BGH Beschluss v. - 5 StR 254/24

Instanzenzug: Az: 525 KLs 6/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem Besitz eines Schlagrings, wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln „an Jugendliche“ sowie wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit einer Verfahrensrüge und sachlich-rechtlichen Beanstandungen. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die auf die Sachrüge veranlasste Nachprüfung des Urteils führt im Fall II.1 der Urteilsgründe zur Änderung des Schuldspruchs. Soweit sich die Tathandlungen auch auf Cannabis bezogen, ist das am in Kraft getretene Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KCanG, BGBl. I 2024 Nr. 109) als das hier mildere Gesetz gemäß § 2 Abs. 3 StGB anzuwenden (vgl. ).

3a) Nach den Feststellungen des Landgerichts handelte der Angeklagte mit 1.490 g Amphetamin mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 96,83 g Amphetaminbase, 441,52 g Marihuana mit mindestens 52,28 g THC und 325 Ecstasy-Tabletten mit mindestens 41,55 g MDMA-Base sowie 12 g Kokain mit mindestens 8,73 g KHC. Zudem verkaufte und übergab er im Februar 2022 und am einer damals 15 und später 16 Jahre alten Konsumentin insgesamt 7 Ecstasy-Tabletten, wobei er die Möglichkeit ihrer Minderjährigkeit erkannte und sich über diese Erkenntnis hinwegsetzte.

4b) Der Angeklagte hat sich daher des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an eine Person unter 18 Jahren und mit Handeltreiben mit Cannabis gemäß § 29a Abs. 1 Nr. 1 und 2 BtMG, § 34 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG schuldig gemacht. Dass sich die Tat auf Cannabis in nicht geringer Menge bezog (zum Grenzwert vgl. , NStZ-RR 2024, 216 ff.), bedarf keines Zusatzes im Schuldspruch. Denn das Handeltreiben mit Cannabis in nicht geringer Menge stellt lediglich ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall dar ().

5c) Der Senat stellt den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 iVm § 354a StPO um. Die Regelung des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

6d) Die verhängte Einzelstrafe kann keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Tathandlung des Angeklagten in Bezug auf Cannabis für das Landgericht bei der Bestimmung des Schuldumfangs und damit für die verhängte Strafe mitentscheidend war, auch wenn die Strafe aus den Strafrahmen des Betäubungsmittelgesetzes zuzumessen sein wird (§ 52 Abs. 2 Satz 1 StGB).

72. Im Fall II.2 der Urteilsgründe hat die Verurteilung des Angeklagten keinen Bestand.

8a) In diesem Fall handelte der Angeklagte mit mehr als 510 g Amphetamin mit mindestens 48,36 g Amphetamin-Base, 300 g Cannabis mit mindestens 38,39 g THC, 913 Ecstasy-Tabletten mit 94,9 g MDMA-Base und 4,94 g Kokaingemisch mit mindestens 3,59 g KHC. Während der Aufbewahrung der Betäubungsmittel in seiner Wohnung befand sich, wie der Angeklagte wusste, ein Schlagring zugriffsbereit in einer unverschlossenen Vitrine im Wohnzimmer, in der er einen Teil der Betäubungsmittel lagerte.

9Das Landgericht hat die Tat als bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit vorsätzlichem Besitz eines Schlagrings gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG gewertet und die Strafe dem Strafrahmen des minder schweren Falles des § 30a Abs. 3 BtMG entnommen. Das Vorliegen eines minder schweren Falles nach § 29a Abs. 2 BtMG hat es abgelehnt und insoweit eine Sperrwirkung für die Strafrahmenuntergrenze durch § 29a Abs. 1 BtMG angenommen.

10b) Die Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ist zwar weiterhin zutreffend, soweit sich die Handelstätigkeit des Angeklagten auf Amphetamin, MDMA und Kokain bezog. Im Hinblick auf den gleichzeitigen Umgang mit Cannabis kann der Senat aber jedenfalls in der hier konkret gegebenen Konstellation nicht abschließend entscheiden, ob sich die Anwendung des KCanG als das mildere Gesetz im Sinne des § 2 Abs. 3 StGB erweist. Dies zieht die Aufhebung des gesamten tateinheitlichen Schuldspruchs nach sich.

11aa) Das mildere von zwei Gesetzen ist dasjenige, welches anhand des konkreten Falls nach einem Gesamtvergleich des früher und des derzeit geltenden Strafrechts das dem Angeklagten günstigere Ergebnis zulässt (, BGHSt 67, 130, 131 f. mwN). Hängt die Beurteilung des im Einzelfall milderen Rechts davon ab, ob die Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung genutzt wird, etwa durch Annahme eines gesetzlich geregelten besonders oder minder schweren Falls, obliegt die Bewertung grundsätzlich dem Tatgericht, sofern eine abweichende Würdigung nicht sicher auszuschließen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 167/24; vom – 3 StR 154/24 mwN).

12bb) Hier käme eine tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis gemäß § 34 Abs. 4 Nr. 4 KCanG in Betracht. Die Vorschrift droht eine Freiheitsstrafe von nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen von drei Monaten bis zu fünf Jahren an. Daran gemessen erweist sich der vom Landgericht angewandte Strafrahmen des minder schweren Falles des zur Tatzeit auch für den Umgang mit Cannabis geltenden Rechts (§ 30a Abs. 3 BtMG), selbst unter Berücksichtigung der angenommenen Sperrwirkung des § 29a Abs. 1 BtMG für die Strafrahmenuntergrenze als das mildere Gesetz im Verhältnis zu § 34 Abs. 4 KCanG.

13Dass § 34 Abs. 4 KCanG beim bewaffneten Handeltreiben mit Cannabis im Vergleich zu § 30a Abs. 1 BtMG geringere Strafen androht, soweit die Regelungen für den Qualifikationstatbestand und die minder schweren Fälle direkt verglichen werden, ist für die notwendige Einzelfallbetrachtung ohne Belang. Denn es ist eine vom Tatgericht zu entscheidende Wertungsfrage, ob ein minder schwerer Fall des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis vorliegt. Allein daraus, dass das Landgericht einen minder schweren Fall des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 3 BtMG angenommen hat, ergibt sich dies nicht. Dagegen könnte schon sprechen, dass es einen minder schweren Fall bei dem im Wege der Gesetzeskonkurrenz verdrängten Straftatbestand des § 29a Abs. 2 BtMG abgelehnt hat. Der hierbei zugunsten des Angeklagten herangezogene Strafzumessungsgesichtspunkt, dass es sich bei Cannabis um eine „weiche Droge“ handele, ist für die Strafzumessung nach § 34 Abs. 4 KCanG bedeutungslos; denn diese Strafnorm betrifft ausschließlich Cannabis mit einer im Vergleich zu bestimmten anderen Suchtstoffen geringeren Gefährlichkeit, was bereits bei der gesetzlichen Festlegung der Strafrahmen Berücksichtigung gefunden hat (vgl. BT-Drucks. 20/8704 S. 130).

14c) Mithin bedarf die Frage des Vorliegens eines minder schweren Falls des bewaffneten Handeltreibens mit Cannabis einer neuen Bewertung durch das neue Tatgericht. Davon hängt es ab, ob das Konsumcannabisgesetz Anwendung findet oder bei erneuter Annahme eines minder schweren Falls des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln für den hier zu beurteilenden Sachverhalt allein das Betäubungsmittelgesetz maßgeblich bleibt.

153. Der Wegfall der Einzelstrafen in den Fällen II.1 und II.2 zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es insoweit nicht (vgl. § 353 Abs. 2 StPO); eine Ergänzung um widerspruchsfreie neue Feststellungen bleibt möglich.

164. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Die von der Strafkammer unter der zum Urteilszeitpunkt geltenden alten Fassung des § 64 StGB getroffenen Feststellungen rechtfertigen die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach der vom Senat gemäß § 2 Abs. 6 StGB ab anzuwendenden Neufassung des § 64 StGB nicht.

17Insoweit kann dahinstehen, ob die Feststellungen die Annahme eines Hangs im Sinne der Neufassung von § 64 Satz 1 StGB tragen, da jedenfalls nicht belegt ist, dass die verfahrensgegenständlichen Straftaten überwiegend auf einen solchen Hang zurückgehen (vgl. zum Maßstab BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 246/23; vom – 5 StR 345/23). Nach dem Willen des Gesetzgebers reicht eine bloße Mitursächlichkeit des Hangs für die Tat nur noch dann aus, wenn sie andere Ursachen quantitativ überwiegt. Das Vorliegen dieses Kausalzusammenhangs ist durch das Tatgericht – gegebenenfalls unter sachverständiger Beratung – positiv festzustellen (BT-Drucks. 20/5913 S. 69 f.; vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 246/23; vom – 5 StR 345/23).

18Bei seiner vor Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens getroffenen Entscheidung hat das Landgericht diesen strengeren Anordnungsmaßstab nicht vor Augen gehabt. Es hat festgestellt, dass der von staatlichen Transferleistungen lebende Angeklagte durch die abgeurteilten Taten seinen Drogenkonsum finanzieren und seine allgemeine finanzielle Situation aufbessern wollte, weil seine legalen Einkünfte nicht ausreichten. Damit ist zwar eine Mitursächlichkeit seines erheblichen Konsums für die Straftaten des Angeklagten belegt, jedoch fehlt eine Aussage zu der nunmehr entscheidenden Frage, inwieweit der Konsum die überwiegende Ursache für die verfahrensgegenständlichen Taten war.

19Die Frage der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bedarf somit erneuter Prüfung und Entscheidung. Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf, um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:140824B5STR254.24.0

Fundstelle(n):
EAAAJ-74394