Instanzenzug: LG Frankfurt Az: 5/16 KLs 21/23
Gründe
A.
I.
11. Das Landgericht hat den Angeklagten im Fall II.1 der Urteilsgründe wegen „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln“ verurteilt und angeordnet, dass die „in dem Verfahren sichergestellten Betäubungsmittel“ eingezogen werden. Hierzu hat es rechtsfehlerfrei folgenden Sachverhalt festgestellt:
2Der Angeklagte führte auf öffentlichem Verkehrsgrund in Frankfurt am Main 27,48 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 2,41 Gramm THC sowie 19,8 Gramm Haschisch mit einem Wirkstoffgehalt von 3,64 Gramm THC mit sich, um die hälftige Menge gewinnbringend zu veräußern. Die andere Hälfte diente seinem Eigenkonsum. Der Angeklagte wurde einer Polizeikontrolle unterzogen, das Marihuana und das Haschisch wurden sichergestellt.
32. Gegen seine Verurteilung hat der Angeklagte form- und fristgerecht Revision eingelegt. Bei der auf die Sachrüge gebotenen Nachprüfung des Urteils – die Verfahrensbeanstandung ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) – hat der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO auf das am in Kraft getretene Konsumcannabisgesetz (KCanG) abzustellen, weil es im konkreten Fall das mildere Gesetz ist. Bei Marihuana und Haschisch handelt es sich um Produkte der Cannabispflanze, die nach den Begriffsbestimmungen des Konsumcannabisgesetzes als „Cannabis“ erfasst werden (§ 1 Nr. 4, Nr. 5 KCanG) und dem Anwendungsbereich des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) entzogen sind.
43. Der Senat beabsichtigt, auf die Revision des Angeklagten das angefochtene Urteil dahingehend abzuändern, dass der Angeklagte im Fall II.1 der Urteilsgründe schuldig ist des Handeltreibens mit Cannabis in Tateinheit mit Besitz von Cannabis und dass insoweit die Einziehung von 27,48 Gramm Marihuana und 19,8 Gramm Haschisch angeordnet ist.
II.
5An der beabsichtigten Entscheidung sieht sich der Senat – soweit sie die tateinheitliche Verurteilung wegen Besitzes von Cannabis und die Einziehungsentscheidung betrifft – durch Entscheidungen anderer Strafsenate gehindert, die ein grundsätzlich anderes Verständnis vom Regelungsgehalt des erst kürzlich in Kraft getretenen Konsumcannabisgesetzes offenbaren.
61. Hinsichtlich der zum gewinnbringenden Verkauf bestimmten Teilmenge hat sich der Angeklagte wegen Handeltreibens mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 4 KCanG strafbar gemacht. Diese rechtliche Bewertung ist – soweit ersichtlich – nicht umstritten.
72. Der Senat ist der Auffassung, dass sich der Angeklagte tateinheitlich auch des Besitzes von Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a) KCanG schuldig gemacht hat, der – da teilweise zum Eigenkonsum bestimmt – nicht vollumfänglich auf Konkurrenzebene hinter das Handeltreiben zurücktritt. Denn der Angeklagte führte – wie vom Wortlaut der Strafvorschrift gefordert – an einem Ort, der nicht sein Wohnsitz oder sein gewöhnlicher Aufenthalt war, mehr als 30 Gramm Cannabis, nämlich insgesamt 47,28 Gramm Cannabis mit sich; die dem Besitz zugrunde liegende Motivlage erachtet der Senat für unbeachtlich (näher dazu unter C.). Dies bewerten andere Strafsenate grundsätzlich anders.
8a) Der 1. Strafsenat hat einen Angeklagten, der in seiner Wohnung neben MDMA und Kokain rund 530 Gramm Haschisch aufbewahrte, von denen 60 Gramm zum Eigenkonsum bestimmt waren, „nur“ des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabis für schuldig befunden (Beschluss vom – 1 StR 205/24). Der Besitz von 60 Gramm Haschisch zum Eigenkonsum bleibe straffrei, weil die Grenze des § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b) KCanG nicht überschritten sei; die insoweit verwirklichte Ordnungswidrigkeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b) KCanG trete nach § 21 OWiG hinter dem durch dieselbe Handlung verwirklichten Straftatbestand zurück (BGH, aaO, Rn. 4).
9b) Der 5. Strafsenat hat das Handeln eines Angeklagten, der in seiner Wohnung neben den für das Handeltreiben eines Dritten aufbewahrten 300 Gramm Kokain, 11,7 Kilogramm Marihuana und 4,7 Kilogramm Haschisch noch rund 39 Gramm Marihuana zum Eigenkonsum vorrätig hielt, zwar auch als – tateinheitlich zur Beihilfe zum Handeltreiben begangenen – Besitz von Cannabis gewertet (Beschluss vom – 5 StR 550/23, Rn. 9; ähnlich auch Beschluss vom – 5 StR 631/23, Rn. 8). Er hat indes ausgeführt: „Soweit sich der Schuldspruch wegen Besitzes von Betäubungsmitteln auch auf die zum Eigenkonsum vorrätig gehaltene Menge von rund 39 g Marihuana bezog, ist das Handeln des Angeklagten nicht mehr verboten und damit nicht mehr strafbar (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 [Satz 1] Nr. 2, § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 34 Abs. 1 Nr. 1 b) KCanG)“.
103. Der vom Senat beabsichtigten Klarstellung zur Einziehung wie schon der Zusammenrechnung der zu verschiedenen Zwecken besessenen Cannabismengen stünde die Auffassung entgegen, der Gesetzgeber habe im Konsumcannabisgesetz nunmehr erlaubte „Freimengen“ vorgesehen, die in jedem Fall sowohl sanktionslos als auch von einer Einziehung ausgenommen bleiben müssten (vgl. Patzak/Fabricius/Patzak, BtMG, 11. Aufl., KCanG § 37 Rn. 1). Nach diesem Verständnis der Regelungen des Konsumcannabisgesetzes wäre die Strafbarkeit – soweit Cannabis zum Eigenkonsum besessen wird – auf denjenigen Teil der Besitzmenge begrenzt, der eine gesetzliche Schwelle (die zur Strafbarkeit oder die zu dem vom Umgangsverbot des § 2 Abs. 1 KCanG ausgenommenen Mengen) überschreitet; folglich könne auch nur diese eingezogen werden. Dieser Auffassung neigen der 4., der 5. und der 6. Strafsenat zu; der 1. Strafsenat ist ihr entgegengetreten.
11a) Der 4. Strafsenat hat dargelegt, dass und warum – mit Bezug zum Schuldumfang und zur Bestimmung der nicht geringen Menge – diejenigen Mengen, die keinem verwaltungsrechtlichen Verbot unterliegen, „strafrechtliche Freibeträge“ und nicht „lediglich strafrechtliche Freigrenzen“ seien (Beschluss vom – 4 StR 50/24, Rn. 12 ff.). Bei der Wahl des Strafrahmens habe in den Fällen des straffreien Umgangs mit Cannabis derjenige Teil der Gesamtmenge, mit dem der jeweilige Umgang straffrei wäre, außer Betracht zu bleiben; maßgeblich sei insoweit allein die die Grenze zur Strafbarkeit überschreitende Stoffmenge. Daher seien im konkreten Fall einer für Eigenkonsumzwecke betriebenen Cannabisplantage mit 52 Cannabispflanzen „drei der Cannabispflanzen“, „gegebenenfalls diejenigen Pflanzen mit dem höchsten (aktuellen) THC-Gehalt“, „von der Gesamtmenge in Abzug“ zu bringen (BGH, aaO, Rn. 18).
12b) Der 5. Strafsenat hat unter Bezugnahme auf vor Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes ergangene Entscheidungen zu Verbotsnormen mit Erlaubnisvorbehalt ausgeführt: „Soweit das Gesetz von dem umfassenden Verbot des Umgangs mit Cannabis in § 2 Abs. 1 KCanG Ausnahmen zulässt (§ 2 Abs. 3 Satz 1 KCanG), liegt ein strafbares Handeln nicht vor“ (Beschluss vom – 5 StR 153/24, Rn. 6).
13In einer weiteren Entscheidung hat er in einer nicht näher dargestellten Fallkonstellation entschieden, dass der „tateinheitliche Schuldspruch gegen den Angeklagten […] wegen Erwerbs von Betäubungsmitteln […] zu entfallen [hat], weil es sich dabei lediglich um 50 Gramm Marihuana handelte und der Erwerb einer solchen Menge innerhalb eines Monats nicht mehr strafbar ist (§ 34 Abs. 1 Nr. 12 Buchstabe b KCanG)“ (Beschluss vom – 5 StR 68/24, Rn. 2). Der Besitz einer solchen Menge innerhalb der eigenen Wohnung sei ebenfalls keine Straftat mehr.
14c) Der 6. Strafsenat hat einen Angeklagten, der in seiner Wohnung mit 15 Gramm Marihuana Handel trieb und dort zugleich 16 Gramm für den Eigenkonsum aufbewahrte, allein des Handeltreibens mit Cannabis schuldig befunden, zur Begründung indes nicht auf das Nichtüberschreiten der in § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a) KCanG genannten Menge, sondern darauf abgestellt, dass „der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum“ nach § 3 KCanG erlaubt sei; die tateinheitliche Verurteilung wegen Besitzes habe zu entfallen, „weil die Menge den Grenzwert aus § 3 Abs. 1 KCanG nicht überstieg“ (Beschluss vom – 6 StR 24/24, Rn. 5, 6).
15In seiner nachfolgenden Entscheidung (Beschluss vom – 6 StR 536/23, Rn. 30) hat er die – nicht näher begründete und konkret nur auf den Strafausspruch bezogene – Auffassung vertreten, bei den in § 3 KCanG genannten Cannabismengen handele es sich um „Freimengen“. In einer weiteren Entscheidung hat der 6. Strafsenat den Schuldspruch wegen verbotenen Besitzes von Cannabis zwar darauf gestützt, dass die Eigenkonsummenge – für sich betrachtet – 60 Gramm übersteige (Beschluss vom – 6 StR 113/24, Rn. 3). Indes sei bei der Bestimmung der nicht geringen Menge im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG der Eigenkonsumanteil außer Betracht zu lassen, dessen Besitz nicht strafbewehrt sei (BGH, aaO, Rn. 5).
16d) Demgegenüber hat der 1. Strafsenat – insoweit nicht tragend – die Auffassung vertreten, dass die in § 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG normierten Einschränkungen der Strafbarkeit des Besitzes, Anbaus und Erwerbs von Cannabis Freigrenzen darstellten, bei deren Überschreiten die Handlung hinsichtlich des gesamten besessenen, angebauten oder erworbenen Cannabis strafbewehrt sei, und dieses Cannabis als Bezugsgegenstand auch vollständig der Einziehung gemäß § 37 KCanG, § 74 Abs. 2 StGB unterliege (Beschluss vom – 1 StR 105/24, Rn. 22 ff.).
B.
17Die Vorlage an den Großen Senat für Strafsachen erfolgt auf der Grundlage von § 132 Abs. 4 GVG.
I.
18Die vorgelegte Rechtsfrage ist entscheidungserheblich. Dass es das Landgericht unterlassen hatte, den Angeklagten im Fall II.1 der Urteilsgründe auch wegen tateinheitlichen Besitzes von Betäubungsmitteln zu verurteilen (vgl. zur Rechtslage nach dem Betäubungsmittelgesetz Weber/Kornprobst/Maier/Weber, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 847), hindert den Senat nicht, wie beabsichtigt zu entscheiden.
II.
19Die Vorlagefragen sind angesichts der schon in Grundsätzen unterschiedlichen Auffassungen der Strafsenate des Bundesgerichtshofs über den Regelungsgehalt der Vorschriften des Konsumcannabisgesetzes von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung und erfordern eine Entscheidung des Großen Senats, auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Deren Beantwortung betrifft überdies eine nach dem Inkrafttreten des Konsumcannabisgesetzes zum erst beginnende Rechtsentwicklung.
III.
20Dass sich der Senat an der von ihm beabsichtigten Entscheidung auch durch Entscheidungen anderer Strafsenate gehindert sieht, steht der Zulässigkeit einer Vorlage nach § 132 Abs. 4 GVG nicht entgegen (vgl. , NJW 2021, 3191 Rn. 7). Der Große Senat für Strafsachen ist in den Fällen des § 132 Abs. 4 GVG (im Gegensatz zur früheren Rechtslage nach § 132 Abs. 5 a.F. GVG, vgl. dazu , BGHSt 33, 356) nicht anders besetzt als in Fällen des § 132 Abs. 2 GVG. Mit Blick auf die Vielzahl der in allen Strafsenaten anhängigen Verfahren, die von den aufgeworfenen Rechtsfragen betroffen sind, darunter überwiegend Haftsachen, ist die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.
C.
21Die Rechtsauffassung des Senats, dass sich der Angeklagte zum einen in dem dem Vorlageverfahren zugrundeliegenden Sachverhalt des – zum Handeltreiben mit Cannabis hinzutretenden, tateinheitlich verwirklichten – Besitzes von Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a) KCanG schuldig gemacht hat (Vorlagefrage 1) und dass zum anderen die gesamte, näher zu bezeichnende Besitzmenge (hier: 27,48 Gramm Marihuana und 19,8 Gramm Haschisch) der Einziehung unterliegt (Vorlagefrage 2), beruht auf den folgenden Erwägungen:
22Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des allein maßgeblichen § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG ist nur auf den Besitz abzustellen (nachfolgend I.), mithin also – entsprechend dem Regelungsregime des Betäubungsmittelgesetzes – auf die Gesamtmenge, über die die tatsächliche Sachherrschaft ausgeübt wird (nachfolgend II.). Weder das Regelungskonzept noch die Systematik des Konsumcannabisgesetzes erfordern ausnahmsweise eine hiervon abweichende Beurteilung (nachfolgend III.).
I.
23Nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG macht sich strafbar, wer entgegen § 2 Abs. 1 Nr. 1 KCanG an einem Ort, der nicht sein Wohnsitz oder sein gewöhnlicher Aufenthalt ist, mehr als 30 Gramm Cannabis besitzt (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a) KCanG), oder wer insgesamt mehr als 60 Gramm Cannabis besitzt (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b) KCanG). Damit knüpft § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG allein an den Besitz an. Eine Differenzierung nach Grund oder Zweck des Besitzes ist dem nicht zu entnehmen, auch nicht dem Verweis auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 KCanG, der ein umfassendes Besitzverbot normiert.
II.
24Ausgehend von den Begrifflichkeiten des Betäubungsmittelgesetzes, an die der Gesetzgeber die Tathandlungen nach dem Konsumcannabisgesetz ausdrücklich angelehnt hat (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 94; BGH, Beschlüsse vom – 6 StR 117/24, Rn. 11; vom – 4 StR 5/24, Rn. 7; vom – 3 StR 45/24, Rn. 6), ist „Besitz“ die tatsächliche Sachherrschaft über das Rauschmittel, die es dem Täter ermöglicht, damit nach Belieben zu verfahren (statt aller MüKo-StGB/Oğlakcıoğlu, 4. Aufl., BtMG § 29 Rn. 1065 ff.; Weber/Kornprobst/Maier/Weber, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 1328, jeweils mwN). Zur Beurteilung der Besitzstrafbarkeit ist maßgebend, dass über eine bestimmte Menge die tatsächliche (unmittelbare oder mittelbare) Verfügungsgewalt herbeigeführt wurde und dieser Zustand aufrechterhalten wird. Nur hierauf muss sich der Vorsatz des Täters beziehen; ausreichend ist der Wille, sich die Möglichkeit ungehinderter Einwirkung auf die Sache zu erhalten (zu §§ 29 ff. BtMG vgl. ; vom – 4 StR 393/97; vom – 1 StR 492/15). Auf die dem Besitz zugrunde liegende Motivlage kommt es nicht an; die Besitzstrafbarkeit zielt darauf, kausales und nicht finales Verhalten zu erfassen (vgl. , BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 3 Besitz 1).
25Dies gilt auch für Cannabis: „Besitz meint die tatsächliche Sachherrschaft.“ (BT-Drucks. 20/8704, S. 96; vgl. auch , Rn. 8; Patzak/Fabricius/Patzak, BtMG, 11. Aufl., KCanG § 34 Rn. 26). Um „erlaubten Besitz“ im Sinne von § 3 KCanG handelt es sich ausweislich der Gesetzesbegründung nur, wenn „die Besitzmenge“ (sic!), also die Menge, über die die „tatsächliche Sachherrschaft“ ausgeübt wird, „ausschließlich für den persönlichen Eigenkonsum von Cannabis durch die unmittelbare Besitzerin oder den unmittelbaren Besitzer bestimmt ist“ (BT-Drucks. 20/8704, aaO). Der Besitzzweck ist demnach zwar für die Frage von Bedeutung, ob ein „erlaubter Besitz“ im Sinne der § 2 Abs. 3, § 3 KCanG vorliegt, nicht aber für die Frage, über welche (Gesamt)Menge die tatsächliche Sachherrschaft im Sinne des § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG ausgeübt wird.
26Hiermit korrespondiert die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Betäubungsmittelgesetz in Fällen, in denen erst eine Gesamtbetrachtung der zu unterschiedlichen Zwecken in Besitz gehaltenen Mengen zur Überschreitung einer Sanktionsgrenze führt: Liegen sowohl die Handels- als auch die Eigenverbrauchsmenge unter der Grenze zur nicht geringen Menge, übersteigt die Gesamtmenge aber die nicht geringe Menge, macht sich der Täter wegen der Sachherrschaft über die Gesamtmenge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 Variante 4 BtMG des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig; das einfache Handeltreiben nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG tritt tateinheitlich hinzu (vgl. nur , Rn. 22; Beschlüsse vom – 2 StR 252/14, BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 2 Konkurrenzen 2; vom – 4 StR 368/19, jeweils mwN). Die Handlungsform des Handeltreibens überlagert in diesen Fällen den Besitztatbestand konkurrenzrechtlich nicht. Für das Überschreiten der Sanktionsgrenze des § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG gilt nichts Anderes.
III.
27Eine hiervon abweichende Beurteilung ist weder mit Blick auf die in § 2 Abs. 3, §§ 3, 9 KCanG genannten Mengen geboten, deren Besitz vom Verbot des § 2 Abs. 1 KCanG ausgenommen ist, noch mit Blick auf die in § 34 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 12 KCanG normierten Einschränkungen der Strafbarkeit des Besitzes, Anbaus und Erwerbs von Cannabis. Diese Mengen stellen Obergrenzen dar, bei deren Überschreiten die Handlung hinsichtlich des gesamten besessenen, angebauten oder erworbenen Cannabis sanktionsbewehrt ist. Insoweit teilt der Senat die vom 1. Strafsenat (Beschluss vom – 1 StR 105/24, Rn. 22 ff.) geäußerte Rechtsauffassung. Im Einzelnen:
281. Der Gesetzeswortlaut ergibt nicht, dass die Besitzstrafbarkeit auf denjenigen Teil begrenzt sein soll, der die Schwelle zur Strafbarkeit oder die vom Umgangsverbot des § 2 Abs. 1 KCanG ausgenommenen Mengen überschreitet. Vielmehr benennt § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG absolute Mengen, deren Überschreitung („mehr als“) die Strafbarkeit wegen Besitzes von Cannabis begründet, und ist damit angelehnt an Regelungen wie etwa § 42a Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. § 53 Abs. 1 Nr. 21a WaffG („Klingenlänge über 12 cm“). Auch bei Überschreiten der „nicht geringen Menge“ im Sinne des § 29a BtMG, § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG wird nicht lediglich die diesen Grenzwert übersteigende Menge als vom Tatbestand erfasst angesehen, sondern – gleichsam selbstredend – die Gesamtmenge.
292. Der den Gesetzesmaterialien zu entnehmende Wille des Gesetzgebers und dessen Ziele sowie die damit einhergehende Konzeption des Konsumcannabisgesetzes belegen, dass es sich bei den in § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG genannten Mengen um Obergrenzen im eingangs dargestellten Sinn handelt.
30a) Das Konsumcannabisgesetz hat einen verbesserten Gesundheitsschutz zum Ziel; der illegale Markt für Cannabis soll eingedämmt und der „verantwortungsvolle Umgang mit Cannabis“ gestärkt werden (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 1).
31aa) Hiervon ausgehend und mit Blick auf die weiterhin anerkannten Gesundheitsgefahren (insbesondere bei Cannabis mit einem hohen THC-Gehalt, vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 68) hat der Gesetzgeber in § 2 Abs. 1 KCanG – ungeachtet einer „geänderten Risikobewertung“ (BT-Drucks. 20/8704, S. 68 f., 130, 132) – ein allgemeines und umfassendes Verbot für den Umgang mit Cannabis normiert. Das Konsumcannabisgesetz nimmt lediglich bestimmte, ausdrücklich im Gesetz erlaubte Handlungen von diesem Umgangsverbot aus (BT-Drucks. 20/8704, S. 93). Dabei handelt es sich in einem vom Grundsatz eines verwaltungsrechtlichen Umgangsverbots geprägten System um eng umgrenzte Ausnahmen (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 72); nur die ausdrücklich im Gesetz erlaubten, abschließend normierten Handlungen sind vom Verbot des § 2 Abs. 1 KCanG ausgenommen (so ausdrücklich BT-Drucks. 20/8704, S. 93, 95). Der Gesetzgeber hat damit weitergehend als bei einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt den Umgang mit Cannabis als grundsätzlich wertwidriges Verhalten qualifiziert und lediglich für genau umschriebene Fälle (vergleichbar einem repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt) Ausnahmen zugelassen. Lediglich der Besitz von Cannabis von höchstens 25 bzw. 50 Gramm soll entkriminalisiert werden (BT-Drucks. 20/8704, S. 71: „bis zu“) und dies auch nur, wenn der Besitz ausschließlich für den persönlichen Eigenkonsum durch den (volljährigen) unmittelbaren Besitzer bestimmt ist (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 96).
32bb) Die Zulässigkeit einer höheren Besitzmenge als der in § 3 Abs. 1 KCanG genannten ergibt sich nur aus einer Erlaubnis für eine Anbauvereinigung nach § 11 Abs. 1 KCanG oder zum Zweck des Transports im Rahmen der Vorschriften des § 22 Abs. 3 KCanG (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 96). Diese Begrenzung der zulässigen Besitzmenge an Konsumcannabis außerhalb von Anbauvereinigungen dient dem für besonders wichtig erachteten Gesundheits- sowie dem Kinder- und Jugendschutz (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 68 f.). Korrelierend hierzu stellt § 34 Abs. 1 KCanG sicher, dass der Besitz bei Überschreiten der dort genannten Mengen auch weiterhin strafbewehrt bleibt (BT-Drucks. 20/8704, S. 86, 131; nach der ursprünglichen gesetzgeberischen Vorstellung 25 Gramm, nunmehr 30 bzw. 60 Gramm). Auch wenn die Gesetzesbegründung nicht erkennen lässt, welche Erwägungen den Gesetzgeber dazu bewogen haben, die Höhe der in § 2 Abs. 3, §§ 3, 9 KCanG genannten Mengen festzulegen, so zeigt sich doch, dass diese Mengen als vom Gesetzgeber bestimmte Obergrenzen für einen im Lichte des Gesundheitsschutzes noch hinnehmbaren Besitz im Sinne eines verantwortungsvollen Umgangs mit Cannabis (BT-Drucks. 20/8704, S. 68) zu verstehen sind.
33b) Bei den vom Umgangsverbot des § 2 Abs. 1 KCanG ausgenommenen Tatbeständen handelt es sich folglich um – eng auszulegende – Ausnahmetatbestände. Deren Voraussetzungen liegen nicht vor, wenn die vom Umgangsverbot ausgenommenen Mengen überschritten sind oder die erlaubte Besitzmenge nicht „ausschließlich für den persönlichen Eigenkonsum (…) bestimmt“ ist (BT-Drucks. 20/8706, S. 96). Sind die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands nicht gegeben, bleibt es beim Verbot des Besitzes von Cannabis gemäß § 2 Abs. 1 KCanG.
34c) Das in § 2 Abs. 1 KCanG normierte allgemeine Verbot des Umgangs mit Cannabis zeigt auch, dass nach der Intention des Gesetzgebers der Besitztatbestand seine Qualität als abstraktes Gefährdungsdelikt (zu § 29 BtMG vgl. Patzak/Volkmer/Fabricius/Patzak, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 992) nicht verloren hat. In der von der Gesetzesbegründung in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu §§ 29 ff. BtMG ist anerkannt, dass bereits beim Besitz von Rauschgift die abstrakte Gefahr für die Allgemeinheit durch dessen Weitergabe besteht; es liegt umso näher, dass das Rauschgift (zumindest teilweise) weiterveräußert und nicht ausschließlich selbst konsumiert wird, je größer die in Besitz gehaltene Menge ist (vgl. , NStZ 1996, 338, 339; Beschluss vom – 6 StR 295/23, Rn. 6 mwN). Dieser Gefahr – die besonders nahe liegt, wenn der Täter das für den Eigenkonsum vorgesehene Cannabis mit dem zum in jedem Fall strafbaren Handeltreiben bestimmten Cannabis zu einer Besitzmenge zusammenführt – will das Konsumcannabisgesetz durch Bestimmung maximal erlaubter Besitzmengen ausschließlich zum Eigenkonsum entgegenwirken.
35Demgegenüber leistet die Annahme von „Freimengen“ dem Handeltreiben mit Cannabis Vorschub. Die Gefahr, dass ein Handeltreibender, dem – ausgehend von der Annahme einer „Freimenge“ – eine Eigenkonsummenge belassen wird, damit nun statt des (behaupteten) Eigenkonsums die „Kunden“ bedient, liegt auf der Hand. Der durch die Sanktionslosigkeit bewirkte Anreiz, stets nur die maximal erlaubte Cannabismenge zu besitzen, wäre geschwächt. Im Einklang mit den Vorgaben des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (ABl. L 335, S. 8, zuletzt geändert durch Artikel 1 Richtlinie (EU) Nr. 2021/802, ABl. L 178 vom , S. 1) will das Konsumcannabisgesetz aber weiterhin sicherstellen, dass Handlungen, die nicht ausschließlich für den persönlichen Konsum begangen werden, unter Strafe gestellt werden (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 72).
363. Gesetzessystematisch sieht das Konsumcannabisgesetz eine „Sanktionsleiter“ für das Überschreiten der vom Verbot des § 2 Abs. 1 Nr. 1 KCanG ausgenommenen Besitzmengen vor, indem es einen diese Menge überschreitenden Besitz zunächst als Ordnungswidrigkeit (§ 36 KCanG) und erst bei Überschreiten einer darüber liegenden Menge als Straftat (§ 34 KCanG) qualifiziert. Eine Auslegung dahingehend, dass bei Überschreiten der Obergrenze des nach § 2 Abs. 3, §§ 3, 9 KCanG Erlaubten um nicht mehr als 5 bzw. 10 Gramm die in Besitz gehaltene Menge insgesamt dem Ordnungswidrigkeitentatbestand und darüber hinaus insgesamt dem Straftatbestand unterfällt, entspricht dieser Systematik. Sie vermeidet überdies Unklarheiten, die sich ergeben, wenn die Strafbarkeit auf denjenigen Teil der Besitzmenge begrenzt würde, der eine gesetzliche Schwelle (im Sinne einer „Freimenge“) überschreitet.
37a) Wäre der Besitz von Cannabis nur insoweit strafbar, als er die die „Freimenge“ überschreitende Menge betrifft, wäre für alle Fälle, in denen Cannabis nur oder auch zum Eigenkonsum besessen wird, unklar, ob diese „Freimenge“ 30 bzw. 60 Gramm (weil erst darüber hinaus nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG strafbar) oder 25 bzw. 50 Gramm (weil darüber hinaus nicht mehr nach § 2 Abs. 3 KCanG erlaubt) beträgt. Entsprechend wäre unklar, ob von einer auf § 37 KCanG gestützten Einziehung 25 oder 30 Gramm bzw. 50 oder 60 Gramm Cannabis auszunehmen und im Fall vorangegangener Sicherstellung herauszugeben wären.
38aa) Wenn man auf die in § 34 Abs. 1 KCanG genannten Mengen als „Freimengen“ abstellte, könnte in allen Fällen, in denen diese Mengen überschritten sind, die zwischen 25 und 30 Gramm bzw. zwischen 50 und 60 Gramm liegende Menge nicht eingezogen werden, obgleich das Konsumcannabisgesetz in § 36 KCanG den Besitz dieser Menge als Ordnungswidrigkeit einstuft. Denn die insoweit verwirklichte Ordnungswidrigkeit tritt gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 OWiG hinter den durch dieselbe Handlung verwirklichten Straftatbestand zurück (vgl. , Rn. 4). Folglich könnte die zwischen 25 und 30 Gramm bzw. zwischen 50 und 60 Gramm liegende Menge auch nicht nach § 37 KCanG eingezogen werden. Einer Einziehung auf der Grundlage von § 21 Abs.1 Satz 2 OWiG stünde entgegen, dass Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht dieselbe Nebenfolge vorsehen (vgl. KK-OWiG/Mitsch, 5. Aufl., § 21 Rn. 15; Göhler/Gürtler/Thoma, OWiG, 19. Aufl., § 21 Rn. 13; Krenberger/Krumm, OWiG, 7. Aufl., § 21 Rn. 15; BeckOK-OWiG/Sackreuther, 42. Ed., § 21 Rn. 14). Eine Rückgabe von sichergestelltem Cannabis mit mehr als 25 bzw. 50 Gramm kommt aber ebenfalls nicht in Betracht, da der der Entgegennahme nachfolgende Besitz ordnungswidrig wäre.
39bb) Wenn man stattdessen die „Freimenge“ der gemäß § 2 Abs. 3, § 3 KCanG erlaubten Besitzmenge entnehmen wollte, stünde dem entgegen, dass sich Jugendliche (§ 1 Nr. 19 KCanG) nur unter den für Erwachsene geltenden Voraussetzungen strafbar machen (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 130 f.: bei Überschreiten des für Erwachsene zulässigen Handlungsrahmens). Um diesen vom Gesetzgeber gewünschten Gleichlauf mit der für Erwachsene geltenden Rechtslage herzustellen, müsste eine „Freimenge“ für Jugendliche bei Anwendung des § 34 Abs. 1 KCanG fingiert werden. Ihnen ist aber jeglicher Besitz von Cannabis verboten, eine (selbst fingierte) „Freimenge“ können sie nicht für sich in Anspruch nehmen.
40cc) Die Auffassung, von der dem Eigenkonsum dienenden Menge unterliege eine „Freimenge“ nicht der Einziehung, zöge weitere Unklarheiten nach sich. Einzuziehende Gegenstände – hier Marihuana und/oder Haschisch – sind in der Urteilsformel nach Art und Menge so genau zu bezeichnen, dass für alle Beteiligten und die Vollstreckungsbehörde Klarheit über den Umfang der Einziehung besteht (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 291/09, Rn. 2; vom - 5 StR 531/16, Rn. 2; vom – 3 StR 458/18, Rn. 10; vom – 2 StR 246/19, Rn. 29; vom – 6 StR 61/24, Rn. 2). Dem kann nicht dadurch genügt werden, dass eine „Menge von 25 Gramm“ oder eine „Menge von 30 Gramm aus der sichergestellten Cannabismenge“ von der Einziehung ausgenommen wird, zumal wenn es sich – wie hier – um unterschiedliche Cannabisprodukte mit unterschiedlichen Wirkstoffgehalten handelt. Da ein Konsument im Zweifel diejenigen Cannabisprodukte oder diejenigen Cannabispflanzen erlaubt besessen hat, die den höchsten Wirkstoffgehalt aufweisen (vgl. , Rn. 18), müsste dieser gegebenenfalls erst labortechnisch ermittelt werden. Das gilt insbesondere dann, wenn der Angeklagte von seinem Schweigerecht Gebrauch macht und die zum Handeltreiben bestimmten Besitzmengen nicht bezeichnet; dies kann ihm nicht zum Nachteil gereichen.
41Demgegenüber würde nach hier vertretener Auffassung das Überschreiten der in § 2 Abs. 3, §§ 3, 9 KCanG genannten Mengen, das zumindest ordnungswidrig ist, ohne weitere Untersuchungen die Sicherstellung und die Einziehung der Gesamtmenge nach sich ziehen können; der Wirkstoff des sichergestellten Cannabis müsste lediglich in den Fällen bestimmt werden, in denen das Überschreiten der nicht geringen Menge im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG zu klären ist.
42b) Dass in Fällen, in denen der Cannabisbesitz sowohl dem Eigenkonsum als auch dem Handeltreiben dient und die Gesamtbesitzmenge die Grenzen des § 36 Abs. 1 Nr. 1 KCanG, nicht aber die des § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG überschreitet, der tateinheitlich mitverwirklichte Bußgeldtatbestand als formell subsidiär hinter einer Verurteilung wegen Handeltreibens mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) zurücktritt (§ 21 Abs. 1 Satz 1 OWiG) und folglich eine Einziehung nur teilweise auf § 37 KCanG, im Übrigen eine Beschlagnahme nur auf § 47 BPolG oder entsprechende Regelungen der Landespolizeigesetze gestützt werden kann, ist kein durchgreifendes Gegenargument. Denn auch dann, wenn man Handels- und Eigenkonsummenge gesondert betrachtet, könnte der im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 1 OWiG „gleichzeitige“ (hier tateinheitliche) Besitz einer Eigenkonsummenge zwischen 25 und 30 Gramm bzw. zwischen 50 und 60 Gramm nicht zugleich mit einer Verurteilung wegen Handeltreibens sanktioniert werden, obwohl insoweit die Grenze des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 3 KCanG bzw. des § 36 Abs. 1 Nr. 1 KCanG überschritten wäre.
434. Der Auffassung, bei den in § 34 Abs. 1 Nr. 1 KCanG genannten Mengen handele es sich um Obergrenzen, kann nicht entgegen gehalten werden, dass ein Täter, der tateinheitlich Betäubungsmittel und zum Eigenkonsum bestimmtes Cannabis verwahrt, letzteres straffrei besitzen darf, wenn die in § 34 Abs. 1 KCanG genannten Mengen nicht überschritten sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 125/24; vom – 5 StR 631/23; dem Beschluss vom – 6 StR 117/24 würde der Senat ungeachtet der dort zu Fall C.1.25 der Urteilsgründe mitgeteilten Besitzmengen nichts Gegenteiliges entnehmen wollen; zu einem zur Annahme von Tatmehrheit führenden Sonderfall vgl. , Rn. 15), während dies nicht der Fall ist, wenn er statt der Betäubungsmittel Cannabis zum Handeltreiben besitzt. Dies ist kein Wertungswiderspruch, vielmehr Folge der vom Gesetzgeber gewollten gesonderten Betrachtung von Betäubungsmitteln einerseits und Cannabis andererseits. Insofern verhält es sich nicht anders als beim gleichzeitigen Besitz von Cannabis und einem gesondert davon nach dem Waffenrecht zu beurteilenden Gegenstand.
445. Der hier vertretenen Auffassung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass sich bei Annahme einer Obergrenze im hier verstandenen Sinn und ausgehend von einem Wert der nicht geringen Menge im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG von 7,5 Gramm THC (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 106/24, NStZ 2024, 420, 421 Rn. 7 ff.; vom – 5 StR 153/24, NStZ-RR 2024, 216; vom – 4 StR 50/24, StraFo 2024, 304, 305 f.; vom – 6 StR 132/24, Rn. 7; vom – 2 StR 480/23, Rn. 27 f.; vom – 3 StR 115/24, Rn. 9) bei durchschnittlichen Wirkstoffgehalten kein Anwendungsbereich mehr für den Normalstrafrahmen des § 34 Abs. 1 KCanG oder die Anwendung des § 35a KCanG ergäbe (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 50/24, StraFo 2024, 304, 306; vom – 6 StR 536/23, Rn. 27 f.).
45a) Der Einwand blendet nicht nur die fortbestehenden Anwendungsbereiche des § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG für jedenfalls die Tathandlungen aus, die nicht das Überschreiten einer Obergrenze voraussetzen. Auch und vor allem adressiert er allein – wie sich deutlich aus den soeben genannten Entscheidungen ergibt – die Frage nach dem Schuldumfang, namentlich nach der Bestimmung der nicht geringen Menge.
46Insoweit verschließt sich der Senat nicht den Bedenken des 4. und des 6. Strafsenats, denen sich der 1. Strafsenat angeschlossen hat (vgl. , Rn. 25 f.). Nach Auffassung des Senats bemisst sich der konkrete Schuldumfang im Einzelfall nach der Menge, die im gegebenen Fall die vom Umgangsverbot ausgenommene Menge übersteigt. Hierzu im Einklang kann Ausgangspunkt für die Bestimmung der nicht geringen Menge die jeweils erlaubte Menge sein (bei Handeltreiben null Gramm, bei Eigenkonsumbesitz in der eigenen Wohnung 50 Gramm). Dies würde sich konsistent in die im Gesetz angelegte „Sanktionsleiter“ fügen (bis 25 bzw. 50 Gramm erlaubt, bis 30 bzw. 60 Gramm ordnungswidrig, darüber hinaus insgesamt strafbar, ab Überschreiten einer darüber liegenden Grenze insgesamt aus einem erhöhten Strafrahmen). Wer zu Hause 100 Gramm Cannabis zum Eigenkonsum verwahrt, überschritte – ausgehend von einem Grenzwert der nicht geringen Menge von 7,5 Gramm THC – die Grenze zur nicht geringen Menge erst, wenn der Wirkstoffgehalt 15 Prozent (bezogen auf 50 Gramm also 7,5 Gramm THC) übersteigt.
47b) Hiervon ausgehend verfängt auch der Einwand nicht, bei der vom Senat vertretenen Auffassung habe § 35a KCanG keinen Anwendungsbereich mehr (vgl. , StraFo 2024, 304, 306). In der vorliegenden Fallkonstellation wäre § 35a KCanG überdies nicht einschlägig. Nach dieser Vorschrift kann die Staatsanwaltschaft bzw. das Gericht unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen von der Verfolgung von Vergehen nach § 34 Abs. 1, 2 oder 5 KCanG absehen bzw. das Verfahren einstellen, wenn die aufgezählten Tathandlungen ausschließlich dem Eigenkonsum dienen. Das ist nicht der Fall, wenn – wie hier – ein Teil der in Besitz gehaltenen Cannabismenge dem Handeltreiben dient.
Menges Zeng Meyberg
Zimmermann Herold
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:010824B2STR107.24.0
Fundstelle(n):
CAAAJ-74937