BGH Urteil v. - IX ZR 148/22

Gesamtvollstreckungsverfahren: Ausschluss des Verwalters von einer Prozessführung gegen den Sonderverwalter

Leitsatz

Ansprüche, die sich gegen einen Sonderverwalter richten, der zur Prüfung und Durchsetzung von Ansprüchen gegen einen Verwalter eingesetzt wurde, können nur von einem neuen Verwalter oder einem weiteren Sonderverwalter geltend gemacht werden.

Gesetze: § 8 Abs 1 S 2 GesO, § 8 Abs 2 GesO, § 92 InsO

Instanzenzug: OLG Dresden Az: 13 U 1352/21vorgehend Az: 5 O 662/20

Tatbestand

1Der Kläger wurde mit Beschluss vom zum Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der E.                     AG bestellt. Am schloss er einen Sozialplan für 398 Arbeitnehmer mit einem Gesamtvolumen von 3.500.000 DM, auf welchen er 1.483.164 DM (entspricht 758.329,71 €) am auszahlte. In der Gläubigerversammlung vom wies der Kläger, nachdem die Verwertung von Immobilien erfolglos geblieben war, darauf hin, dass die Sozialplangläubiger überzahlt seien. Von einer Rückforderung sah der Kläger mangels hinreichender Erfolgsaussichten ab. Mit Beschluss vom wurde der Beklagte zum Sonderverwalter mit dem Aufgabenkreis Prüfung und gegebenenfalls Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen wegen der erfolgten Verteilung an die Sozialplangläubiger bestellt. Mit Schreiben vom teilte der Beklagte dem Kläger seine vorläufige Rechtsauffassung mit, wonach sich der Kläger wegen Überschreitung der Drittelgrenze des § 17 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. c GesO schadensersatzpflichtig gemacht habe, und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum . Der Kläger erwiderte mit Schreiben vom , er sehe keine Anzeichen für ein Verschulden.

2Der Beklagte erwirkte als Sonderverwalter einen dem Kläger persönlich am zugestellten Mahnbescheid über eine Hauptforderung von 758.329,71 €. In der Anspruchsbegründung vom begehrte er zusätzlich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab . Das Landgericht Baden-Baden sprach dem Beklagten mit Urteil vom die Hauptforderung zu, zur Zahlung von Zinsen hielt es den Kläger jedoch erst ab dem für verpflichtet. Für den Zeitraum vorher fehle es an einer bezifferten Zahlungsaufforderung und an einer Mitteilung, die als ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung anzusehen sei. Mit Urteil vom wies das Oberlandesgericht Karlsruhe die Berufung des Klägers sowie die Anschlussberufung des Beklagten, mit der dieser den Anspruch auf Zinszahlung seit dem weiterverfolgte, zurück.

3Der Kläger macht geltend, der Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, ihn in Verzug zu setzen, und verlangt vom Beklagten, die der Gesamtvollstreckungsmasse entgangenen Verzugszinsen für den Zeitraum vom bis zum , insgesamt 142.357,18 €, zu ersetzen. Mit Klage vom hat der Kläger den Beklagten auf Zahlung von 43.276,69 € in Anspruch genommen. Hinsichtlich weiterer 99.080,49 € hat er sich eine Klageerweiterung vorbehalten. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 41.787,45 € stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen; die Anschlussberufung des Klägers, mit der dieser weitere 99.080,49 € begehrt hat, hat es zurückgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.

Gründe

4Die Revision des Klägers bleibt ohne Erfolg.

I.

5Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten aus § 8 Abs. 1 Satz 2 GesO in Verbindung mit § 60 InsO sei berechtigt. Der Beklagte habe es schuldhaft versäumt, den Kläger hinsichtlich der berechtigten Hauptforderung wegen Überzahlung von Sozialplanansprüchen in seinem Schreiben vom und später durch bezifferte und befristete Zahlungsaufforderung in Verzug zu setzen. Hieraus sei der Gesamtvollstreckungsmasse ein Schaden in Höhe der Verzugszinsen für die Zeit ab entstanden.

6Der Schadensersatzanspruch sei jedoch verjährt. Vorliegend habe die Verjährungsfrist, die sich gemäß § 62 InsO nach den §§ 195, 199 BGB richte, spätestens 2014 zu laufen begonnen. Denn mit dem Erlass des Mahnbescheids hätten die Folgen des Unterlassens einer Mahnung nicht mehr beseitigt werden können, sei die Pflichtverletzung spätestens vollendet und der darauf beruhende Schadensersatzanspruch begründet und fällig gewesen. Von den einen Schadensersatzanspruch begründenden Umständen habe der Kläger mit Zustellung des Mahnbescheids Kenntnis gehabt. Er hätte somit spätestens Ende 2014 Feststellungsklage erheben können.

7Die Klageerhebung sei dem Kläger auch zumutbar gewesen. Die Frage der Schadensersatzpflicht wegen Überschreitung der Drittelgrenze sei zwar nicht einfach zu beantworten gewesen, aber auch nicht derart schwierig, dass eine gerichtliche Klärung abzuwarten gewesen wäre. Die Gesamtvollstreckungsordnung enthalte keine ausdrückliche Ermächtigung für Vorabausschüttungen und Abschlagszahlungen. Der Kläger habe keine Abschlagszahlungen vorgenommen, sondern mit den Sozialplangläubigern einzelne Gläubiger außerhalb des Verteilungsverfahrens teilweise befriedigt. Für deren bevorzugte Befriedigung fehle eine Rechtsgrundlage, wie sie im Konkursrecht in § 170 KO in Verbindung mit § 61 Abs. 1 KO und § 4 Satz 2 SozPlG vorgesehen war. Das habe zwar nicht zu dem Ergebnis führen müssen, dass Vorabauszahlungen an Sozialplangläubiger in jedem Fall unzulässig gewesen seien; sie hätten aber der Zustimmung der Gläubigerversammlung bedurft.

8Schließlich sei dem Kläger zumutbar gewesen, im Rahmen einer Feststellungsklage gegenteilige Behauptungen zu denen im gegen ihn laufenden Schadensersatzprozess aufzustellen, denn dort sei er persönlich verklagt gewesen, während er im Rahmen der Feststellungsklage für die Masse handelte. Eine die Unzumutbarkeit begründende Interessenkollision sei daher nicht gegeben. Wolle man dies anders sehen, hätte der Kläger jedenfalls die Einsetzung eines Sonderverwalters zur Prüfung und Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen den Beklagten beim Gericht anregen müssen.

II.

9Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Klage ist unzulässig. Maßgeblich sind dabei die Vorschriften der Gesamtvollstreckungsordnung, weil das vorliegende Verfahren vor dem auf dem Gebiet der neuen Bundesländer beantragt worden ist (Einigungsvertrag Anlage II Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt II Nr. 1; Art. 103 Satz 1 EGInsO).

101. Dem Kläger fehlt die Prozessführungsbefugnis für die geltend gemachten Ansprüche. Der Verwalter in einem Gesamtvollstreckungsverfahren ist in dem Bereich, für den ein Sonderverwalter wegen rechtlicher Verhinderung des Verwalters an einer Amtsführung bestellt ist, nicht befugt, Schadensersatzansprüche gegen den Sonderverwalter wegen Pflichtverletzungen aus dessen Amtsführung zu verfolgen. Ansprüche, die sich gegen einen Sonderverwalter richten, der zur Prüfung und Durchsetzung von Ansprüchen gegen einen Verwalter eingesetzt wurde, können nur von einem neuen Verwalter oder einem weiteren Sonderverwalter geltend gemacht werden. Die Prozessführungsbefugnis ist als Prozessvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, also auch in der Revisionsinstanz, von Amts wegen zu prüfen (, WM 2019, 1608 Rn. 12; vom - V ZR 284/19, ZfIR 2021, 489 Rn. 8; jeweils mwN).

112. Wird in einem Gesamtvollstreckungsverfahren ein Sonderverwalter wegen rechtlicher Verhinderung des Gesamtvollstreckungsverwalters aufgrund einer Interessenkollision bestellt, hat der Gesamtvollstreckungsverwalter in dem Bereich, für welchen der Sonderverwalter bestellt ist, keinerlei Kompetenzen.

12a) Grundsätzlich geht mit Eröffnung eines Gesamtvollstreckungsverfahrens gemäß § 8 Abs. 2 GesO die Befugnis, das zur Masse gehörige Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, umfassend auf den Verwalter über.

13b) Zu den Aufgaben eines Verwalters gehört es auch, Ansprüche der Gesamtvollstreckungsgläubiger auf Ersatz eines Schadens, den die Gläubiger gemeinschaftlich durch eine Verminderung des zur Masse gehörenden Vermögens erlitten haben, geltend zu machen. Richten sich solche Ansprüche gegen den Verwalter selbst, ist dieser jedoch aufgrund der bestehenden Interessenkollision rechtlich gehindert, sein Amt auszuüben. Die Haftung eines Verwalters wegen Pflichtverstößen kann nur von einem neuen Verwalter oder von einem Sonderverwalter geltend gemacht werden.

14In der Gesamtvollstreckungsordnung fehlen hierzu - anders als in der Insolvenzordnung (§ 92 InsO) - ausdrückliche Regelungen. In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass das Recht zur Geltendmachung gemeinschaftlich erlittener Schäden der Gesamtvollstreckungsgläubiger mit Blick auf den Grundsatz der gemeinschaftlichen und gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung während des Gesamtvollstreckungsverfahrens (allein) dem Verwalter zusteht (vgl. , BGHZ 159, 25, 26 f mwN zur Konkursordnung; vom - IX ZR 54/07, WM 2008, 1324 Rn. 13; Hess/Benz/Wienberg, GesO, 4. Aufl., § 8 Rn. 196; Smid/Rattunde, GesO, 3. Aufl., § 8 Rn. 352; vgl. nunmehr § 92 Satz 1 InsO). Ebenso ist anerkannt, dass ein Sonderverwalter zu bestellen ist (sofern nicht ein neuer Verwalter bestellt wird), wenn Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter aus § 8 Abs. 1 Satz 2 GesO wegen eines Gesamtschadens zu prüfen und durchzusetzen sind (vgl. aaO; vom , aaO; Beschluss vom - IX ZB 58/15, WM 2016, 1648 Rn. 21 zur Insolvenzordnung; jeweils mwN; vgl. nunmehr § 92 Satz 2 InsO und BT-Drs. 12/7302, S. 162 zu § 77 RegE-InsO und S. 165 zu § 103 RegE-InsO). Diese Rechtsprechung ist Ausfluss des allgemeinen Grundsatzes, dass ein Verwalter an der Amtsführung gehindert sein kann, wenn seine persönlichen Belange betroffen sind und deshalb in seiner Person eine Interessenkollision vorliegt (vgl. , BGHZ 113, 262, 270; aaO). Eine solche Interessenkollision in der Person des Verwalters ist gegeben, wenn Schadensersatzansprüche gegen ihn geltend zu machen sind.

15c) Die Bestellung eines Sonderverwalters führt dazu, dass dem Verwalter in dem Bereich, der dem Sonderverwalter durch das Gesamtvollstreckungsgericht wegen Interessenkollision übertragen ist, keine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis zusteht. Der Sonderverwalter wird in einem Bereich tätig, der aufgrund der Verhinderung des Verwalters nicht zu dessen Aufgaben gehört. Der Verwalter ist insoweit nicht "Verwalter" im Sinne der einschlägigen Bestimmungen der Gesamtvollstreckungsordnung. Er hat in dem Bereich, für welchen die Sonderverwaltung eingerichtet worden ist, keinerlei Kompetenzen (, WM 2015, 1065 Rn. 13). Auch von einer Prozessführung kraft Amtes für die Masse ist er ausgeschlossen.

162. Der Ausschluss der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Verwalters erstreckt sich auf die Frage, ob der Sonderverwalter im Rahmen seiner Amtsführung Pflichtverletzungen begangen hat. Es ist gerade das Ziel der Bestellung eines Sonderverwalters, die Aufgabenbereiche voneinander abzugrenzen und mögliche Interessenkonflikte des Verwalters zu vermeiden (vgl. Lüke in Prütting/Bork/Jacoby, InsO, 2023, § 92 Rn. 66). Mit diesem Ziel wäre nicht zu vereinbaren, wenn es dem Verwalter gestattet wäre, die gegen ihn gerichtete Amtsführung des Sonderverwalters einer Überprüfung zu unterziehen. Der rechtskräftige Abschluss des Schadensersatzprozesses gegen den Verwalter ändert hieran nichts, lässt insbesondere den Interessenkonflikt, dessentwegen der Sonderverwalter eingesetzt wurde, nicht entfallen.

17a) Der Sonderverwalter hat sein Amt selbständig zu führen und ist nicht Vertreter des Verwalters (, WM 2008, 1372 Rn. 18 mwN; MünchKomm-InsO/Graeber, § 56 Rn. 157; K. Schmidt/Ries, InsO, 20. Aufl. § 56 Rn. 65; vgl. § 77 Abs. 2 Satz 1 Reg-E InsO, BT-Drucks. 12/2443, S. 20, 131). Er untersteht in seinem Aufgabengebiet der Aufsicht des Gerichts (§ 8 Abs. 3 Satz 1 GesO) und ist diesem und den Gläubigerorganen (§ 15 Abs. 5 Satz 2, Abs. 6 Satz 2 GesO) - nicht dem Verwalter - rechenschaftspflichtig. Die Selbständigkeit des Sonderverwalters ist geboten, damit sich der Interessenkonflikt, der zur Bestellung des Sonderverwalters führt, nicht weiter auswirkt.

18b) Das Ziel, möglichst jede Auswirkung des Interessenkonflikts in der Person des Gesamtvollstreckungsverwalters zu vermeiden, entfällt nicht dadurch, dass der Schadensersatzprozess des Sonderverwalters gegen den Verwalter persönlich rechtskräftig abgeschlossen ist. Dass der Kläger den im Vorprozess zuerkannten Schadensersatz an die Masse geleistet hat und er infolge der rechtskräftigen Abweisung weitergehender Zinsansprüche nicht befürchten muss, insoweit noch persönlich in Anspruch genommen zu werden, ist ebenfalls unerheblich. Auch ist ohne Bedeutung, dass sich der Kläger im hiesigen Prozess die im Vorprozess erfolgreiche Auffassung des Sonderverwalters zu einer Haftung des Klägers für Ausschüttungen an die Sozialplangläubiger zu eigen macht.

19Der Abschluss des Haftungsprozesses gegen den Verwalter löst den Interessenkonflikt nicht auf. Maßgeblich für das Bestehen eines Interessenkonflikts ist, ob - trotz Abschluss des Vorprozesses - objektiv zu besorgen ist, dass sich der Verwalter durch persönliche Belange beeinflussen lassen könnte, würde man zulassen, dass er den Haftungsprozess gegen den Sonderverwalter führt. Dies ist anhand der Rolle zu beurteilen, die dem Verwalter im Haftungsprozess gegen den Sonderverwalter zukommt. Nicht maßgeblich kann demgegenüber sein, ob sich der Verwalter mit der konkret geplanten Prozessführung in Widerspruch zur Tätigkeit des Sonderverwalters setzt oder ob er die Argumentation des Sonderverwalters im Prozess gegen den Verwalter übernimmt. Die Kompetenzbereiche zwischen Verwalter und Sonderverwalter dürfen nicht von anfänglich oftmals noch nicht feststehenden und im Laufe eines Haftungsprozesses möglicherweise Änderungen unterliegenden Umständen des Einzelfalls abhängig gemacht werden, sondern müssen abstrakt bestimmt werden.

20aa) Ein Interessenwiderstreit des Verwalters ergibt sich daraus, dass bei einer Inanspruchnahme des Sonderverwalters das Verhalten des Verwalters, das ursprünglich zur Bestellung des Sonderverwalters geführt hat, erneut und ohne Bindungswirkung durch ein im Schadensersatzprozess gegen den Verwalter ergangenes Urteil zu beurteilen ist. Die Interessenkollision, die das Erfordernis zur Befassung eines Sonderverwalters begründet hat, wirkt deshalb fort. Schon deshalb führt der Verwalter einen Prozess gegen den Sonderverwalter nicht unbefangen.

21Die Frage der Richtigkeit der Inanspruchnahme des Verwalters durch den Sonderverwalter ist ohne Bindung an das Ergebnis des Schadensersatzprozesses gegen den Verwalter zu prüfen und zu entscheiden. Prozesse binden nur die Parteien des Prozesses und ihre Rechtsnachfolger (§ 325 Abs. 1 ZPO). Einer Rechtskrafterstreckung gegen den Sonderverwalter persönlich steht die fehlende Identität der Parteien im Haftungsprozess gegen den Verwalter und im Prozess gegen den Sonderverwalter entgegen. Im Schadensersatzprozess gegen den hiesigen Kläger hat der Beklagte (als Partei kraft Amtes) den Kläger persönlich verklagt; nunmehr nimmt der Kläger (als Partei kraft Amtes) den Beklagten persönlich in Anspruch. Nach der Rechtsprechung handelt es sich um unterschiedliche Parteien, je nachdem ob ein Verwalter kraft Amtes oder persönlich klagt oder verklagt wird (vgl. , WM 2000, 1052, 1053 unter II.1.a mwN, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 144, 192). Es steht im hiesigen Verfahren daher nicht rechtskräftig fest, dass der Kläger im Vorprozess zu Recht zur Leistung von Schadensersatz verurteilt wurde. Im Haftungsprozess gegen den Sonderverwalter wird somit inzident die Berechtigung der Inanspruchnahme des Verwalters erneut einer Überprüfung unterzogen. Dass der Interessenkonflikt nicht ausgeräumt wird, zeigt der Vortrag des Klägers im hiesigen Verfahren, mit dem er wiederholt die Richtigkeit der gegen ihn ergangenen Entscheidung in Zweifel zieht.

22bb) Im Streitfall wird der fortbestehende Interessenkonflikt auch darin offenbar, dass der Kläger zur Begründung des Schadensersatzverlangens gegen den Beklagten geltend machen muss, er selbst sei vom Beklagten nicht im gebotenen Umfang in Haftung genommen worden. Eine solche Behauptung ist dem Kläger ohne eigenen Nachteil nur möglich und zumutbar, wenn gegen ihn in Betracht kommende Ansprüche entweder rechtskräftig abgewiesen oder zweifelsfrei verjährt sind. Selbst wenn eine weitergehende Inanspruchnahme des Klägers im konkreten Einzelfall sicher ausscheidet, müsste er gegenüber den Gläubigern der Gesamtvollstreckungsschuldnerin potentiell rechtfertigen, warum er von ihm selbst als berechtigt erkannte Ansprüche nicht erfüllt (hat), sondern versucht, diese auf den Sonderverwalter weiter zu wälzen. Auch das lässt besorgen, dass der Kläger in einem Haftungsprozess gegen den Sonderverwalter nicht ohne Ansehung eigener Interessen handelt.

23cc) Der Ausschluss des Verwalters von einer Prozessführung gegen den Sonderverwalter ist im Interesse der Gesamtvollstreckungsgläubiger geboten:

24(1) Das Erfordernis, einen weiteren Sonderverwalter (oder einen neuen Verwalter) zu bestellen stellt sicher, dass das Bestehen etwaiger Ansprüche gegen den Sonderverwalter ohne Einfluss des Interessenkonflikts geprüft und damit einhergehende Prozess- und Kostenrisiken unbefangen bewertet werden. Der weitere Sonderverwalter kann dabei zugleich unbefangen in den Blick nehmen, ob gegebenenfalls (weitere) Ansprüche gegen den Verwalter (fort-)bestehen. Erst dies ermöglicht eine sachgerechte Entscheidung über das weitere Vorgehen. Dass mit der Einsetzung eines Sonderverwalters Kosten verbunden sind, ist vor diesem Hintergrund hinzunehmen. Sie können zudem Teil des gegenüber dem Sonderverwalter zu liquidierenden Schadens sein.

25(2) Zugleich schafft der Ausschluss der Prozessführungsbefugnis des Verwalters Klarheit hinsichtlich des Verjährungsbeginns für Schadensersatzansprüche gegen den Sonderverwalter. Verjährungsfristen beginnen grundsätzlich erst dann zu laufen, wenn der betroffene Gläubiger die Möglichkeit hat, verjährungshemmende Maßnahmen einzuleiten (vgl. , WM 2015, 1644 Rn. 14). Maßgeblich ist grundsätzlich die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des für die Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs zuständigen Verwalters; zuvor besteht eine Durchsetzungssperre (vgl. , WM 2014, 2009 Rn. 11 mwN; vgl. auch aaO Rn. 15). Danach besteht für Schadensersatzansprüche gegen den Sonderverwalter eine Durchsetzungssperre bis zur Einsetzung eines weiteren Sonderverwalters oder der Ernennung eines neuen Verwalters.

III.

26Da sich die vom Berufungsgericht ausgesprochene Klageabweisung im Ergebnis als richtig erweist, ist die Revision zurückzuweisen (§ 561 ZPO), dies allerdings mit der Maßgabe, dass die Klage unzulässig ist.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:110424UIXZR148.22.0

Fundstelle(n):
ZIP 2024 S. 1852 Nr. 32
QAAAJ-72235