§ 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG), dass er ein im Zusammenhang mit einer Kündigung erklärtes Änderungsangebot nicht nach § 2 KSchG unter Vorbehalt annimmt.

2. Erklärt der Arbeitgeber anschließend eine Beendigungskündigung, ohne die auf der Änderungskündigung beruhende Arbeitsmöglichkeit weiter anzubieten, endet das böswillige Unterlassen mit Ablauf der Kündigungsfrist.

Gesetze: BGB § 242; BGB § 273; BGB § 298; BGB § 615 Satz 2; BGB § 812 Abs. 1 Satz 1; BGB § 814; KSchG § 2; KSchG § 11 Satz 1 Nr. 2; ZPO § 551

Instanzenzug: ArbG Lingen 1 Ca 727/02 vom LAG Niedersachsen 3 Sa 990/05 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten insbesondere noch über die Rückzahlung von Arbeitsvergütung, die die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs geleistet hat.

Der im Jahre 1940 geborene Kläger war seit 1983 bei der Beklagten beschäftigt. Seit dem leitete er die Spielbank B.

Die Beklagte entschied im März 1999, das sog. "Große Spiel" (Roulette) in B zu schließen und in O neu zu eröffnen. Das Automatenspiel sollte in B verbleiben. Die Parteien führten ohne Ergebnis Gespräche über die künftige Gestaltung ihrer Vertragsbeziehungen.

Mit Schreiben vom kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum und bot dem Kläger zugleich ab dem die Stelle des Leiters der Automatenspielbank in B an. Das monatliche Endgehalt einschließlich aller Zuschläge für Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit sollte gemäß Anlage 2 zum Tronc- und Gehaltstarifvertrag der Beklagten in der Gruppe C 1 6.438,00 DM betragen. Im Jahre 2000 hatte der Kläger insgesamt 134.395,04 DM (68.715,09 Euro) verdient. Der Kläger lehnte das Änderungsangebot ab und erhob Kündigungsschutzklage.

Das Arbeitsgericht Lingen stellte mit Urteil vom fest, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung der Beklagten nicht zum aufgelöst worden. Diese Entscheidung wurde im September 2003 rechtskräftig, nachdem Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten erfolglos geblieben waren.

Zwischenzeitlich hatte die Beklagte am 13. und ordentliche Kündigungen zum ausgesprochen. Mit Schriftsatz vom erklärte sie, sie leite hieraus keine Rechte mehr her.

Vom bis zum war der Kläger arbeitsunfähig krank. Seinen Urlaubsantrag vom für die Zeit vom 6. bis zum wies die Beklagte am zurück. Urlaubsansprüche für das Jahr 2002 machte der Kläger erstmals mit Schreiben vom geltend. Im August 2003 verlangte er Urlaub für die Zeit vom 2. November bis zum , der ihm nicht gewährt wurde.

Die Beklagte erbrachte nach dem Vergütungsnachzahlungen für die Zeit ab Juni 2002. Sie forderte den Kläger wiederholt auf, die Arbeit wieder aufzunehmen. Der Kläger machte demgegenüber ein Zurückbehaltungsrecht geltend. Am nahm der Kläger die Arbeit in O auf. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte alle fälligen Gehaltsforderungen ausgeglichen. Ab dem hatte der Kläger langfristig Urlaub. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete im Jahre 2005 mit Eintritt des Klägers in den Ruhestand.

Mit seiner am erhobenen und später erweiterten Klage hat der Kläger Vergütungsnachzahlung, Schadensersatz und Urlaubsgewährung für die Jahre 2001 bis 2003 verlangt. In der Berufungsinstanz hat er - soweit in der Revision noch von Bedeutung - einen Steuerschaden iHv. 19.515,51 Euro nebst Zinsen wegen verspäteter Gehaltszahlung und eine Urlaubsabgeltung für 2002 iHv. 8.888,64 Euro nebst Zinsen geltend gemacht. Die Beklagte hat Widerklage auf Rückzahlung der geleisteten Nettoarbeitsvergütung (einschl. eines Zuschusses zum Krankengeld) für die Zeit vom bis zum zzgl. der gezahlten Zinsen erhoben.

Der Kläger hat vor dem Landesarbeitsgericht - soweit in der Revision noch von Bedeutung - beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 8.888,64 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 19.515,51 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Betrag von 13.308,00 Euro netto seit Zustellung des Schriftsatzes vom sowie Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Betrag von 19.515,51 Euro seit Zustellung des Schriftsatzes vom zu zahlen,

3. die Widerklage abzuweisen.

Die Beklagte hat beantragt,

1. die Klage abzuweisen,

2. den Kläger zu verurteilen, an die Beklagte 99.223,23 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 23.312,03 Euro seit dem und auf weitere 75.911,20 Euro seit dem zu zahlen.

Die Beklagte hat geltend gemacht, der Kläger müsse das für den Zeitraum vom bis zum gezahlte Nettogehalt zurückzahlen. Er habe sich auf die erbrachten Gehaltsleistungen das Gehalt eines Leiters der Automatenspielbank B anrechnen zu lassen, weil ihm eine derartige Tätigkeit angeboten worden sei. Hierbei habe es sich um einen bedeutenden Ausschnitt aus der bisherigen Tätigkeit des Klägers gehandelt. Mit dem Änderungsangebot sei keine deutliche Statusverschlechterung verbunden gewesen. Im Übrigen hätte der Kläger spätestens zum seine Arbeit in der Spielbank O aufnehmen können. Bis zu diesem Zeitpunkt sei sein Gehalt abgerechnet und gezahlt und der Annahmeverzug beendet gewesen.

Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab dem 55 Urlaubstage für 2003 zu gewähren. Es hat den Kläger verurteilt, an die Beklagte 7.617,11 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen. Hierbei handelt es sich um eine für die Zeit vom 1. Oktober bis zum geleistete Nettovergütung. Im Übrigen hat das Arbeitsgericht die Klage und die Widerklage abgewiesen. Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen, dessen geänderte Klage abgewiesen und auf die Berufung der Beklagten den Kläger verurteilt, weitere 91.606,12 Euro nebst Zinsen an die Beklagte zu zahlen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die vor dem Landesarbeitsgericht gestellten Anträge weiter.

Gründe

Die Revision ist hinsichtlich des Zahlungsbegehrens des Klägers unzulässig, hinsichtlich der Widerklage dagegen zulässig und begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

A. Die Revision ist unzulässig, soweit der Kläger weiterhin eine Urlaubsabgeltung für 2002 iHv. 8.888,64 Euro nebst Zinsen und Schadensersatz iHv. 19.515,51 Euro nebst Zinsen verlangt; denn es fehlt insoweit an einer Revisionsbegründung, § 551 ZPO.

Bezieht sich ein Rechtsmittel auf mehrere Ansprüche im prozessualen Sinn, ist zu jedem Anspruch eine ausreichende Rechtsmittelbegründung zu geben. Fehlen Ausführungen zu einem Anspruch, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig. Eine Auseinandersetzung mit der Hauptbegründung kann nur dann genügen, wenn die Begründetheit des einen Anspruchs von der des anderen abhängt (vgl. nur - BAGE 110, 45, 51 mwN).

Die Ansprüche auf Urlaubsabgeltung und Schadensersatz stellen selbständige, von den mit der Widerklage verfolgten Ansprüchen unabhängige Streitgegenstände dar, deren Abweisung durch das Landesarbeitsgericht jeweils mit einer eigenständigen Revisionsbegründung angegriffen werden musste. Die Auseinandersetzung des Revisionsklägers mit seiner Verurteilung auf Grund der Widerklage kann die Abweisung der von ihm erhobenen Klageanträge in keiner Weise in Frage stellen. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, der Urlaubsanspruch für 2002 sei mangels rechtzeitiger Geltendmachung verfallen, die Beklagte habe sich mit den ausstehenden Vergütungsansprüchen nicht in Verzug befunden. Zu diesen tragenden Begründungen enthält die Revisionsbegründung nichts. Die Revision ist gem. § 552 Abs. 1 ZPO in dem bezeichneten Umfang als unzulässig zu verwerfen.

B. Soweit das Landesarbeitsgericht die Verurteilung des Klägers auf Grund der Widerklage bestätigt hat und auf die Berufung der Beklagten den Kläger zu einer weiteren Zahlung iHv. 91.606,12 Euro nebst Zinsen verurteilt hat, ist die Revision zulässig und begründet.

I. Für die Zeit vom 10. bis zum besteht kein Rückzahlungsanspruch. Dieser Zeitraum liegt vor dem Wirksamwerden der Kündigung vom . Der Bestand des Arbeitsverhältnisses war unstreitig. Annahmeverzug lag nicht vor. Der Kläger war vielmehr arbeitsunfähig krank, der sechswöchige Entgeltfortzahlungszeitraum mit dem abgelaufen. Die Beklagte zahlte hieran anschließend einen tariflichen Krankengeldzuschuss, dessen Rückforderung nicht in Betracht kommt. Ebenso besteht für die Zeit vom 1. Januar bis zum kein Rückzahlungsanspruch. Das Arbeitsverhältnis war gekündigt, der Kläger weiterhin arbeitsunfähig krank. Die Beklagte zahlte weiter den tariflichen Krankengeldzuschuss. Eine Rückforderung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB wegen böswilligen Unterlassens anderweitigen Erwerbs (§ 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG, § 615 Satz 2 BGB) kommt mangels Annahmeverzugs und mangels anderweitiger Erwerbsmöglichkeit nicht in Betracht. Dementsprechend hat die Beklagte im Revisionsverfahren erklärt, bei ihrer Widerklage gehe es nur noch um die Vergütung ab dem .

II. Für die Zeit vom 24. Juni bis zum besteht dem Grunde nach ein Rückzahlungsanspruch gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB.

1. Ab dem war der Kläger wieder arbeitsfähig. Die Beklagte befand sich auf Grund der unwirksamen Kündigung vom im Annahmeverzug, auch wenn der Kläger das Ende der Arbeitsunfähigkeit nicht angezeigt haben sollte (§ 296 BGB). Entgegen der von der Beklagten erstinstanzlich vertretenen Rechtsauffassung muss zur Begründung des Annahmeverzugs die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht mitgeteilt werden ( - BAGE 78, 333). Der Kläger hätte entsprechend dem Angebot vom als Leiter der Automatenspielbank in B weiterarbeiten können, wenn er dieses Angebot nicht ausgeschlagen hätte.

2. Die Beklagte hat das Gehalt in der Höhe des hypothetischen Gehalts eines Leiters der Automatenspielbank B ohne Rechtsgrund geleistet, weil der Kläger die Möglichkeit eines entsprechenden Erwerbs böswillig ausgeschlagen hat; denn diesen Verdienst musste er sich anrechnen lassen, § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG.

a) Ein böswilliges Unterlassen scheidet entgegen der Auffassung der Revision nicht deshalb aus, weil die Beklagte ein Vertragsangebot und kein Arbeitsangebot gemacht habe. Auch das in Verbindung mit einer Änderungskündigung erklärte Angebot kann die Obliegenheit zur Annahme einer zumutbaren Arbeit auslösen (Senat - 5 AZR 508/03 - BAGE 111, 123). Es ist nicht auf eine endgültige Vertragsänderung gerichtet, auf die sich der Arbeitnehmer allerdings nicht einlassen muss (Senat - 5 AZR 98/05 -BAGE 116, 359). Vielmehr besteht eine vorläufige Arbeitsmöglichkeit; denn der Arbeitnehmer kann das Angebot unter dem Vorbehalt des § 2 KSchG annehmen mit der Folge des § 8 KSchG bei Obsiegen. Der Arbeitgeber muss die Vorläufigkeit entgegen der Auffassung der Revision nicht eigens zum Ausdruck bringen. Sie ergibt sich hinreichend deutlich aus dem Gesetz. Lehnt der Arbeitnehmer das Angebot ab, bedarf es keines neuen, auf eine sog. Prozessbeschäftigung gerichteten Angebots. Vielmehr handelt der Arbeitnehmer, der die Möglichkeit des § 2 KSchG nicht wahrnimmt, auf eigenes Risiko, wenn sich herausstellt, dass die angebotene Arbeit zumutbar war. § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG und § 615 Satz 2 BGB betreffen eben nicht nur die Prozessbeschäftigung. Das zeigt gerade der Regelfall der Arbeit bei einem anderen Arbeitgeber. Diese findet notwendigerweise auf einer vertraglichen Grundlage statt und bindet den Arbeitnehmer bis auf Weiteres.

b) Entgegen der Auffassung der Revision war das Änderungsangebot nicht auf eine unzumutbare Beschäftigung gerichtet. Die entsprechenden Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht geht unter Hinweis auf das Senatsurteil vom (- 5 AZR 508/03 - BAGE 111, 123) von den zutreffenden Maßstäben aus und wendet sie rechtsfehlerfrei auf den Streitfall an. Es handelte sich bei der angebotenen Tätigkeit insbesondere nicht um eine gänzlich andere Arbeit. Vielmehr blieb ein Teil der Leitungstätigkeiten erhalten. Jedenfalls angesichts der Umstrukturierungen bei der Beklagten ist die Übernahme von Aufsichts- und Kassierertätigkeiten nach dem Maßstab des § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG nicht unzumutbar (vgl. Senat - 5 AZR 422/06 - Rn. 16 ff., AP BGB § 615 Böswilligkeit Nr. 12 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 19). Auch auf die vorläufige Gehaltsabsenkung von ca. 134.000,00 DM auf ca. 78.000,00 DM jährlich musste sich der Kläger in der konkreten Situation einlassen. Bei dem angebotenen Gehalt handelte es sich um das Tarifgehalt für die vorgesehene Tätigkeit. Der Kläger hat die Unzumutbarkeit der Gehaltshöhe nicht konkret dargelegt. Er hat nicht einmal eine Alternative gegenüber dem Eintritt dauerhafter Arbeitslosigkeit (mit entsprechend niedrigem Einkommen) aufgezeigt.

c) Das Landesarbeitsgericht muss noch die Höhe des Anspruchs klären.

Auszugehen ist von dem vertraglichen Bruttogehalt des Klägers. Hiervon ist der hypothetische Bruttoverdienst abzuziehen. Dieser richtet sich nach dem ausgeschlagenen Änderungsangebot der Beklagten vom ; einen weitergehenden Erwerb hat der Kläger nicht böswillig unterlassen. Es ergibt sich der verbleibende Bruttogehaltsanspruch des Klägers. In dieser Höhe hat die Beklagte mit Rechtsgrund an den Kläger geleistet. Die Beklagte hat darzulegen, was sie darüber hinaus für den bezeichneten Zeitraum an den Kläger ohne Rechtsgrund geleistet hat. Entsprechend ihrem bisherigen Klageantrag kann sie insoweit einen Nettoanspruch errechnen und sich auf dessen Rückforderung beschränken. Sofern neben der Anrechnung nach § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG auch eine Anrechnung nach § 11 Satz 1 Nr. 3 KSchG, etwa wegen des Bezugs von Arbeitslosengeld, zu erfolgen hat, kommen die Grundsätze des Senatsurteils vom (- 5 AZR 125/05 - BAGE 116, 355, 358) zur Anwendung.

3. Einer Rückforderung steht § 814 BGB nicht entgegen. Nach dieser Bestimmung kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. § 814 BGB greift dann nicht ein, wenn die Leistung unter dem ausdrücklichen Vorbehalt, der Anspruch sei nicht berechtigt, oder zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung erfolgt ( - NJW 1995, 3052, zu 2 b der Gründe mwN). So liegt es hier. Die Beklagte zahlte auf die Vergütungsansprüche unter dem Druck der Zurückbehaltung der Arbeitsleistung durch den Kläger. Ob sie den Einwand aus § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG schon während der Rechtshängigkeit der Zahlungsansprüche vor der Zahlung erheben musste, kann dahingestellt bleiben; denn sie hat diesen Einwand tatsächlich erhoben.

III. Für den Zeitraum vom bis zum besteht kein Anspruch auf Rückzahlung geleisteter Vergütung gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Beklagte hat die Vergütung nicht ohne Rechtsgrund geleistet. Sie befand sich auf Grund der unwirksamen bzw. später "zurückgenommenen" Kündigungen unstreitig in Annahmeverzug. Rechtsgrund der Zahlungen waren deshalb § 611 Abs. 1, § 615 Satz 1 BGB. Der Kläger musste sich nichts mehr nach § 11 Satz 1 Nr. 2 KSchG, § 615 Satz 2 BGB anrechnen lassen. Die Beklagte hat für den genannten Zeitraum kein Beschäftigungsangebot gemacht. Vielmehr hat sie das Arbeitsverhältnis zum gekündigt und ausdrücklich erklärt, der Kläger könne nicht mehr weiterbeschäftigt werden. Die Änderungskündigung vom mit dem Angebot, ab dem als Leiter der Automatenspielbank in B weiterzuarbeiten, war damit überholt. Die gegenteilige Auffassung des Landesarbeitsgerichts widerspricht der eindeutigen Erklärung der Beklagten. Der Kläger hat es demnach ab dem nicht mehr böswillig unterlassen, anderweitig zu arbeiten.

Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Annahmeverzug nicht vor dem geendet. Die Entscheidung über die Kündigungsschutzklage gegen die Änderungskündigung vom wurde im September 2003 rechtskräftig. Zu diesem Zeitpunkt stritten die Parteien noch gerichtlich über die Kündigungen vom 13. und . Erst mit Schriftsatz vom erklärte die Beklagte, sie leite aus diesen Kündigungen keine Rechte mehr her. Zur Beendigung des Annahmeverzugs war eine Arbeitsaufforderung seitens der Beklagten erforderlich. Eine solche ist konkret erst auf Grund des Schreibens vom zum erfolgt. Vorher hat die Beklagte keinen Arbeitsplatz für den Kläger bereitgestellt. Von sich aus brauchte der Kläger weder in B noch in O noch an einem anderen Ort die Arbeit anzubieten. Es war Sache der Beklagten zu entscheiden, wo sie den Kläger vertragsgemäß beschäftigen wollte. Die Beklagte hat auch nicht etwa die Vergütung mit der Begründung zurückverlangt, es habe kein Annahmeverzug mehr bestanden und sie habe deshalb nichts geschuldet, sondern allein die Anrechnung des Gehalts eines Automatenspielbankleiters verlangt.

IV. Ob ein Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung der für die Zeit vom 1. Oktober bis zum geleisteten Nettovergütung iHv. 7.617,11 Euro nebst Zinsen gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB besteht, kann nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht beurteilt werden. Es bedarf weiterer Sachaufklärung.

1. Wie ausgeführt, war das Änderungsangebot vom durch die nachfolgenden, unbedingt ausgesprochenen Kündigungen zum überholt. Die Beklagte hat ab dem keine geänderte Weiterbeschäftigung mehr angeboten, sondern ausdrücklich mitgeteilt, es stehe keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr zur Verfügung. Eine Anrechnung des Gehalts eines Leiters der Automatenspielbank kann daher nicht erfolgen. Die Beklagte beruft sich auch nicht auf eine Anrechnung, sondern macht ausdrücklich die Rückforderung der gesamten für den betreffenden Zeitraum an den Kläger gezahlten Vergütung geltend, weil die Arbeitsleistung nicht erbracht worden sei und kein Zurückbehaltungsrecht mehr bestanden habe.

2. Für den Rückzahlungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB kommt es auf die vom Landesarbeitsgericht ausdrücklich dahingestellte Frage des Zurückbehaltungsrechts an. Für eine abschließende Entscheidung hierzu fehlt es an ausreichenden tatsächlichen Feststellungen.

a) Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom aufgefordert, die Arbeit am in O aufzunehmen. Dies entsprach dem rechtskräftigen Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom . Grundsätzlich ist es zur Beendigung des Annahmeverzugs nach einer unwirksamen Kündigungserklärung erforderlich und ausreichend, dass der Arbeitgeber die versäumte Arbeitsaufforderung nachholt und dies mit der Erklärung verbindet, die Arbeitsleistung als Erfüllung des fortbestehenden Arbeitsvertrags anzusehen ( - AP BGB § 615 Nr. 98 = EzA BGB 2002 § 615 Nr. 1, zu B I 1 b der Gründe mwN; Senat - 5 AZR 500/02 - BAGE 108, 27, 29). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die Beklagte wollte ersichtlich dem rechtskräftigen Urteil nachkommen.

b) Nach § 298 BGB endet der Annahmeverzug nicht, solange der Schuldner wirksam ein Zurückbehaltungsrecht ausübt ( - BAGE 35, 324, 336). § 298 BGB gilt nicht nur für die Einrede des nicht erfüllten Vertrags (§ 320 BGB), sondern auch für alle Fälle des Zurückbehaltungsrechts (Palandt/Heinrichs BGB 66. Aufl. § 298 Rn. 1).

c) Die tatsächlichen Voraussetzungen für ein Zurückbehaltungsrecht sind nicht festgestellt. Festgestellt ist auch nicht, was beide Parteien hierzu vorgetragen haben. Der Senat muss deshalb die Entscheidung dem Landesarbeitsgericht überlassen. Zu berücksichtigen ist, dass das Zurückbehaltungsrecht des § 273 BGB eine besondere Ausformung des Gebotes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) darstellt und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegt (ErfK/Preis 7. Aufl. § 611 BGB Rn. 577, § 614 BGB Rn. 17). Von weiteren Hinweisen sieht der Senat angesichts der offenen Sachlage ab.

V. Die Beklagte verlangt Zinsen iHv. 10.427,57 Euro zurück, die sie an den Kläger auf rückständige Vergütungsansprüche gezahlt hat. Ob die Beklagte einen Teilbetrag nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückfordern kann, hängt von dem Erfolg der Widerklage im Übrigen ab und lässt sich deshalb im vorliegenden Revisionsverfahren nicht beurteilen. Die Beklagte muss hierfür darlegen, welche Zinsbeträge sie auf welche Vergütungsansprüche gezahlt hat.

Fundstelle(n):
BB 2008 S. 282 Nr. 6
DB 2008 S. 67 Nr. 1
TAAAC-66903

1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein