BGH Beschluss v. - 2 StR 487/23

Instanzenzug: Az: 114 KLs 25/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten K.    wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 16 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt, den Angeklagten Kr.        wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fällen sowie wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und sechs Monaten. Es hat ferner jeweils eine Entscheidung zur Anrechnung von in dieser Sache im Ausland erlittener Auslieferungshaft getroffen und die Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unter Vorwegvollzug eines Teils der jeweiligen Gesamtfreiheitsstrafen sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet.

2Die Angeklagten haben gegen das Urteil umfassend Revision eingelegt und diese mit der allgemeinen Sachrüge begründet. Die Rechtsmittel erzielen den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

3Mit ihren auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen greift die Staatsanwaltschaft bezüglich beider Angeklagter den Maßregelausspruch zur Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. Die hierauf beschränkten Rechtsmittel haben Erfolg.

I.

4Die Revisionen der Angeklagten führen mit der Sachrüge zu einer durch das Inkrafttreten des Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften vom (BGBl. I 2024, Nr. 109) erforderlich gewordenen Neufassung des Schuldspruchs und zur dadurch bedingten Aufhebung des Strafausspruchs. Ferner können die Unterbringungsentscheidung und die Einziehungsentscheidung, soweit sie den Angeklagten Kr.       und Fall 1 der Urteilsgründe betrifft, keinen Bestand haben. Im Übrigen sind die Rechtsmittel der Angeklagten unbegründet.

51. Ein Verfahrenshindernis besteht nicht. Zwar ist hinsichtlich des Angeklagten Kr.        nicht erkennbar, dass Fall 3 der Urteilsgründe – Handel mit Amphetamin – Gegenstand des Europäischen Haftbefehls gewesen sein könnte, auf dessen Grundlage der Angeklagte, ohne auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes zu verzichten, aus Polen ausgeliefert wurde; hinsichtlich der Fälle 13 und 14 der Urteilsgründe ist dies zumindest zweifelhaft. Indes führt die Nichtbeachtung des auslieferungsrechtlichen Spezialitätsgrundsatzes bei Übergabe auf Grund eines Europäischen Haftbefehls nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lediglich zu einem Vollstreckungshindernis, nicht aber zu einem Verfahrenshindernis (BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 218/14, NStZ 2014, 590; vom – 1 StR 627/15, NStZ-RR 2016, 290, 291; vom – 2 StR 246/16, NStZ-RR 2017, 116; vom – 2 StR 46/22, NStZ 2024, 86).

62. Der Schuldspruch ist betreffend beide Angeklagten an die Änderung durch das am in Kraft getretene Konsumcannabisgesetz anzupassen, auf das – weil im konkreten Fall milder – gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO bei der revisionsrechtlichen Kontrolle abzustellen ist.

7a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen waren die Angeklagten – der Angeklagte K.    an hervorgehobener Stelle – Mitglieder einer grenzüberschreitend agierenden Bande, die in großem Umfang Marihuana aus Spanien nach Deutschland zum gewinnbringenden Verkauf brachte. In den Fällen 1, 2 und 4 bis 17 der Urteilsgründe plante, organisierte oder veranlasste der Angeklagte K.   die Einfuhr und den Verkauf von Marihuana an Großabnehmer in Deutschland, in den Fällen 1, 2, 4, 6, 7, 9, 12 bis 14 und 17 der Urteilsgründe war der Angeklagte Kr.       mit der Entgegennahme in Deutschland, dem Abladen, der Auslieferung und dem Einsammeln der Kaufgelder befasst.

8Hiervon ausgehend haben sich die Angeklagten in den genannten Fällen des bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis strafbar gemacht. Der Tatbestand des bandenmäßigen Handeltreibens mit Cannabis im Sinne von § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 4 Nr. 3 KCanG verbindet alle im Rahmen desselben Güterumsatzes aufeinander folgenden Teilakte vom Erwerb bis zur Veräußerung einschließlich der unerlaubten Einfuhr zu einer einzigen Tat im Sinne einer Bewertungseinheit. Diese zu § 30a Abs. 1 BtMG in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Grundsätze (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 627/14, NStZ 2015, 589; vom – 4 StR 523/19, juris, je mwN) beanspruchen auch hier Geltung. § 34 Abs. 4 Nr. 3 KCanG bildet die bandenmäßige Einfuhr und das bandenmäßige Handeltreiben bei jeweils nicht geringen Mengen strukturell der Vorschrift des § 30a Abs. 1 BtMG nach, die bandenmäßige Einfuhr und das bandenmäßige Handeltreiben werden gleichermaßen erfasst und innerhalb desselben Strafrahmens geahndet. Die Aufnahme des Zusatzes „in nicht geringer Menge“ in die Urteilsformel ist nicht erforderlich, da sich die bandenmäßige Begehungsweise nur auf nicht geringe Mengen bezieht.

9b) Der Angeklagte Kr.       verbrachte darüber hinaus – insoweit außerhalb der Bandenabrede – im März 2020 Amphetaminbase und 22 kg Haschisch zum gewinnbringenden Verkauf durch den anderweitig Verfolgten D.   aus den Niederlanden nach B.   (Fall 3 der Urteilsgründe). Dies ist strafbar als Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG) in Tateinheit mit Einfuhr von Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 5 KCanG), mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 StGB) in nicht geringer Menge und mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, § 27 StGB). Treffen täterschaftliche Einfuhr und Beihilfe zum Handeltreiben – gleich ob mit Betäubungsmitteln oder mit Cannabis – zusammen, ist dies im Tenor zum Ausdruck zu bringen. Beim Handel mit Cannabisprodukten ist das Überschreiten der nicht geringen Menge nicht als Qualifikation, sondern als Regelbeispiel eines besonders schweren Falles ausgestaltet, das nicht in die Urteilsformel aufgenommen wird.

10c) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab (§ 354 Abs. 1 StPO analog). § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich die Angeklagten nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können.

113. Die Einzelstrafaussprüche und die Gesamtstrafenaussprüche können infolge der gegenüber der bisherigen Rechtslage niedrigeren Strafrahmen keinen Bestand haben. Die zugrundeliegenden Feststellungen sind hiervon nicht betroffen und auch im Übrigen rechtsfehlerfrei; sie bleiben bestehen. Das neue Tatgericht wird bei der Gesamtstrafenbildung betreffend den Angeklagten Kr.         gegebenenfalls die höchstrichterlichen Grundsätze anzuwenden haben, die im Falle der Nichtbeachtung des auslieferungsrechtlichen Spezialitätsgrundsatzes zu einem Vollstreckungshindernis führen (vgl. , NStZ 2024, 86 f.).

124. Die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt begegnet durchgreifenden Bedenken.

13Der Senat hat seiner Entscheidung die am in Kraft getretene Neufassung des § 64 StGB zugrunde zu legen (§ 2 Abs. 6 StGB, § 354a StPO; vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 221/23, juris Rn. 6; vom – 5 StR 509/23, juris Rn. 2; vom – 6 StR 577/23, juris Rn. 6). Die Neufassung stellt strengere Anforderungen an die Annahme sowohl eines Hangs als auch eines symptomatischen Zusammenhangs zwischen dem Hang und einer Anlasstat sowie an die Erfolgsprognose. Diesen Anforderungen, denen das Landgericht zum Zeitpunkt seiner Urteilsfassung noch nicht Rechnung tragen konnte, wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Die Urteilsgründe belegen schon nicht, dass bei den Angeklagten ein Hang im Sinne einer Substanzkonsumstörung besteht, infolge derer eine dauernde und schwerwiegende Beeinträchtigung der Lebensgestaltung, der Gesundheit, der Arbeits- oder der Leistungsfähigkeit eingetreten wäre und noch fortdauerte. Auch genügte nach § 64 Satz 2 StGB in der bis zum geltenden Fassung „eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht“, wohingegen die Neuregelung nunmehr – auch für nicht rechtskräftige Altfälle – voraussetzt, dass der Behandlungserfolg „aufgrund tatsächlicher Anhaltspunkte zu erwarten“ ist, wodurch die Anforderungen an eine günstige Behandlungsprognose „moderat angehoben“ wurden im Sinne einer „Wahrscheinlichkeit höheren Grades“ (vgl. , juris; BT-Drucks. 20/5913, S. 48 und S. 70).

145. Die Einziehungsentscheidung kann, soweit sie den Angeklagten Kr.          und Fall 1 der Urteilsgründe betrifft, ebenfalls keinen Bestand haben. Zwar belegen die Urteilsgründe noch hinreichend, dass beide Angeklagte unmittelbare Verfügungsmacht am gesamten aus dem Handeltreiben mit Cannabis jeweils erzielten Verkaufserlös erlangten. Der der Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen im Fall 1 der Urteilsgründe zugrunde gelegte Gesamtbetrag ist aber ausgehend von den getroffenen Feststellungen zu diesem Fall hinsichtlich des Angeklagten Kr.         rechnerisch nicht nachvollziehbar.

II.

15Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben im Umfang der Anfechtung Erfolg.

161. Die Revisionen der Staatsanwaltschaft sind zulässig und ausweislich ihrer Begründung auf den Maßregelausspruch beschränkt. Die Beschränkung ist wirksam, weil über das zugunsten der Angeklagten wirkende Rechtsmittel (§ 301 StPO; vgl. , juris Rn. 6 mwN) unabhängig vom Schuld- und Strafausspruch sowie vom Ausspruch über die Einziehung des Wertes von Taterträgen entschieden werden kann und das Landgericht in den Urteilsgründen keine Verknüpfung zwischen Strafe und Maßregelentscheidung hergestellt hat (vgl. , juris Rn. 5; Beschluss vom – 2 StR 75/23, aaO). Die Zulässigkeit der Beschränkung wird durch die aufgrund des Konsumcannabisgesetzes notwendig gewordene Schuldspruchänderung nicht in Frage gestellt.

172. Die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hält – wie oben ausgeführt – sachrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Der Entscheidung über die Anordnung des Vorwegvollzugs ist damit die Grundlage entzogen.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:160524B2STR487.23.0

Fundstelle(n):
YAAAJ-74412