BGH Beschluss v. - 3 StR 211/24

Instanzenzug: Az: 10 KLs 2090 Js 41978/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen handelte der Angeklagte mit Cannabis, um sich dadurch eine fortlaufende Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen. Am führte er während einer Autofahrt 168,46 Gramm Haschisch mit einer Wirkstoffmenge von 25,57 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) zum gewinnbringenden Weiterverkauf mit sich (Fall 1 der Urteilsgründe). Bei der Durchsuchung eines vom Angeklagten gemieteten Hauses am wurde eine von ihm eingerichtete und betriebene professionell ausgestattete Marihuana-Indoorplantage mit 287 Cannabispflanzen in der Wachstumsphase entdeckt. Bei Erntereife hätte aus den Pflanzen 5.740 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 792,12 Gramm THC gewonnen werden können. Dieses wollte der Angeklagte, ebenso wie aus Folgeanpflanzungen zu erlangendes Cannabis, gewinnbringend verkaufen (Fall 2 der Urteilsgründe). Bei der Durchsuchung des Objekts wurden zudem 812,32 Gramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 121 Gramm THC aufgefunden. Auch dieses Rauschgift, das nicht aus der vorgenannten Plantage stammte, wollte der Angeklagte mit Gewinn veräußern (Fall 3 der Urteilsgründe).

II.

3Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils führt zu einer Schuldspruchänderung in den Fällen 2 und 3 der Urteilsgründe sowie zur Aufhebung der Entscheidung im Fall 1 und im gesamten Strafausspruch.

41. Der Schuldspruch hat keinen Bestand, weil das Landgericht den Angeklagten für seinen Umgang mit Marihuana und Haschisch - entsprechend der zum Urteilszeitpunkt geltenden Rechtslage und an dieser gemessen rechtsfehlerfrei - nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt hat. Am ist jedoch das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz - KCanG) vom in Kraft getreten (BGBl. I Nr. 109). Diese Rechtsänderung hat der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO zu berücksichtigen. Nach ihr unterfällt Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, sondern bestimmt sich die Strafbarkeit der hier zu beurteilenden Taten nach dem Konsumcannabisgesetz (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 1/24, juris Rn. 4; vom - 6 StR 24/24, juris Rn. 5; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321).

5a) Unter der Geltung des Konsumcannabisgesetzes sind die drei Taten jeweils als Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) zu werten. Bei Marihuana und Haschisch handelt es sich um ein Produkt der Cannabispflanze, das nach den Begriffsbestimmungen des Konsumcannabisgesetzes als „Cannabis“ erfasst wird (§ 1 Nr. 4 und 5 KCanG). Die Tathandlungen des § 34 Abs. 1 KCanG hat der Gesetzgeber ausdrücklich an die Begrifflichkeiten des Betäubungsmittelgesetzes angelehnt (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 94; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321, 324 f.). Dass sich die Taten auf Cannabis in nicht geringer Menge bezogen - diese ist auch unter dem Konsumcannabisgesetz bei einer Wirkstoffmenge von 7,5 Gramm THC erreicht (BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 154/24, juris Rn. 8; vom - 2 StR 480/23, juris Rn. 27 ff.; vom - 4 StR 5/24, juris Rn. 10 ff.; vom - 6 StR 132/24, juris Rn. 7; vom - 4 StR 50/24, juris Rn. 6 ff.; vom - 5 StR 153/24, juris Rn. 11 ff.; vom - 1 StR 106/24, NJW 2024, 1968 Rn. 7 ff.) -, stellt lediglich ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall dar (§ 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG), der im Schuldspruch nicht zum Ausdruck zu bringen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 481/23, juris Rn. 7; vom - 5 StR 1/24, juris Rn. 5; KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 260 Rn. 31 mwN). Auch bei Straftaten nach dem Konsumcannabisgesetz bedarf es keiner Tatkennzeichnung als „unerlaubt“ (oder „verboten“), weil die Strafvorschriften des § 34 KCanG allein den untersagten Umgang mit Cannabis betreffen (vgl. , juris Rn. 6; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321, 328).

6b) Die neue Rechtslage unter dem Konsumcannabisgesetz ist bei dem nach § 2 Abs. 3 StGB gebotenen konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall (st. Rspr.; vgl. , NZWiSt 2024, 187 Rn. 70; vom - 5 StR 372/21, BGHSt 67, 130 Rn. 12 f. mwN; Beschluss vom - 3 StR 363/82, NStZ 1983, 80; Urteil vom - 3 StR 32/64, BGHSt 20, 74, 75; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 2 Rn. 8 f.; Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl., § 2 Rn. 28 ff. mwN; Patzak/Möllinger, NStZ 2024, 321, 327) hinsichtlich der Taten 2 und 3 der Urteilsgründe für den Angeklagten günstiger als die nach dem Tatzeitrecht (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG); sie ist daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO maßgeblich.

7Der Senat ändert den Schuldspruch deshalb in diesen Fällen in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Beschlussformel ersichtlich. Die Regelung des § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der - weitgehend geständige - Angeklagte insofern nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

8c) Im Fall 1 der Urteilsgründe gilt dagegen Folgendes: Die Strafkammer hat hier einen minder schweren Fall gemäß § 29a Abs. 2 BtMG angenommen. Ob hinsichtlich dieser Tat das neue Recht nach dem Konsumcannabisgesetz für den Angeklagten günstiger und damit gemäß § 2 Abs. 3 StGB zur Anwendung zu bringen ist oder es ungeachtet der Rechtsänderung bei dem Schuldspruch nach dem Betäubungsmittelgesetz zu verbleiben hat, hängt deshalb davon ab, ob die Tat nach neuem Recht als besonders schwerer Fall (§ 34 Abs. 3 KCanG) zu werten ist - dann wäre das neue Recht nicht milder und gemäß § 2 Abs. 1 StGB das Tatzeitrecht weiter maßgeblich - oder der Grundstrafrahmen des § 34 Abs. 1 KCanG Anwendung findet. Nur im letztgenannten Fall wäre das neue Recht für den Angeklagten günstiger. Bei dieser Entscheidung handelt es sich um einen Strafzumessungsakt, der allein dem Tatgericht obliegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 154/24, juris Rn. 5; vom - 4 StR 366/16, NStZ-RR 2017, 240, 241 f.; Urteil vom - 3 StR 314/13, wistra 2014, 446 Rn. 31; KK-StPO/Gericke, 9. Aufl., § 354a StPO Rn. 11). Entgegen dem Vorbringen des Generalbundesanwalts kann nicht mit der gebotenen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Strafkammer bei Anwendung des Konsumcannabisgesetzes trotz der nicht geringen Menge des tatgegenständlichen Haschisch und des gewerbsmäßigen Handelns des Angeklagten einen besonders schweren Fall gemäß § 34 Abs. 3 KCanG verneint und die Strafe dem Grundstrafrahmen des § 34 Abs. 1 KCanG entnommen hätte. Eine Schuldspruchänderung durch den Senat in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO scheidet daher im Fall 1 der Urteilsgründe aus.

92. Der Strafausspruch bedarf auch in den Fällen 2 und 3 der Urteilsgründe der Aufhebung, weil § 34 Abs. 1 und 3 KCanG mildere Strafrahmen vorgeben als § 29a Abs. 1 BtMG. Es ist ungeachtet der - unter dem Konsumcannabisgesetz nicht mehr statthaften (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 6 StR 116/24, juris Rn. 5; vom - 6 StR 132/24, juris Rn. 5) - strafmildernden Berücksichtigung der im Vergleich zu anderen Drogen minderen Gefährlichkeit von Marihuana („weiche Droge“) durch das Landgericht nicht auszuschließen, dass die Strafkammer insofern bei Anwendung des einschlägigen Strafrahmens des Konsumcannabisgesetzes niedrigere Einzelstrafen gegen den Angeklagten verhängt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO).

103. Die Aufhebung des Urteils im Fall 1 und der Einzelstrafen in den Fällen 2 und 3 der Urteilsgründe entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage, so dass auch diese keinen Bestand hat.

114. Einer Aufhebung vom Landgericht getroffener Feststellungen bedarf es dagegen nicht; sie weisen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf (§ 353 Abs. 2 StPO). Soweit die Strafkammer zu seinen Gunsten gewertet hat, dass es sich bei Cannabis um eine weiche Droge handele, liegt darin keine Tatsachenfeststellung. Das zur neuen Verhandlung und Entscheidung berufene Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese den bisherigen nicht widerstreiten.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:090724B3STR211.24.0

Fundstelle(n):
OAAAJ-73708