BGH Beschluss v. - 4 StR 151/24

Instanzenzug: LG Mannheim Az: 4 KLs 712 Js 20701/21

Gründe

I.

1Das Landgericht hat gegen den Angeklagten im zweiten Rechtsgang eine Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis von fünf Jahren angeordnet. Gegen das in Anwesenheit des Angeklagten am Donnerstag, den , verkündete Urteil hat der Angeklagte mit am Freitag, dem , beim Landgericht eingegangenem Schriftsatz seines Wahlverteidigers Revision eingelegt. Mit Beschluss vom hat das Landgericht die Revision wegen Verfristung als unzulässig verworfen. Neben der Zustellung des Verwerfungsbeschlusses an den Wahlverteidiger ist auch die Übersendung an den Pflichtverteidiger sowie an den Angeklagten richterlich verfügt und am Folgetag, dem , von der Geschäftsstelle ausgeführt worden. Der Pflichtverteidiger hat den Beschluss am , der Wahlverteidiger am empfangen, der mit beim Landgericht am eingegangenem Schriftsatz für den Angeklagten Wiedereinsetzung in die Wochenfrist zur Einlegung der Revision beantragt hat. Zur Begründung hat er ein - nach Zustellung der Verwerfungsentscheidung - noch am selben Tag von ihm und seiner Mitarbeiterin bemerktes Kanzleiversehen angeführt.

2Der Generalbundesanwalt hat mit Verweisen auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs beantragt, den Antrag auf Wiedereinsetzung als unzulässig zu verwerfen. Der Antrag sei binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses zu stellen (§ 45 Abs. 1 Satz 1 StPO). Angaben über den Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses seien Zulässigkeitsvoraussetzung, wobei entscheidend für den Fristbeginn der Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Angeklagten sei. An einem entsprechenden Vortrag fehle es vorliegend. Dieser sei hier auch nicht entbehrlich, weil die Wahrung der Wochenfrist nach Aktenlage nicht offensichtlich sei.

3Mit weiterem Schriftsatz vom hat der Wahlverteidiger daraufhin ausgeführt, dass er im Wiedereinsetzungsantrag "im Lichte der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs selbstredend" die Kenntnisnahme vom Wegfall des Hindernisses durch den Angeklagten gemeint habe. Zudem sei ausgeschlossen, dass der Angeklagte über den Pflichtverteidiger vor dem vom Verwerfungsbeschluss Kenntnis erlangt habe.

II.

4Der Wiedereinsetzungsantrag ist unzulässig, weil die sich aus § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO ergebenden Darlegungsvoraussetzungen nicht eingehalten sind.

51. Zur formgerechten Anbringung eines Wiedereinsetzungsantrags gehört, dass der Antragsteller innerhalb der Wochenfrist mitteilt, wann das Hindernis weggefallen ist, das der Fristwahrung entgegenstand. Dabei kommt es auf die Person des Angeklagten an. Dies gilt selbst dann, wenn der Verteidiger ein eigenes Verschulden geltend macht, das dem Angeklagten nicht zuzurechnen wäre (vgl. Rn. 3 mwN; Beschluss vom – 3 StR 197/18 Rn. 3 mwN). Es wäre daher vorliegend vorzutragen gewesen, wann der Angeklagte Kenntnis von der nicht fristgerechten Revisionseinlegung erlangt hat (vgl. Rn. 4 mwN). An dieser Zulässigkeitsvoraussetzung fehlt es. Der Antrag teilt allein den Zeitpunkt der Kenntnis des Wahlverteidigers mit.

6Soweit in dem Schriftsatz vom ausgeführt wird, im Wiedereinsetzungsantrag sei die Kenntnisnahme durch den Angeklagten gemeint gewesen, kann der Antragsteller hiermit nicht durchdringen. Denn die Ausführungen des Wahlverteidigers in dem Antragsschriftsatz vom sind einer dahingehenden Auslegung nicht zugänglich. Sie beziehen sich ausschließlich auf die Darlegung von Umständen in dessen Kanzleiräumen nach dem dortigen Eingang des Verwerfungsbeschlusses. Diese lagen ersichtlich nicht im Wahrnehmungsbereich des inhaftierten Angeklagten.

72. Auch ist der fehlende Vortrag zur Kenntnisnahme vom Wegfall des Hindernisses durch den Angeklagten hier nicht ausnahmsweise entbehrlich (vgl. Rn. 12). Denn der Akteninhalt bietet Anhaltspunkte für eine Kenntnis des Angeklagten von der Versäumung der Revisionseinlegungsfrist noch vor seinem Wahlverteidiger. Nach Aktenlage hatte der Pflichtverteidiger den Verwerfungsbeschluss bereits zwei Tage vor dem Wahlverteidiger in Empfang genommen, was die Möglichkeit eröffnet, dass der Angeklagte bereits über seinen Pflichtverteidiger und damit früher als der Wahlverteidiger von der Verwerfungsentscheidung erfahren hatte. Der Umstand, dass der Wahlverteidiger in der Stellungnahme vom diesen Fall nach entsprechender Erkundigung nunmehr ausschließt, führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn die Angaben zu dem Zeitpunkt, in dem der Angeklagte von dem Wegfall des Hindernisses erfahren hat, hätten bereits innerhalb der Wochenfrist des § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO gemacht werden müssen, weil sie Voraussetzung für die Zulässigkeit des Wiedereinsetzungsantrags sind. Zwar kann ein rechtzeitig angebrachter Vortrag zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen nach Fristablauf noch ergänzt und verdeutlicht werden (vgl. Rn. 5 mwN). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.

8Ungeachtet dessen verbleibt – wegen der am ausgeführten Übersendung des Verwerfungsbeschlusses (auch) an den Angeklagten – die Möglichkeit dessen direkter Kenntnisnahme vor dem . Hierzu verhält sich weder der Wiedereinsetzungsantrag noch die nachfolgende Stellungnahme des Wahlverteidigers.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:180624B4STR151.24.0

Fundstelle(n):
PAAAJ-72244