Gesetz ohne Wankelmut? Nachhaltigkeitsprüfung nur durch WP
Liebe Leserinnen und Leser,
vor einer kleinen Ewigkeit erschien in einer Illustrierten (die Älteren erinnern sich, wöchentliche Druckerzeugnisse mit längeren Texten und bunten Bildern, die hunderttausendfach verkauft wurden) ein Cartoon, in dem ein Bundeskanzler die erstaunte Nachfrage zum Ergebnis „3“ für die Rechenoperation 1+1 kommentierte mit „ Nun, mag sein, aber wir wollen nicht wankelmütig sein.“ Logik hin oder her. Zur Ehrenrettung des ehemaligen Kanzlers und der meisten anderen Amtsträger dürften auch die meisten politischen Entscheidungen einen Hauch komplexer sein als 1+1, aber der Cartoon stellt hübsch einen Zusammenhang her zwischen „sachfremden Erwägungen“ einerseits und „Politik“ andererseits. In den Unternehmen, eigentlich ja geradezu der Mittelpunkt der Ratio Dank des Controllings, ist das Phänomen wohlbekannt. Auf den Fluren raunt dann auf die Frage: „Warum machen wir das denn so?“ ein „Es ist Politik.“ An all dies erinnert vielleicht der Ende Juli veröffentlichte Regierungsentwurf des CSRD-Umsetzungsgesetzes, der dann doch vor der Sommerpause schneller kam als erwartet, auch wenn die Frist zur Umsetzung der europäischen Richtlinie bereits Anfang Juli abgelaufen ist. Eine der spannendsten Fragen der künftigen Nachhaltigkeitsberichterstattung und ihrer Prüfung war, ob dies eine Vorbehaltsaufgabe der Wirtschaftsprüfer sein soll oder ob auch andere Erbringer von Bestätigungsleistungen als Prüfer zugelassen werden. Nach dem Referentenentwurf sollte es sich um eine Vorbehaltsaufgabe der WP handeln und auch mit dem Regierungsentwurf war niemand wankelmütig geworden. Dabei war die Kritik an WP als alleinigen Nachhaltigkeitsprüfer immens: Die Argumente reichten vom fehlenden Know-how für die technisch-naturwissenschaftlichen Fragestellungen über den Fachkräftemangel der Branche bis hin zur weiteren Marktbereinigung durch den Ausschluss kleiner und mittlerer Praxen, die eine solche Dienstleistung nicht ohne Weiteres zusätzlich für ihre Mandanten erbringen können und befürchten müssen, dann ihre Mandate zu verlieren. Weil aber Politik ja die Kunst des Kompromisses ist, soll zumindest in späteren Gesetzesnovellen geprüft werden, ob nicht z. B. Umweltgutachter doch als Prüfer in Frage kommen können; ein möglicherweise recht mäßig haftendes Trostpflaster, wie Eltern wissen, die ihren quengelnden Nachwuchs auf „später“ vertrösten wollen. WP/StB Prof. Dr. Christian Hanke und Laura Schmenk stellen alles Wichtige zum Regierungsentwurf in dieser Ausgabe vor.
Außerdem in diesem Heft: RA Dr. Philipp Fölsing erklärt, warum nach Ansicht des BGH die BaFin für die fehlende Bilanzkontrolle bei der Wirecard AG nicht haftet. Die Examensfälle drehen sich diesmal aus der Feder von Prof. Dr. Stephan Sommer um die Geldpolitik im Euroraum, während der Praxisfall von Prof. Dr. Christian Hanke sich mit dem negativen Unterschiedsbetrag nach § 253 Abs. 6 HGB für die Pensionsrückstellungen befasst. In der Rubrik „Angewandte Prüfungsmethodik“ zeigen Ihnen WP Prof. Dr. Markus Widmann und Maximilian Schoichet, wie sich die Forderungs-Begleichungsquote Schritt-für-Schritt mit MS-Excel bewerkstelligen und automatisieren lässt.
Beste Grüße
Christoph Linkemann
Fundstelle(n):
WP Praxis 9/2024 Seite 237
MAAAJ-73525