Instanzenzug: LG Kleve Az: 170 KLs 9/23
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagten C. und D. jeweils wegen Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt, den Angeklagten C. zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten D. zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Den Angeklagten K. hat es wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge mit drei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe belegt. Außerdem hat es sichergestellte Betäubungsmittel eingezogen. Hiergegen wenden sich die Angeklagten mit auf die Rügen der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Ihre Rechtsmittel haben den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
2Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen mieteten Hintermänner ein Haus an, um darin eine Marihuanaplantage zu betreiben. Wenigstens einer von ihnen traf mit den Angeklagten C. und D. gegen Lohnzusage die Abrede, dass diese dauerhaft die für den gewinnbringenden Ertrag notwendigen gärtnerischen Arbeiten erledigen werden. Im Folgenden bewohnten die beiden Angeklagten gemeinsam das Haus, richteten die Plantage ein, zogen die Pflanzen auf und ernteten gut 19 kg Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von etwa 2,65 kg Tetrahydrocannabinol (THC). Die Hintermänner leiteten sie dabei an und überwachten sie.
3Etwa 17,5 kg der Ernte holte der Angeklagte K. beim Haus ab, um sie für einen unbekannten Dritten in einem Mietfahrzeug gegen Zahlung eines Kurierlohns an eine andere Adresse zu transportieren. Auch ihm war bewusst, dass das Marihuana zum gewinnbringenden Verkauf bestimmt war. Haus und Fahrzeug wurden polizeilich durchsucht und sämtliche Drogen sichergestellt.
4Rechtlich hat das Landgericht die Tat von C. und D. als Beihilfe zum Bandenhandel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30a Abs. 1 BtMG, § 27 StGB gewürdigt, die des Angeklagten K. als Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 StGB. Die Strafen für C. und K. hat es den nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten jeweiligen Regelstrafrahmen entnommen (§ 30a Abs. 1 BtMG für C. , § 29a Abs. 1 BtMG für K. ).
Für den Heranwachsenden D. hat es Jugendstrafrecht zur Anwendung gebracht und wegen Schwere der Schuld sowie schädlicher Neigungen eine Jugendstrafe verhängt.
II.
5Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Nachprüfung führt zur Aufhebung des Urteils mit Ausnahme der getroffenen Feststellungen.
61. Die Schuldsprüche haben schon deshalb keinen Bestand, weil das Landgericht die Angeklagten für ihren Umgang mit Marihuana - entsprechend der zum Urteilszeitpunkt geltenden Rechtslage - nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt hat. Am ist jedoch das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz - KCanG) vom in Kraft getreten (BGBl. 2024 I Nr. 109). Diese Rechtsänderung ist gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO zu berücksichtigen. Nach der Neuregelung unterfällt Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, sondern bestimmt sich die Strafbarkeit der hier zu beurteilenden Tat nach dem Konsumcannabisgesetz (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 1/24, juris Rn. 4; vom - 6 StR 24/24, juris Rn. 5; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321).
7Die neue Rechtslage hält unter Umständen mildere Strafrahmen als das Betäubungsmittelgesetz bereit, was auch für die Bemessung der Jugendstrafe für den Angeklagten D. relevant ist. Im Einzelnen:
8a) Die Tat der Angeklagten C. und D. ist nach den vom Landgericht rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen unter der Geltung des Konsumcannabisgesetzes als Bandenanbau in Tateinheit mit Bandenherstellung von Cannabis gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und Nr. 3, Abs. 4 Nr. 3 KCanG zu bewerten, begangen in weiterer Tateinheit mit Beihilfe zum Bandenhandel mit Cannabis nach § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 3 KCanG, § 27 StGB.
9Die Tathandlungen des § 34 Abs. 1 KCanG hat der Gesetzgeber ausdrücklich an die Begrifflichkeiten des Betäubungsmittelgesetzes angelehnt (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 94, 130, 132; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321, 324 f.). Der Anbau umfasst demnach sämtliche gärtnerischen Bemühungen, um ein Wachstum von Cannabispflanzen zu erreichen (s. etwa , JR 2024, 256 Rn. 8). Das Stadium der Herstellung beginnt, sobald Pflanzen beschnitten und Blüten geerntet werden; erst recht sind Trocknung und jede Weiterverarbeitung erfasst (Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 2 Rn. 56 mwN; MüKoStGB/Oğlakcıoğlu, 4. Aufl., BtMG § 29 Rn. 122, 128 mwN; Sobota, NJW 2024, 1217 Rn. 9). Die Tatbestandsmerkmale sind nicht autonom vom Betäubungsmittelgesetz dahin zu verstehen, dass der Anbau den Gesamtvorgang umfasst - von der Aussaat über Ernte, Trocknung, Haschischgewinnung bis zur Lagerung (so noch § 1 Nr. 8 CanG-E (RefE); Sobota aaO). Hierfür besteht kein Bedürfnis. Denn dem Wertungswiderspruch, der sich dem Gesetzeswortlaut nach dadurch ergibt, dass Besitz und Anbau von drei Pflanzen zum Eigenkonsum nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c und Nr. 2 Buchst. b KCanG erlaubt, deren Ernte jedoch verboten ist, kann durch eine teleologische Reduktion des Merkmals „Herstellen“ dahin begegnet werden, dass die Beschneidung der eigenen drei Pflanzen beim Privatanbau durch den Konsumenten von der Strafbarkeit ausgenommen ist (vgl. Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 34 KCanG Rn. 61).
10Die Tatbestandsvariante Besitz wird von dem jeweils spezielleren Anbau und Herstellen verdrängt (vgl. für das BtMG etwa , juris Rn. 7; Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 111 f. mwN). Das gilt unter dem Konsumcannabisgesetz nunmehr einschränkungslos auch dann, wenn eine nicht geringe Menge betroffen ist. Das Bedürfnis, den Besitz als Auffangtatbestand anzuwenden, weil § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG nur ihn und das Herstellen einer nicht geringen Menge erfasst, nicht aber den Anbau einer solchen (s. etwa , NStZ-RR 2015, 14, 15), ist nach dem Regelungsgefüge des Konsumcannabisgesetzes entfallen. Denn dort sind die drei Begehungsvarianten einheitlich dem Strafrahmen des § 34 Abs. 1 KCanG unterstellt, während § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG für sie alle regelhaft einen besonders schweren Fall normiert, soweit sie sich auf eine nicht geringe Menge beziehen. § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG sieht eine Qualifikation für den Bandenanbau und die Bandenherstellung vor, nicht aber für den „Bandenbesitz“.
11Beziehen sich Anbau und Herstellen - wie hier - auf die nämlichen Pflanzen, stehen sie miteinander in Tateinheit gemäß § 52 Abs. 1 StGB. Diese Wertung galt bereits unter dem Betäubungsmittelgesetz (s. , NStZ-RR 2019, 218, 220; entgegen 4 St RR 131/01, NStZ-RR 2002, 181, 182; Patzak/Fabricius, BtMG, 11. Aufl., § 29 Rn. 109, 201; Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 118; MüKoStGB/Oğlakcıoğlu, 4. Aufl., BtMG § 29 Rn. 85 f.; BeckOK BtMG/Terriet 23, Ed., § 29 Rn. 19). Der einheitliche Endzweck beider Tatbestandsvarianten - die Gewinnung von Marihuana oder Haschisch - und die Tatsache, dass die gärtnerische Aufzucht und Pflege der Cannabispflanzen zeitlich-räumlich fließend in deren Ernte übergehen, rechtfertigt es, eine natürliche Handlungseinheit anzunehmen. Zwischen beiden Verhaltensweisen besteht objektiv und subjektiv ein solch unmittelbarer Zusammenhang, dass sich das gesamte Tätigwerden bei natürlicher Betrachtungsweise auch für einen Dritten als ein einheitlich zusammengefasstes, fortschreitendes Tun darstellt, das auf die einmalige Verletzung desselben Rechtsguts gerichtet ist.
12Im Verhältnis zu (Banden-)Anbau und (Banden-)Herstellung kommt der Beihilfe zum (Banden-)Handel ein eigener Unrechtsgehalt zu. Alle drei Delikte stehen deshalb zueinander in Tateinheit (vgl. , JR 2024, 256 Rn. 9 mwN).
13b) Nach der alten Rechtslage belegen die vom Landgericht für die Angeklagten C. und D. getroffenen Feststellungen neben der abgeurteilten Bei-hilfe zum Bandenhandel ebenfalls die Tatbestände des Bandenanbaus und der Bandenherstellung gemäß § 30a Abs. 1 BtMG, § 52 Abs. 1 StGB, was der Strafkammer aus dem Blick geraten ist.
14c) Eine Schuldspruchänderung kommt hinsichtlich beider Angeklagten nicht in Betracht, weil unklar ist, ob das Tatzeitrecht oder das neue Recht nach dem Konsumcannabisgesetz für die Angeklagten günstiger und damit gemäß § 2 Abs. 3 StGB zur Anwendung zu bringen ist. Dies richtet sich nach einem konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall (st. Rspr.; vgl. , BGHSt 67, 130 Rn. 12 f. mwN; vom - 3 StR 412/22, NZWiSt 2024, 187 Rn. 70; Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl., § 2 Rn. 28 ff. mwN; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321, 327). Das Ergebnis dieses Vergleichs hängt vorliegend davon ab, ob Sonderstrafrahmen Anwendung finden. Denn der mögliche minder schwere Fall des § 30a Abs. 3 BtMG (sechs Monate bis zehn Jahre Freiheitsstrafe) ist günstiger als der Regelstrafrahmen des § 34 Abs. 4 KCanG (zwei Jahre Mindeststrafe). Bei dieser Entscheidung handelt es sich um einen Strafzumessungsakt, der dem Tatgericht obliegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 154/24, juris Rn. 5; vom - 4 StR 366/16, NStZ-RR 2017, 240, 241 f.; vom - 3 StR 314/13, wistra 2014, 446 Rn. 31; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 354a StPO Rn. 11). Eine Würdigung dahin, dass ein minder schwerer Fall des § 30a Abs. 3 BtMG auf jeden Fall ausscheidet, ist hier nicht möglich. Dass das Landgericht für den Angeklagten C. den Strafrahmen des § 30a Abs. 1 BtMG nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert hat, beruht auf der aufgezeigten falschen Rechtsanwendung und ist deshalb hier nicht maßgeblich. Für den Angeklagten D. hat es überhaupt keine Parallelwertung nach dem Erwachsenenstrafrecht vorgenommen (vgl. zu diesem Erfordernis etwa BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 521/14, NStZ-RR 2015, 155, 156 mwN; vom - 3 StR 549/18, NStZ-RR 2019, 159 mwN; vom - 5 StR 138/24, juris Rn. 4 mwN).
15d) Die Tat des Angeklagten K. ist nach der neuen Rechtslage als Besitz von Cannabis in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis zu bewerten, strafbar nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 4 KCanG, § 27 Abs. 1 StGB. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Regelbeispiels in § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG - die nicht geringe Menge - sind jeweils erfüllt; eine solche ist ab einem Wirkstoffgehalt von 7,5 g THC erreicht (BGH, Beschlüsse vom - 1 StR 106/24, NJW 2024, 1968 Rn. 7 ff.; vom - 5 StR 153/24, NStZ-RR2024, 216 ff.; vom - 4 StR 50/24, juris Rn. 6 ff.; vom - 6 StR 132/24, juris Rn. 7; vom - 2 StR 480/23, juris Rn. 27 ff.; vom - 3 StR 154/24, juris Rn. 8 f.), was im Schuldspruch keine Erwähnung findet (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 1/24, juris Rn. 5; vom - 5 StR 481/23, juris Rn. 7; KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 260 Rn. 31 mwN). Den Tatbestand der Entgegennahme gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 12 Variante 2 KCanG erfüllt ein Cannabiskurier nicht ().
16e) Nach der alten Rechtslage stellt sich das Verhalten des Angeklagten K. nicht nur - wie ausgeurteilt - als Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge dar, sondern ebenso als (täterschaftlicher) Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG.
17f) Auch für diesen Angeklagten kann das Revisionsgericht in der gegebenen Konstellation nicht entscheiden, ob die nunmehr geltende Rechtslage milder im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB als das Tatzeitrecht und daher anzuwenden ist (§ 354a StPO). Nach dem gebotenen konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall hängt diese Frage hier ebenfalls davon ab, ob die Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung genutzt wird, und obliegt deshalb dem Tatgericht. Denn der mögliche minder schwere Fall des § 29a Abs. 2 BtMG sieht Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vor und entspricht dem des Regelbeispiels aus § 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG. Eine Würdigung dahin, dass keinesfalls ein minder schwerer Fall des § 29a Abs. 2 BtMG vorliegt (vgl. , juris Rn. 5 mwN), ist nicht möglich. Dass das Landgericht den Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG nach § 27 Abs. 2 Satz 2, § 49 Abs. 1 StGB gemildert hat, beruht auch hier auf der aufgezeigten fehlerhaften Rechtsanwendung.
182. Die Aufhebung der Schuldsprüche entzieht den Strafaussprüchen und der Einziehungsentscheidung die Grundlage. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen bleiben hiervon unberührt und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Soweit die Strafkammer zu Gunsten der Angeklagten den unter der Geltung des Konsumcannabisgesetzes nicht mehr statthaften Strafzumessungsgrund herangezogen hat, dass es sich bei Marihuana um eine „weiche Droge“ handele (vgl. , juris Rn. 10), ist das eine Wertung und keine Tatsachenfeststellung. Das zur neuen Verhandlung und Entscheidung berufene Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit sie den bisherigen nicht widerstreiten.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:100724B3STR98.24.0
Fundstelle(n):
GAAAJ-74632