WP Praxis Nr. 10 vom Seite 265

Offensichtliches ist nicht immer offensichtlich

Christoph Linkemann | Verantw. Redakteur | wp-redaktion@nwb.de

Liebe Leserinnen und Leser,

ein Teilnehmer der Steuerberater-Prüfung charakterisierte das ganze Unterfangen während einer Vorbereitungsveranstaltung einmal mit einem Stoßseufzer: Es sei eine Veranstaltung „von Verrückten für Verrückte“. Über den weiteren Ausgang ist leider nichts bekannt; aber wenn der Satz wahr sein sollte, und die Reaktionen der Zuhörer damals waren recht verständnisvoll, dann dürfte er vermutlich auch auf das Examen für den Beruf des Wirtschaftsprüfers zutreffen. Die Stoffmenge dessen, was den Prüflingen abverlangt wird, streift mittlerweile den Rand dessen, was sinnvoll möglich ist und ist dabei in Teilen nicht einmal wirklich gut kalkulierbar. Im Prüfungsfeld „Angewandte Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre“ etwa sagte ein Prüfer neulich, dass es ihm bei manchen Aufgaben auch Schwierigkeiten bereiten könnte, die Klausurthemen aus seinem Vorratswissen zu bestreiten, denn das Curriculum ist relativ offen formuliert. Gleichwohl, die Teilnehmerzahlen steigen wohl wieder, die Möglichkeit, modulweise geprüft zu werden, schafft ebenfalls Erleichterung, wenn auch nicht in zeitlicher Hinsicht. Es war deshalb ein Anliegen, den Prüfungsanwärtern einmal einige hilfreiche Tipps an die Hand zu geben, weil nach der Erfahrung von Prüfern Offensichtliches nicht immer offensichtlich zu sein scheint. Immer wieder z. B. werden Prüflinge wegen unangemessener Kleidung zum Umziehen gebeten, ein Stress, der sicher gerne vermieden werden könnte. Prof. Dr. Karin Breidenbach und Prof. Dr. Michael Währisch haben daher in dieser Ausgabe ihre Erfahrungen als Prüfer niedergeschrieben und so für die Kandidatinnen und Kandidaten nutzbar gemacht. Ihr Beitrag ergänzt insoweit die neue Folge aus der Reihe „Examensfälle“, in der Prof. Dr. Henner Klönne einen Fall zur statischen Investitionsrechnung anschaulich löst.

Außerdem in diesem Heft: WP/StB Prof. Dr. Christian Hanke stellt die Neuerungen im Entwurf des ISA (DE) 600 zum Konzernabschluss vor; die Anwendung des neuen Standards dräut bereits am Horizont, und er fasst die wichtigsten Änderungen kompakt und lesenswert zusammen. In der Rubrik „Angewandte Prüfungsmethodik“ stellen Roger Odenthal und Ute Seeber diesmal das Monetary Unit Sampling in den Mittelpunkt, ein gängiges Stichprobenverfahren einer jeden Prüfsoftware und immer beliebter in der steuerlichen BP. Sie zeigen dabei im Detail, dass sich die MUS-Funktionen keineswegs auf eine eindeutige und fachlich normierte Auswahl stützen, sondern je nach verwendeter Software zu signifikant abweichenden Einschätzungen eines Prüffelds führen. Insoweit ist es grenzwertig, die Ergebnisse dann etwa unkritisch für mittels Hochrechnung für Hinzuschätzungen im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung zu verwenden.

Beste Grüße

Christoph Linkemann

Fundstelle(n):
WP Praxis 10/2024 Seite 265
XAAAJ-75390