Instanzenzug: LG Wuppertal Az: 21 KLs 20/23
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen „unerlaubten“ Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum „unerlaubten“ Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Hiergegen wenden sich die Beschwerdeführer mit ihren auf die nicht ausgeführte allgemeine Sachrüge gestützten Revisionen; der Angeklagte M. beanstandet zudem das Verfahren. Die Rechtsmittel haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
2Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen betrieben unbekannt gebliebene Hintermänner in einer Gewerbeimmobilie eine professionell eingerichtete Cannabisplantage, um Marihuana zum gewinnbringenden Verkauf zu erlangen. Die Angeklagten wurden im Juni 2023 unabhängig voneinander angeworben, gegen ein festes Entgelt in der Plantage die anfallenden gärtnerischen Arbeiten zu verrichten. Über einen Zeitraum zwischen eineinhalb und drei Wochen hielten sie sich in den Räumlichkeiten auf und kümmerten sich eigenständig um die Pflege und Aufzucht von Cannabispflanzen. Ihnen oblag es, Setzlinge in Töpfe einzubringen sowie die Pflanzen zu bewässern, zu düngen und zu beschneiden. Noch bevor die Pflanzen, an deren Aufzucht die Angeklagten beteiligt waren, geerntet werden konnten, kam es zu einem polizeilichen Zugriff, bei dem die Angeklagten in den Räumlichkeiten verhaftet wurden. Es wurden insgesamt 545 Cannabispflanzen festgestellt, die teilweise bereits erntereif waren. Die Gesamtwirkstoffmenge belief sich auf 733 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC). Den Angeklagten war bewusst, dass die Plantage der Produktion von Cannabis zum gewinnbringenden Weiterverkauf diente; sie wirkten an deren Betrieb mit, um das ihnen versprochene Entgelt zu erlangen.
II.
31. Die Verfahrensrüge des Angeklagten M. ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
42. Die auf die Sachrügen veranlasste umfassende materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils führt zur Änderung der Schuld- und Aufhebung der Strafaussprüche.
5a) Die Schuldsprüche haben keinen Bestand, weil das Landgericht die Angeklagten für ihren Umgang mit Marihuana - entsprechend der zum Urteilszeitpunkt geltenden Rechtslage und gemessen an dieser rechtsfehlerfrei - nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt hat. Am ist jedoch das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz - KCanG) vom in Kraft getreten (BGBl. 2024 I Nr. 109). Diese Rechtsänderung hat der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO zu berücksichtigen. Nach der Neuregelung unterfällt Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, sondern bestimmt sich die Strafbarkeit der hier zu beurteilenden Taten nach dem Konsumcannabisgesetz (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 201/24, juris Rn. 5 mwN; vom - 3 StR 148/24, juris Rn. 5; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321).
6Unter dessen Geltung ist das Tathandeln der Angeklagten als Anbau von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b KCanG) in Tateinheit (§ 52 StGB) mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, § 27 StGB) zu werten.
7Denn bei Marihuana handelt es sich um ein Produkt der Cannabispflanze, das nach den Begriffsbestimmungen des Konsumcannabisgesetzes als „Cannabis“ erfasst wird (§ 1 Nr. 4 KCanG). Die Tathandlungen des § 34 Abs. 1 KCanG hat der Gesetzgeber ausdrücklich an die Begrifflichkeiten des Betäubungsmittelgesetzes angelehnt (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 94; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321, 324 f.).
8Die gärtnerische Tätigkeit der Angeklagten stellt sich mithin als (täterschaftlicher) Anbau von Cannabis dar. Anbau umfasst auch nach dem Konsumcannabisgesetz sämtliche gärtnerischen Bemühungen, um ein Wachstum von Cannabispflanzen zu erreichen, darunter insbesondere das Einpflanzen von Setzlingen sowie das Bewässern, Düngen und Beleuchten der Pflanzen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 98/24 Rn. 9; vom - 4 StR 50/24, juris Rn. 3; Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 34 KCanG Rn. 44; zum Anbau nach dem Betäubungsmittelgesetz s. etwa , StV 2024, 449 Rn. 8).
9Die ebenfalls verwirklichte Umgangsvariante des Besitzes von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c KCanG) tritt hinter diejenige des Anbaus mangels eigenen Unrechtsgehalts zurück. Dies gilt unter dem Konsumcannabisgesetz auch dann, wenn sich das Tathandeln auf eine nicht geringe Menge bezieht, weil § 34 KCanG - anders als § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG - bei beiden Handlungsvarianten das Vorliegen einer nicht geringen Menge gleichermaßen erfasst, und zwar lediglich als Regelfall eines besonders schweren Falles gemäß § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG (vgl. Rn. 10; Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 34 KCanG Rn. 57 f.).
10Ein - gegebenenfalls in Tateinheit mit dem Anbau von Cannabis stehendes (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 98/24 Rn. 11; vom - 5 StR 87/19, NStZ-RR 2019, 218, 220) - Herstellen von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 3 KCanG) ist nicht gegeben. Denn die Angeklagten hatten vor dem polizeilichen Zugriff noch nicht mit der Ernte begonnen. Diese Variante des strafbaren Umgangs mit Cannabis wird jedoch auch unter dem Konsumcannabisgesetz erst mit dem Beginn des Erntevorgangs verwirklicht (vgl. Rn. 9, 11; Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 34 KCanG Rn. 44, 56, 61).
11Zur Strafbarkeit der Angeklagten wegen Anbaus von Cannabis tritt tateinheitlich eine solche wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis hinzu, denn die mit dem Anbau einhergehende Förderung des Handeltreibens der Hintermänner weist einen eigenen, weiteren Unrechtsgehalt auf (vgl. Rn. 12; Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 34 KCanG Rn. 58; s. zur diesbezüglichen Strafbarkeit von Plantagenhelfern nach dem Betäubungsmittelgesetz , StV 2024, 449 Rn. 9; Beschluss vom - 4 StR 411/20, juris Rn. 4).
12Dass sich die Tat auf Cannabis in nicht geringer Menge bezog - diese ist auch unter dem Konsumcannabisgesetz bei einer Wirkstoffmenge von 7,5 Gramm THC erreicht (BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 154/24, juris Rn. 8 f.; vom - 2 StR 480/23, juris Rn. 27 ff.; vom - 4 StR 5/24, NStZ-RR 2024, 249, 250; vom - 6 StR 132/24, juris Rn. 7; vom - 4 StR 50/24, juris Rn. 6 ff.; vom - 5 StR 153/24, NStZ-RR 2024, 216 f.; vom - 1 StR 106/24, NJW 2024, 1968 Rn. 7 ff.) -, ist im Schuldspruch nicht zum Ausdruck zu bringen, weil dies, wie erwähnt, lediglich ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall (§ 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG) darstellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 148/24, juris Rn. 6 mwN; vom - 5 StR 481/23, juris Rn. 7; KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 260 Rn. 31 mwN). Zudem bedarf es bei Straftaten nach dem Konsumcannabisgesetz keiner Tatkennzeichnung als „unerlaubt“ (oder „verboten“), weil die Strafvorschriften des § 34 KCanG allein den untersagten Umgang mit Cannabis betreffen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 142/24, juris Rn. 6; vom - 5 StR 153/24, NStZ-RR 2024, 216; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321, 328).
13Die neue Rechtslage unter dem Konsumcannabisgesetz ist bei dem nach § 2 Abs. 3 StGB gebotenen konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall (st. Rspr.; vgl. , juris Rn. 7 mwN; Urteile vom - 3 StR 412/22, NZWiSt 2024, 187 Rn. 70; vom - 5 StR 372/21, BGHSt 67, 130 Rn. 12 f. mwN; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 2 Rn. 8 f.; Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl., § 2 Rn. 28 ff. mwN; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321, 327) für die Angeklagten günstiger als die nach dem Tatzeitrecht, denn die Strafkammer hat einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG verneint. Mithin ist das neue Recht gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO maßgeblich.
14Der Senat ändert die Schuldsprüche deshalb in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Beschlussformel ersichtlich. Die Regelung des § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich die umfassend geständigen Angeklagten nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.
15b) Die Strafaussprüche bedürfen der Aufhebung, weil der in Betracht kommende § 34 Abs. 3 KCanG einen erheblich milderen Strafrahmen vorgibt als § 29a Abs. 1 BtMG. Es ist ungeachtet der - unter dem Konsumcannabisgesetz nicht mehr statthaften (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 201/24, juris Rn. 8; vom - 3 StR 154/24, juris Rn. 10; vom - 6 StR 116/24, NStZ-RR 2024, 215, 216) - strafmildernden Berücksichtigung der im Vergleich zu anderen Drogen minderen Gefährlichkeit von Cannabis („weiche Droge“) durch das Landgericht nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei Anwendung des einschlägigen Strafrahmens des Konsumcannabisgesetzes niedrigere Strafen gegen die Angeklagten verhängt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO).
16Eine Aufhebung der zugehörigen Feststellungen ist nicht veranlasst (§ 353 Abs. 2 StPO). Soweit die Strafkammer zu Gunsten der Angeklagten gewertet hat, dass es sich bei Marihuana um eine „weiche Droge“ handele, liegt darin eine bloße Wertung. Das zur neuen Verhandlung und Entscheidung berufene Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese den bisherigen nicht widerstreiten.
Berg Anstötz Erbguth
Kreicker Welnhofer-Zeitler
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:070824B3STR278.24.0
Fundstelle(n):
QAAAJ-74633