Keine Klärungsbedürftigkeit hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Höhe von Säumniszuschlägen
Leitsatz
1. NV: Die Frage, ob sich die Grundsätze zur Vereinbarkeit der nach der Abgabenordnung (AO) festzusetzenden Zinsen mit Art. 3 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG (, 1 BvR 2422/17, BVerfGE 158, 282) auch auf Säumniszuschläge übertragen lassen, hat keine grundsätzliche Bedeutung mehr.
2. NV: In der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist geklärt, dass auch bei einem strukturellen Niedrigzinsniveau gegen die in § 240 Abs. 1 Satz 1 AO festgelegte Höhe des Säumniszuschlags keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (, BFHE 278, 1, BStBl II 2023, 304, Rz 38 ff.; vom - VII R 55/20, BFHE 278, 403, BStBl 2023, 621, Rz 19 ff.; vom - X R 30/21, BFHE 282, 195, BStBl II 2024, 215, Rz 51 f.).
3. NV: Durch diese —im Hauptsacheverfahren ergangenen— Entscheidungen sind die verschiedentlich geäußerten Zweifel hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Säumniszuschläge (BFH-Beschlüsse vom - V B 4/22 (AdV), BFHE 276, 535, Rz 29 ff.; vom - VIII B 64/22 (AdV), BFHE 278, 36, Rz 16 ff.; vom - III B 48/22 (AdV), BFH/NV 2023, 970, Rz 13 ff.; vom - VIII B 64/22 (AdV), Deutsches Steuerrecht kurzgefasst 2023, 335, Rz 20 ff.) überholt.
Gesetze: AO § 233a; AO § 238; AO § 240; GG Art. 3 Abs. 1; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 Alternative 1, Nr. 2 Alternative 2; FGO § 116 Abs. 3 Satz 3
Instanzenzug:
Gründe
1 Die Beschwerde ist unzulässig.
2 1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat den geltend gemachten Revisionszulassungsgrund der Erforderlichkeit einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.
3 a) Der Zulassungsgrund der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts ist ein Unterfall des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung im Sinne von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO (vgl. z.B. , BFH/NV 2020, 909, Rz 7). Beide Zulassungsgründe verlangen substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten —abstrakt beantwortbaren— Rechtsfrage.
4 Im Einzelnen muss dargelegt werden, dass die Rechtsfrage im konkreten Rechtsfall voraussichtlich klärungsfähig (entscheidungserheblich) und ihre Beurteilung zweifelhaft oder umstritten ist. Hierzu muss sich der Beschwerdeführer mit der einschlägigen Rechtsprechung, insbesondere des BFH, sowie den Äußerungen im Schrifttum auseinandersetzen. Im Einzelnen sind Ausführungen erforderlich, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Rechtsfrage zweifelhaft und umstritten ist (vgl. u.a. BFH-Beschlüsse vom - XI B 71/18, BFH/NV 2019, 1329, Rz 6; vom - IX B 10/22, BFH/NV 2023, 818, Rz 3).
5 Macht ein Beschwerdeführer mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfassungsrechtliche Bedenken mit Blick auf eine im Streitfall einschlägige Norm geltend, erfordert die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung darüber hinaus eine substantiierte, an den Vorgaben des Grundgesetzes (GG) und der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des BFH orientierte Auseinandersetzung mit der Problematik (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom - V B 147/16, BFH/NV 2017, 1052, Rz 8; vom - VIII B 42/19, BFH/NV 2020, 234, Rz 5; jeweils m.w.N.).
6 b) Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
7 aa) Der Beschwerdeführer hat die zwei folgenden Rechtsfragen aufgeworfen (s. Beschwerdebegründung S. 4):
„1. Dürfen in der strukturellen Niedrigzinsphase Zinsen von 6 % p.a. (aus unionsrechtlicher und verfassungsrechtlicher Sicht) erhoben werden und spielt es dabei aus unionsrechtlicher Sicht eine Rolle, ob das Bundesverfassungsgesetz die Weitergeltung einer Norm anordnet?
2. Darf für die sachliche Frage, dass zu hohe Zinsen erhoben werden, der Rechtsweg für den Bürger dahingehend 'gespalten' werden, dass Fragen nationalen Rechts, insbesondere solche nach der Verfassungswidrigkeit, im Wege der Anfechtung des Abrechnungsbescheids geklärt werden müssen, aber die europarechtliche Fragestellung, ob die Erhebung von Zinsen verhältnismäßig ist, im Rahmen der Anfechtung einer Erlassentscheidung durchzuführen ist?“
8 bb) Diese Rechtsfragen wären in einem künftigen Revisionsverfahren voraussichtlich schon nicht klärungsfähig. So beziehen sich beide Rechtsfragen ausweislich ihres Wortlauts auf Zinsen, nicht auf die im Streit stehenden Säumniszuschläge. Der Ausgang eines möglichen Revisionsverfahrens hängt auch nicht davon ab, ob —wie mit der zweiten Frage aufgeworfen— der Rechtsweg „gespalten“ werden darf. Vielmehr käme es in einem Revisionsverfahren insoweit auf die inhaltlichen Fragen der Recht- und Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen an, die nach gefestigter, höchstrichterlicher Rechtsprechung nur im Rahmen eines Abrechnungsbescheids überprüft werden können (vgl. etwa , BFH/NV 2021, 289, Rz 6; , BFHE 282, 195, BStBl II 2024, 215, Rz 20).
9 cc) Dem Beschwerdevorbringen fehlt es —unabhängig davon— aber auch an einer hinreichenden Darlegung rechtlicher Zweifel, insbesondere an einer Auseinandersetzung mit der einschlägigen (BFH-)Rechtsprechung und Literatur.
10 aaa) Im Kern möchte der Kläger mit der von ihm aufgeworfenen ersten Rechtsfrage klären lassen, ob das Erheben von Säumniszuschlägen verfassungsrechtlich deshalb (teilweise) unzulässig ist, weil die vom BVerfG in seinem Beschluss vom - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 (BVerfGE 158, 282) herausgearbeiteten Grundsätze, nach denen die Verzinsung nach §§ 233a, 238 der Abgabenordnung (AO) in Höhe von 0,5 % pro Monat für Verzinsungszeiträume ab dem mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, auf Säumniszuschläge zu übertragen sind. Die Beschwerdebegründung lässt substantiierte Angaben dazu vermissen, inwieweit diese Frage —vor allem mit Blick auf das allein im Streit stehende Jahr 2018— klärungsbedürftig ist. Der Kläger führt zwar aus, dass die „vorgelagerte Rechtsfrage, ob Säumniszuschläge einen Zinsanteil enthalten, steuerrechtlich noch nicht abschließend und einheitlich geklärt“ sei, erwähnt als Beleg hierfür indes lediglich den Nichtannahmebeschluss des (BFH/NV 2022, 895) sowie die Entscheidung des (BFHE 278, 1, BStBl II 2023, 304), ohne weiter darzulegen, dass diese Entscheidungen —unter Verweis auf andere BFH-Entscheidungen und Veröffentlichungen in der Literatur— Anlass zu rechtlichen Zweifeln gäben. Substantiierte, an den Vorgaben des Grundgesetzes und der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BFH orientierte Auseinandersetzung mit der von ihm thematisierten verfassungsrechtlichen Problematik enthält die Beschwerdebegründung ebenso wenig. Gleiches gilt für die Auseinandersetzung mit Literaturmeinungen.
11 bbb) Hinsichtlich der zweiten Rechtsfrage zur „Aufspaltung des Rechtswegs“ ist die Klärungsbedürftigkeit ebenfalls nicht dargelegt. Insoweit fehlt es an jedweden Ausführungen zu (verfassungs-)rechtlichen Zweifeln.
12 c) Lediglich ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Frage der Verfassungsmäßigkeit von Säumniszuschlägen in der Rechtsprechung des BFH —jedenfalls für das hier allein streitige Jahr 2018— geklärt ist. Eine Klärungsbedürftigkeit besteht deshalb auch in der Sache nicht. So hat der VII. Senat mit dem vom Kläger erwähnten Urteil vom - VII R 21/21 (BFHE 278, 1, BStBl II 2023, 304, Rz 38 ff.) und nachfolgend durch Urteil vom - VII R 55/20 (BFHE 278, 403, BStBl II 2023, 621, Rz 19 ff.) umfassend begründet, dass auch bei einem strukturellen Niedrigzinsniveau gegen die in § 240 Abs. 1 Satz 1 AO festgelegte Höhe des Säumniszuschlags keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen. Die vom III., V. und VIII. Senat im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung (AdV) geäußerten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Säumniszuschläge (vgl. BFH-Beschlüsse vom - V B 4/22 (AdV), BFHE 276, 535, Rz 29 ff.; vom - VIII B 64/22 (AdV), BFHE 278, 36, Rz 20 ff.; vom - III B 48/22 (AdV), BFH/NV 2023, 970, Rz 13 ff.) sind nach Auffassung des beschließenden Senats durch die —im Hauptsacheverfahren ergangenen— Entscheidungen des VII. Senats überholt. Darüber hinaus hat nunmehr der X. Senat im Hauptsacheverfahren erkannt, dass gegen die Höhe der Säumniszuschläge ausdrücklich auch für Zeiträume nach dem keine verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen (vgl. , BFHE 282, 195, BStBl II 2024, 215, Rz 51 f.). Dies entspricht im Übrigen auch der Auffassung des beschließenden Senats (vgl. Senatsbeschlüsse vom - XI B 52/22 (AdV), BFH/NV 2024, 273, Rz 18; vom - XI B 38/22 (AdV), BFHE 282, 213, BStBl II 2024, 214, Rz 17). Die vom VIII. Senat im AdV-Verfahren weiterhin geäußerten Zweifel (vgl. (AdV), Deutsches Steuerrecht kurzgefasst 2023, 335, Rz 20 ff.) sind nach Ansicht des Senats durch die Hauptsacheentscheidung des X. Senats überholt. Unabhängig davon bezogen sich die Zweifel des VIII. Senats auf Säumniszuschläge für die Zeit ab dem , die vorliegend gerade nicht im Streit stehen.
13 2. Den darüber hinaus geltend gemachten Revisionszulassungsgrund der Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung in Gestalt einer Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) hat der Kläger ebenfalls nicht entsprechend den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.
14 a) Die schlüssige Rüge einer Divergenz erfordert unter anderem, dass das Finanzgericht (FG) seinem Urteil einen entscheidungserheblichen (tragenden) abstrakten Rechtssatz zugrunde gelegt hat, der mit den ebenfalls tragenden Rechtsausführungen in der Divergenzentscheidung des anderen Gerichts nicht übereinstimmt (vgl. BFH-Beschlüsse vom - XI B 89/22, BFH/NV 2023, 1322, Rz 16; vom - XI B 25/23, BFH/NV 2024, 30, Rz 3).
15 Im Einzelnen sind für die schlüssige Rüge einer Divergenz gemäß § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO die angebliche Divergenzentscheidung genau zu bezeichnen sowie tragende, abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits gegenüberzustellen, um die Abweichung deutlich zu machen. Dies erfordert auch die Darlegung, dass es sich im Streitfall um einen gleichen oder vergleichbaren Sachverhalt handelt, so dass sich in der angefochtenen Entscheidung und in der Divergenzentscheidung dieselbe Rechtsfrage stellt (vgl. BFH-Beschlüsse vom - XI B 60/20, BFH/NV 2022, 827, Rz 4; vom - IX B 120/22, BFH/NV 2024, 409, Rz 5).
16 b) Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Zwar listet der Kläger verschiedene Entscheidungen insbesondere des BFH auf, die zueinander und zur angegriffenen Entscheidung (teilweise) in Divergenz stehen sollen. Er formuliert aber jedenfalls keine tragenden und abstrakten Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den von ihm angeführten, vermeintlichen Divergenzentscheidungen andererseits. Außerdem legt er nicht hinreichend dar, dass dem Streitfall ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liegt wie den angeblichen Divergenzentscheidungen. Hierfür wäre es nämlich erforderlich zumindest aufzuzeigen, inwieweit die in Bezug genommenen Entscheidungen ebenfalls Säumniszuschläge für das Jahr 2018 betreffen, die im angefochtenen Urteil allein im Streit stehen.
17 3. Von einer Darstellung des Sachverhalts und einer weiter gehenden Begründung wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO abgesehen.
18 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2024:B.160724.XIB37.23.0
Fundstelle(n):
AO-StB 2024 S. 326 Nr. 11
AO-StB 2024 S. 327 Nr. 11
BB 2024 S. 2070 Nr. 37
BFH/NV 2024 S. 1357 Nr. 11
StuB-Bilanzreport Nr. 21/2024 S. 847
FAAAJ-74508