Befristung zur Vertretung - arbeitsunfähiger Vertreter
Leitsatz
1. Die Befristung des Arbeitsvertrags ist zulässig, sie ist durch den Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG gerechtfertigt. Der Sachgrund der Vertretung setzt einen Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung der Vertretungskraft voraus. Es muss sichergestellt sein, dass die Vertretungskraft gerade wegen des durch den zeitweiligen Ausfall des zu vertretenden Mitarbeiters entstandenen vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs eingestellt worden ist.
2. Der Kläger wurde zur Vertretung der im Arbeitsvertrag namentlich benannten Arbeitnehmer für die Dauer ihres jeweiligen Urlaubs als Paketzusteller eingestellt. Der Wirksamkeit der Befristung steht insb. nicht entgegen, dass der Kläger während der gesamten Dauer des befristeten Arbeitsvertrags arbeitsunfähig erkrankt war und daher tatsächlich keine (Vertretungs-)Tätigkeiten erbringen konnte.
3. Die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist das gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweismittel für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Diese Wertung impliziert für Konstellationen wie die des Streitfalls, dass bei der Frage des arbeitgeberseitigen Kenntnisstands grundsätzlich auf den Inhalt ihm vor Abschluss des befristeten Vertrags zur Kenntnis gelangter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen abzustellen ist. Aus anderweitigen Angaben des Arbeitnehmers, der i.d.R. medizinischer Laie ist, muss der Arbeitgeber demgegenüber grundsätzlich nicht den Schluss ziehen, es bestünde „gesichert“ eine die Dauer der gesamten befristeten Einstellung be-stehende Arbeitsunfähigkeit.
Gesetze: § 14 Abs 1 S 1 TzBfG, § 14 Abs 1 S 2 Nr 3 TzBfG, § 166 Abs 1 BGB, § 242 BGB, § 17 S 1 TzBfG, § 17 S 2 TzBfG, § 7 KSchG
Instanzenzug: ArbG Oldenburg (Oldenburg) Az: 3 Ca 81/22 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 5 Sa 27/23 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am geendet hat.
2Der Kläger war bei der Beklagten auf Grundlage eines zunächst bis zum befristeten und sodann dreimal - zuletzt bis zum - verlängerten Arbeitsvertrags als Paketzusteller beschäftigt. Am informierte er den für seine Vertragsangelegenheiten zuständigen Niederlassungsleiter per WhatsApp-Nachricht darüber, dass er „mit dem Körper abgestürzt“ sei, als er ein Paket aus der hinteren Beifahrertür geholt habe. Es habe dann am Bauch gezogen und dieser sei immer dicker geworden. Er sei jetzt im Krankenhaus. Ein Krankenwagen habe ihn abgeholt, weil ihm schwindelig gewesen sei. Er habe einen Nabelbruch erlitten und ihm sei gesagt worden, dass er vielleicht heute noch operiert werde. Ob und ggf. mit welchem Inhalt der Kläger den Niederlassungsleiter darüber hinaus telefonisch über seinen Gesundheitszustand, insbesondere die voraussichtliche Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit informierte, ist zwischen den Parteien streitig geblieben.
3Dem Kläger wurde unter dem eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Erstbescheinigung für den Zeitraum vom bis voraussichtlich ausgestellt. Diese übermittelte er nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dem stellvertretenden Niederlassungsleiter entweder am Montag, den oder am Dienstag, den . Zwischen den Parteien ist ebenfalls streitig geblieben, ob bzw. welche Informationen der Kläger dem stellvertretenden Niederlassungsleiter am telefonisch über seinen Gesundheitszustand, insb. die voraussichtliche Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit, gegeben hatte. Der stellvertretende Niederlassungsleiter ließ dem Kläger sodann einen auf Seiten der Beklagten unter dem unterzeichneten Arbeitsvertrag zukommen, wonach das Arbeitsverhältnis vom bis zum befristet war. Als „Grund“ für die Befristung war im Vertrag die „Vertretung wegen vorübergehender Abwesenheit des Mitarbeiters S, L, M, H“ angegeben. Die genannten Mitarbeiter waren bei der Beklagten - ebenso wie der Kläger - als Paketzusteller beschäftigt und hatten im Befristungszeitraum nacheinander wochenweise Urlaub: Frau S vom bis zum , Frau L vom bis zum , Herr M vom bis zum und Herr H vom bis zum . Der Kläger war während des gesamten Zeitraums des letzten befristeten Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig erkrankt, was er durch weitere, jeweils nach Vertragsabschluss ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen belegte.
4Mit seiner beim Arbeitsgericht am eingegangenen und der Beklagten am zugestellten Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der im Arbeitsvertrag vom vereinbarten Befristung geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, der Sachgrund der Vertretung sei lediglich vorgeschoben. Es habe von vornherein festgestanden, dass er krankheitsbedingt über die gesamte Dauer des Vertrags ausfallen werde und die genannten Mitarbeiter nicht werde vertreten können. Das diesbezügliche Wissen des Niederlassungsleiters und seines Stellvertreters müsse sich die Beklagte zurechnen lassen.
5Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse - zuletzt beantragt
6Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, bei Abschluss des Arbeitsvertrags vom habe nicht festgestanden, dass der Kläger über die gesamte Dauer des befristeten Arbeitsvertrags krankheitsbedingt ausfallen werde. Insbesondere hätten die den Vertrag in ihrem Namen unterzeichnenden Mitarbeiter keine Kenntnis von einer die gesamte Vertragsdauer umfassenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers gehabt.
7Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - stattgegeben. Einen zweitinstanzlich erstmals zur Entscheidung angefallenen allgemeinen Feststellungsantrag hat es als unzulässig abgewiesen. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
8Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt im Umfang ihrer Einlegung zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils des Arbeitsgerichts.
9I. Der zulässige Befristungskontrollantrag ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts aufgrund der vereinbarten Befristung am geendet.
101. Die Befristung zum gilt allerdings nicht bereits nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam. Der Kläger hat rechtzeitig Befristungskontrollklage iSv. § 17 Satz 1 TzBfG erhoben. Er hat die Rechtsunwirksamkeit der Befristung mit seiner am beim Arbeitsgericht eingegangenen - und der Beklagten „demnächst“ iSv. §§ 167, 253 Abs. 1 ZPO zugestellten - Klage geltend gemacht.
112. Die Befristung des Arbeitsvertrags ist zulässig. Sie ist durch den Sachgrund der Vertretung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG gerechtfertigt.
12a) Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG liegt ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrags vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Der Grund für die Befristung liegt in Vertretungsfällen darin, dass der Arbeitgeber bereits zu einem vorübergehend ausfallenden Mitarbeiter in einem Rechtsverhältnis steht und mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters rechnet. Damit besteht für die Wahrnehmung der an sich dem ausfallenden Mitarbeiter obliegenden Arbeitsaufgaben durch eine Vertretungskraft von vornherein nur ein zeitlich begrenztes Bedürfnis (st. Rspr., zuletzt etwa - Rn. 13 mwN). Der Sachgrund der Vertretung setzt ferner einen Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweiligen Ausfall des Vertretenen und der Einstellung der Vertretungskraft voraus. Es muss sichergestellt sein, dass die Vertretungskraft gerade wegen des durch den zeitweiligen Ausfall des zu vertretenden Mitarbeiters entstandenen vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs eingestellt worden ist. Es ist deshalb aufgrund der Umstände bei Vertragsschluss zu beurteilen, ob der Bedarf für die Beschäftigung des Vertreters auf die Abwesenheit des zeitweilig ausgefallenen Arbeitnehmers zurückzuführen ist (st. Rspr., etwa - Rn. 16 mwN).
13b) Gemessen an diesen Grundsätzen liegt - anders als vom Landesarbeitsgericht angenommen - der Sachgrund der Vertretung vor. Der Kläger wurde zur Vertretung der im Arbeitsvertrag namentlich benannten Arbeitnehmer für die Dauer ihres jeweiligen Urlaubs als Paketzusteller eingestellt. Der Wirksamkeit der Befristung steht insb. nicht entgegen, dass der Kläger während der gesamten Dauer des befristeten Arbeitsvertrags arbeitsunfähig erkrankt war und daher tatsächlich keine (Vertretungs-)Tätigkeiten erbringen konnte.
14aa) Nach den nicht mit Verfahrens(gegen-)rügen angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sollte der Kläger die bei der Beklagten als Zusteller beschäftigten und im vereinbarten Befristungszeitraum aufeinanderfolgend urlaubsbedingt abwesenden Frau S, Frau L, Herrn M und Herrn H vertreten. Damit beruhte seine befristete Einstellung auf dem zeitweiligen Ausfall dieser vier (Stamm-)Arbeitnehmer, welche der Kläger entweder unmittelbar vertreten sollte oder denen jedenfalls die vom Kläger zu erledigenden Aufgaben durch die Festlegung im Arbeitsvertrag vom gedanklich zugeordnet worden sind (ausf. zum Kausalzusammenhang und den Anforderungen an seine Darlegung je nach Form der Vertretung zB - Rn. 20 mwN). Wie der Kläger waren die vertretenen Mitarbeiter als Paketzusteller bei der Beklagten beschäftigt. Ihnen hätten daher die Aufgaben des Klägers zugewiesen werden können, wenn sie nicht urlaubsbedingt abwesend gewesen wären. Die Beklagte durfte ferner bei Abschluss des Vertrags vom davon ausgehen, dass die benannten Arbeitnehmer ihre Tätigkeit nach ihrem jeweiligen Urlaub wiederaufnehmen würden. Besondere Ausführungen der Beklagten hierzu waren ohnehin nicht veranlasst (vgl. allg. - Rn. 14 mwN). Hierüber streiten die Parteien auch nicht.
15bb) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ergibt sich aus den weiteren Umständen des Einzelfalls nicht, dass es am erforderlichen Kausalzusammenhang fehlt und die streitbefangene Befristung damit nicht auf dem von der Beklagten in Anspruch genommenen Sachgrund der Vertretung beruht und in diesem Sinn nur vorgeschoben ist.
16(1) Allerdings hat das Landesarbeitsgericht im Ansatzpunkt zutreffend erkannt, dass es der Bejahung der Kausalität zwischen dem Ausfall der Stammkraft und der Einstellung der Vertretungskraft entgegenstehen kann, wenn bereits bei Vertragsabschluss feststeht, dass der Vertreter während des gesamten Vertretungszeitraums die von ihm geschuldete Arbeitsleistung wegen Arbeitsunfähigkeit nicht wird erbringen können und dies dem Arbeitgeber bekannt ist. Die befristete Einstellung der Vertretungskraft vermag in solch einem Fall nicht auf dem vorübergehenden Ausfall einer Stammkraft zu beruhen; regelmäßig wird der vorübergehend eingestellte Arbeitnehmer dann - entgegen dem Wortlaut von § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 TzBfG - gerade nicht „zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt“. Insoweit ist auch - entgegen der Ansicht der Beklagten - nicht entscheidend, ob die Vertretungskraft (wie vorliegend) während der gesamten Befristungsdauer einen Entgeltfortzahlungsanspruch hat und daher der Vertragsabschluss als solcher für sie vorteilhaft ist. Dieser Aspekt spielt bei der Beurteilung der Frage, ob ein objektiver Bedarf an der befristeten Einstellung zur Vertretung eines zeitweilig ausgefallenen Arbeitnehmers besteht, keine Rolle. Jedenfalls aber bedarf es der Kenntnis des Arbeitgebers über den Umstand, dass die Vertretungskraft im gesamten Befristungszeitraum Vertretungstätigkeiten aufgrund einer Erkrankung nicht wird leisten können. Entsprechend der vom Arbeitgeber ebenfalls bei Vertragsabschluss vorzunehmenden „Rückkehrprognose“ bzgl. der ausfallenden und zu vertretenden Stammkraft (vgl. hierzu etwa - Rn. 14) ist auch insoweit der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses maßgeblich. Nur wenn sich der Arbeitgeber in diesem Zeitpunkt gewiss sein musste, dass der Vertreter für die gesamte befristete Vertragsdauer eine Vertretertätigkeit nicht auszuführen vermag, kann der Sachgrund der Vertretung vorgeschoben sein.
17(2) Hingegen hält die konkrete Wertung des Landesarbeitsgerichts, dass vorliegend der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen der zeitweiligen Arbeitsverhinderung der vier im Vertrag benannten Stammkräfte und der Einstellung des Klägers nicht gegeben ist, auch unter Berücksichtigung eines eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. zu den Maßgaben zB - Rn. 25 mwN) der rechtlichen Überprüfung nicht stand.
18(a) Revisionsrechtlich noch nicht zu beanstanden ist die Annahme, dass das Wissen des Niederlassungsleiters sowie das seines Stellvertreters der Beklagten in entsprechender Anwendung von § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen ist. Aus § 166 BGB ergibt sich der allgemeine Rechtsgrundsatz, dass derjenige, der einen anderen mit der eigenverantwortlichen Erledigung bestimmter Angelegenheiten betraut, sich die Kenntnis dieser Wissensvertreter zurechnen lassen muss ( - zu A I 2 a bb der Gründe). Insoweit ist auch grundsätzlich weder die Erteilung einer rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht noch eine Bestellung zum „Wissensvertreter“ erforderlich (vgl. Grüneberg/Ellenberger BGB 83. Aufl. § 166 Rn. 6 mwN). Hiernach verfängt zum einen der Einwand der Beklagten nicht, es komme ausschließlich auf die Kenntnis derjenigen Mitarbeiter an, die in ihrem Namen den Arbeitsvertrag abschließen, und zum anderen durfte das Landesarbeitsgericht aufgrund seiner mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und den Senat bindenden Feststellungen sowohl den Niederlassungsleiter als auch dessen Stellvertreter als Wissensvertreter der Beklagten ansehen. Der - von seinem Stellvertreter zeitweilig vertretene - Niederlassungsleiter war Ansprechpartner des Klägers in allen ihn betreffenden Vertragsangelegenheiten. Im Übrigen hatte der stellvertretende Niederlassungsleiter die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom auch tatsächlich erhalten und dem Kläger den Arbeitsvertrag vom zur Unterschrift zugeleitet und diesen sodann wieder entgegengenommen. Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang der Einwand der Beklagten, die Funktionen des (stellvertretenden) Niederlassungsleiters seien nicht korrekt dargestellt worden. Soweit sie sich damit gegen tatbestandliche Feststellungen des Berufungsgerichts wendet, könnten etwaige Unrichtigkeiten im Berufungsurteil im Übrigen nur im Berichtigungsverfahren nach § 320 ZPO, nicht jedoch mit einer Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO behoben werden (vgl. etwa - Rn. 30; vgl. ferner auch - 7 ABR 17/20 - Rn. 37, BAGE 175, 104).
19(b) Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht jedoch das der Beklagten zuzurechnende Wissen als deren Kenntnis von einer Erkrankung des Klägers während des gesamten Befristungszeitraums gewertet. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit den vom Kläger per WhatsApp vom mitgeteilten Umständen „bei lebensnaher Interpretation“ eine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen, welche durch die „unstreitigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen“ nicht relativiert würden. Damit hat es den Stellenwert der - zeitpunktbezogen einzig maßgeblichen - Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom verkannt und die weiteren Umstände nicht widerspruchsfrei gewürdigt.
20(aa) Die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist das gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweismittel für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit (st. Rspr., zuletzt etwa - Rn. 12). Diese Wertung impliziert für Konstellationen wie die des Streitfalls, dass bei der Frage des arbeitgeberseitigen Kenntnisstands grundsätzlich auf den Inhalt ihm vor Abschluss des befristeten Vertrags zur Kenntnis gelangter Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen abzustellen ist. Aus anderweitigen Angaben des Arbeitnehmers, der idR medizinischer Laie ist, muss der Arbeitgeber demgegenüber grundsätzlich nicht den Schluss ziehen, es bestünde „gesichert“ eine die Dauer der gesamten befristeten Einstellung bestehende Arbeitsunfähigkeit.
21(bb) Die der Beklagten im Zeitpunkt der Befristungsabrede bekannte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom wies eine voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit des Klägers bis zum aus; dieser Zeitraum umfasst lediglich ca. ein Viertel der streitgegenständlichen Befristungsdauer (1. bis ). Das spricht gerade gegen die Kenntnis der Beklagten hinsichtlich einer Arbeitsunfähigkeit des Klägers bis (mindestens) zum .
22(cc) Aus der in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verwendeten Formulierung „voraussichtlich“ kann entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nichts Gegenteiliges abgeleitet werden. Der Feststellung und Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit von Versicherten liegt die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V (AU-RL) zugrunde. Nach deren § 5 Abs. 4 Satz 1 soll regelmäßig (nur) eine „voraussichtliche Dauer“ der Arbeitsunfähigkeit bescheinigt werden, wobei es dem Arzt nach § 5 Abs. 4 Satz 2 AU-RL aber möglich ist, die Arbeitsunfähigkeit bis zur voraussichtlichen Dauer von einem Monat zu bescheinigen, wenn dies aufgrund der Erkrankung oder eines besonderen Krankheitsverlaufs sachgerecht ist. Hierbei handelt es sich um eine Ausnahme zu § 5 Abs. 4 Satz 1 AU-RL, wonach die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit nicht für einen mehr als zwei Wochen im Voraus liegenden Zeitraum bescheinigt werden soll. Dies ist im Streitfall gerade nicht geschehen. In dem Nachweis vom wurde dem Kläger eine Arbeitsunfähigkeit bis zum bescheinigt. Die weiteren, jeweils nach Abschluss der streitgegenständlichen Befristungsabrede ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen konnten schon aufgrund der zeitlichen Abläufe bei der Beurteilung des Kenntnisstandes der Beklagten im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses keine Berücksichtigung finden.
23(dd) Berücksichtigte man mit dem Landesarbeitsgericht darüber hinaus noch den Inhalt seiner WhatsApp vom - also die Mitteilung der Umstände Nabelbruch, Krankenhausaufenthalt sowie Aufschlagen eines Pakets auf den Bauch - bedingte dies keine Annahme, die Beklagte habe bei Vertragsabschluss gewusst, dass der Kläger den gesamten Zeitraum des befristeten Arbeitsvertrags arbeitsunfähig erkrankt ist. Die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene anderweitige Würdigung ist widersprüchlich. Ungeachtet dessen, dass es für die von ihm herangezogene „lebensnahe Interpretation“, wer eine derartige Nachricht erhalte, habe sicheres Wissen von einer mehrwöchigen Dauererkrankung des Arbeitnehmers, an der Offenlegung eines entsprechenden Erfahrungssatzes fehlt, war aus der der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorangegangenen Mitteilung nicht zwingend auf eine bis zum Ende der Vertragsdauer anhaltende Arbeitsunfähigkeit des Klägers zu schließen. Die Beklagte muss sich insoweit auch nur die Angaben der zeitlich nachfolgenden und eine Arbeitsunfähigkeit (voraussichtlich) bis zum ausweisenden ärztlichen Bescheinigung entgegenhalten lassen.
24(c) Der Rechtsfehler führt nicht zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht, denn der Senat kann aus anderen Gründen eine abschließende Entscheidung treffen (§ 563 Abs. 3 ZPO; vgl. zu solch einer Verfahrensweise auch - Rn. 16).
25(aa) Es kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass er - entsprechend seinem in den Instanzen gehaltenen Vortrag - dem (stellvertretenden) Niederlassungsleiter telefonisch eine mehrwöchig andauernde Arbeitsunfähigkeit bekannt gegeben hat. Nach der ärztlichen Bescheinigung vom hatte die Beklagte nicht davon auszugehen, dass der Kläger im gesamten Befristungszeitraum seine vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht wird erbringen können. Sie durfte vielmehr hinsichtlich der voraussichtlichen Dauer der Arbeitsunfähigkeit des Klägers im Rahmen der Prognose iSd. § 14 Abs. 1 TzBfG ausschließlich auf die (und sei es bis zu einem voraussichtlichen Zeitpunkt) ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeitsdauer vertrauen und musste sich nicht gewiss sein, den Kläger überhaupt nicht als Vertreter beschäftigen zu können. Das gilt auch im Hinblick auf die Behauptung des Klägers, dem Stellvertreter des Niederlassungsleiters am telefonisch mitgeteilt zu haben, der Hausarzt habe ihm die Information gegeben, dass er nach der Operation für mindestens sechs Wochen arbeitsunfähig sein werde, sowie seine Behauptung, der Arzt habe ihm gesagt, er (der Kläger) sei zunächst einmal sechs Wochen arbeitsunfähig und dürfe danach sechs Wochen nicht schwer heben und dies habe er dem Niederlassungsleiter mitgeteilt. Selbst wenn diese Angaben zutreffen, begründeten sie angesichts der unter dem ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung allenfalls eine Ungewissheit der Beklagten, den Kläger als Vertreter einsetzen zu können. Sie stützten aber keine der Beklagten bekannte Gewissheit der Unmöglichkeit eines Vertretereinsatzes.
26(bb) Der Beklagten ist es nicht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf den Sachgrund der Vertretung zu berufen. Der Kläger war seit dem auf der Grundlage von fünf befristeten Verträgen weniger als zwei Jahre bei der Beklagten beschäftigt. Im Hinblick darauf besteht kein Anlass zu einer weitergehenden Missbrauchskontrolle, insb. nicht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (vgl. hierzu etwa - Rn. 25 ff.). Auch die relativ kurze Dauer der streitgegenständlichen Befristung gebietet als solche keinen Anlass hierzu.
27II. Der Antrag zu 2. fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist als uneigentliches Hilfsbegehren für den Fall des Obsiegens mit dem Befristungskontrollantrag gestellt. Diese innerprozessuale Bedingung ist nicht eingetreten.
28III. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1, § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:120624.U.7AZR188.23.0
Fundstelle(n):
Nr. 48/2024 S. 2977
BB 2024 S. 2300 Nr. 40
NJW 2024 S. 10 Nr. 41
NJW 2024 S. 3674 Nr. 50
NJW 2024 S. 3677 Nr. 50
RAAAJ-75314